Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Kinder stellen Fragen, nach Gott und der Welt - und gehen dabei gleich in die Vollen: vom Bösen in der Welt ("Warum gibt es so gemeine Menschen?") bis zu ganz dringenden persönlichen Problemen ("Muss man Süßes teilen?"). Margot Käßmann möchte Eltern ermutigen, sich zusammen mit ihren wissensdurstigen Sprösslingen auf die spannende Reise in die Welt des Glaubens zu machen, und gibt fundierte Anregungen dazu.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 203
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Margot Käßmann
Wie ist es so im Himmel?
Kinder fragen nach Gott und der Welt
Wie ist es so im Himmel?
Kinder fragen nach Gott und der Welt
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2015
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: wunderlichundweigand, Stefan Weigand
Umschlagmotiv: © Vino Wong, www.vinowong.com
E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN (E-Book): 978-3-451-80743-5
ISBN (Buch): 978-3-451-06825-6
Inhalt
Einleitung
1. Ist Gott durchsichtig?
2. Wie hat Gott Zeit, sich um alle Menschen zu kümmern?
3. Was heißt eigentlich Heiliger Geist?
4. Gibt es Engel?
5. Hatte Jesus nie Angst?
6. Wie konnte Jesus wieder leben, er war doch gekreuzigt worden?
7. Wie ist es so im Himmel?
8. Hat Gott auch Tiere lieb?
9. Warum gibt es so gemeine Menschen?
10. Wieso gibt Gott die Zehn Gebote?
11. Ist Gott in der Kirche?
12. Was hat die Kerze mit dem Glauben zu tun?
13. Warum gibt es den Tod?
14. Ist Jesus Gottes Kind oder Josefs Kind?
15. Was ist Segen?
16. Warum ist Papa weggegangen?
17. Wieso muss man in die Schule?
18. Warum haben nicht alle die gleiche Religion?
19. Ist die Welt in sieben Tagen entstanden?
20. Wird die Welt untergehen?
21. Stimmt alles, was in der Bibel steht?
22. Warum hat Gott die Menschen geschaffen und bei der Sintflut fast alle getötet?
23. Gibt es den Himmel und die Hölle?
24. Warum feiern wir Nikolaus?
25. Warum hört Gott so oft nicht unsere Gebete?
26. Konnte Jesus zaubern?
27. Warum geben die reichen Menschen den armen Menschen nichts ab?
28. Warum gibt es Krieg?
29. Warum muss man Süßes teilen?
Wie sag ich’s meinem Kind? – Kinder brauchen Religion
Literaturhinweise
Kinder stellen die Fragen, die so einfach zu formulieren wir Erwachsenen uns scheuen. Aber letztlich sind es auch unsere Fragen. Es sind die großen, elementaren Fragen nach Gott und Glauben, nach dem richtigen Leben und nach dem Tod, nach Krieg, Schuld, Gerechtigkeit und Glück.
Ich bin überzeugt, Kinder erwarten auf ihre Glaubensfragen nicht nur ein knappes Ja oder Nein. Das wäre auch zu einfach. Wer nach dem Glauben fragt, lässt sich auf ein Gespräch ein, das ist doch auch bei uns Erwachsenen so. Es gibt keine Instanz, die uns endgültige Antworten geben kann, Glauben muss je neu errungen werden – so sehr er auch ein Geschenk ist. Wenn ich nach den existentiellen Dingen des Lebens frage, dann geht es eben um mein ganzes Leben. Kinder stellen diese Fragen mit Leichtigkeit und Ernst zugleich, und wenn wir auf sie eingehen, geht es auch um uns. Diese Fragen ermöglichen Glaubensgedanken und Glaubensgespräche.
Ich möchte Eltern Mut machen zu christlicher Erziehung. Oft habe ich den Eindruck, sie trauen sich nicht recht, auf die Glaubensfragen ihrer Kinder zu antworten, weil sie meinen, ihr Glaube sei nicht gut genug, sie würden sich nicht genug auskennen. Dann wird christliche Erziehung delegiert an vermeintliche Expertinnen und Experten im Kindergarten, Religionsunterricht, Kindergottesdienst oder Konfirmandenunterricht. Das finde ich schade. Vielleicht denken Sie als Eltern, Großeltern oder Paten, Ihre Antworten reichten nicht aus. Dann möchte ich Sie ermutigen: Versuchen Sie es! Kinder erwarten keine perfekten Auskünfte – sie hoffen auf ehrliche Antworten. Und wenn Sie selbst Zweifel haben, sagen Sie es ruhig. Es geht genauso um Authentizität wie um „Richtigkeit“.
Zweifel allein allerdings können Kinder auch überfordern. Wenn Sie etwa sagen können: „Ich vertraue Gott hundertprozentig“ oder „Ich bin sicher, dass es Gott gibt, aber ich weiß nicht genau, wie“, so hilft das dem Kind ganz bestimmt. Selbst wenn wir nicht alles erklären können, ist doch für die Kinder wichtig zu sehen, dass es hier auch für die Erwachsenen um grundlegende, elementare Fragen geht. Wenn ein Kind fragt und Erwachsene versuchen, eine Antwort zu geben, dann ist das ein Anfang. In Glaubensfragen wird dieses Gespräch miteinander über Jahre andauern. Kleine Kinder fragen anders als große, mit der Zeit treten andere Themen in den Vordergrund. Kleine Kinder brauchen eher kurze und eindeutige Antworten, ältere beginnen tiefer zu schürfen, nachzuhaken. Und Jugendliche können scharf und heftig, skeptisch und fordernd nachfragen. Mit den Antworten, die wir geben, entsteht ein Gesprächsfaden, an den wir immer wieder anknüpfen können.
Auf die Fragen nach dem Leben und dem Glauben geben wir nie die eine Antwort, mit der das Ganze ein für alle Mal beendet ist. Deshalb brauchen solche Fragen auch Zeit. Sie lassen sich nicht zeitlich festlegen, nach dem Motto: Also, heute Abend sprechen wir mal über den Glauben. Sie kommen beim Mittagessen, wenn gerade ein Unglück bekannt wird: Wie kann Gott das zulassen? Oder sie regen sich bei einem Spaziergang: Hat Gott das nun alles geschaffen – oder nicht? Es ist für Eltern wichtig, offen zu sein für diese Fragen und sich Zeit mit den Kindern zu nehmen, um Antworten zu geben oder auch gemeinsam die Antworten im christlichen Glauben zu finden.
Im Vorfeld des Kirchentages haben Kinder aus Niedersachsen rund 10 000 Fragen eingesandt, aus denen fünfhundert gesammelt, gegliedert und in einem Materialheft veröffentlicht wurden.1Hieraus habe ich 29 Fragen ausgewählt, die stellvertretend für viele andere stehen bzw. in vielen Variationen auftauchen. Auf jede Frage folgt zunächst ein Vorschlag, eine direkte Antwort zu formulieren – dabei habe ich mir überlegt: Wie würde ich versuchen zu antworten? Das ist natürlich schwer, ohne ein bestimmtes Kind vor Augen zu haben. Dabei ist mir auch noch einmal deutlich geworden: Es gibt nie die Antwort, nur jeweils den Versuch einer Antwort, der immer der Beginn eines Dialogs ist. Es gibt keine perfekten Antworten, es gibt immer nur Annäherungen, ein Ringen um Sprache und die Aneignung des Glaubens.
Angeschlossen an diese eher kurze Antwort ist eine Reflexion der Frage: Was bedeutet die Frage, was heißt das für den eigenen Glauben, wie können Eltern oder Großeltern, Paten oder Freundinnen und Freunde reagieren, wo sind Zusammenhänge? Oft ist es für Kinder sogar leichter, gerade nicht den Eltern religiöse Fragen zu stellen, sondern anderen, die ein bisschen mehr Distanz haben. Es kann aber für die Beziehung zwischen Eltern und Kind auch eine besonders intensive Erfahrung sein, gemeinsam um Antworten zu ringen. Die Erwachsenen aber müssen in jedem Fall für sich selbst eine Position haben, die Frage einordnen können, bereit sein, selbst darüber nachzudenken, damit sie auskunftsfähig sind für das Kind. Wenn das für ein Thema mal nicht der Fall ist, reicht einem Kind auch die Antwort: „Du, das ist eine schwere Frage. Darüber muss ich erst einmal nachdenken.“ Allerdings wird das Kind dann auch erwarten, dass der oder die Erwachsene wirklich und ehrlich darauf zurückkommt. Wenn Sie nach Hilfestellungen suchen und es um grundsätzliche Fragen geht, kann ich einerseits den Evangelischen Erwachsenenkatechismus2 empfehlen; oder auch den Katholischen Erwachsenenkatechismus. Zu den einzelnen biblischen Büchern oder biblischen Begriffen ist beispielsweise das Calwer Bibellexikon3 als Nachschlagewerk sehr hilfreich.
Am Ende der Antwort steht schließlich jeweils eine Anregung, ein Lied oder Gedicht, und in jedem Fall ist ein Gebet aus einem Buch mit Kindergebeten angefügt.4 Auch diese Sammlung mit von Kindern selbst formulieren Gebeten hat mich beim Lesen sehr berührt. Sie zeigen, wie tiefgründig Kinder nachdenken. Sie denken selbständig weiter und sind in diesem Sinne selbst Theologen und Theologinnen und nicht nur Objekte von Theologie, denen Glaube vermittelt werden muss. Es gibt darunter Gebete, die schmunzeln lassen, etwa wenn ein Junge im gleichen Atemzug betet, er möge in die vierte Klasse versetzt werden und den Führerschein bestehen. Aber es gibt auch viele, die bedrückend sind, die von Ängsten sprechen, der Furcht vor Krieg, vor Trennung der Eltern, vor Krankheit. 30 Gebete habe ich hier aufgenommen, weil sie einen Einblick geben in das religiöse Nachdenken der Kinder und uns anregen, Kinder zum Beten mit eigenen Worten zu ermutigen.
In den Erläuterungen habe ich mich darum bemüht, biblische Bezüge aufzugreifen. Es ist doch traurig, dass heute alles Mögliche mit Kindern gelesen wird, selten aber die Bibel. Ich kann Ihnen nur Mut machen, sich an das „Buch der Bücher“ zu trauen. Die Textstellen sind jeweils angegeben, und eine Lutherbibel oder eine Bibel in Einheitsübersetzung haben Sie sicher zu Hause. Anschaffen würde ich in jedem Fall eine gute Kinderbibel, entweder von Kees de Kort für die ganz Kleinen oder auch Herders Kinderbibel5. Dazu ein Gesangbuch, denn die Lieder unserer Väter und Mütter im Glauben geben manchmal Antworten, die sich tief einprägen. An manches Thema lässt sich mit Kindern über das Singen gut eine Annäherung finden. Ich möchte Sie herzlich ermutigen: Singen Sie mit Ihren Kindern. Ja, vielen hat es die Stimme verschlagen. Aber was für ein Verlust, wenn niemand mehr singt! Wagen Sie es, es wirkt ganz wunderbar – es befreit die Seele. Mit Bibel und Gesangbuch ausgerüstet, können Sie fröhlich und offen auf die Fragen der Kinder eingehen. Es lohnt sich! Mit Kindern über Gott und die Welt nachzudenken stärkt unseren eigenen Glauben. Es sind keine Fragen, die sich wie bei Günther Jauch mit der Wahl zwischen A, B, C oder D beantworten lassen. Jeder Mensch hat eine eigene Geschichte mit Gott und dem Glauben. Diese Fragen brauchen vor allem die Bereitschaft, sich einzulassen, und Zeit. Sie brauchen Offenheit – und auch die Klarheit, dass ich selbst nie zu Ende bin mit den Glaubensfragen. Auch die Antworten einer Bischöfin sind nicht die richtigen, ein für alle Mal gültigen Antworten, sondern eine Anregung zum Gespräch. Ich bin überzeugt, wir wachsen im Glauben, wenn wir über den Glauben sprechen. Die Fragen der Kinder ermutigen uns auf sehr eindrückliche Weise dazu.
Niemand hat Gott je ganz und gar gesehen. Aber viele Menschen haben Gott erlebt und gespürt. Das kann ein Sonnenstrahl sein, der mir Mut macht. Oder ein anderer Mensch, der mir weiterhilft. Ein Gedanke, ein Traum und ich weiß – so geht es weiter, das schaffe ich. Da merke ich auf einmal: Gott ist da. Gott begegnet uns auf unterschiedlichste Weise. Jesus hat uns viele Geschichten geschenkt, damit wir Gott besser erkennen. Er hat Gott mit „Abba“ angesprochen, das ist das hebräische Wort für „Papa“. Deshalb verstehen viele Gott wie einen Vater oder eine Mutter, die dich lieb haben. Mit Gott ist es wie mit der Liebe, du kannst sie manchmal spüren und doch kannst du sie nicht festhalten, nicht ein für alle Mal genau beschreiben. Die Liebe ist auch irgendwie durchsichtig. Gott ist wie die Liebe, denke ich. Oder, wie Martin Luther einmal gesagt hat, wie ein glühender Backofen voller Liebe.
Ja, wie ist Gott? Kann ich Gott spüren? In der Kirchengeschichte gibt es viele Versuche, Gottes Existenz zu beweisen. Das ist und bleibt jedoch unmöglich. Könnten wir Gottes Existenz beweisen, wären Glaube und Zweifel ja hinfällig. Wir können als Christinnen und Christen Gott nur verstehen, wir können ihn erkennen über Jesus Christus. Er hat gesagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Johannes 14,6). Ihn haben die Menschen „Gottes Sohn“ genannt, weil sie an ihm erkannt haben: so ist Gott. So handelt Gott: Er sieht die kleinen Leute, Vergebung von Schuld ist möglich. Und vor allem: Der Tod hat nicht das letzte Wort.
Wenn ein Kind fragt, ob Gott durchsichtig sei, will es wissen, wie es Gott erkennen, erfahren, wahrnehmen kann. Ich denke, wir können nur auf zweierlei Weise antworten: da ist die Geschichte von Jesus Christus, und da ist unsere Erfahrung, dass wir Gott eben manchmal tatsächlich spüren oder im Handeln anderer Menschen etwas von Gottes Wirklichkeit wahrnehmen. Das Wichtigste im Leben ist für das bloße Auge ja oft unsichtbar. Denken wir an Liebe, Vertrauen, Hoffnung, Trauer: diese Wahrnehmungen sind eher zu spüren als zu sehen. So ist das mit dem Gottvertrauen sicher auch.
Aus diesem Grund würde ich Kindern beispielsweise die Josefsgeschichte auf keinen Fall vorenthalten. An ihr lernen Kinder, was es heißt, von der eigenen Familie verraten zu sein, Gott aber auch in der Fremde da ist. Vielleicht lesen Sie Kapitel 37 im 1. Buch Mose für sich in Ihrer Bibel oder mit Ihrem Kind in der Kinderbibel nach. Sie zeigt, dass Gott erfahrbar ist, gerade, wenn ich mich gottverlassen fühle. Gott begleitet Josef durch den Verrat, im fremden Land und unter Menschen, die es nicht alle gut meinen, und gibt ihm die Chance, sich zu bewähren. Die Geschichte ist mir auch deshalb so wichtig, weil sie zeigt: die Bibel kennt die Menschlichkeit der Menschen allzu gut. Da ist der Vater, der ein Kind besonders verwöhnt. Ein Junge, der maßlos angibt und von seinen Geschwistern deswegen schlimm behandelt wird. Da sind ganz schwere Zeiten – und dann findet alles ein gutes Ende, an dem wohl alle an Erfahrung gewonnen haben. Gott wird in dieser Geschichte erkennbar, aber er bleibt auch „durchsichtig“.
Vielleicht können wir so deutlich machen, was Martin Luther meint, wenn er vom „verborgenen Gott“ spricht. Wir können Gott nie ganz greifen, in unsere Vorstellungsschachteln und Wahrnehmungsmuster pressen. Das ist es wohl auch, was die Bibel meint, wenn sie uns erinnert, wir sollten uns kein Bild von Gott machen. Greifbar und erkennbar wird Gott in Jesus. Und der hat uns gesagt, dass die Sanftmütigen selig sind und die Friedfertigen und die, die reinen Herzens sind.
Jesus hat uns die Geschichte vom barmherzigen Samariter erzählt und von dem Hirten, der sein verlorenes Schaf sucht, auch die Geschichte vom Vater, der den Sohn mit offenen Armen wieder aufnimmt. Gott ist dann eben wieder doch nicht unsichtbar, nicht durchsichtig, sondern so wie dieser Vater. Das wissen wir über Gott. Immer wieder gibt es Menschen – wie den älteren Bruder in der Geschichte vom verlorenen Sohn oder die ersten Arbeiter im Weinberg bei der Lohnauszahlung, die nicht mehr bekommen als die, die viel kürzer gearbeitet haben –, die meinen, sie würden ungerecht behandelt. Dann fragt Gott im Gleichnis zurück: Seid ihr etwa empört, weil ich gütig bin? Güte, Zuwendung, Vergebung – all das erfahren wir von Gott in den Gleichnissen. Und so gewinnt Gott Konturen, auch wenn es nie ein Bild wird, das fertig gemalt sein wird, in unserem ganzen Leben nicht.
Mir ist wichtig, dass wir Kindern die Gleichnisse erzählen. Was sind das für wunderbare Geschichten, die über zweitausend Jahre hinweg offenbar in allen Kulturen verstehbar sind! Sie entfalten Bilder davon, wie es sich mit dem Himmelreich verhält, sie bringen uns Gott nahe. In den Gleichnissen verstehen wir, dass der Glaube, das Gottvertrauen wichtiger ist als alles andere auf der Welt. Wir begreifen, dass Gott an jedem und jeder einzeln von uns liegt. Gott sucht uns, wir sind ihm wichtig.
Zudem sind die Gleichnisse kurz und knapp, sie passen geradezu zu unseren modernen Lese- und Hörgewohnheiten und einer Radiokultur, in der gesprochene Beiträge selten länger als eineinhalb Minuten sind. In den Gleichnissen erzählt uns Jesus von Gott, das macht sie so bedeutsam. Jesus ist der Mittler. Die Kindergebete aus dem Buch von Albert Wieblitz sprechen fast ausschließlich von Gott. In den Gleichnissen wird Gott klarer greifbar eben durch den Menschen Jesus, der von Gott erzählt, ganz elementar. Das halte ich für entscheidend, um in den christlichen Glauben hineinzuwachsen. Gott ist nicht „irgendwie“ und nicht „diffus“ und auch nicht „durchsichtig“, sondern erkennbar, greifbar, erfahrbar in Jesus.
Herr, mein Gott, wie siehst du aus?
Wie lebst du?
Warum bist du so allein?
Auf all die Fragen gibt es keine Antwort.
Weil du es bist!
Nur gute Dinge verraten nichts. Amen
Wiebke6
Welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und einen davon verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiß, bis sie ihn findet? Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freut euch mit mir; denn ich habe meinen Silbergroschen gefunden, den ich verloren hatte. So sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.Lukas 15,8ff
Das kann ich mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen! Da gibt es Milliarden Menschen auf der Welt und Milliarden schon vor uns – und Gott sieht sie alle? Einerseits ist das kaum zu glauben. Andererseits heißt es in der Bibel: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“ (Jesaja 43,1). Das heißt ja, Gott sieht dich und mich und alle anderen und kennt uns. Ich denke, Gott kennt tatsächlich alle. Er hat uns Menschen im Blick. Und dann gibt es ja die Taufe: damit vertrauen wir ein Kind Gott an. Der Pastor oder die Pastorin nennt den Namen des Kindes und sagt dann: „Ich taufe dich auf den Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Es wird mit seinem Namen ein Kind in der Familie Gottes. Gott kennt dieses Kind, heißt das.
Aber Gott traut den Menschen auch zu, frei zu handeln, er lenkt nicht per Computerprogramm jeden Schritt, den wir gehen. Und manchmal kümmert sich auch jemand an Gottes Stelle um uns. Wenn wir aber gar nicht weiter wissen, können wir uns an Gott wenden. Und vielleicht merkst du, dass du die Kraft hast, mit einer Sache fertig zu werden, eine Lösung zu finden. Oder du bist nicht mehr so traurig. Gott kann nicht alle deine Probleme lösen, aber dir helfen, damit zu leben, einen Weg zu finden.
Die Frage, wie Gott all die vielen Menschen wahrnehmen kann, berührt ja auch uns Erwachsene. Das überschreitet unser Vorstellungsvermögen. Und das müssen wir auch ganz ehrlich sagen. Mir ist dabei sehr wichtig, dass wir im christlichen Glauben hiervon ausgehen: Gott nimmt tatsächlich jeden Menschen einzeln wahr. Das unterscheidet uns von vielen anderen Religionen. Für Christinnen und Christinnen geht es nicht darum, sich irgendwann einmal aufzulösen in ein größeres Ganzes, in ein diffuses Sein; wir sind vielmehr als Person von Gott gekannt, der einzelne Mensch hat Bedeutung im Leben und über den Tod hinaus.
Die Taufe ist daher für ein Kind wie auch für die Eltern sehr bedeutsam. Es wird nun Teil der großen Familie Gottes. Wenn wir Kleinkinder taufen, erinnern wir damit daran, dass Gottes Liebe für uns schon da ist, bevor wir irgendetwas tun oder leisten können. Gott sagt Ja zu uns, zu einem Zeitpunkt, an dem wir das noch gar nicht wissen oder verstehen. Für Kinder ist deshalb die Erinnerung an die Taufe und das Erzählen davon wichtig. Was war das für ein Tag? War es heiß, hat es geregnet? Was hat der Pfarrer, was hat die Pastorin gesagt und gemacht? War das Kind ruhig oder lebhaft? Wer sind die Paten, wer war zur Taufe alles anwesend? Gehen Sie doch einmal mit Ihrem Kind zu einer Tauffeier und erklären Sie ihm: siehst du, so war das damals auch bei dir.
In manchen Gemeinden gibt es auch Tauferinnerungsgottesdienste. Und auch die Taufkerze ist ein schönes Ritual. In unseren Kirchen erhält jedes Kind zur Taufe eine Kerze. Sie kann dann am Tauftag wieder entzündet werden, als Tauferinnerung in der Familie. Sehr schön fand ich, dass bei meiner jüngsten Tochter die Kinder zur Konfirmation ihre Taufkerzen mitbrachten. Da waren einige schon sehr heruntergebrannt. Andere waren noch ganz neu, weil das Kind erst kurz vor der Konfirmation getauft worden war, da Eltern heute immer öfter ihre Kinder nicht als Säuglinge zur Taufe bringen. Sie wollen warten, bis das Kind sich entscheidet. Immer öfter lassen sich heute darum Grundschulkinder taufen, manchmal, wenn ihre Klassenkameraden zur Erstkommunion gehen. Und immer wieder kommt es auch vor, dass sich Erwachsene taufen lassen. Im Vorstellungsgottesdienst der Konfirmandinnen und Konfirmanden wurde bei einer meiner Töchter eine 37-jährige Frau getauft. Und der Pastor erklärte den Kindern, so wie diese Frau hätten ihre Eltern für sie einst stellvertretend das Ja gesprochen, und sie bestätigen es am Tag der Konfirmation – nunmehr religionsmündig. Das war ein sehr plastisches Lernen und Verstehen.
Mit der Taufe gehören die Patinnen und Paten zu der Gemeinschaft, die für das Kind da ist. Da wird deutlich: Andere Menschen, ja auch die Gemeinde, übernehmen mit Verantwortung für das Kind. Das tut den Eltern gut – und die Kinder haben außer den Eltern noch andere Erwachsene, mit denen sie auf besondere Weise verbunden sind. Ich habe auch oft erlebt, dass es großartig sein kann, wenn Menschen, die aus dem einen oder anderen Grund selbst keine Kinder haben können, die Patenschaft für ein Kind übernehmen. Das Kind findet eine andere erwachsene Person, die es begleitet, der es sich anvertrauen kann. Die Eltern werden gestützt und entlastet. Ein Mann oder eine Frau übernehmen Verantwortung für ein Kind und dürfen sich freuen an dem Miteinander. Es kommt immer öfter vor, dass Menschen in unseren Gemeinden keine Paten mehr finden. Da können wir durchaus dafür werben, dass sich auch Menschen, die sich nicht kennen, durch eine Patenschaft verbinden lassen. Paten können Kindern auf wunderbare Weise Zugang zum christlichen Glauben bieten.
Als Gemeinschaft miteinander verbunden zu sein, heißt auch: wir können nicht alles Gott überlassen, wir sind füreinander da und haben eben auch selbst Verantwortung. In den letzten Jahren ist mir immer wichtiger geworden, deutlich zu machen, dass das Christentum eine Gemeinschaftsreligion ist. Wir kommen zusammen, um Gott zu loben, um zu singen, zu beten, Gottes Wort zu hören. Der Gottesdienst ist wichtig. Es ist traurig, dass ihn so wenige Menschen besuchen. Vielleicht mögen Sie es mit Ihrem Kind ja einmal versuchen. Wenn jemand lange nicht da war, ist der Ablauf vielleicht unbekannt geworden, vielleicht fühlen Sie sich ein bisschen unsicher. Aber niemand muss den Ablauf perfekt mitvollziehen können. Wir können uns ein bisschen an denen orientieren, die wissen, was kommt. Und vorn im Gesangbuch finden Sie in der evangelischen wie in der katholischen Kirche Hinweise zum Ablauf, zur Liturgie. Sie hat eine Bedeutung: Da wird Trauer und Dank vor Gott gebracht in „Kyrie“ und „Gloria“, da wird ein Psalm gebetet, aus der Bibel, dem Wort Gottes, vorgelesen und in der Predigt ausgelegt, es wird für andere gebetet und das Abendmahl oder die Eucharistie empfangen. Das Abendmahl verbindet uns mit Menschen um die ganze Welt herum und durch alle Zeiten hindurch. Auch wenn wir nicht mit allen Kirchen gemeinsam feiern können, wird in diesem Mahl doch deutlich: wir stehen einzeln vor Gott, aber in einer Gemeinschaft mit Menschen in dieser Kirche, in diesem Gottesdienst und gleichzeitig mit Menschen in allen Ländern der Erde in ihrem Gottesdienst. Und auch in Gemeinschaft mit den Christinnen und Christen, die vor uns gelebt haben und die nach uns leben werden.
Kinder können so erfahren, dass sie eine Heimat, eine Beheimatung haben, die über die eigene Familie hinausgeht. Es gibt einen Ort, an den sie gehören. Sie sind Mitglied in der Familie Gottes. Gott will für sie einstehen, wie auch andere Menschen, die „Schwestern und Brüder“ in dieser Familie Gottes. Ich weiß, in vielen Gemeinden ist das nicht so unmittelbar erfahrbar. Aber wir können es neu einüben – es liegt auch an uns, ob wir uns an diese manchmal „fremden Verwandten“ erinnern. Indem wir die Menschen neben uns im Gottesdienst begrüßen, indem wir uns bewusst machen: hier saßen schon Jahrhunderte vor uns Menschen und haben miteinander gesungen und gebetet. Es geht beim Gottesdienst gar nicht so sehr um die Kategorie „langweilig“ oder „Eventcharakter“, sondern um das Aufrechterhalten dieses Zusammenhangs. In einem Kirchenlied heißt es recht lapidar: „Gott loben, das ist unser Amt.“ Auch Kindergottesdienste können das, Spielgruppen und andere Formen des Zusammenkommens. Zugehörigkeit zur Gemeinschaft ist ein Kennzeichen des Christentums.
Übrigens plädiere ich sehr dafür, getaufte Kinder mitzunehmen zum Abendmahl. Die Taufe ist der Zugang zu dieser Familie und Gemeinschaft, theologisch spricht nichts dagegen, dass getaufte Kinder am Abendmahl teilnehmen dürfen. Sie sollten Ihrem Kind vorher erklären, was wir da tun: In Erinnerung an das letzte Mahl, das Jesus mit seinen Jüngerinnen und Jüngern gefeiert hat, teilen wir Brot und Wein „zu seinem Gedächtnis“. Und weil Jesus für uns gestorben ist, sehen wir das wie sein Blut und seinen Leib. Das muss nicht beängstigend wirken, wenn Sie dem Kind erklären, dass Jesus mitten unter uns ist, lebendig, auferstanden, erfahrbar in der Gemeinschaft. Auch auf diese Weise ist Gott bei uns.