Wie zähmt man seinen Boss? - Carole Mortimer - E-Book

Wie zähmt man seinen Boss? E-Book

Carole Mortimer

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Beschreibung

Xander Sterne ist ihr Boss! Immer wieder muss Samantha sich das sagen. Aber der mächtige Tycoon ist nach einem Unfall vorübergehend auf ihre Hilfe angewiesen, und mit jeder Berührung knistert es mehr zwischen ihnen. Xander mag verletzt sein. Aber ein Verführer ist er trotzdem …

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IMPRESSUM

Wie zähmt man seinen Boss? erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2015 by Carole Mortimer Originaltitel: „The Taming of Xander Sterne“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA, Band 409 Übersetzung: Valeska Schorling

Umschlagsmotive: oussama el biad / shutterstock

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2023

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751521321

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Ich verstehe ja, dass du Ende der Woche in die Flitterwochen fährst, Darius, aber du brauchst für die zwei Wochen, die ihr unterwegs seid, wirklich keinen Babysitter für mich zu organisieren!“ Xander saß im Londoner Penthouse seines Zwillingsbruders und sah ihn gereizt an.

Darius schüttelte den Kopf. „Es handelt sich nicht um einen Babysitter, sondern um jemanden, der dir bei allem zur Hand geht, das du noch nicht allein schaffst. Duschen, dich abtrocknen, anziehen und Auto fahren.“

„Wir haben einen Firmenchauffeur.“

„Aber für alles andere hast du niemanden“, wandte Xanders Bruder ein. „Auch niemanden zum Kochen.“

„Um Himmels willen, Darius, der Unfall ist schon sechs Wochen her!“

„Du hast dir dreifach ein Bein gebrochen und musstest zwei Operationen über dich ergehen lassen. Du kannst zurzeit noch nicht mal zehn Minuten am Stück stehen.“ Darius blieb unnachgiebig.

Xander sah ihn wütend an, obwohl er wusste, dass sein Bruder recht hatte. „Hier geht es doch in Wirklichkeit gar nicht darum, ob ich gewisse Dinge allein schaffe, oder?“ Er seufzte resigniert.

Darius erstarrte. „Wie meinst du das?“

„Du kannst beruhigt sein, ich habe nicht vor, mich umzubringen. Klar, ich bin Auto gefahren, als ich es nicht hätte tun sollen, und ja, ich bin mit dem Wagen gegen einen Laternenmast geprallt, aber Gott sei Dank wurde niemand anders verletzt. Ich habe das nicht mit Absicht gemacht, Darius. Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich damals so wütend war, dass ich nicht mehr geradeausdenken konnte. Ich war wütend, Darius“, wiederholte er mit Nachdruck.

„Das passiert jedem mal.“

„Aber meine Wut hatte sich monatelang in mir aufgestaut.“

„Ich weiß.“

Xander blinzelte überrascht. „Ja?“

Sein Zwillingsbruder nickte. „Du warst völlig überarbeitet und hattest dir auch in deiner Freizeit keine Ruhe gegönnt. Es war, als würdest du versuchen, etwas oder jemanden zu verdrängen.“

„Viel genützt hat mir das nicht.“ Wenn Xander dazu imstande gewesen wäre, im Zimmer auf- und abzugehen, hätte er das jetzt getan. Vor sechs Wochen war ihm nämlich zum ersten Mal in seinem Leben bewusst geworden, dass er zu Jähzorn neigte. Dass seine Wut sich nicht langsam entwickelte wie bei seinem Bruder, sondern wie ein Pulverfass war, das jederzeit unkontrolliert explodieren konnte. Er hätte um ein Haar einen anderen Menschen windelweich geprügelt.

Zugegeben, der Mann hatte die Frau in seiner Begleitung in jener Nacht in dem exklusiven Nachtclub der Sterne-Brüder aufs Übelste beschimpft und beleidigt, eine Situation, die Xander daran erinnert hatte, wie sein Vater seine Mutter in seiner Kindheit immer behandelt hatte.

Doch sein Verlangen, den Mann zu schlagen, hatte ihn zutiefst schockiert. Seitdem traute er sich selbst nicht mehr über den Weg. Noch nie zuvor hatte er jemanden schlagen wollen, noch nicht mal seinen Vater, obwohl der ihn früher regelmäßig verprügelt hatte.

Lomax Sterne war inzwischen seit mehr als zwanzig Jahren tot – seitdem er im Suff die Treppe in seinem Londoner Haus hinuntergefallen war. Weder seine Frau noch seine Zwillingssöhne hatten seinen Tod betrauert. Lomax Sterne war ein brutaler Mann gewesen, ein Tyrann, dessen Jähzorn berüchtigt gewesen war.

Und vor sechs Wochen hatte Xander zu seinem Entsetzen feststellen müssen, dass er genauso war.

„Weißt du noch, was der Auslöser für deine innere Anspannung war?“, fragte Darius.

Xander verzog ratlos das Gesicht. „Nein. Oder warte mal.“ Sein Gesicht hellte sich etwas auf. „Erinnerst du dich, wie wir vor vier Monaten in Toronto waren und mit dem Vorstand einer Bank und dessen Frau essen waren?“

„Klar. Er hat sie den ganzen Abend völlig herablassend und respektlos behandelt“, ergänzte Darius. „Wir hatten deshalb beschlossen, keine Geschäfte mit ihm zu machen. Ist das der Grund dafür, dass sich in den letzten Monaten so viel Wut bei dir aufgestaut hat?“

„Ich glaube ja.“

„Aber du hattest deine Wut damals genauso im Griff wie sechs Wochen später“, wandte Darius ungeduldig ein. „Vergiss das Ganze doch einfach. Es ist vorbei.“

Xander wünschte, er könnte das auch so locker sehen.

„Ich bin dir sehr dankbar, dass du in den letzten vier Wochen hier bei mir gewohnt hast, Darius, aber ich will einfach keinen Fremden hier haben.“ Ehrlich gesagt hatte Xander sich schon darauf gefreut, die Wohnung endlich wieder ganz für sich allein zu haben. „Ich will wirklich nicht undankbar erscheinen, aber mir graut vor der Vorstellung, in den nächsten zwei Wochen einem als meine Krankenschwester engagierten, muskelbepackten und tätowierten Mann namens Sam Smith am Frühstückstisch gegenübersitzen zu müssen.“

Darius lachte. „Die Nachbarn würden jedenfalls große Augen machen, wenn sie plötzlich einen Mann in deiner Wohnung sehen, der nicht dein Bruder ist.“

Xander, einer von zwei Zwillings-Milliardären, hatte dank der Medien den Ruf eines Playboys. Oh ja, für die Presse wäre es ein gefundenes Fressen, wenn er seine Wohnung plötzlich mit einem Mann teilte.

„Aber Gott sei Dank wird es so weit nicht kommen. Samantha Smith ist nämlich eine Frau“, fügte Darius belustigt hinzu.

Xander starrte ihn verblüfft an. „Sam Smith ist eine Frau?“

Darius grinste. „Gut zu wissen, dass dein Gehör bei deinem Unfall nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde.“

Xander fand, dass sein Bruder sich mit dieser Information etwas zu lange Zeit gelassen hatte. „Spar dir deine Schadenfreude. Schreckliche Vorstellung, dass ich dieser Frau in den nächsten zwei Wochen gnadenlos aufgeliefert sein werde!“

„Ich werde sie bitten, schonend mit dir umzugehen“, witzelte Darius.

„Sehr komisch!“ Die Aussicht, mit einer fremden Frau zusammenwohnen zu müssen, behagte Xander überhaupt nicht. „Woher kennst du sie eigentlich?“

„Sie ist eine Freundin von Miranda. Miranda hält große Stücke auf Sam und hat ihr sogar angeboten, nach den Flitterwochen Teilzeit im Tanzstudio zu arbeiten. Sams kleine Tochter ist eine ihrer Schülerinnen.“

„Warte!“ Xander hob abwehrend eine Hand. „Diese Samantha Smith hat ein Kind?“

„Ganz recht.“

„Aha. Und was macht sie dann während ihres Aufenthalts hier mit ihrer Tochter?“

„Na, sie bringt sie natürlich mit“, antwortete Darius so ungerührt, als sei es das Selbstverständlichste der Welt.

Xander platzte endgültig der Kragen. „Bist du jetzt völlig durchgeknallt?“ Er nahm seine Krücken und erhob sich mühsam von seinem Stuhl. „Ich habe dir doch gerade erzählt, was mit mir vor sechs Wochen im Nachtclub passiert ist! Ich habe um ein Haar die Beherrschung verloren, und jetzt willst du mir hier ein Kind anschleppen? Wie alt ist Miss Smiths Tochter eigentlich?“

„Fünf, glaube ich.“

„Du lässt zu, dass diese Frau eine Fünfjährige mitbringt?“ Xander holte tief Luft, um sich wieder zu beruhigen. „Das war bestimmt Andys Idee, oder? Du hast ihr erzählt, was mit mir los ist, und …“

Darius warf ihm einen warnenden Blick zu. „Du hattest es mir nicht verboten.“

„Mich interessiert nicht, ob du Andy von jener Nacht erzählt hast oder nicht“, entgegnete Xander ungehalten. „Sie ist immerhin deine Frau und meine Schwägerin. Aber mir geht ihre Naivität gegen den Strich. Sie will mir damit doch nur beweisen, dass ich mich nicht wie befürchtet in ein Monster verwandle.“

„Vorsicht, Xander“, warnte Darius ihn leise.

Xander war zu aufgebracht, um auf seinen Bruder zu hören. „Das Leben ist kein Märchen, Darius. Und falls doch, dann bin ich das Monster und nicht der Prinz!“

Darius musterte seinen Bruder nachdenklich. „Weißt du, Xander, man bekommt im Leben nicht immer das, was man will. Das ist etwas, worauf Miranda mich nachdrücklich hingewiesen hat“, fügte er voller Zuneigung hinzu, bevor er wieder ernst wurde. „Ist dir eigentlich schon in den Sinn gekommen, dass Samantha Smith alleinerziehend ist und das Geld für deine Betreuung daher dringend gebrauchen kann?“

Das leuchtete Xander natürlich ein. Aber was war, wenn diese Frau irgendwie seinen neu entdeckten Zorn erregte? Das fand Darius dann bestimmt nicht mehr so lustig, und Xander würde sich das nie verzeihen. Ein Wutausbruch würde nämlich seine schlimmste Befürchtung bestätigen: dass er sich in seinen Vater verwandelte.

Ungeduldig runzelte Darius die Stirn. „Hör mal, Miranda legt ihre Hand für Sam ins Feuer, und die Frau braucht dringend Geld. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“

Xander sah das anders. Klar, das Penthouse war groß genug für ein Dutzend Menschen, aber das war nicht der Punkt. Er wollte seine Wohnung nun mal nicht mit einer Frau teilen, die er nicht kannte, ganz zu schweigen mit deren fünfjähriger Tochter.

Doch was blieb ihm anderes übrig, als es drauf ankommen zu lassen? Darius hatte in den letzten Wochen alles für ihn stehen und liegen lassen, da wäre es nicht fair, ihm auch noch während der Flitterwochen Sorgen zu bereiten.

Oder?

„Ist Mr Sterne nett, Mummy?“, fragte Daisy, als sie in der Limousine saßen, die Darius Sterne ihnen vorbeigeschickt hatte, um sie abzuholen.

Ob Xander Sterne nett war? Sam hielt kurz inne. Sie war dem Mann nur kurz bei ihrem Vorstellungsgespräch mit den beiden Sterne-Brüdern vorgestern begegnet, während Daisy in der Schule war. Die Frage war vor allem deshalb schwierig zu beantworten, weil Xander das Gespräch mehr oder weniger seinem Bruder überlassen hatte. Erst am Schluss hatte er ein paar kurze Fragen zur Dauer der Unterbringung ihrer Tochter in der Schule und dem Zeitraum ihrer Anwesenheit danach in der Wohnung gestellt. Offensichtlich war er bereit, ihre Gegenwart zu tolerieren, schien jedoch nicht gerade scharf auf die eines kleinen Kindes zu sein.

Sam war nicht gerade glücklich darüber, aber leider blieb ihr nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden. Sie brauchte das Geld dringend.

Ihre finanzielle Situation war nicht immer so prekär gewesen. Ihr Exmann Malcolm war zwar nicht annähernd so reich wie die Sternes, aber als erfolgreicher Geschäftsmann konnte er sich ein großes Haus in London, eine Villa in Südfrankreich und eine weitere in der Karibik leisten.

Sam war zwanzig und Malcolm fünfunddreißig gewesen, als sie sich kennengelernt hatten. Sie hatte damals als Assistentin in seiner Firma angefangen und war sofort von dem weltgewandten dunkelhaarigen Geschäftsmann beeindruckt gewesen. Umgekehrt schien es ebenso gewesen zu sein, denn nur zwei Monate später hatte Malcolm sie geheiratet.

Sam war so in ihren gut aussehenden und erfolgreichen Mann verliebt gewesen, dass sie ihn völlig verklärt gesehen hatte. Ihre Eltern waren schon lange tot, sodass sie bei verschiedenen Pflegefamilien aufgewachsen war. Bis auf zwei weit entfernt lebende unverheiratete Tanten, die sie nie sah, hatte sie keine Familie mehr.

Sam war glücklich mit Malcolm gewesen, doch ihre ungeplante Schwangerschaft hatte alles verändert. Sie hatten nie darüber gesprochen, ob sie Kinder haben wollten – oder eben nicht. Erst als sie ihm voller Freude mitgeteilt hatte, dass sie im dritten Monat schwanger war, hatte sich herausgestellt, dass er keine wollte. Damals hatte Sam sich noch eingeredet, dass die Neuigkeit ihn einfach nur überrumpelte und er seinen Vorschlag, das Kind abzutreiben, unmöglich ernst meinen konnte.

Leider hatte sie sich geirrt.

Über Nacht wurde alles anders. Malcolm zog aus ihrem Schlafzimmer aus, offensichtlich abgestoßen von ihrem Körper, der sich langsam zu verändern begann. Selbst da war sie noch naiv genug zu glauben, dass ihre Situation sich bessern würde und ihre Ehe nicht nach einem Jahr schon gescheitert sein konnte. Sie hoffte, dass Malcolm sich irgendwann an die Vaterrolle gewöhnte, spätestens nach der Geburt des Kindes.

Doch wieder sollte sie sich irren.

Malcom blieb im Gästezimmer, ignorierte ihre Schwangerschaft und besuchte sie auch nach Daisys Geburt nicht im Krankenhaus. Genauso wenig war er da, als sie ihre Tochter voller Stolz nach Hause brachte. Zwei Jahre lang versuchte sie alles, um ihre Ehe zu retten, weil sie einfach nicht glauben konnte, dass Malcolm immun gegen den Charme seiner Tochter bleiben würde.

Aber so war es.

Erst nach zwei Jahren Kampf fand Sam sich mit ihrer Niederlage ab. Zum damaligen Zeitpunkt waren ihre Gefühle für Malcolm erloschen. Sie wusste kaum noch, warum sie ihn je geliebt hatte und ob sie ihn überhaupt mochte. Wie sollte sie auch, wenn er seine eigene Tochter nicht akzeptierte?

Seitdem waren drei Jahre vergangen, die alles andere als leicht für Sam gewesen waren, sowohl emotional als auch finanziell.

Aber das war ganz allein ihr Problem. Wie sollte ein Milliardär wie Xander Sterne auch verstehen, dass sie jeden Penny zusammenkratzen und praktisch die ganze Woche auf ihr Mittagessen verzichten musste, um etwas so Triviales wie Daisys Ballettunterricht einmal die Woche finanzieren zu können?

Malcolm hatte sich natürlich geweigert, seiner Tochter deren Wunsch nach Ballettstunden zu erfüllen. Er zahlte lediglich den Mindestunterhalt. Sam hatte im Austausch gegen das alleinige Sorgerecht auf jeglichen Unterhaltsanspruch für sich selbst verzichtet – ein Preis, den sie nur allzu bereitwillig gezahlt hatte und jederzeit wieder zahlen würde.

Xander, ein Mann, der zusammen mit seinem Zwillingsbruder mehrere internationale Firmen leitete, konnte bestimmt nicht verstehen, wie schwierig es für eine alleinerziehende Mutter war, einen Job zu finden, erst recht einen, den sie erledigen konnte, während Daisy in der Schule war. Mittags zu kellnern war bisher ihre einzige Option gewesen, aber auch damit stieß sie immer dann an ihre Grenzen, wenn die Ferien kamen.

Gott sei Dank würde ihre Situation sich in zwei Wochen endlich bessern, wenn sie in Andys Ballettstudio anfing. Mit dem Geld, das sie bis dahin von Darius bekommen würde, konnte sie zumindest ihre Strom- und Gasrechnung bezahlen. Trotzdem hatte sie sich mehr oder weniger nur aus Dankbarkeit Andy gegenüber bereiterklärt, zwei Wochen in der Wohnung eines Mannes zu verbringen, den sie kaum kannte und in dessen Gegenwart sie sich alles andere als wohlfühlte. Er war vorgestern zwar nicht direkt unhöflich ihr gegenüber gewesen, aber auch nicht gerade freundlich.

Was zurück zu Daisys Frage führte, ob ihr neuer Arbeitgeber nett war.

Ehrlich gesagt hatte Sam keine Ahnung.

Sie wusste nur, dass er mit seinen breiten muskulösen Schultern, den schmalen Hüften und den langen Beinen sehr männlich war. Sein blondes Haar fiel ihm bis auf den Hemdkragen, während seine Augen dunkel und durchdringend waren. Er hatte ein sonnengebräuntes markantes Gesicht mit einer langen geraden Nase, hohen Wangenknochen und sinnlichen Lippen. Ob er auch ein sinnlicher Mann war?

Falls ja, hatte er das in den letzten sechs Wochen bestimmt nicht ausleben können – seitdem er sich bei einem Autounfall ein Bein gebrochen hatte und an seine Wohnung gefesselt war. Auf der anderen Seite konnte er sich bestimmt jederzeit Frauen in die Wohnung kommen lassen, wenn ihm der Sinn danach stand!

Bisher hatte Sam sich noch keine Gedanken darüber gemacht, aber da die Bettgeschichten des Milliardärs Xander Sterne schon seit Jahren für Schlagzeilen sorgten, musste man vielleicht mit allem rechnen …

„Mummy?“

Sam wurde bewusst, dass sie die Frage ihrer Tochter immer noch nicht beantwortet hatte. Lächelnd sah sie Daisy an. „Mr Sterne ist sehr nett, Schätzchen“, sagte sie so überzeugend wie möglich, vermied es dabei jedoch, in Richtung des Chauffeurs zu blicken, um nicht womöglich von dessen skeptischem Blick ihre Bedenken bestätigt zu sehen. Das Wort „nett“ passte irgendwie nicht zu Xander. Dynamisch, arrogant und umwerfend attraktiv, ja. Aber nett? Nein, eher nicht.

„Glaubst du, dass er mich mag?“, fragte Daisy nervös.

Sam presste die Lippen zusammen. Malcolms absolutes Desinteresse an seiner kleinen Tochter hatte dazu geführt, dass die Kleine Männern gegenüber sehr unsicher war.

„Natürlich wird er dich mögen.“ Sam würden den arroganten Xander Sterne in Stücke reißen, wenn er irgendetwas sagte oder tat, das ihre ohnehin schon verletzliche Tochter noch mehr verletzte. „Hast du eigentlich daran gedacht, deinen Teddy einzupacken?“, wechselte sie das Thema, um Daisy auf andere Gedanken zu bringen. Das Mädchen war auch so schon nervös genug.

Und ihr selbst erging es nicht anders.

Unbeholfen humpelte Xander auf Krücken im Flur seiner Wohnung hin und her. Er wartete auf die Ankunft von Samantha Smith und ihrer kleinen Tochter.

Zugegeben, Samanthas Erscheinung am Mittwochvormittag hatte ihn überrascht – so sehr, dass er fast das ganze Vorstellungsgespräch über nichts gesagt und das Reden seinem Bruder überlassen hatte. Sie musste schon als Jugendliche geheiratet haben, so jung sah sie aus. Auf keinen Fall wirkte sie alt genug, um Mutter einer Fünfjährigen zu sein.

Ihre amethystfarbenen Augen waren ihm zuerst aufgefallen. Sie war klein und fast genauso schlank wie seine künftige Schwägerin, auch wenn es eher so aussah, als sei das auf zu wenig Essen zurückzuführen und nicht auf ein ausgedehntes Balletttraining. Sie hatte hohe Wangenknochen, Sommersprossen, eine kleine Stupsnase und einen vollen sinnlichen Mund. Ihre langen Locken, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst hatte, waren leuchtend rot.

Ob man daraus auf eine feurige Natur schließen konnte?

Falls ja, war davon bisher nichts zu sehen gewesen. Wenn Xander ehrlich sein wollte, hatte sie ihn während des halbstündigen Gesprächs kaum eines Blickes gewürdigt, sondern sich darauf konzentriert, einsilbig die Fragen seines Bruders zu beantworten. Vielleicht war sie schüchtern, oder sie stand einfach nicht auf Playboy-Milliardäre.

Darius hatte vermutet, dass sie nur deshalb so zurückhaltend gewesen war, weil es sie nervös machte, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Sterne-Brüder zu stehen.

Was absolut im Bereich des Möglichen lag, wie Xander zugeben musste. Darius und er konnten schon jeder für sich allein ziemlich einschüchternd sein, aber zusammen …

Nun, was auch immer die Gründe für Sams Zurückhaltung gewesen waren, er würde sich nur so lange mit ihrer unauffälligen Gegenwart abfinden, bis Darius und Miranda aus den Flitterwochen zurückkehrten. Keine Sekunde länger.

Fragte sich nur, warum sie so lange auf sich warten ließ! Paul war schon vor über einer Stunde losgefahren, um sie und ihre Tochter abzuholen. Das fing ja gut an. Er würde sofort nach ihrer Ankunft ein ernstes Wörtchen mit ihr reden müssen. Wenn er eins nicht ausstehen konnte, dann war es Unpünktlichkeit.

Aber auch sonst hatte er eine Menge Regeln für sie oder vielmehr für das kleine Mädchen.

Wildes Hin- und Herlaufen im Flur zum Beispiel war absolut tabu. Lautes Rufen oder Schreien ebenfalls. Verboten waren auch laute Fernsehgeräusche, vor allem morgens.

Und vor allem durfte sich kein Kind seiner Suite nähern, geschweige denn seine Kunstwerke oder persönlichen Gegenstände anrühren!

Xander schüttelte den Kopf. Das Beste wäre, wenn er gar nichts von der Anwesenheit des Mädchens mitbekommen würde. Falls sich das bei einer Fünfjährigen überhaupt realisieren ließ.

Ach, egal, irgendwie würde Miss Smith es eben hinkriegen müssen, das Mädchen ruhigzustellen. Sie und ihre Tochter waren schließlich nicht seine Gäste, sondern nur seine Angestellten, daher konnte er wohl von ihnen erwarten, sich entsprechend zu benehmen.

„Sieh mal, Mummy, so ein großer Fernseher!“

Xander hatte die Gegenwart der Frau und ihrer kleinen Tochter noch gar nicht richtig registriert, als ein kleiner rothaariger Wirbelwind an ihm vorbei zur offenen Tür seines Heimkinos schoss und ihn dabei an einem Ellenbogen streifte, sodass er das Gleichgewicht verlor.

Sam beobachtete ihre den mit Teppichen ausgelegten Flur entlangfliegende Tochter mit der Faszination eines Menschen, der Zeuge eines unaufhaltsamen Zusammenpralls zweier aufeinander zurasender Züge wird.

Erschauernd schloss sie die Augen, als Daisy an dem mit offenem Mund dastehenden Xander Sterne vorbeischoss. Als sie sie wieder öffnete, sah sie Xander schwanken.

Yep, eindeutig ein Zusammenprall!

Rasch ließ sie ihre Tasche auf den Fußboden fallen und lief auf Xander zu, um ihm eine Schulter unter einen Arm zu schieben, bevor er womöglich noch hinfiel.

Zumindest war das ihr Plan.

Leider wog Xander locker doppelt so viel wie sie, weshalb er sie mit sich zu Boden riss, als er endgültig das Gleichgewicht verlor. Ineinander verknäuelt landeten sie auf dem Teppich. Xander stieß ein Grunzen aus, während Sam wenig grazil auf ihm zum Liegen kam.

Oh je, was für eine Katastrophe!

„Also, meine erste Regel haben Sie schon gebrochen!“, murmelte er düster.

„Wie bitte?“ Sam hob den Kopf und sah ihn fragend an.

„Warum liegen du und Mr Sterne auf dem Fußboden, Mummy?“, fragte die in den Flur zurückgekommene Daisy verwirrt.