Wie Musik für die Augen zum Lesen - Marcellus M. Menke - E-Book

Wie Musik für die Augen zum Lesen E-Book

Marcellus M. Menke

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Beschreibung

Die Gedichte aus den letzten Monaten des Jahres 2015. Nachdenklich und pointiert, tiefgründig, mitunter auch liebevoll verspielt und mit einer feinen Spur Humor durchzogen. In ihrer Attitüde dabei immer bewegend und ganz nah am Kern humaner Existenz.

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Seitenzahl: 33

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Für meine Tante, die so viele

meiner Texte gelesen hat und die

diese für sie geschriebenen Texte

leider nicht mehr lesen kann.

Voraus

Meine Tante starb im Oktober, plötzlich, unerwartet. Sie war 88 Jahre alt, was ja schon ein ansehnliches Alter ist. Und wenn man sagen kann, dass der Tod immer kommen kann, er das kleine Kind genauso treffen kann wie den erwachsenen Mann, dann kann man auch sagen, dass, je älter man wird, desto größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass man stirbt. Von daher war es nicht überraschend. Nein. Aber es überraschte uns dann doch.

Meine Tante war in ihrem Leben öfter krank gewesen. Ich meine nicht die Krankheiten, die so jeder hat, Schnupfen und Grippe und so weiter. Ich meine die schweren Krankheiten, die, die einem einen Teil des Lebens nehmen. Die Tuberkulose nahm ihr einen Lungenflügel, der Herzinfarkt die Leistungskraft und der Krebs die Brust.

Doch das hat, so dramatisch diese Einschnitte jeweils waren, ihr Leben nicht bestimmt. Sie hat viel gearbeitet in ihrem Leben. Aus der Zahnarzthelferin, nach dem Krieg, wurde die Krankenschwester, dann die Schulschwester. Ein aktives Leben, am Menschen orientiert. Helfen, medizinisches und praktisches Wissen zum Pflegen und Heilen vermitteln. Es hört sich an, als wollte ich in ein paar Zeilen die Summe eines Lebens ziehen. Doch das will ich nicht. Das Leben ist zu komplex, um es auf das zu reduzieren, was man in ein paar Zeilen wiedergeben kann.

Beziehungen zu Menschen, Beziehungen von Menschen sind unterschiedlich tief und ihre inhaltliche Prägung ist immer sehr persönlich. In den letzten beiden Jahren war die Beziehung zu meiner Tante sehr intensiv. Ich habe sie oft besucht und wir haben viel miteinander gesprochen. Nicht einfach so gesprochen, sondern sehr intensiv gesprochen, über das Leben, das Vergangene und das Zukünftige, über Geschichte und Politik und über Kunst. Ich habe dabei einen Teil meines Lebens wiederholt.

Meine Tante ist viel gereist und sie hat immer sehr gerne Musik gehört. Sie hat die Oper geliebt. Sie konnte diese Kunstform zeitlebens wertschätzen. Doch in den letzten Jahren ihres Lebens nahm die Hörfähigkeit rapide ab. Sie verschenkte, bis auf einige wenige Erinnerungsstücke, ihre Schallplatten- und CD-Sammlung und in die Oper ging sie nur noch selten. Die hohen Töne der Sopranistinnen verursachten in den Hörgeräten ein fürchterliches Klirren. In dieser Zeit begann sie meine Texte, die Kurzprosa und auch die Gedichte, zu lesen. Ich brachte ihr bei jedem Besuch die neu entstandenen Texte mit, die ich schrieb.

Die meisten Menschen, denen ich die Texte gab, verstanden sie nicht. Die kurzen Geschichten waren ihnen zu fragmentarisch und zu vieldeutig. Die Bildersprache der Gedichte zu fremd und ungewöhnlich.

Meine Tante las diese Texte, meist in kleinen Stücken, dann aber immer jeweils öfter denselben Abschnitt hintereinander. Sie las intensiv und wir sprachen über die Texte. An einem Nachmittag, als ich bei ihr Oboe übte, setzte sie sich an den Tisch im Esszimmer, nahm die Hörgeräte heraus und ich spielte für sie Ernst Eichners Oboenkonzert, für das ich gerade die Kadenzen fertiggestellt hatte. Da die für einen Konzertsaal gebaute Oboe in einer Wohnung sehr laut ist, konnte sie, wie sie sagte, mal wieder wie früher Musik hören.

Beim Abendbrot meinte sie dann: „Weisst du, wenn ich deine Texte lese, dann ist das für mich so, wie früher das Musikhören. Deine Texte sind wie Musik für die Augen, zum Lesen.“

Am nächsten Tag habe ich mir zwei dicke Kladden gekauft, eine rote und eine blaue und jeden Abend, manchmal auch am Morgen, nach dem Aufwachen, ein Gedicht hineingeschrieben.

Sie starb, bevor die Kladden voll waren.

Jetzt sind sie es und, in der Form in der ein Gedicht nach einigen notwendigen Bearbeitungen so weit gewachsen ist, dass man es zu einem Leser entlassen darf, finden sie sich in diesem Band.

Inhalt

Geheimnis

Geheimnis

Angst

Wunden

Wunsch

Hoffnung

Ringe

Und

Zweimal

Skizze eines Baumes

Wunsch

Sanftmut

Butter

Butter (II) (an die Geliebte)

Linien

Sprungspur

Dem Vergessen anheimgegeben

Sprung

Schlafen

Fire Engines

Bögen