Wie guter Unterricht intelligentes Wissen schafft -  - E-Book

Wie guter Unterricht intelligentes Wissen schafft E-Book

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Beschreibung

Wie können Lernpotenziale entfaltet, wirksame Lernangebote gestaltet und Lernprozesse begleitet werden? Welche Rollen spielen dabei Intelligenz, Vorwissen, Lernaufgaben, Sprache und Visualisierungen? Das Buch nutzt Befunde der empirischen Lehr-Lernforschung, um diesen Fragen nachzugehen. In jedem Kapitel werden Forschungsergebnisse vorgestellt und ihre Anwendungsmöglichkeiten in der Unterrichtspraxis anschaulich beschrieben. Dabei werden unter anderem Studien der international renommierten Lehr-Lernforscherin Elsbeth Stern als Beispiele genutzt. Das Buch richtet sich an angehende und praktizierende Lehrkräfte sowie alle Bildungsinteressierte.

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Inhalt

Cover

Titelei

Vorwort: Das Stern-Zeitalter

1 Einleitung: Elsbeth Sterns Engagement für die empirische Lehr-Lern-Forschung, die Wissenschaftskommunikation und den wissenschaftlichen Nachwuchs

1.1 Elsbeth Sterns Engagement für die Lehr-Lern-Forschung

1.2 Elsbeth Sterns Engagement in der Wissenschaftskommunikation

1.3 Elsbeth Sterns Engagement als akademische Mentorin

1.4 Der Aufbau dieses Buchs

1.5 Literatur

Teil I: Vom Potenzial zur Kompetenz

2 Mathematische Kompetenzentwicklung in Vorschule und Schule: Impulse aus den LOGIK- und SCHOLASTIK-Studien

2.1 Ziele der LOGIK- und SCHOLASTIK-Studien und das Engagement von Elsbeth Stern

2.2 Wichtige Befunde zu Vorschulkenntnissen und der Schulmathematik aus der LOGIK-Studie

2.3 Befunde zur mathematischen Kompetenzentwicklung aus der SCHOLASTIK-Studie

2.4 Relevanz der Befunde und ihre Implikationen für die Unterrichtspraxis

2.5 Literatur

3 Studien zum Fach Latein – Auf der Suche nach Transfereffekten

3.1 Gängige Argumente für Latein und Einwände

3.2 Beweggrund für eine Lateinstudie

3.3 Studie 1: Längsschnittstudie

3.4 Studie 2: Spanisch

3.5 Reaktionen auf die Ergebnisse

3.6 Konsequenzen für die Praxis

3.7 Literaturverzeichnis

4 Die Rolle von Intelligenz und Wissen für die Entwicklung von Expertise

4.1 Intelligenzforschung vs. Expertiseforschung

4.2 Die Grazer Taxifahrerstudie

4.3 Die Grazer Schachstudie

4.4 Weiterführende Analysen von Daten der Grazer Schachstudie

4.5 Implikationen für schulisches Lehren und Lernen

4.6 Schlussbemerkung

4.7 Literaturverzeichnis

5 Die Zukunft der Intelligenzforschung und ihre Bedeutung für die Schule

5.1 Menschliche Intelligenz

5.2 Menschliche vs. Künstliche Intelligenz im Lichte der Debatten um Trans- und Posthumanismus

5.3 Implikationen für Schule & Lernen

5.4 Literaturverzeichnis

6 Potenziale nutzen – unabhängig von Geschlecht und sozialer Herkunft

6.1 Unentdecktes Potenzial sichtbar machen – Eine Sensibilisierung

6.2 Guter Unterricht hilft allen

6.3 Zusammenfassung

6.4 Literaturverzeichnis

Teil II: Lernangebote gestalten

7 Das Verstehen von Textaufgaben aus psychologischer Sicht: Eine Auswahl an Forschungsarbeiten von Elsbeth Stern und ihre Bedeutung für den aktuellen Mathematikunterricht

7.1 Einleitung

7.2 Die Rolle semantischer Strukturmerkmale beim Verstehen und Lösen einfacher additiver Textaufgaben

7.3 Die Rollen von Textverständnis und Vertrautheit mit der Problemsituation

7.4 Oberflächliche und unrealistische Interpretationen von Textaufgaben

7.5 Empfehlungen für die Unterrichtspraxis

7.6 Literaturverzeichnis

8 Aufgaben lernwirksam sortieren: Über das Vergleichen, Kontrastieren und Verschachteln als wünschenswerte Erschwernisse

8.1 Wissenschaftlicher Hintergrund lernwirksamer Sortierungen

8.2 Vergleichen

8.3 Kontrastieren

8.4 Verschachteln

8.5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Vergleichens, Kontrastierens und Verschachteln

8.6 Vorschläge für die Praxis

8.7 Literaturverzeichnis

9 Vermeidung von Fehlkonzepten durch die Förderung des Verständnisses von Experimenten in der Grundschule

9.1 Forschungsstand zur Variablenkontrollstrategie (VKS)

9.2 Engineering-Approach als Fehlkonzept beim Experimentieren

9.3 Vorliegende Studie

9.4 Ergebnisse

9.5 Diskussion

9.6 Literaturverzeichnis

10 Konzeptuelles Verständnis und prozedurale Handlungskompetenz von Lernenden: Wie sie zusammenhängen und welche Unterrichtsmethoden sie stärken

10.1 Charakteristische Eigenschaften konzeptuellen und prozeduralen Wissens

10.2 Ist konzeptuelles oder prozedurales Vorwissen wichtiger für weiteres Lernen?

10.3 Was zeigen empirische Untersuchungen zu den Beziehungen zwischen konzeptuellem und prozeduralem Wissen?

10.4 Wie kann Unterricht den Erwerb konzeptuellen und prozeduralen Wissens fördern?

10.5 Fazit

10.6 Literaturverzeichnis

11 Konstruktivistisch orientierte Lernumgebungen in der Grundschule: Wie man Kinder zum Nachdenken über naturwissenschaftliche Sachverhalte herausfordert

11.1 Konzeptentwicklung in den Naturwissenschaften

11.2 Gestaltungsprinzipien eines qualitätsvollen Unterrichts der Grundschule

11.3 Professionalisierungsangebote und Unterrichtsmaterialien für Grundschullehrkräfte

11.4 Ausblick

11.5 Literaturverzeichnis

Teil III: Lernprozesse begleiten

12 Verständnisorientierung im Mathematikunterricht: Profitieren davon auch schwächere Schülerinnen und Schüler?

12.1 Einleitung

12.2 Renkl und Stern (1994): Die Bedeutung von kognitiven Eingangsvoraussetzungen und schulischen Lerngelegenheiten für das Lösen von einfachen und komplexen Lernaufgaben

12.3 Praktische Implikation: Man sollte auch bei schwächeren Schüler*innen ein Verstehen mathematischer Strukturen und Prinzipien anzielen

12.4 Drei kritische Nachfragen und Antworten dazu

12.5 Zum Abschluss

12.6 Literaturverzeichnis

13 Die Nutzung von Repräsentationen als Denkwerkzeuge in der Grundschule

13.1 Das Projekt ENTERPRISE – Wissenschaftlicher Unternehmensgeist

13.2 Situierte Kognition oder Wie der Lernkontext das Lernen beeinflusst

13.3 Repräsentationssysteme oder Wie Diagramme als Lernwerkzeug dienen können

13.4 Frühe Fähigkeiten von Kindern zum Umgang mit Repräsentationen oder »Vom unterschätzten Grundschulkind«

13.5 Repräsentationen zur Überwindung von mathematischen Fehlvorstellungen

13.6 Ausblick

13.7 Literaturverzeichnis

14 Sprache als wichtiges Werkzeug der Lehrenden: Verbale Interaktion zur Unterstützung des frühen MINT-Lernens

14.1 Einleitung

14.2 Funktionen sprachlicher Interaktion im fachlichen Lernen

14.3 Strukturierung und Anregung von Denkprozessen

14.4 Praxisnahe Untersuchung der Funktion von Sprache beim fachlichen Lernen

14.5 Fazit

14.6 Literaturverzeichnis

15 Verständnis der Grundkonzepte in Chemie und Physik effektiv fördern

15.1 Chemie: Diagnose und Förderung des Verständnisses der Bindungslehre

15.2 Physik: Förderung des Konzeptwissens im gymnasialen Kinematikunterricht

15.3 Relevanz der Studienresultate für den Unterricht

15.4 Praxistipps zur Kontrastierung in der chemischen Bindungslehre

15.5 Praxistipps zu formativem Assessment in der Kinematik

15.6 Literaturverzeichnis

16 Wie guter Unterricht intelligentes Wissen schafft: Zusammenfassende Betrachtung der Anregungen für die Unterrichtspraxis

Teil I: Vom Potenzial zur Kompetenz

Teil II: Lernangebote gestalten

Teil III: Lernprozesse begleiten

17 Nachwort: Vom Paper in die Schulstube – Oder: Vom steinigen Weg der empirischen Lehr- und Lern-Forschung in die unterrichtliche Praxis am Beispiel der Ausbildung von Lehrpersonen an der ETH Zürich

17.1 Hintergrund

17.2 Die Ausbildung von Lehrpersonen an der ETH Zürich

17.3 Die Überführung von Begründungswissen in Handlungswissen: Drei Beispiele

17.4 Ein Fazit – aber in zwei Teilen

17.5 Literaturverzeichnis

Teil IV: Verzeichnisse

Autor*innenverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Die Herausgeber

Dr. Michael Schneider ist Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Trier.Dr. Roland H. Grabner ist Professor für Begabungsforschung an der Universität Graz.Dr. Henrik Saalbach ist Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Leipzig.Dr. Lennart Schalk ist Professor für MINT-Fachdidaktik an der PH Schwyz.

Michael Schneider, Roland H. Grabner, Henrik Saalbach & Lennart Schalk (Hrsg.)

Wie guter Unterricht intelligentes Wissen schafft

Handlungswissen aus der Lehr-LernforschungEine Festschrift für Elsbeth Stern

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-041242-2

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-041243-9epub: ISBN 978-3-17-041244-6

Vorwort: Das Stern-Zeitalter

Ernst Hafen

Hochschuldidaktik und Lehr- und Lernforschung findet man zwar an den meisten Hochschulen, nur führt dieses Gebiet oft ein eher stiefmütterliches Dasein, denn Professorinnen und Professoren gehören zu den wenigen Lehrpersonen, die keine formelle didaktische Ausbildung machen müssen. Das heisst nicht, dass sie schlechte Lehrpersonen sind, doch oft orientieren sie sich – wie ich selbst auch – an den Vorbildern in ihrer eigenen Ausbildung. Die universitäre Lehre war bis zum Beginn der Pandemie sehr traditionell und rückwärtsgewandt. Erst Covid-19 hat rasch gezeigt, dass auch andere Lernformen möglich und zum Teil auch nachhaltiger sind, als Frontalvorlesungen mit hunderten von Studierenden. Während man sich in der Forschung nach den neusten Erkenntnissen im Gebiet richtet und im Team arbeitet, orientiert man sich in der Lehre an der Vergangenheit und bereitet Vorlesungen meist allein vor. Allein schon die Begriffe Vorlesung und Hörsaal zeugen von einem eher rückwärtsgewandten Verständnis von Lehre. Niemand erwartet, dass er oder sie nach dem Besuch eines Fussballspiels oder eines Konzerts Fussball beziehungsweise Klavier spielen kann.

An der ETH ist die Hochschuldidaktik und die Lehr- und Lernforschung am Institut für Verhaltensforschung angegliedert. Der Fokus liegt auf der didaktischen Ausbildung von Gymnasiallehrpersonen und weniger in der didaktischen Ausbildung von Professorinnen und Professoren. Die didaktische Lehrerausbildung an der ETH wurde über Jahre durch Professor Karl Frey mit seiner sehr angewandten Didaktik, die von den Lehrpersonen geschätzt wurde, geprägt. Der gelbe Ordner seiner Vorlesung mit den zahlreichen Hinweisen zu einem guten Unterricht steht heute noch im Bücherregal vieler naturwissenschaftlich ausgebildeter Gymnasiallehrpersonen. Die 3-Sekunden-Warten-Regel etwa besagt, dass man nach einer an die Schülerinnen und Schüler gestellten Frage 3 Sekunden warten soll, bevor man jemanden aufruft, beziehungsweise bevor man auf seine/ihre Antwort reagiert. Ein Tipp, den ich auch in Vorlesungen anzuwenden versuche.

Nach einer kurzen Besetzung des Lehrstuhls mit einem Psychologen, der mit Mäusen arbeitete, hatte ich als damals amtierender Präsident der ETH Zürich die Möglichkeit, Elsbeth Stern als Leiterin des Instituts zu berufen. Beeindruckt hat mich im Berufungsgespräch der wissenschaftliche Ansatz, den Elsbeth Stern in der Lehr- und Lernforschung verfolgte. Sie hatte sich mit dem konzeptionellen Verständnis physikalischer Prozesse, wie zum Beispiel der physikalische Auftrieb, bei Primarschulkindern in Deutschland auseinandergesetzt und wollte einen solchen Ansatz auch auf dem Niveau der Hochschulstudierenden weiterführen. Damit begann am Institut für Verhaltensforschung das Stern-Zeitalter mit wissenschaftlicher Lehr- und Lernforschung.

Zuerst mussten allerdings die Ausbildungsgänge für Gymnasialpersonen den kantonalen Vorschriften angepasst werden. Mit viel Elan stürzte sich Elsbeth Stern in diese ihr unvertraute Aufgabe. So wurde sie schnell mit dem föderalistischen System der Schweiz konfrontiert, in dem kantonale Beamte die Ausbildungsgänge der ETH beurteilten. Nebst diesen administrativen Aufgaben richtete sie ihre Forschungsgruppe ein und führte ihre in Deutschland begonnene Forschung mit Kindern im Primarschulalter weiter. Zusammen mit Ralph Schumacher knüpfte sie Beziehungen zu verschiedenen Primarschulen in der Schweiz. Diese Beziehungen wurden über die Jahre intensiviert und erlaubten Kohorten von Schülerinnen und Schülern zu etablieren, deren konzeptionelles Verständnis für Physik nach verschiedenen Interventionen und Unterrichtsmethoden über die Jahre getestet werden konnte.

Nach meinem Rücktritt als ETH Präsident übernahm ich am Departement Biologie die Verantwortung für die Ausbildung von Biologielehrpersonen und hatte deshalb bis zu meiner Emeritierung engen Kontakt mit Elsbeth Stern. Kennzeichnend für Elsbeth war, dass sie immer den Kontakt zu den jeweiligen Verantwortlichen für die Lehrerbildung in den Departementen pflegte. So unterstützte sie unsere Erneuerung der Biologielehrpersonenausbildung tatkräftig und setzte sich auch mit den Inhalten auseinander. Insbesondere lag uns viel daran, die Evolution mit natürlicher Selektion viel zentraler im gymnasialen Lehrplan zu verankern. Nur zu oft wird über Darwin und Evolution erst am Ende der Schulzeit in einer fast ausschliesslich wissenschaftshistorischen Perspektive gesprochen, anstatt diese zentrale treibende Kraft der Biologie in jedem Aspekt der Biologie zu betonen. Gemeinsam organisierten wir 2010 das Symposium Bringing Modern Biology to Schools und knüpften so Kontakte zur internationalen Gemeinschaft der Discipline Based Education Research (DBER) in Biologie. Mit Mike Klymkowski von der University of Colorado in Bolder etablierten wir eine Zusammenarbeit, die in einer gemeinsam betreuten Doktorarbeit resultierte. Frau Annie Champagne untersuchte gängige Fehlvorstellungen im Verständnis der Biologie unter Gymnasiastinnen und Gymnasiasten und unter Biologiestudierenden. Sie konnte zeigen, dass Studierende, die sich für ein Biologiestudium an der ETH oder der Universität Zürich entschieden, ähnlich viele Fehlvorstellungen im biologischen Verständnis hatten wie der Durchschnitt aller Gymnasiastinnen und Gymnasiasten. Ausserdem zeigten ihre Untersuchungen, dass nach zwei Semestern mit je fünf Wochenstunden Biologieinstruktionen (als Frontalvorlesungen) sich die vorhandenen Fehlvorstellungen lediglich um 15 Prozent reduzieren liessen.

2013 organisierten Elsbeth Stern und ich den Workshop Thinking Big About Students, Their Data and the Future of Education. Wir hatten Vertreter von Google, Coursera und andere Experten in Online Education sowie eine Ethikerin eingeladen. Es war interessant zu sehen, wie hier unterschiedliche Ansichten zur Zukunft der Bildung aufeinandertrafen: auf der einen Seite die von Elsbeth Stern vertretene etablierte Lehr- und Lernforschung basierend auf klassischen Forschungsansätzen der Psychologie und auf der anderen Seite die Vertreter der Big-Data-Measure-Everything Datenkultur. Seither hat sich gerade auch durch die Pandemie gezeigt, dass im Online Unterricht enorm viele personenbezogene Daten anfallen, die wesentliche Einsichten in den Lernfortschritt liefern. Dass in Zukunft solche Daten als Ergänzung – oder eventuell sogar als Ersatz für summative Assessments in Form von Semesterendprüfungen – mehr berücksichtigt werden sollten, ist evident. Daraus ergeben sich viele datenschutzrechtliche und ethische Herausforderungen, die gerade eine Institution wie die ETH in der Rolle einer Vorreiterin angehen könnte. Denn eines scheint klar: Wenn wir dieses Thema nicht rasch selbst angehen, werden es sicher die grossen Internetkonzerne machen. Insbesondere in Amerika, wo sich Studierenden für eine universitäre Ausbildung stark verschulden müssen, sehen Datenkonzerne in der daten-getriebenen personalisierten Bildung nach der personalisierten Medizin neue Geschäftsfelder.

Auch wenn Elsbeth Stern und ich in Bezug auf die Zukunft der daten-getriebenen Bildung nicht immer einer Meinung waren, war Elsbeths Unterstützung in der Bildung des Centers of Active Learning (CAL) am Departement Biologie sehr wichtig. Im CAL arbeiten promovierte Biologinnen und Biologen, die sich ausschliesslich mit Lehre befassen und zusammen mit Dozierenden Vorlesungen, Curricula und einzelne Lerneinheiten mit Onlineelementen planen. Mit Hilfe der Unterstützung von CAL können Dozierende blended learning und flipped classroom Module ohne grösseren technischen und zeitlichen Aufwand in ihren Unterricht einbauen. Es freut mich, dass diese Unterstützung gerade auch während der Pandemie auf grosse Wertschätzung im Departement gestossen ist. Wie die Forschung kann Unterricht so schliesslich zu Teamwork werden.

Elsbeth Sterns aktive Unterstützung einer qualitativ hochstehenden Ausbildung von Lehrpersonen in naturwissenschaftlichen Fächern und ihr eigenes Engagement für eine weitere Verbesserung der STEM Kenntnisse bereits in der Primarschule leistet einen wichtigen Beitrag für die zukünftigen Studierenden der ETH und der Bildung in der Schweiz generell. Es war mir eine grosse Freude, mit Elsbeth Stern über 15 Jahre zusammenarbeiten zu können.

1 Einleitung: Elsbeth Sterns Engagement für die empirische Lehr-Lern-Forschung, die Wissenschaftskommunikation und den wissenschaftlichen Nachwuchs

Michael Schneider, Roland H. Grabner, Henrik Saalbach & Lennart Schalk

Wissenschaftliche Forschung zu erfolgreichem Lernen und das tatsächliche Unterrichten in der Schule werden oft als zwei getrennte Bereiche beschrieben, die – wenn überhaupt – nur punktuell zusammenhängen. Die mangelnde Verbindung zwischen der Theorie und der Praxis guten Unterrichtens wird entsprechend häufig beklagt. Dies müsste nicht so sein: Die Unterrichtspraxis stellt ein faszinierendes Forschungsfeld für die Grundlagenforschung zu erfolgreichem Lernen dar, und Grundlagenforschung unter kontrollierten Bedingungen kann Praktikern wertvolle neue Impulse geben. Von diesen wechselseitigen Anregungen handelt dieses Buch. Jedes Kapitel geht sowohl auf zentrale wissenschaftliche Studien als auch auf Aspekte der Unterrichtspraxis zum jeweiligen Thema ein. Das Buch richtet sich an alle, die sich für Schule und Bildung interessieren, vor allem an Lehrkräfte, Schulleitungen, Bildungspolitiker*innen, Schulbuchautor*innen und Eltern. Geschrieben wurde das Buch von Wissenschaftler*innen, die das Lehren und Lernen untersuchen und von denen viele in der Aus- oder Weiterbildung von Lehrkräften tätig sind. Im letzten Kapitel kommentiert ein im Schuldienst tätiger Lehrer die Buchinhalte aus Sicht eines Praktikers und beschreibt humorvoll, wie sich vieles gut umsetzen lässt, aber wie schwierig das auch manchmal sein kann. Dieses Buch versucht, eine Brücke über die Lücke zwischen der Theorie und der Praxis guten Unterrichtens zu schlagen. Die Lücke ganz zu schließen, ist allerdings noch keinem gelungen, und auch wir können es nicht. Vielleicht wäre das auch nicht sinnvoll, denn guter Unterricht braucht immer beides: eine klare Fundierung in wissenschaftlichen Erkenntnissen und die konkrete Ausgestaltung auf Grundlage praktischer Erfahrung. Umso wichtiger ist es, dass Forschende und Praktiker*innen eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten und gegenseitig voneinander lernen.

Eine Person, die wie keine Zweite für die Idee steht, Theorie und Praxis guten Unterrichtens zu verbinden, ist die empirische Lehr-Lern-Forscherin Elsbeth Stern. Ihr ist diese Festschrift gewidmet. Elsbeth Stern wurde in der Grundlagenforschung sozialisiert und ist dort zu Hause. So arbeitete sie bei Franz Weinert am Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung in München und war viele Jahre Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Eines ihrer größten Anliegen ist die Verbesserung der Lernbedingungen an Schulen, für die sie sich in der Gymnasiallehrpersonenausbildung an der ETH Zürich einsetzt sowie in Büchern, Vorträgen, Fernsehauftritten und Zeitungsartikeln für Lehrer*innen und die bildungsinteressierte Öffentlichkeit. Der ehemalige Präsident der ETH Zürich, Ernst Hafen, beschreibt im Vorwort dieses Buchs, aus welchen Gründen er damals Elsbeth Stern an die ETH holte.

Diese Festschrift verbindet drei Aspekte, die Elsbeth Stern auszeichnen: Ihre Erfolge in der Lehr-Lern-Forschung, ihr Engagement in der Wissenschaftskommunikation und ihre Rolle als akademische Mentorin und Kooperationspartnerin. Die Kapitel des Buches wurden von Elsbeth Sterns akademischen Schülerinnen und Schülern sowie langjährigen Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern geschrieben. Jedes Kapitel handelt von einer Studie oder einem Forschungsthema Elsbeth Sterns, stellt die Forschungsbefunde zu dem Thema prägnant vor und veranschaulicht anhand konkreter Beispiele, wie diese Befunde zur Gestaltung guten Schulunterrichts genutzt werden können.

Die Kapitel nutzen dabei Studien von Elsbeth Stern als Beispiele, um Fragen zu thematisieren, die für die aktuelle Lehr-Lern-Forschung von genereller Wichtigkeit sind. Damit gibt das Buch einen breiten Überblick über Themen, Befunde und offene Fragen, die in Forschung und Praxis schon lange diskutiert werden und noch immer hochaktuell sind: Was ist guter Unterricht? Wie können wissenschaftliche Befunde zur Gestaltung guten Unterrichts genutzt werden? Wie können Inhalte so unterrichtet werden, dass sie verstanden und im Alltag flexibel angewendet werden? Was können Forschende aus der Unterrichtspraxis lernen? Diese Fragen können nie vollständig und allgemeingültig beantwortet werden, weil der Begriff des guten Unterrichts in verschiedenen historischen oder gesellschaftlichen Kontexten unterschiedlich interpretiert werden muss und weil die empirische Forschung fortlaufend neue und genauere Erkenntnisse bietet. Statt die Fragen vollständig und allgemeingültig zu beantworten, werfen die Kapitel des Buches daher Schlaglichter auf Themen, die beispielhaft Aspekte guten Unterrichts veranschaulichen, die in der empirischen Lehr-Lern-Forschung in den letzten drei Jahrzehnten innovativ, intensiv und erfolgreich untersucht wurden.

Eine inhaltliche Klammer, die diese vielfältigen Themen zusammenhält – sowohl in diesem Buch als auch in Elsbeth Sterns Wirken – ist der Begriff des intelligenten Wissens , der ursprünglich von ihrem akademischen Mentor Franz E. Weinert (1996) geprägt wurde. Im Alltag wird der Begriff Wissen oft synonym mit Faktenwissen gebraucht. Im Rahmen dieses Buches verwenden wir den Begriff hingegen so, wie es in der Lehr-Lern-Forschung üblich ist, sodass er neben Faktenwissen auch Wissen über wissenschaftliche Konzepte, Handlungen und Problemlösungen umfasst. Wissen in diesem breiteren Sinne stellt die kognitive Grundlage von akademischer Leistung und alltagsrelevanter Grundbildung dar. Intelligenz ist die Fähigkeit denkender Wesen zum logischen Schlussfolgern, zum Verständnis von Zusammenhängen und zur Lösung neuer Probleme (Gottfredson, 1997, S. 13). Wissen kann also nicht im wörtlichen Sinne intelligent sein. Der Begriff des intelligenten Wissens wirkt daher provokativ und zieht Aufmerksamkeit auf sich. Elsbeth Stern setzt den Begriff gezielt ein, um diese Aufmerksamkeit zu gewinnen und auf ein Thema von fundamentaler Wichtigkeit zu lenken: Intelligenz und Wissen sind untrennbar miteinander verwoben. Wissen ist nützlich, wenn man es mittels intelligenten Denkens flexibel zur Bewältigung neuer Herausforderungen anwenden kann. Intelligenz ist nur dann nützlich, wenn sie zum Erwerb von Wissen und Lösen von Problemen eingesetzt wird. Diese wechselseitige Abhängigkeit von Intelligenz und Wissen hat wichtige Implikationen für die Gestaltung von Schule und Unterricht, die an mehreren Stellen dieses Buchs diskutiert werden.

Bevor wir den Aufbau und die Kapitel des Buches vorstellen, beschreiben wir in den folgenden Abschnitten Elsbeth Sterns Engagement für die Lehr-Lern-Forschung, die Wissenschaftskommunikation und den wissenschaftlichen Nachwuchs.

1.1 Elsbeth Sterns Engagement für die Lehr-Lern-Forschung

Elsbeth Sterns Forschung zum Lehren und Lernen ist geprägt sowohl durch einen grundlagenwissenschaftlich-experimentellen als auch einen entwicklungspsychologischen Zugang. Während sie sich im Rahmen ihrer Dissertation an der Universität Hamburg noch mit Fragen der experimentellen Sozialpsychologie beschäftigte, verlegte sie ihren Fokus als Postdoc in der von Franz Weinert geleiteten Abteilung am Münchner Max-Planck-Institut auf die entwicklungspsychologisch ausgerichtete Forschung zum schulischen Lernen. Sie forschte fortan im Rahmen der Längsschnittstudie LOGIK zur Entwicklung mathematischen Wissens im Allgemeinen und zum Lösen mathematischer Textaufgaben im Besonderen. Dabei lag der Fokus ihrer Forschung auf dem oben beschriebenen Zusammenspiel von Wissen und Intelligenz (Stern, 1999).

In ihrer Münchner Phase legte Elsbeth Stern, geprägt durch die Ansätze Franz Weinerts, die konzeptuelle Grundlage ihrer weiteren Forschungsarbeiten bis zum heutigen Tag. Die starke entwicklungspsychologische Ausrichtung ihrer Arbeiten ermöglichte ihr, Lernprozesse im Sinne eines konstruktivistischen Ansatzes zu konzeptualisieren und Merkmale zu identifizieren, die sich sowohl bei jungen Lernenden in Kindergarten und Grundschule als auch bei älteren Lernenden der Sekundarstufen, des Gymnasiums sowie der Hochschule wiederfinden. So konnte sie etwa im Kontext der LOGIK-Studie zeigen, dass neues Wissen immer auf dem aufbaut, was bereits an Wissen vorhanden ist, indem sie einen statistisch bedeutsamen Zusammenhang (unter Kontrolle der Intelligenz) zwischen der Leistung von Zweitklässlern im Lösen von mathematischen Textaufgaben und den Leistungen in Mathematik viele Jahre später in der Sekundarstufe II nachwies (Stern, 1998). Die Dokumentation verschiedener Lernwege (einschließlich Um- und Irrwegen) im Mathematiklernen war nicht nur ein Meilenstein pädagogisch-psychologischer Forschung, sondern begründete auch ihr »Mantra« vom guten Unterricht: Eine Lehrperson kann nur dann lernwirksam unterrichten, wenn sie das konstruktivistische Wesen des Lernens beim Unterrichten berücksichtigt. Dazu kann sie etwa Schülerinnen und Schüler zu aktiven Denkprozessen anregen oder vielfältige Möglichkeiten nutzen, »in die Köpfe der Lernenden zu schauen«, um den Unterricht entsprechend anzupassen. Tatsächlich fand Elsbeth Stern gemeinsam mit Fritz Staub einen bedeutsamen Zusammenhang zwischen der Ausprägung konstruktivistisch ausgerichteter pädagogischer Überzeugungen von Grundschullehrpersonen und dem Lernerfolg der Lernenden im Mathematikunterricht (Staub & Stern, 2002). Die aus dieser Studie hervorgegangene Publikation ist nicht nur ihre meistzitierte Arbeit. Sie bildet auch einen der Grundsteine für die Forschung zu den professionellen Kompetenzen von Lehrpersonen und deren Auswirkungen auf Unterricht und Lernen – mittlerweile ein Kernbereich der empirischen Bildungsforschung im deutschsprachigen Raum.

Der zweite Anlass für die Notwendigkeit einer entwicklungspsychologischen Perspektive ergab sich aus der Langwierigkeit der Entwicklung begrifflichen Wissens: Die Grundlage für erfolgreiches Lernen wird schon sehr früh gelegt. Daher sollten Elsbeth Stern zufolge bereits in Grundschule und Kindergarten Kompetenzen und/oder Vorläuferfähigkeiten vermittelt werden, die später im Sinne eines Spiralcurriculums ausdifferenziert und transformiert werden müssten. Das zeigt sich beispielhaft in einer Studie mit Kindergartenkindern, deren Mengenverständnis als mathematische Vorläuferfähigkeit in engem Zusammenhang zum Mathematiklernen in der 2. Klasse stand (Schalk et al., 2016). Dieser Ansatz charakterisiert ihre Berliner Phase am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, in der zahlreiche experimentelle Laborstudien zum Lernen im MINT-Bereich durchgeführt wurden. In dem Kontext erfolgte auch die Prägung der Begriffe »kognitive Aktivierung« und »kognitive Strukturierung« als Wesensmerkmale effektiver Lernumgebungen. Nur wenn Lernende sich aktiv darum bemühen, neues Wissen mit bestehendem Wissen in Verbindung zu bringen und dabei durch spezifische Maßnahmen der Lehrperson entsprechend der individuellen Fähigkeiten unterstützt werden, wird ein Lernerfolg bzw. ein kontinuierlicher Kompetenzaufbau möglich (z. B. Hardy et al., 2006). Diese grundlagenwissenschaftlich geprägten Begrifflichkeiten fanden dann auch Eingang in die zeitgleich durch die Arbeitsgruppe um Jürgen Baumert und Eckhard Klieme am MPI für Bildungsforschung durchgeführten Studien im Kontext der PISA 2000 Erhebung und wurden damit zu Schlüsselbegriffen der deutschsprachigen Bildungsforschung.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit von Elsbeth Stern in Berlin war die Forschung zum Einfluss mentaler Werkzeuge im Lernprozess. Mentale Werkzeuge wurden hier verstanden als kulturelle Artefakte zur Unterstützung des Verständnisses bzw. zur Repräsentation abstrakter Konzepte und Relationen, vor allem im MINT-Bereich. Die Arbeitsgruppe um Elsbeth Stern forschte in enger Kooperation mit Wissenschaftler*innen im In- und Ausland zu den Auswirkungen der Verwendung von Diagrammen, Waagen und Zahlenstrahl aber auch zu Schrift und Sprache (z. B. Hardy et al., 2005). Mit diesen Arbeiten differenzierte und entwickelte Elsbeth Stern ihren Ansatz zur Erforschung schulischer bzw. schulrelevanter Lernprozesse.

Mit dem Wechsel an die ETH Zürich und der Übernahme der Verantwortung für die dortige gymnasiale Lehrpersonenausbildung veränderte sich der Schwerpunkt von Elsbeth Sterns Forschungsarbeiten. Nun lag ihr Fokus zunehmend auf den Bedingungen erfolgreichen Lehrens und Lernens bei älteren Kindern und Jugendlichen. Gleichwohl bauten die neuen Studien auf eben jenen Einsichten auf, die sie während ihrer Münchner und Berliner Jahre in ihren Arbeiten zur Entwicklung und zum Lernen junger Kinder gewonnen hatte. Beispielsweise hat sie weiterhin die Beziehung zwischen Intelligenz und bereichsspezifischem Wissenserwerb erforscht, in dem das Leistungspotenzial von Mädchen im MINT-Bereich der Sekundarstufe beleuchtet wurde (Hofer & Stern, 2016). Der »Früh-übt-sich«-Ansatz widerspiegelt sich außerdem in der großen längsschnittlich angelegten Schweizer MINT Studie, mit der das naturwissenschaftliche Denken ab der Grundschul- bzw. Primarschulstufe mithilfe der von Kornelia Möller an der Universität Münster entwickelten Klassenkisten bzw. KiNT-Kisten gefördert wird. Im Rahmen der Studie erhielt eine Vielzahl von Grundschullehrpersonen eine Weiterbildung, sodass sie die Unterrichtsmaterialien der KiNT-Kisten selbständig in ihren Klassen einsetzen können. In einem umfassenden Forschungsprojekt wird dabei begleitend die Kompetenzentwicklung der Kinder kontinuierlich im Längsschnitt untersucht. Elsbeth Stern war zudem an der Erstellung verschiedener Expertisen zum gesamten Bildungsverlauf beteiligt, u. a. an einer Expertise (ZHSF, 2009), die über die gesamte Schullaufbahn bis hin zum Studium den Aufbau des Naturwissenschafts- und Technikunterrichts im Kanton Zürich konzeptualisierte.

Gleichzeitig führen Elsbeth Stern und Ralph Schumacher Grundlagenforschung und Anwendung im MINT-Lernzentrum der ETH in einer weltweit einzigartigen Art und Weise zusammen. Unter der Leitung von Ralph Schumacher entwickeln dort Unterrichtsforscher*innen, Fachdidaktiker*innen und Lehrpersonen gemeinsam neue Lernangebote. Dabei werden zunächst Instruktionsmethoden, wie etwa das Vergleichen und Kontrastieren von Beispielen oder das Verwenden von Selbsterklärungen, mittels Experimenten kontrolliert untersucht (Hofer et al., 2018). Nur wenn sie sich dabei als effektiv erweisen, integrieren Lehrpersonen sie in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen in die Entwicklung von naturwissenschaftlichen Unterrichtseinheiten. Dieses Material wird dann – bei positiver Evaluation – sowohl in der Schulpraxis als auch in der Lehrpersonenausbildung eingesetzt. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, schulische Lernangebote für den MINT-Bereich nachhaltig zu optimieren. Gemeinsam mit Ralph Schumacher initiierte Elsbeth Stern außerdem die ETH Youth Academy. Diese Academy hat das Ziel, das Interesse von Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 5 – 12 für mathematisch-naturwissenschaftliche Studiengänge zu erhöhen. Diese exemplarischen Engagements zeigen den breiten Ansatz von Elsbeth Stern für die Bildung, der sämtliche Stufen umfasst und weit über reine Forschungsarbeiten hinausgeht.

Schließlich hat sich Elsbeth Sterns Engagement in der empirischen Lehr-Lern-Forschung in einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Potenzial der Neurowissenschaften für die Verbesserung des Schulunterrichts gezeigt. Für populäre Medien verfasste sie zu diesem Thema viele Texte, gab zahlreiche Interviews und hielt Vorträge. Anfang der 2000er Jahre wurde sie vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beauftragt, eine umfangreiche Expertise zu Chancen und Grenzen der Zusammenarbeit zwischen Neurowissenschaften und Lehr-Lern-Forschung zu erstellen. Zu diesem Zweck veranstaltete sie einen Workshop mit internationalen Expert*innen aus beiden Forschungsdisziplinen und nahm mit Kolleginnen und Kollegen eine umfassende Literaturrecherche vor. Als Folge der Expertise, die 2005 auf Deutsch (Stern et al., 2005) und 2006 auf Englisch (Stern et al., 2006) erschien, initiierte das BMBF ein mehrjähriges Programm zur Förderung von Forschungstätigkeiten an der Schnittstelle von Lehr-Lern-Forschung und Neurowissenschaften (NIL: Neurowissenschaften – Instruktion – Lernen), aus dem zahlreiche erfolgreiche Projekte hervorgingen.

Neben der Expertise veröffentlichte Elsbeth Stern zahlreiche wissenschaftliche Artikel zur Bedeutung der Neurowissenschaften für ein besseres Verständnis und eine erfolgreichere Förderung von schulischem Lernen. Einer dieser Fachbeiträge war das Editorial »Pedagogy meets Neuroscience« in der renommierten Zeitschrift Science (Stern, 2005), in dem sie darauf hinweist, dass die Neurowissenschaften in der Erforschung von Lernschwierigkeiten und -hindernissen Potenzial, aber in vielen anderen Bereichen auch klare Grenzen haben und häufig mit unrealistischen Erwartungen verbunden seien.

In diesen Aktivitäten kommt zum Ausdruck, dass Elsbeth Stern der neurowissenschaftlichen Erforschung von schulrelevantem Lehren und Lernen zwar skeptisch, jedoch niemals kategorisch ablehnend gegenüberstand und -steht. Vielmehr arbeitete sie heraus, in welchen spezifischen Bereichen der Einsatz neurowissenschaftlicher Methoden wertvolle Erkenntnisse erbringen kann und welche Ansätze oder Positionen (darunter mehrere unter dem Schlagwort Neurodidaktik) keinen Mehrwert gegenüber der umfangreichen Befundlage aus der empirischen Lehr-Lern-Forschung aufweisen.

1.2 Elsbeth Sterns Engagement in der Wissenschaftskommunikation

Neben Elsbeth Sterns unermüdlichem Einsatz in Forschung und Lehre zeichnet sie sich auch als erfolgreiche Wissenschaftskommunikatorin aus. Nicht nur als Gegenpol zu populären Hirnforschern war und ist es ihr ein Herzensanliegen, die breite Öffentlichkeit über die Voraussetzungen von nachhaltigem Lernen und erfolgreicher kognitiver Entwicklung zu informieren und so zu einer evidenzbasierten Bildungspolitik beizutragen. Dazu gehört auch der Kampf gegen Mythen (d. h. wissenschaftlich nicht haltbare Vorstellungen) über das Lernen, die, wie die Forschung der letzten zwei Jahrzehnte zeigt, auch unter Lehrpersonen weit verbreitet sind (Howard-Jones, 2014) und das professionelle Handeln in der Schule negativ beeinflussen können. Der populärste Mythos ist jener, dass es visuelle und auditive Lernertypen gäbe, die unterschiedlich unterrichtet werden sollten. In ihrer pointierten Art antwortet Elsbeth Stern in Gesprächen darauf gerne, dass diese Unterteilung auf blinde und gehörlose Menschen passe, aber ansonsten irreführend sei. Stark rezipiert wurde auch ein Streitgespräch mit dem Hirnforscher Manfred Spitzer, das 2004 unter dem Titel »Wer macht die Schule klug?« in Die Zeit erschien. In diesem betonte Elsbeth Stern, dass für lernwirksamen Unterricht die Anknüpfung am bereichsspezifischen Vorwissen der Schüler*innen wichtiger sei, als sich auf allgemeine Prinzipien des Lernens (z. B., dass Emotionen wichtig beim Lernen sind) zu beschränken. Darüber hinaus stellte sie Aussagen in Frage, wonach die Hirnforschung die Grundlagenwissenschaft des Lernens sei; die Hirnforschung habe lediglich gezeigt, dass Lernen im Gehirn stattfindet. Studien im Hirnscanner sagten aber wenig darüber aus, wie Lernen durch Aktivitäten im Klassenzimmer optimal angeregt werden kann (Die Zeit, 2004).

Neben ihrer starken medialen Präsenz veröffentlichte Elsbeth Stern mehrere Bücher für unterschiedliche Zielgruppen. Gemeinsam mit dem Intelligenzforscher Aljoscha Neubauer verfasste sie zwei Bücher, in denen die wissenschaftlichen Befunde zu Intelligenz und Lernen allgemeinverständlich aufbereitet wurden (Neubauer & Stern, 2007; Stern & Neubauer, 2013). Zwei weitere Bücher wurden speziell für Lehrpersonen veröffentlicht: Im Buch »Lernwirksam unterrichten« werden zentrale Erkenntnisse der Lehr-Lern-Forschung in der originellen Form eines Dialogs zwischen ihr und dem Mathematiklehrer Michael Felten vermittelt (Felten & Stern, 2012). Im Jahr 2020 erschien schließlich das Buch »Professionelles Handlungswissen für Lehrerinnen und Lehrer (Greutmann, Saalbach, & Stern, 2020), in das auch die Erfahrungen ihrer (ehemaligen) Mitarbeiter*innen in der gymnasialen Lehrpersonenausbildung an der ETH Zürich einflossen.

Elsbeth Sterns Engagement für die Wissenschaftskommunikation wurde schließlich im Jahr 2018 von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) mit dem Franz-Emanuel-Weinert-Preis gewürdigt. Der Präsident der DGPs fasste die Begründung für die Entscheidung wie folgt zusammen: »Elsbeth Stern setzt sich unermüdlich dafür ein, die Öffentlichkeit über die Aussagekraft von Forschungsergebnissen aufzuklären und so weit verbreiteten Vorurteilen entgegenzuwirken. Das macht sie zu einer Vorreiterin für die psychologische Bildung der Gesellschaft« (DGPs, 2018).

1.3 Elsbeth Sterns Engagement als akademische Mentorin

Elsbeth Stern blickt nicht nur auf eine erfolgreiche Karriere als Wissenschaftlerin und Kommunikatorin, sondern auch als akademische Mentorin zurück. Dafür sprechen schon allein die Zahlen: Sie hat 20 Dissertationen betreut bzw. mitbetreut und 15 Postdocs angeleitet, von denen bisher 10 Professorinnen und Professoren geworden sind. Weitere werden folgen.

Dieser Erfolg ruht auf zwei Säulen. Zum einen investierte Elsbeth Stern stets viel Sorgfalt in die Auswahl ihrer Mitarbeitenden. Doktorand*innen waren häufig zunächst studentische Hilfskräfte und Postdocs zuvor Doktorand*innen, die sich damit unter Beweis stellen und für die nächsthöhere Stufe qualifizieren konnten. Durch zusätzliche offene Stellenausschreibungen brachte sie frischen Wind von außerhalb in ihre Arbeitsgruppe ein.

Doch um eine junge Nachwuchswissenschaftlerin oder einen jungen Nachwuchswissenschaftler sicher zum Aufbruch in eine potenziell erfolgreiche Karriere zu führen, braucht es noch eine zweite Säule: effektive Förderung und Betreuung. Müsste man Elsbeth Sterns Stil als Mentorin in wenigen Schlagworten ausdrücken, dann wären es folgende: Vertrauen, Freiheit, Offenheit, Verbindlichkeit und Unterstützung. Elsbeth vertraute auf das kreative und kognitive Potenzial ihrer Pre- und Postdocs. Sie kontrollierte weder die Arbeitsweise noch die Themenfindung. Zum Thema Arbeitszeiten wies sie gerne darauf hin, dass gute Wissenschaftler*innen jederzeit über ihre Forschung nachdenken – auch im Bus oder beim Waldspaziergang. Daher fand sie es zweitrangig, ob ihre Mitarbeiter*innen feste Bürozeiten einhielten, solange sie wissenschaftlich produktiv waren. Sie gab die Freiheit zur Entfaltung, unterstützte mit Rat und Tat, zeigte sich offen gegenüber Themen, selbst wenn sie nicht unmittelbar in Ihrem Forschungsfokus lagen, und öffnete ihr weltweites Netzwerk für Kontakte zu Experten und Expertinnen. Die Grundlagen aller Freiheit, Offenheit und Flexibilität waren gegenseitige Verbindlichkeit und gegenseitiges Vertrauen. Die Pre- und Postdocs willigten unausgesprochen ein, ihr Bestes zu geben, und konnten sich gleichzeitig darauf verlassen, dass trotz Problemen und Turbulenzen während der Qualifizierungsphase ein Sicherungsnetz gespannt blieb, das gegen materielle Ängste ebenso wie inhaltliche Zweifel half.

Im weiteren Verlauf des Buches gehen wir nicht weiter auf Elsbeth Sterns Wirken als akademische Mentorin ein. Aber dieses Wirken bildet den Nährboden, auf dem die im Buch vorgestellten Forschungsbefunde entstanden sind.

1.4 Der Aufbau dieses Buchs

Allen Kapiteln dieses Buchs ist eines gemeinsam. Sie thematisieren, wie Potenziale der Lernenden durch die Gestaltung geeigneten Unterrichts genutzt und wie Lernprozesse durch Lehrpersonen initiiert und unterstützt werden können. Das Buch ist in drei thematische Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt »Vom Potenzial zur Kompetenz« stehen Potenziale der Lernenden, wie z. B. die Intelligenz, im Vordergrund. Der zweite Abschnitt, »Lernangebote gestalten«, behandelt die Wahl und Ausgestaltung geeigneter Lernaufgaben für den Unterricht. Im dritten Abschnitt, »Lernprozesse begleiten«, wird aus einer stärker prozessorientierten Perspektive beschrieben, wie Lehrkräfte Lernprozesse unterstützen können. Die Kapitel gehen jeweils auf ganz unterschiedliche Altersgruppen und Schulfächer ein. Dies spiegelt wider, dass grundlegende Mechanismen des Lernens – und daher auch grundlegende Eigenschaften guten Unterrichts – auf allen Altersstufen und in allen Schulfächern ähnlich sind (Hattie, 2012; Schneider & Preckel, 2017), auch wenn die konkrete Ausgestaltung sich zwischen Altersstufen und Fächern unterscheidet.

Der erste Abschnitt, »Vom Potenzial zur Kompetenz«, beginnt in Kapitel 2 mit der Beschreibung der inzwischen klassischen LOGIK-Studie. In dieser Studie wurde über viele Jahre hinweg untersucht, wie Kompetenzen in der Schullaufbahn auf frühere Kompetenzen, z. B. das Vorwissen der Lernenden, aufbauen. Kapitel 3 beschreibt daran anschließend einen zentralen Befund der empirischen Lernforschung: Lernerfolg ist immer an konkrete Lerninhalte gebunden. Unterricht zur Anregung sog. unspezifischen Ferntransfers von Wissensinhalten in ganz andere Bereiche, z. B. vom Lateinlernen in die Mathematik, ist daher nicht effektiv. Die beiden nachfolgenden Kapitel 4 und 5 beschreiben die fundamentale Rolle der Intelligenz und wie Intelligenz sich in der Interaktion mit Unterrichts- und Wissenserwerbsprozessen entfaltet. Das letzte Kapitel des ersten Abschnitts des Buchs geht darauf ein, wie man Lernenden helfen kann, ihre Potenziale unabhängig von Geschlecht und sozialer Herkunft auszuschöpfen.

Der zweite Abschnitt, »Lernangebote gestalten«, behandelt die Gestaltung von Lernangeboten, wie bspw. die Gestaltung von Lernaufgaben und Schülerexperimenten für den naturwissenschaftlichen Unterricht. Kapitel 7 beschreibt klassische Studien zum Lernen mit unterschiedlichen Typen mathematischer Textaufgaben. Kapitel 8 erweitert den Fokus auch auf andere Unterrichtsfächer und beschreibt, wie durch die sorgfältige Wahl von Aufgabenreihenfolgen lernförderliche Vergleichs- und Schlussfolgerungsprozesse angeregt werden können. Auch Experimente im naturwissenschaftlichen Unterricht sind eine gute Möglichkeit, um vertieftes konzeptuelles Lernen zu fördern, wie Kapitel 9 beschreibt. Allerdings soll im Unterricht nicht nur ein konzeptuelles Verständnis abstrakter Konzepte, sondern auch prozedurale Handlungskompetenz vermittelt werden. Kapitel 10 beschreibt, wie sich solch konzeptuelles und prozedurales Wissen im Unterricht gegenseitig beeinflussen und wie dieses Zusammenspiel durch Unterrichtsmethoden gefördert werden kann. Kapitel 11 führt viele Vorschläge der vorherigen Kapitel zusammen und zeigt, wie bereits in der Grundschule durch umfassende konstruktivistische Lernumgebungen anspruchsvolles wissenschaftliches Denken gefördert werden kann.

Der dritte Abschnitt, »Lernprozesse begleiten«, thematisiert die Unterrichtsgestaltung durch Lehrpersonen. Ausgehend von der Annahme, dass guter Unterricht schüler*innenzentriert, aber lehrer*innengesteuert ist, liefern die Kapitel Beispiele dafür, wie Lehrkräfte die Eigenaktivität von Lernenden im Unterricht so anregen, strukturieren und unterstützen können, dass sie zur Erreichung der gewählten Lehrziele führen. Kapitel 11 diskutiert in diesem Zusammenhang, inwieweit ein konzeptuell anspruchsvoller Unterricht auch für schwächere Schüler*innen lernförderlich sein kann. Kapitel 12 beschreibt, wie gut externe Wissensrepräsentationen, zum Beispiel Sprache, Diagramme und andere Symbolsysteme, zur Strukturierung des Denkens Lernender genutzt werden können. Darauf aufbauend betont Kapitel 13 die zentrale Rolle der Sprache bei der Gestaltung von Lernprozessen. Das letzte Kapitel des dritten Abschnitts konkretisiert an den Beispielen des gymnasialen Chemie- und Physikunterrichts, wie auch ältere Schülerinnen und Schüler beim Erwerb fortgeschrittenerer wissenschaftlicher Konzepte unterstützt werden können.

Das Buch endet mit einem Kapitel, in dem wir als Take-Home-Message die Anregungen zur Gestaltung von Schulunterricht aus den einzelnen Kapiteln übersichtlich zusammenstellen. Im Nachwort richtet ein erfahrener Lehrer, der zunächst an Schulen unterrichtete, dann in Elsbeth Sterns Abteilung tätig war und nun wieder an Schulen unterrichtet, einen humorvoll-kritischen Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis guten Unterrichts.

1.5 Literatur

Baumert, J. & Kunter, M., (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9‍(4), 469 – 520. https://doi.org/10.1007/s11618-006-0165-2.

DGPs (2018). Pressemitteilung: Elsbeth Stern erhält den Franz-Emanuel-Weinert-Preis der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.https://www.dgps.de/aktuelles/details/elsbeth-stern-erhaelt-den-franz-emanuel-weinert-preis-der-deutschen-gesellschaft-fuer-psychologie.

Die Zeit (2004), Lernen: Wer macht die Schule klug? https://www.zeit.de/2004/28/C-Spitzer_2fStern2

Felten, M. & Stern, E. (2012). Lernwirksam unterrichten. Berlin: Cornelsen Verlag. ISBN 978-3-589-23292-5

Gottfredson, L. S., (1997). Mainstream science on intelligence: An editorial with 52 signatories, history, and bibliography [Editorial]. Intelligence 24, 13 – 23. https://doi.org/10.1016/S0160-2896(97)90011-8.

Greutmann, P., Saalbach, H. & Stern, E. (2020). Professionelles Handlungswissen für Lehrerinnen und Lehrer. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 978-3-17-031785-7.

Hardy, I., Jonen, A., Möller, K. & Stern, E., (2006). Effects of instructional support in constructivist learning environments for elementary school students' understanding of »floating and sinking«. Journal of Educational Psychology, 98, 307 – 326. https://doi.org/10.1037/0022-0663.98.2.307

Hardy, I., Schneider, M., Jonen, A., Möller, K. & Stern, E. (2005). Fostering diagrammatic reasoning in science education. Swiss Journal of Psychology, 64‍(3), 207 – 217. https://doi.org/10.1024/1421-0185.64.3.207.

Hattie, J., (2012). Visible learning for teachers: Maximizing impact on learning. Routledge/Taylor & Francis Group. New York & London) https://doi.org/10.4324/9780203181522.

Hofer, S. I. & Stern, E. (2016). Underachievement in physics: When intelligent girls fail. Learning and Individual Differences, 51, 119 – 131. https://doi.org/10.1016/j.lindif.2016.08.006.

Hofer, S. I., Schumacher, R., Rubin, H. & Stern, E. (2018). Enhancing physics learning with cognitively activating instruction: A classroom intervention study. Journal of Educational Psychology, 110‍(8), 1175 – 1191. https://doi.org/10.1037/edu0000266.

Howard-Jones, P. A. (2014). Neuroscience and education: myths and messages. Nature Reviews Neuroscience, 15‍(12), 817 – 824. https://doi.org/10.1038/nrn3817.

Neubauer, A. & Stern, E. (2007). Lernen macht intelligent. Warum Begabung gefördert werden muss. München: DVA Verlag. ISBN 978-3-442-15562-0.

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Staub, F. & Stern, E. (2002). The nature of teachers' pedagogical content beliefs matters for students' achievement gains: quasi-experimental evidence from elementary mathematics. Journal of Educational Psychology, 93, 144 – 155.

Stern, E., (1998). Die Entwicklung schulbezogener Kompetenzen: Mathematik. In F. E. Weinert (Ed.), Entwicklung im Kindesalter (S. 95 – 113).Weinheim: Psychologie Verlagsunion.

Stern, E., (1999). Development of mathematical competencies. In F.E. Weinert & W. Schneider (Eds.), Individual development from 3 – 12: Findings from the Munich Longitudinal Study (S 154 – 170). Cambridge: Cambridge University Press.

Stern, E., (2005). Pedagogy meets neuroscience. Science, 310‍(5749), 745 – 746. https://doi.org/10.1126/science.1121139.

Stern, E., Grabner, R. & Schumacher, R., (2005). Lehr-Lern-Forschung und Neurowissenschaften: Erwartungen, Befunde und Forschungsperspektiven. Reihe Bildungsreform Band 13. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Stern, E., Grabner, R. & Schumacher, R., (2006). Educational research and neurosciences – Expectations, evidence, research prospects. Education Reform Vol. 13. Federal Ministry of Education and Research (BMBF).

Stern, E. & Neubauer, A., (2013). Intelligenz. Große Unterschiede und ihre Folgen. München: DVA Verlag. ISBN 978-3-421-04533-1

Weinert, F. E., (1996). Wissen und Denken. Über die unterschätzte Bedeutung des Gedächtnisses für das menschliche Denken. In Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (S. 85 – 101). München: Bayerische Akademie der Wissenschaften.

Teil I:Vom Potenzial zur Kompetenz

2 Mathematische Kompetenzentwicklung in Vorschule und Schule: Impulse aus den LOGIK- und SCHOLASTIK-Studien

Wolfgang Schneider

2.1 Ziele der LOGIK- und SCHOLASTIK-Studien und das Engagement von Elsbeth Stern

Kurz nach der Gründung des Max-Planck-Instituts für psychologische Forschung in München im Jahr 1982 und der Rekrutierung eines neuen Mitarbeiterstabs in der Abteilung Entwicklungspsychologie erörterte der Gründungsdirektor Franz E. Weinert seinen Plan, als zentrales Projekt der Abteilung eine umfangreiche und langfristig konzipierte Längsschnittstudie zur Entwicklung von intellektuellen Fähigkeiten, von Gedächtnis und unterschiedlichen Aspekten der Persönlichkeit durchzuführen, die im Vorschulalter einsetzen und bis weit in die Schulphase hineinreichen sollte. Von besonderer Bedeutung war die Frage, in welchem Ausmaß vorschulisch erhobene Merkmale der Motorik, der Intelligenz, der Gedächtniskapazität und des strategischen Wissens, weiterhin Merkmale der Persönlichkeit, der Moralentwicklung und des Selbstkonzepts der Kinder individuelle Unterschiede in späteren Entwicklungsperioden vorhersagen können, und wie sie miteinander korreliert sind. Weiterhin interessierte die Relevanz von vermutlich schulrelevanten Vorläufermerkmalen wie der frühen phonologischen Bewusstheit, dem Buchstabenwissen im Kindergartenalter und basalen mathematischen Kompetenzen von Kindergartenkindern für die Vorhersage von Schulleistungen bis zum Ende der Grundschulzeit und darüber hinaus (Weinert, 1998).

Die Längsschnittstudie LOGIK (LONGITUDINALSTUDIE ZUR GENESE INDIVIDUELLER KOMPETENZEN) wurde 1984 mit einer Stichprobe von 205 knapp vierjährigen Kindergartenkindern begonnen. Für jeden der erwähnten Kompetenzbereiche (Aufgabenentwicklung und Datenauswertung) war eine wissenschaftliche Mitarbeiter*in zuständig. Ich selbst war zusätzlich für die Koordination der (Einzel-)‌Testungen in den unterschiedlichen Inhaltsbereichen zuständig, also etwa dafür, dass die innerhalb der jährlich absolvierten Messzeitpunkte angesetzte Testzeit pro Kind nicht überschritten wurde. Angesichts der wissenschaftlichen Ambitionen des LOGIK-Teams erwies sich dies als durchaus schwierige und emotional belastende Aufgabe. Zu Beginn der Studie wurde festgelegt, dass die Entwicklung der Kinder über neun Jahre hinweg kontinuierlich untersucht werden (zwei Erhebungen pro Jahr) und die Studie 1993, also nach Abschluss der sechsten Klassenstufe beendet werden sollte (vgl. Weber & Stefanek, 1998).

Zu Beginn der LOGIK-Studie war Elsbeth Stern noch nicht an Bord. Zwar wurden schon bei den Vierjährigen und dann wieder zwei Jahre später Kompetenzen im Schätzen von Mengen erhoben und auch die Zahlinvarianzaufgabe nach Piaget durchgeführt, doch ließ sich aus den verfügbaren Ergebnis-Dokumentationen (den sog. »LOGIK-Reports«) ersehen, dass die Daten zu diesen Merkmalen im Vorschulalter lediglich erhoben, nicht aber systematisch ausgewertet worden waren. Kurz vor Ende der Kindergartenphase wurde beschlossen, die LOGIK-Studie in zweifacher Hinsicht auszuweiten. Zum einen sollte die mathematische Kompetenzentwicklung in der Schule genauer beobachtet werden als ursprünglich geplant. Zum anderen kam Franz Weinert auf die Idee, ab Schulbeginn auch die Klassenkamerad*innen der LOGIK-Kinder in die Untersuchung einzubeziehen und im Rahmen einer zusätzlichen Studie SCHOLASTIK (Schulorganisierte Lernangebote und Sozialisation von Talenten, Interessen und Kompetenzen; vgl. Weinert & Helmke, 1997) die schulische Entwicklung der nun deutlich vergrößerten Stichprobe (ca. 1150 Probanden aus 54 Grundschulklassen, davon 135 LOGIK-Kinder) differenziert zu erkunden. Da auch hier der mathematischen Kompetenzentwicklung eine besondere Bedeutung zukam, sollte die noch bestehende Personallücke in diesem Bereich ab 1987 durch die Rekrutierung eines weiteren Team-Mitglieds geschlossen werden. Aus den nun folgenden Vorstellungsgesprächen ging Elsbeth Stern als klare Siegerin hervor. Die anfängliche Skepsis im Auswahlkomitee (sie hatte bis dato keinerlei inhaltliche Erfahrung im Bereich der mathematischen Kompetenzentwicklung) konnte Elsbeth Stern durch einen sehr lebendigen und inhaltlich überzeugenden Vortrag zu den Zielen ihrer künftigen Forschungstätigkeit vollkommen ausräumen. Mit der Besetzung der Projektstelle durch Elsbeth Stern hatte die Kommission einen Volltreffer gelandet, was sich an der Bedeutsamkeit ihrer Forschungsfragen zum Thema und der Gewichtigkeit ihrer weit beachteten Publikationen leicht belegen lässt. Sie hatte ab 1987 noch längere Zeit Gelegenheit dazu, die mathematische Kompetenzentwicklung im Rahmen der beiden Längsschnittstudien zu untersuchen. Während die SCHOLASTIK-Studie lediglich den Grundschulbereich abdeckte und von 1987 bis 1992 durchgeführt wurde, ergaben sich für die LOGIK-Studie nach 1993 noch zwei Nachuntersuchungen: Im Jahr 1998 konnten immerhin 176 der nun 17-Jährigen untersucht werden, sechs Jahre später dann noch 150 der nun 23-jährigen Probanden der Ausgangsstichprobe (vgl. Schneider & Weber, 2008).

2.2 Wichtige Befunde zu Vorschulkenntnissen und der Schulmathematik aus der LOGIK-Studie

Basale mathematische Kompetenzen im Vorschulalter

Gegen Ende der achtziger Jahre wurde international ein wachsendes Interesse an der Entwicklung mathematischer Basiskompetenzen registriert (vgl. Landerl, Vogel & Kaufmann, 2017). Längsschnittstudien zur vorschulischen Entwicklung gab es jedoch kaum. Im Rahmen der LOGIK-Studie wertete Elsbeth Stern die Befunde zu den oben erwähnten mathematischen Aufgaben (Mengenschätzung und Invarianzaufgabe) aus, die sowohl im Alter von 4 als auch im Alter von 6 Jahren erhoben worden waren. Im Hinblick auf die Mengenschätzaufgabe fanden sich nur geringe Zuwächse. Schon im Alter von 4 Jahren waren die meisten Kinder dazu in der Lage, die Elemente kleinerer Mengen genau zu bestimmen, ohne dabei zu zählen. In einer zwei Jahre später vorgegebenen Zusatzaufgabe zur schnellen Quantifizierung von größeren Mengen (3 – 8 Objekte) zeigten sich allerdings große Unterschiede zwischen den Kindern. So konnten etwa 20 % der Kinder lediglich Mengen bis zu 4 Gegenständen, 30 % der Kinder dagegen bis zu 8 Gegenstände fehlerfrei ermitteln, ohne zu zählen (Stern, 1998a).