Wir bauen eine Brücke - Wiebke Worm - E-Book

Wir bauen eine Brücke E-Book

Wiebke Worm

4,8

Beschreibung

„Wir bauen eine Brücke – von uns hinaus in die Welt“ ist eine Anthologie von pflegenden Angehörigen. Das Wort ›Pflege‹ ist jedem bekannt. Was bedeutet es aber, ›Pflegende/r Angehörige/r‹ zu sein? Wir laden Sie einen Augenblick in unsere Welt ein, bauen eine Brücke von uns zu Ihnen. Lernen Sie uns und unsere Gedanken kennen. Trauer, Verzweiflung, Hilflosigkeit und Angst stehen für uns nicht im Vordergrund, sondern die LIEBE zu unseren Angehörigen, die uns die Kraft gibt, diese zu pflegen. Der gesamte Verkaufserlös geht an eine Stiftung, die sich für die Belange von pflegenden Angehörigen einsetzt: »Wir! Stiftung pflegender Angehöriger«. Damit geben wir etwas für diesen Einsatz zurück.

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Seitenzahl: 79

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Widmung

Dieses Buch ist denen gewidmet, die ein Leben voll von Liebe, Kummer, Hoffnung, Zweifel und Verzicht führen oder führten.

Es ist den Pflegenden gewidmet, seien es Angehörige, Verwandte oder Freunde.

Aber auch allen engagierten Menschen, die sich Pflege als Beruf erwählten.

Inhaltsverzeichnis

Rainer Pick: Essen

Brigitte Hald-Hübner: Gebet in Grenzsituationen

Wiebke Worm: Zeichnung – Liebe

Inge Rosenberger

Die Handschützer und die Service-Center der Krankenkasse

Lydia Losehand: Ach Mama

Inge Rosenberger: Der Untermietvertrag

Marion Reinartz: Tagebuch einer Demenz oder: Im Menschen lebt eine Sehnsucht

Brigitte Bührlen: Meine Mutter

Wiebke Worm: Vertrauen

Monika Hald-Greiner: Der Geizige

Rainer Pick: Medbox

Kornelia Schmid: Unsere Krankheit MS

Brigitte Hald-Hübner: Persönliches Vater unser (2006)

Uwe Worm: Samstag »ER«

Wiebke Worm: Deine Trauer

Dagmar Wicher: Der singende Bulli

Hanni Schertl: Berufen um zu pflegen

Lydia Losehand: Demenz-Anekdoten

Wiebke Worm: Demenz-Gedankensplitter

Rainer Pick: Tag

Nele Glöer: Deine Tränen

Dagmar Wicher: Mama, ich kann das auch schon

Marion Reinartz: Tagebuch einer Demenz

Rainer Pick: In einer Nacht

Monika Hald-Greiner: Gebet zum Schutzengel

Kornelia Schmid: „Ich kann nicht mehr“ oder „Am Ende“

Wiebke Worm: Wenn Elfen tanzen

Rainer Pick: Medbox 1

Monika Hald-Greiner: Das kleine Tannenbäumchen

Wiebke Worm: Worte zum Abschied

Danksagung

Bianca Karwatt: Nachwort

Das sind wir

Einige Worte zu Brigitte Bührlen

Informative Seiten von und über uns

Zum Abschluss noch ein Glücksbringer

Vorwort

Am Anfang stand die Idee, aber ist es nicht immer so?

Ich möchte etwas für mich bewegen, aber wie?

Dann habe ich einige Menschen kennengelernt, die täglich Ähnliches erleben wie ich. Tolle Menschen! Menschen, die mich berühren, die mir helfen und denen ich auch helfen kann. Sei es durch Zuhören oder mit meinen Worten und Bildern.

Auf einmal war es für mich ein: Ich möchte etwas für eine Menschengruppe bewegen, die viel zu sehr im Abseits steht, die pflegenden Angehörigen.

Und dieses, zusammen mit anderen pflegenden Angehörigen.

Bald stand fest, WIR wollen für andere eine Art Brücke bauen. Eine Brücke von uns, zur Welt. Warum also nicht ein Buch von uns, über uns und für uns?

Wenn die Welt um einen enger wird, und man wie in einem kleinen Raum eingesperrt scheint, erwächst manchmal aus dieser Enge eine unglaubliche Kreativität.

Viele von uns verarbeiten die täglichen Situationen mit Schreiben, Fotografieren oder Zeichnen, und so entstand dieses Buch.

Mit unseren Texten möchten wir denjenigen, die nicht in solchen Situationen stecken, helfen, zu verstehen.

Pflegenden Angehörigen möchten wir Mut machen. Ihr seid nicht allein! Es gibt tausende von uns. Wir müssen uns nur bemerkbar machen. Unsere Rechte einfordern! Denn wir, ja, wir sind der größte Pflege-Dienst-Leister hier in Deutschland.

Wir, die pflegenden Angehörigen. Ohne uns würde vieles hier zusammenbrechen.

Aus Liebe zu unseren Angehörigen, und auch aus Pflichtgefühl, nehmen wir viel in Kauf. Wir wissen, dass wir auch viel zurück bekommen. Wir wissen, warum wir das alles machen, jedoch kann es nicht angehen, dass eine Rund-um-die-Uhr-Ausnutzung stattfindet und das Tag für Tag.

Mit diesem Buch wollen wir UNS in das Rampenlicht rücken und gleichzeitig denjenigen, die uns unterstützen, etwas zurück geben.

Deshalb wird der Verkaufserlös komplett an die Stiftung »WIR! Stiftung pflegender Angehöriger« gespendet. Informationen und Würdigung der Stiftung finden Sie im Anhang.

Viele PA leben an der Armutsgrenze, da sie alles aufgegeben haben, aufgeben mussten, um ihren Lieben einen Heimaufenthalt ganz oder solange wie möglich zu ersparen. Das ist öffentlich kaum bekannt, denn viele PA haben einfach keine Zeit und keine Luft oder Kraft mehr, irgendetwas anderes zu machen als zu pflegen. Und somit verschwinden sie leise aus dem Blickpunkt.

Mit »Wir bauen eine Brücke « zeigen wir, was uns bewegt, wie wir Situationen verarbeiten, und dass wir da sind!

Hier findet man ehrliche Texte, Gebete, Kurzgeschichten und Gedankensplitter. Zeichnungen und Fotos, die als Ablenkung oder zur Ermunterung erstellt wurden, runden das Bild ab.

Keine Angst, dieses Buch ist nicht nur traurig! Viele von uns haben es geschafft, eine Art Humor zu entwickeln, der es zulässt, auch schwierige Texte problemlos zu lesen. Wir haben uns entschieden, unsere Lieben mitschreiben zu lassen, wenn sie es denn noch können, oder für sie zu schreiben, wenn sie es selbst nicht schaffen, aber zu Wort kommen möchten. Denn sie verkörpern ja den Teil unseres Lebens, um den es sich bei uns dreht oder gedreht hat, und sie sind der Grund für die Entstehung dieses Buches.

Es ist auch in Erinnerung an diejenigen geschrieben, die wir lange und in Liebe versorgt haben.

Ich habe die Texte, die ich erhalten habe, bewusst nicht geändert, damit sie authentisch bleiben.

Ich wünsche Ihnen, auch im Namen aller Mitwirkenden, eine interessante Lesezeit.

Wiebke Worm

Rainer Pick

Essen

Nicht nur eine Stadt im Ruhrpott, sondern ein wichtiges Thema bei der Pflege deines Eheweibes.

Es kann dich zur Weißglut bringen, wenn du siehst, wie sie ablehnt, was du mit Freude und Herzblut und bei großer Gefahr für die Unversehrtheit deiner Finger in mühevoller Kleinstarbeit in der Küche “gezaubert“ hast.

Sie kann dir ja nicht sagen, was sie gerne essen möchte, signalisiert dir dein Verstand und drückt mit Macht auf deine Hormonproduktion, gleichsam dich beruhigend. Aber es war doch schon eine Anstrengung, die Kartoffeln zu schälen, nur für sie, Tomaten mit dem scharfen Messer zu schnippeln und Zwiebeln sozusagen lauthals schluchzend zu zerkleinern, damit sie ihr nicht im Halse stecken bleibt, die Mahlzeit.

Du weißt, dass sie noch immer nicht richtig schlucken kann und die Speiseröhre mit der Luftröhre verwechselt. Qualvoll ist dann ihr Husten und die Palette der Erregung reicht bis zum Erbrechen. Ob sie das fürchtet?

Ich weiß es nicht und sie kann es mir nicht sagen.

Aber sie lächelt und wehrt alles ab, was ich hergestellt habe. Früher hat ihr doch so etwas gut geschmeckt, meldet sich eine Erinnerung. Ja, das war eben früher, antwortet ihr ein anderer Gedanke. Ihr Lächeln reizt deinen Widerstand. Doch gleichzeitig sagt dir etwas, dass sie sich ja nicht äußern kann und dass deine Interpretation ihres Lächelns noch dazu total falsch sein kann. Aber immer wieder reizt es dich, deine Erfahrungen aus den fast 40 Jahren gemeinsamen Lebens als Gradmesser für das zu verwenden, was sie gerade mit dem macht, was du ihr als Mahlzeit gereicht hast.

Es reizt dich noch viel mehr! Von der Unterlippe, die rechte Seite bleibt noch immer halb geöffnet, ein Überbleibsel der kompletten Lähmung der rechten Körperhälfte nach dem zweiten Schlaganfall und nun hängt sie noch etwas herunter, diese Unterlippe, da tropft Speichel mit Speise vermischt langsam auf den Kleiderschutz. Mit nahezu permanenter Boshaftigkeit tropft dieses Gemenge auch dann noch von der Unterlippe, wenn der Kleiderschutz längst im Abfallsack verstaut ist und ihr Mund bereits mehrfach abgetupft und gereinigt wurde.

Es bleibt einfach eine gewisse Menge zwischen Zahnreihe und Lippenwand gespeichert, um im ungeeigneten Augenblick auf die Kleidung herab zu tropfen.

Sie wehrt sich nicht dagegen, sie spürt es offenbar nicht einmal, sie schaut dich an, regungslos, ausdruckslos.

Dir fällt es schwer, gelassen zu bleiben, dir fällt es schwer, lächelnd auf sie zu zugehen und erneut ihren Mund abzuwischen und die Kleidung so gut es eben geht zu reinigen. Dir fällt es schwer, denn ungehalten wehrt sie deinen Reinigungsversuch ebenso ab wie deine bewusst aufrecht erhaltene Gelassenheit.

Da bröckelt es in deiner Fassade! In den Gedanken wuseln die Fragen nach dem richtigen Verhalten herum und enden in der Erkenntnis, dass du nur Zuwendung und Liebe aufbringen musst, sie darf alles andere.

Elfriede, unsere Waschmaschine, rotiert alltäglich. Sie ist eine große Hilfe und das Beladen mit der Wäsche, das Entnehmen der gereinigten Kleidung und Aufhängen auf den Wäscheleinen im grünen Hof oder dem Trockengerüst in der Dusche ist längst zur Routine geworden.

Mich tröstet manchmal der Gedanke daran, dass ich irgendwann alles mit gehörigem Abstand notieren und es ihr vielleicht sogar erzählen werde. Vielleicht können wir dann zusammen darüber lachen?

Brigitte Hald-Hübner

Gebet in Grenzsituationen

Wiebke Worm

Zeichnung – Liebe

(OC)

Inge Rosenberger

Die Handschützer und die Service-Center der Krankenkasse

Teil 1 der Geschichte

(Blick zurück in die Vergangenheit)

Vor zwei Jahren hatte ich bei unserer Krankenkasse mal wieder eine Verordnung über Handschützer für meine schwerstbehinderte Tochter eingereicht.

Obwohl die Handschützer wegen der Autoaggression meiner Tochter schon mehrmals von der Krankenkasse übernommen wurden, wollte die Krankenkasse plötzlich vom Hausarzt wissen, wieso die Autoaggressionen medikamentös und psychiatrisch noch nicht therapiert wurden. Und falls danach doch ein Handschutz benötigt würde, könnte doch ein handelsüblicher Fäustling aus Leder verordnet werden. Ich habe damals eine sehr ausführliche Begründung (Psychotherapie wegen der schweren geistigen Behinderung nicht möglich, hartes Leder ist ungeeignet wegen eingeschränkter Handfunktion, Leder wegen Speichel unhygienisch ...) geschrieben und an den Hausarzt weitergereicht, der sie an die Krankenkasse geschickt hat.

Nach ein paar weiteren Wochen ruft mich dann der MDK Aschaffenburg an und fragt nach, wieso noch keine Psychotherapie erfolgt wäre, wieso kein handelsüblicher ... »blablabla«.

Nach kurzer Fassungslosigkeit auf meiner Seite entstand dann ein sehr positives Gespräch mit dem dortigen Chef (der anschließend fassungslos war). Und natürlich wurden die Kosten für die Handschützer dann von der Krankenkasse übernommen.

Teil 2 der Geschichte

Vor einigen Monaten - die alten Handschützer waren inzwischen vom Zahn der Zeit (bzw. von Tochters Wutanfällen) etwas angenagt - habe ich wieder eine Verordnung eingereicht. Und wie vor zwei Jahren höre ich ... nichts! Ich frage im Sanitätshaus nach, warum das so lange dauert. Logo - keine Rückmeldung geschweige denn Genehmigung der Krankenkasse.