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Wir sind super - zum Quadrat! Was haben wir der Welt nicht alles gegeben, wir Österreicherinnen und vor allem wir Österreicher? Na? Ja eben: den Radetzkymarsch, das Salzburger Nockerl, den Grünen Veltliner, die Psychoanalyse, den Austromarxismus, Red Bull u.v.m. Und was ist der Dank? Null! Das sagen Erwin Steinhauer und Fritz Schindlecker, zwei international anerkannte Austrologen. Sie analysieren fachkundig unsere alpinen Seelenlandschaften, werfen einen humorvoll-kritischen Blick in die Bundesländer-Seelen und erklären uns unsere liebsten Nachbarn.
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Seitenzahl: 240
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Über dieses Buch
Was haben wir der Welt nicht alles gegeben, wir Österreicherinnen und vor allem wir Österreicher? Na? Ja eben: den Radetzkymarsch, das Salzburger Nockerl, den Grünen Veltliner, die Psychoanalyse, den Austromarxismus, Red Bull u.v.m. Und was ist der Dank?
Null!
Das sagen Erwin Steinhauer und Fritz Schindlecker, zwei international anerkannte Austrologen. Sie analysieren fachkundig unsere alpinen Seelenlandschaften, werfen einen humorvollen Blick in die Bundesländer-Seelen und erklären uns unsere liebsten Nachbarn.
Erwin Steinhauer
Fritz Schindlecker
Die österreichische Psycherl-Analyse
Vorwort zur 2. Auflage
Erster Teil: Das sind wir
Grüß Gott, Welt!
Hiesige und Zugereiste
Große Töchtersöhne & Söhnetöchter
Scheiberlspiel, Schranz-Hocke & die österreichische Nation
Gestrauchelte Seelen
Bedeutende Briefe braver BürgerInnen
Zweiter Teil: Von da kommen wir her
Total normal föderal
Seelenlandschaft WIEN:Die hohe Schule des »Suderns«
Seelenlandschaft TIROL:Das Heilige Land im Wilden Westen
Seelenlandschaft NIEDERÖSTERREICH:Fünf Vierteln für ein Land
Seelenlandschaft STEIERMARK:Querdenker im Lodenjanker
Seelenlandschaft KÄRNTEN:Jörglland ist abgebrannt
Seelenlandschaft SALZBURG:Jedermann gibt sich die Mozartkugel
Seelenlandschaft BURGENLAND:Sturm im Winzerpalast
Seelenlandschaft VORARLBERG:Poeten und Textilgiganten
Seelenlandschaft OBERÖSTERREICH:Hunderl, Herrl, Hoamatlaund
Dritter Teil: Dort gehen wir hin
Und morgen?
Die große Europa-Prognose
Wohin geht die Seele?
Statt eines Nachworts:Reaktionen, mit denen wir (nicht) gerechnet haben
Nix is mehr Daham, als ein Schnitzel in der Pfann.In einem christlichen Land hängt ein Kreuz an der Wand.
Andreas Gabalier, VolksRock’n’Roller und Poet
Die Psychoanalyse ist eine Methode,bei der ein Arzt von einem Patienten ein paar Jahre leben kann.
Anton Kuh, Schriftsteller und Vortragskünstler
Geschätzte hochgebildete Leserin, lieber bemühter Leser,
als wir im Herbst 2016 die vorliegende psycherl-analytische Studie vorlegten, waren wir kurze Zeit später ob des Verkaufserfolges erstaunt, ja beglückt. »Wir sind super!« konnte sich, allen Unkenrufen zum Trotz, wochenlang in den Top-Ten-Charts des heimischen Sachbuchmarktes behaupten. Sehr schnell verstummten all jene, die gemeint hatten, der Trend verlange nach Büchern mit Negativtiteln wie »Wir sind das Letzte!« oder »Bitte scheißt uns auf den Schädel!«.
Als erfahrene Austrologen waren wir ausgezogen, um die Beschaffenheit der heimischen Seele unter den verschiedensten Aspekten auszuloten. Dabei haben wir bei unseren Analysen keine verhärteten Psychen entdeckt, sondern typisch österreichische zarte »Psycherln« – charmant, gut gelaunt und doch so verwundbar!
Realitätskonform und ohne falsche Bescheidenheit können wir feststellen, dass wir in dieser Neuauflage kaum etwas an den Kerntexten des Originalwerkes überarbeiten mussten. Hie und da eine kleine Präzisierung, vielleicht auch eine Namenskorrektur, zumal im vorletzten Kapitel »Die große Europa-Prognose«.
Lediglich beim Abschnitt »Bedeutende Briefe braver BürgerInnen» war eine weitgehende Neugestaltung notwendig. Denn nimmermüde sprudelten die Quellen, die uns auch in den letzten beiden Jahren mit analogen und digitalen Korrespondenzen heimischer Geistesgrößen männlichen und weiblichen Geschlechts versorgten.
In Wahrheit eint uns alle – vom Neusiedler- bis zum Bodensee – das mutige Eingeständnis der eigenen kollektiven Großartigkeit. Denn wir kennen keine Angst vor dem Unbekannten. Wir gehen auf das Fremde ganz offen zu, sofern es genauso spricht wie wir, dasselbe isst wie wir, sich genauso anzieht wie wir und unter der Einwanderungsobergrenze liegt. Dann muss sich jeder, der bei uns leben will, unseren erprobten Werten anpassen – unseren Leber-, Cholesterin- und auch unseren Demokratiewerten. Wer sich weigert, das zu tun, der hat bei uns nichts verloren – außer seiner Aufenthaltsgenehmigung.
Wenn auch Sie sich nicht scheuen, offen und tolerant vor allem sich selbst gegenüber zu sein, dann lesen Sie weiter. Und Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist!
Prof. Dr. veg. Erwin SteinhauerExtraordinarius für Psycho-Austronomie& Ösiotraumatik an der PrivathochschuleSievering, Wien
Dozent Mag. hyp. Fritz SchindleckerLektor für Austrosophie & Suderantikam College for Lower-Austrian-Studiesin Unteraigen, Langenlebarn
Dies Oesterreich ist eine kleine Welt,in der die große ihre Probe hält.Und waltet erst bei uns das Gleichgewicht,so wird’s auch in der andern wieder licht.
Friedrich Hebbel, Dramatiker und Lyriker
Hör zu, Welt, wir haben dir so viel gegeben, wir Österreicherinnen und Österreicher: den Radetzky-Marsch, das Salzburger Nockerl, den Grünen Veltliner, Red Bull und nicht zu vergessen die Glock, die erfolgreichste Faustfeuerwaffe seit dem Colt-Peacemaker. Dazu auch noch, quasi als Extrabonus, die Psychoanalyse, den Austromarxismus, die Entdeckung des Franz-Josephs-Lands und das Punschkrapferl. Weiters: Kaiserschmarren, LD-Verfahren, Kaplanturbine, Nähmaschine, Rhesusfaktor, Steyrtraktor, Schrödingers Katz, den Heldenplatz, Schiffsschraube und Zweigelttraube.
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen, selbst, wenn wir Sachertorte, Stanglpass und Stemmschwung gar nicht erwähnten.
Und was, Welt, haben wir von dir bekommen?
Nicht viel, unter uns gesagt! Oder?
Außer sarkastischer Häme, verleumderischen Unterstellungen und übler Nachrede. Erst in jüngster Vergangenheit wurde von internationalen Presseorganen behauptet, wir könnten keine ordentliche Wahl organisieren! Ja, es wurde sogar überlegt uns OSZE-Beobachter zu schicken. Jetzt aber einmal ehrlich und Hand aufs Herz, Welt: Wie soll man geheim wählen, wenn man dabei dauernd beobachtet wird? Ja, da kann man jetzt schon ein bisserl nachdenken darüber, gell, Welt?
Außerdem wirft uns vor allem das deutsche Feuilleton in regelmäßigen Abständen immer wieder Drückebergerei und Schlendrian vor – besonders, was unseren kreativen Umgang mit europaweiten Problemlösungen oder gar unsere feinsinnige Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit betrifft. Jener Vergangenheit übrigens, die wir im platten landläufigen Verständnissinn nicht haben und erst recht nie hatten. Denn wir Österreicherinnen und Österreicher leben im Hier und Jetzt. Wir sind seit urdenklichen Zeiten bei jeder Hetz dabei, ohne aber jemals irgendwo dabei gewesen zu sein.
Um das einmal etwas volksnah und damit allgemein verständlich zu formulieren: Wir, die wir Stadt und Land von der March bis zum Bodensee und von der Thaya bis zum Brenner immer schon besiedeln, definieren uns niemals über unsere Gewesenheit, sondern ausschließlich über unser Sein. Und in jedem Seinsmoment wissen wir, dass uns nichts erspart bleiben wird, von dem wir im Nachhinein nicht sagen könnten, dass es sehr schön gewesen wäre und uns sehr gefreut hätte. Für uns war, rückblickend gesehen, immer alles schön und hat uns sehr gefreut.
Und warum? Weil wir immer alles richtig gemacht haben.
Es gibt kein vergleichbares Volk, das immer alles so richtig gemacht hat wie wir Österreicher. Im 19. Jahrhundert, als Großmachtdenken in ganz Europa wahnsinnig angesagt war, da waren wir eine Großmacht. Und als in den 1970er-Jahren die Mode des »Small is beautiful« aufkam, da waren wir schon seit Jahrzehnten ein aus dynastischen und nationalistischen Herrschaftsträumen übrig gebliebener Kleinstaat – und somit wieder einmal Vorreiter eines neuen Denkens!
Gut, liebe Welt, ja! Wir hören ganz deutlich deinen Einwand: Dazwischen habt ihr Ösis aber weiß Gott nicht immer alles hundertprozentig richtig gemacht. Richtig. Mag sein. Und? Wir gestehen das ja auch schon seit fast ewigen Zeiten mit kompromisslosen Einschränkungen knallhart beinahe immer wieder ein!
Aber das, was wir falsch gemacht haben, taten wir immer aus edlen Beweggründen. Sofern wir bei dem, was wir gemacht haben, überhaupt dabei waren, was wir aber, siehe oben, im Regelfall eben gar nicht waren.
Nur solch wunderbare Menschen, die ihr Gewissen erforschen und ihre Reue wecken, können mit sich selbst so flächendeckend im Einklang leben, wie wir das tun. Kein Wunder, dass der von uns so verehrte Freud Sigi ausgerechnet »bei uns daham« und nicht etwa für den Islam die Psychoanalyse erfunden hat.
Denn die Trinität von Es, Ich und Über-Ich ist im heimischen Volkscharakter ebenso harmonisiert wie in jeder einzelnen österreichischen Seele.
Und dies, obwohl wir es immer verdammt schwer hatten.
Denn wie sagte schon im Jahre 1871 der österreichische Autor und Verwaltungsjurist Daniel Spitzer so richtig?
»In Österreich fällt alles schwer: Jeder Theaterdirektor erklärt, das Theater sei in Österreich schwer zu leiten; jeder Bürgermeister, die Straßen seien in Österreich sehr schwer zu reinigen; jeder Polizeidirektor, die Mörder seien in Österreich schwer zu erwischen; und die Satiriker behaupten, es sei schwer, in Österreich keine Satire zu schreiben.«
Inzwischen hat sich aber doch einiges geändert: Wir brauchen keine Satire mehr zu schreiben. Wir leben sie!
In Wien, Niederösterreich oder Oberösterreichhat jeder Zweite eine tschechische Cousine, Tante oderGroßmutter gehabt. Im 19. Jahrhundert lebten 300 000 Tschechenin Wien. Wien, Prag, Chicago – das waren die größtentschechischen Städte.
Karel Schwarzenberg, 2010–2013 Außenminister der Tschechischen Republik
Gibt es Österreicher ohne Migrationshintergrund? Aber sicher doch. In entlegenen Alpentälern, wir vermuten zum Beispiel in Innervillgraten oder vielleicht auch im Kaunertal. Dort mag es durchaus sein, dass keiner der dort Ansässigen auf »zugereiste« Vorfahren zurückblicken kann.
Ach so, Moment, halt! Nein!
Zumindest im Kaunertal gibt’s ja diesen Professor mit russisch-holländischem Migrationshintergrund, der im Jahr 2016 gleich zwei Mal zum Bundespräsidenten gewählt wurde: das erste Mal im Juli mit hauchdünner Mehrheit. Dank des selbstlosen Einsatzes der FPÖ, die ihr bestes Ergebnis aller Zeiten erfolgreich anfocht, konnte Van der Bellen dann im Dezember einen überlegenen Wahlsieg feiern.
Aber gut: In den autobahnfernen Gegenden des Waldviertels oder im Südburgenland wird es schon noch den einen oder anderen Weiler mit ausschließlich seit ewigen Zeiten unvermischter Urbevölkerung geben. Wobei die Südburgenländer ohne Migrationshintergrund allerdings häufig kroatisch als Muttersprache haben.
Abgesehen davon dürfte es aber doch etwas schwierig sein, knorrige Ur-Österreicher aufzutreiben, deren sämtliche Vorfahren seit der Babenbergerzeit hier und nur hier dem kargen Boden Kraut-, Rüben- und Dinkelernten abgerungen haben.
Denn jeder, der hierzulande ein bisserl Genealogie betreibt, findet zügig entweder eine ungarische Oma oder einen böhmischen Opa, eine slowenische Uroma oder einen galizischen Uropa. Gelegentlich entdeckt der eine oder die andere auch einen italienischen Ahnen oder gar einen französischen Vorfahren – wie das zum Beispiel sowohl beim größten burgenländischen Waffenlobbyisten und Forstlandwirt als auch beim größten Volksrock’n’roller des Landes der Fall ist.
Man muss also weiß Gott kein Flüchtlingskind sein, um einen Migrationshintergrund zu haben. Ganz und gar nicht: Selbst das »Haus Österreich«, also unser altes Kaisergeschlecht Habsburg-Lothringen, hat gleich einen doppelten: Bekanntlich steht ja die alte »Habsburg« immer noch im Kanton Aargau in der Schweiz. Und das unabhängige Herzogtum Lothringen stand so unter dem Einfluss Frankreichs, dass Franz Stephan, ehe er zwecks Heirat nach Österreich emigrieren konnte, sein Lothringen gar gegen das Großherzogtum Toskana tauschen musste. Kein schlechter Tausch, kann man sagen, denn die Einnahmen aus der Toskana konnten sich für den neuen »Eigentümer« durchaus sehen lassen.
Darüber hinaus wäre Franz Stephan, ohne Maria Theresia zu heiraten, wohl kaum zum Kaiser Franz I. des Heiligen Römischen Reiches gewählt worden. Offensichtlich haben wir also in dem Lothringer ein gutes Beispiel für einen erfolgreichen Wirtschaftsflüchtling vor uns. Der sich seiner neuen Heimat auch insofern erkenntlich zeigte, als er die alte Habsburgdynastie rettete. Und zwar, indem er eine neue begründete: die von Habsburg-Lothringen.
Ethnische Mischungen können also durchaus von Vorteil sein. Und sie haben, wie erwähnt, hierzulande eine lange, nahezu flächendeckende Tradition. Warum also fühlt sich so mancher Österreicher, so manche Österreicherin von allem »Fremden«, allem »Ausländischen« oftmals bedroht?
Wir geben es zu: Wir wissen es nicht. Es war zwar oft so in unserer Vergangenheit, aber es war auch nicht immer so.
Das folgende Fragment eines Heimatromans aus den 1950er-Jahren hat uns der Sohn des Verfassers rechtefrei unter Wahrung der Anonymität zur Verfügung gestellt. Der inzwischen verstorbene Autor wurde später ein bedeutender Hotelier des österreichischen Alpenraums.
Heut ist Karl Borromäustag, also der 4. November. Und wir schreiben das Jahr 1955.
»Wenn’s an Karolus stürmt und schneit«, sagt der Bauernkalender, »dann halte deinen Pelz bereit.« Aber es stürmt heute nicht und es schneit heute auch nicht. Über den Kretzenkrachnerhof im schönen Innerwurzental ziehen nur ein paar zarte Nebelschwaden. Sie erglänzen im matten Licht der Herbstsonne, deren doch noch recht kräftige Strahlen von der Glatze des alten Kretzenkrachnerbauernwirten in allen Farben reflektiert werden.
»Fort sind sie, die Besatzer!«, sagt der Alte und nuckelt gemächlich an seinem Pfeifchen, »draußen sind sie aus unserem Land, die Falotten! Am 26. Oktober hat der letzte fremde Soldat unsere geliebte Heimat verlassen und endlich sind wir Österreicher vom Neusiedler- bis zum Bodensee und von der Thaya bis zu den Karawanken wieder Herr im eigenen Haus! Aber irgendwann, irgendwann werden sie alle wiederkommen!«
Dabei strahlt er über das ganze Gesicht, der Kretzenkrachnerbauernwirt, der liebe gute alte Bartl. »Alle werden sie wiederkommen, die Engländer, die Russen, die Franzosen und die Amis. Naja, die Russen vielleicht nicht, weil sie der Weltkommunismus ja wahrscheinlich für immer und ewig hinter dem Eisernen Vorhang festhalten wird.«
Während des letzten Halbsatzes bekreuzigt er sich, der brave Bartl. Darauf nimmt er einen kräftigen Zug aus seinem Pfeifchen und erträgt den darauffolgenden Hustenanfall mit stoischer Ruhe. Dann sagt er im Brustton unerschütterlicher Überzeugung: »Aber alle anderen werden wiederkommen. Und warum? Weil sie unsere herrlichen Berge lieben und unsere felsharten Speckknödel, unsere rauschenden Flüsse und unsere blitzsauberen Dirndln, unseren urig gepanschten Haustrunk und unsere ewigen Walzermelodien. Deswegen werden sie alle wiederkommen, mein lieber Bub, du!«
Bei diesen Worten streicht der alte Bartl seinem Sohn, dem gerade sechzehnjährigen Adi, über den Blondschopf.
»Und was werden wir dann machen, mit den Fremden, wenn sie in Friedenszeiten zu uns kommen? Als Saisongäste? Was werden wir mit ihnen dann machen, Adi? Na los, red schon, wenns d’ gfragt bist!!«
»Wir werden sie mit größter Freundlichkeit begrüßen!«, erwidert der Sohn mit fester Stimme. »Wir werden um sie herum schnaderhüpfeln, ich werde einen Landler auf der Knöpferlharmonika spielen und meine Schwestern, die Annamirl, die Maresi und die Walli, werden in ihren herrlichen Dirndln Schweinsbraten mit Kraut und Knödeln servieren und dazu jodeln!«
»Sehr gut, das ist alte Schule, das ist meine Erziehung!«, erwidert der stolze Vater. »Und was, Adi, werden wir dann machen, nachdem wir die Touristen mit unserem volkseigenen Charme und unseren unsagbar hoch entwickelten künstlerischen Talenten eingelullt haben?«
»Wir werden ihnen das Weiße aus den Augerln nehmen!«, erwidert der Spross ohne zu zögern.
»Großartig! Hervorragend!« Tränen der Rührung treten nun in Bartls Augen. »Ich danke dem lieben Herrgott, dass er mir einen so gescheiten Buben geschenkt hat! Einen Buben, der ganz nach seinem wunderbaren Vater gekommen ist und gottlob gar nicht nach seiner Mutter, die zu deppert zum Melken ist, aber den Traktorführerschein machen will!«
Ohne auf das kurze Lamento des Vaters einzugehen, setzt Adi seine Erörterungen fort: »Jeder Heidensterz wird dann in den österreichischen Fremdenverkehrsregionen so viel kosten wie anderswo eine Seezunge, jede Plumpsklo-Benutzung wird gebührenpflichtig sein und für jedes einzelne Stück Hörndlvieh werden wir eine Kuhtaxe einheben. Die werden wir in späterer Zeit dann in Kurtaxe umbenennen, sobald wir alle Orte, in denen zumindest ein prächtiger Misthaufen steht, zu Luftkurorten erklärt haben.«
»Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe!« Bartls Begeisterung erscheint nun schier grenzenlos.
Und auch sein Sohn redet sich weiter in Rage: »In ein paar Jahrzehnten wird dann unser armes kleines Österreich zu den allerreichsten Ländern auf dem ganzen Erdenrund zählen!«
(Ende der Originalschrift.)
Beide sollten im Wesentlichen recht behalten: Bartl, der Kretzenkrachnerbauernwirt, und Adi, sein Bub und späterer Erbe. Tatsächlich kamen immer mehr Fremde als Touristen ins Land und das arme Österreich wurde allmählich reich und reicher.
In einem Punkt aber irrte der alte Bartl: Vor den ehemaligen Siegermächten kamen als Urlauber zuerst einmal die Deutschen wieder nach Österreich. Damit hatte niemand gerechnet – schließlich hatten sie ja den Krieg verloren und die ganze Industrie des Reiches war zerstört. Aber durch den Wechsel von Marschallstab auf Marschallplan konnte alles flugs wieder in Gang gebracht werden. Und zwar schöner und moderner als je zuvor. Das bescherte den Deutschen ein Wirtschaftswunder und bald schon konnten sie wieder halb Europa bereisen. Diesmal aber eben nicht im Opel Blitz oder tarnfarbenen Kübelwagen, sondern im 180er-Mercedes, sofern man g’stopft war. Und wenn man weniger g’stopft war, im VW Käfer.
Die handwerklich geschickten und schauspielerisch begabten Österreicher hatten sich ein historisches Kostüm zurechtgeschneidert, das sie nicht als Mittäter, sondern als erstes Opfer des Nationalsozialismus ausweisen sollte. Auch der gute alte Bartl trug diese Verkleidung mit großer Freude. Und in seinem Wirtshaus pflegte er am »Stammtisch für Jäger, Fischer und andere Lügner« noch Jahrzehnte später gerne zu sagen:
»Zähneknirschend haben wir denen zwar zugejubelt, den bayrischen Preißen. Wie sie aber dann mit die Gulaschkanonen kommen sind, da sind wir sofort in die innere Emigration gegangen! Dieser Eintopfdreck, den sie uns da angeboten haben, der war nicht zum Fressen.«
Entgegen allen Erkenntnissen der internationalen Geschichtsforschung ließ er sich bis zu seinem Tod, der ihn im biblischen Alter von 89 Jahren ereilte, nicht davon abbringen, dass die reichsdeutschen Eintopfgerichte zu den größten Verbrechen der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft zählten.
Nach dem Krieg aber nahm man in der ehemaligen Ostmark die Westmark als Zahlungsmittel gerne an – und in manchen Fremdenverkehrszentren Kärntens und Nordtirols suchten Wiener Touristen oft lange nach Gasthäusern, die ihre Preise in Schilling und nicht in D-Mark angaben.
Dann, in den 1970er-Jahren, als Adi den von Bartl übernommenen Bauern- und Gasthof in ein Hotel umgebaut hatte, reisten vor allem in der Wintersaison Urlaubsgäste aus aller Herren Länder an: Zuerst kamen neben den Deutschen die Holländer, dann die Italiener, schließlich Skandinavier, Engländer und gelegentlich auch Franzosen. Und als dann Anfang der 1990er-Jahre Bartls Enkerl Michael den Traditionsbetrieb übernahm, da spielte sein kleiner Sohn Kevin am Computer das Game »Super Mario« bereits mit Sergej, dem jüngsten Spross der Familie Schutkow, die ihren ersten Westurlaub in Österreich verbrachte.
Was war geschehen?
In einem Punkt hatte sich der gute alte Bartl geirrt: Dem Weltkommunismus war es doch nicht gelungen, die Russen in alle Ewigkeit hinter dem Eisernen Vorhang einzusperren. Aber dem alten Bartl hätten die Folgen seines Irrtums nicht leidgetan – im Gegenteil: Nun standen ganze Schwadronen neuer schifahrhungriger Touristen an Österreichs Ostgrenze.
Doch ängstliche Menschen erfüllten die erfolgreichen Freiheitsbewegungen der Völker Osteuropas auch mit Sorge. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion forderte Jörg Haider, in dem viele den bisher erfolgreichsten »Rechtspopulisten« der Zweiten Republik sehen, eine verstärkte Sicherung der heimischen Grenzen, wie das die liebe Angewohnheit von Rechtspopulisten nun eben einmal ist. Für den Fall, dass man dieser seiner Forderung nicht entspräche, prophezeite Jörg, der »euch« bekanntlich »nie belogen« hat, dass innerhalb kürzester Zeit acht Millionen Russen als Emigranten nach Österreich kommen würden.
Wären die Prognosen Haiders und seiner Gesinnungsepigonen Realität geworden, hätte die Alpenrepublik derzeit 24 Millionen Einwohner. Der grünsozialdemokratischdeutschnationalkatholischen autochthonen Bevölkerung stünden acht Millionen russischorthodoxe und weitere acht Millionen muslimische Zuwanderer gegenüber. Da aber das, was nicht ist, ja vielleicht doch noch werden kann, machen sich kreative Politiker kreative Gedanken darüber, wie man eine »Überfremdung« stoppen kann.
Da muss man neben einem Burkaverbot endlich auch über Kopftuch-, Turban- und Kebabessverbote offen und tabulos sprechen. Und, bitteschön: Auch der Kaffee ist ein Türkentrank! Wir sollten endlich ein Revival des Kathreiner-Malzkaffees ins Auge fassen. Der individuellen und der nationalen Gesundheit zuliebe.
Die Grenzen gehören endlich komplett dicht gemacht. Auch wenn das für ein Fremdenverkehrsland ja eigentlich saublöd ist, aber man muss Prioritäten setzen. Denn irgendwann muss Schluss sein. Oder?
Dazu ein Beispiel: Vor nicht allzu langer Zeit wurden wir Ohrenzeugen eines Radio-Features, in dem es um Zuwanderung im Allgemeinen und im Besonderen um jene im Wiener Gemeindebezirk Ottakring ging.
Dabei sagte eine Dame in das Mikrofon der Reporterin: »Sie fragta, wos mich mochta narrisch da auf die Brunnenmarkt? No, dos is jo deitlich für an jeder! Iberall sinda die Ausländer, die nix Ahnung hoben von die Rücksicht nehma auf Esterreicher. Wie bitte? … Wollen Sie mir beleidigen? No, i bin Esterreicherin, schon seit Ewigkeit! Mindestens zwelf Johr! Aber jetzt mussta Schluss sei mit de ganze grauperte Zuwanderung! Zuwanderung is ganz blede Sache, darum i wähle de Strache. Hata scheene blaue Augen und Herz fia de Serbien. Aba i bin Esterreicherin! Und i hab was gegen die Tirkenweiber, die wos nie tragta die Burda-Moden, ober wos immer tragta die Burka-Moden, du verstehen? Hota die Schleier iber de Gesicht und immer sie dann fahrta mir persenlich in die Supermarkt hinein von de hinten mit de Kinderwagen in die Knöchel von de Fuß! Ricksichtslos! Darum ich sagta: Stopp! Stopp die Zuwanderungsstopp! Oder ich wanderta aus! Und dann olle wirda scheen schaun bled, wenn Esterreicher ziehta weg und die Mezzanin schreita von die Heilige Stefansdom!«
Klar. Irgendwann muss Schluss sein mit dem Blödsinn.
Aber das haben wir schon gesagt, oder?
Ein edles Beispiel macht die schweren Taten leicht.
Johann Wolfgang von Goethe, Dichter
Natürlich sind »große Söhne« und inzwischen natürlich längst auch »große Töchter« wichtig für eine Gemeinschaft, denn sie stärken das Selbstbewusstsein, individuell wie auch national.
Für uns Seelenforscher ist bei all dem natürlich zuerst einmal die Beantwortung der Frage interessant: Welche große Tochter, welcher große Sohn eignet sich für welche Person als Vorbild?
Begibt sich der Seelenanalytiker dann auf das glatte Parkett der Lebenshilfe, was wir jetzt eben einmal kurz tun wollen, so wird er für die Vorbildfindung einige grundsätzlich vernünftige Ratschläge geben können:
So ist es im Regelfall nicht schlau, wenn sich ein fußballerisch hochbegabter Mathematikversager, der für das Berechnen einer Quadratfläche nach einem Formelheft verlangt, ausgerechnet den großen Mathematiker Rudolf Taschner zum Vorbild nimmt, um ihm nachzustreben. Für einen kleinen Rechenkünstler wiederum, der es beim Dauergaberln auf maximal zweieinhalb Sekunden bringt, ist es nicht anzuempfehlen, in David Alabas Fußstapfen treten zu wollen. Und wer im Kirchenchor nur auf der Ersatzbank sitzt, wird nie und nimmer eine zweite Anna Netrebko werden. Alle sind also gut beraten, sich mit Bedacht auf die eigenen Fähigkeiten passende Vorbilder auszuwählen und diesen nachzueifern.
Unabhängig davon sollte man sich aber auch ethisch-moralische Leitfiguren suchen: Die beiden Friedensnobelpreisträger Bertha von Suttner und Alfred Hermann Fried fallen uns da ein. Vielleicht auch aktiv sozial engagierte Menschen wie Albert Schweitzer, Karlheinz Böhm oder gar Mutter Teresa, die ja im letzten Jahrhundert geradezu zu einem Synonym für selbstloses Handeln wurde.
Und bitteschön – in dieser Blitzauswahl ethischer Vorbilder hatten wir mit Suttner, Böhm und Fried gleich drei österreichische Landsleute mit dabei – nur einige wenige aus einer Vielzahl unserer großen Töchter und Söhne.
Aber, Moment: Leben wir nicht gerade in einer Zeit, in der Slogans Furore machen wie: »Geiz ist geil!«, »Wut tut gut!« und »Hass ist klass!«?
Werden in einer solchen Atmosphäre ethisch agierende Menschen denn überhaupt noch als Vorbilder akzeptiert? Wir beschließen, das herauszufinden. Denn wir beide gehören ja nicht zu jenen Wissenschaftlern, die sich in den Elfenbeintürmen ihrer Gemeindebauwohnungen oder Fertighäuser verstecken, um dort völlig abgehoben der reinen Theorie zu frönen, nein, ganz im Gegenteil: Immer wieder treibt uns unbezähmbarer Forscherdrang hinaus in die weite Welt. Dorthin, wo das wahre Leben pulsiert: in Fußballstadien, Supermärkte, Freibäder, katholische Seniorennachmittage, auf Feuerwehrheurige, Akademikerbälle und andere bierzeltartige Veranstaltungen. Wir lauschen dann dem Volksgemurmel. Manchmal stellen wir auch gezielte Fragen. Dabei zeichnen wir die Antworten gerne klammheimlich auf, mit unseren unsichtbaren Digitalaufnahmegeräten.
Hier eine kleine Auswahl:
»Wos ich gspendet hob, das geht auf keine Kuhhaut! Aber i bin net die Mutter Teresa. Irgendwaunn muass Schluss sein!«
»Wenn ich ein Schwarzgeld hätte, würde ich es genauso machen wie unser Exminister, der … dings. Ich tät es auch in Liechtenstein anlegen!«
»Eigentlich sollt ich mir die ganzen Gangster als Vorbild nehmen. Weil heut bringt man es doch nur zu etwas, wenn man lügt und betrügt!«
»Aber das war doch immer so!«
Der Herr, der diesen letzten Satz gesagt hat, ist ein pensionierter Mittelschulprofessor, den wir Magister Max nennen wollen. An diesem schönen Altweibersommertag spazieren wir gemeinsam durch Wiener Neustadt. Am Hauptplatz bleibt Magister Max stehen und macht eine ausladende Handbewegung.
»Alle Herrlichkeiten dieser wunderbaren Stadt«, sagt er begeistert, denn er ist ein Lokalpatriot von nicht alltäglichem Ausmaß, »all das verdanken wir der kriminellen Energie eines Babenbergerherzogs!«
Einen Augenblick lang schauen wir ihn etwas perplex an. Doch dann fällt sie uns wieder ein – die Legende vom ersten »Kingnapping« der Geschichte!
Wir schreiben das Jahr 1191. Der österreichische Babenbergerherzog Leopold V. nimmt am Dritten Kreuzzug zur Wiedereroberung von Jerusalem teil. Während des Kampfes um die Stadt Akkon wütet er so unter den muselmanischen Kriegern, dass sein weißer Waffenrock am Ende des Tages über und über mit Blut befleckt ist. Nur unter dem Waffengürtel ist das Kampfkleid weiß geblieben. Als Leopold nun sein Spiegelbild betrachtet, sagt er so etwas wie:
»Dieses Rot-weiß-Rot ist ein tolles Logo! So werde ich in Hinkunft meine Flagge gestalten lassen, so wahr mir Gott helfe!«
Gott hilft, Kaiser Heinrich auch, denn er erkennt bald darauf die neue Fahne des Babenbergers offiziell an. Vorher aber gibt es noch eine Flaggenfehde. Denn nach der erfolgreichen Eroberung von Akkon hisst der Babenberger-Poldl, wie ihn die engsten Freunde nennen, seine Fahne auf einer der Zinnen der Stadt. Er will damit dem französischen und dem englischen König, die hier ebenfalls ihrer Christenpflicht beim Meucheln der Muslime nachkommen, klarmachen:
»Augen auf, Freunde! Ich bin auch noch da! Nach den obligatorischen Plünderungen will ich bitte gefälligst auch meinen Anteil an der Beute! Das ist nichts anderes als nur würdig und recht!«
Doch dieses an sich faire Angebot stößt bei Richard Lionheart auf taube Ohren. Er benimmt sich wie ein Hooligan und brüllt:
»That guy is just a fucking little duke from Lower Austria! And I am the mighty King of England!«
Dann läuft er selbst die Stufen des Söllers hoch, auf dem der Banner des Österreichers im Winde flattert, und schleudert die rotweiß-rote Fahne im Heiligen Land in den Wüstensand. Jedem anderen europäischen Fürsten wäre jetzt vor Zorn der Kragen geplatzt – nicht aber unserem Babenberger-Poldl!
Mit der uns Österreichern seit Anbeginn der Zeiten eigenen Engelsgeduld hat er diese demütigende Szene mitverfolgt. Doch in seinem Inneren stieg die Betriebstemperatur.
»Du kommst schon noch in meine Gasse, Löwenherz, du Drecksau!«, soll er leise in sich hineingemurmelt haben. Und diese Worte werden sich kaum ein Jahr später als prophetisch erweisen.
Denn auf seiner Heimfahrt durch widrige Winde am nautischen Fortkommen gehindert, muss King Richard nunmehr den Landweg nach England nehmen. Verkleidet als Pilger, umgeben von nur wenigen, ebenfalls verkleideten dienstbaren Geistern, kehrt er in Erdberg bei Wien in einem gutbürgerlichen Landgasthof ein. Hier macht der König einen verhängnisvollen Fehler: Er bestellt kein landesübliches Gericht wie Rieslingbeuscherl mit Knödel oder gekochtes Schulterscherzl mit Semmelkren und auch nicht den von der Kellnerin vorgeschlagenen Tagesteller: »Guter Herr, heute hamma gebratene Stiereier mit Krautsalat. Kann ich nur sehr anempfehlen!«
»Bring me Fish and Chips!«
Der englische König sagt dies in arrogantem Ton. Doch die Arroganz ist es nicht, die den im Hintergrund lauschenden Wirt stutzig macht. Es ist a) die Sprache und b) die Bestellung!
Der Wirt ist selbst ein Veteran des Dritten Kreuzzugs und hat im Heiligen Land immer wieder mitbekommen, dass Angehörige des englischen Truppenkontingents mit verklärter Miene etwas von »Fish and Chips« brabbelten.
Dazu muss hier angemerkt werden, dass uns ehrlich gesagt nicht klar ist, was damals unter diesen »Chips« verstanden wurde. Heute sind das ja bekanntlich »Pommes Frites«, wie wir das auf gut Österreichisch sagen. Aber da die Erdäpfel erst im 16. Jahrhundert, angeblich durch den Edelpiraten Sir Walter Raleigh, nach England gekommen sind, muss es etwas anderes gewesen sein. Was es war, wissen wir nicht. Daher erzählen wir einfach weiter:
Der Wirt enttarnt schließlich Richard aufgrund eines prächtigen Siegelrings als englischen König, zufällig anwesende Waffenknechte des Herzogs überwältigen ihn und Leopold lässt Richard in Dürnstein einsperren. Man darf die Tatsache, dass er in der Wachau, der wohl lieblichsten Landschaft des damaligen babenbergischen Herzogtums, festgesetzt wurde, als Vorausdeutung auf spätere Ansätze eines humanen Strafvollzugs verstehen. Als die armen Dürnsteiner bald darauf Lärmbelästigungen erdulden müssen, weil Richard zweistimmig englische Folksongs mit einem Barden namens Blondel in die azurnen Nächte brüllt, reicht es dem Babenberger-Poldl.
Er lässt Löwenherz nach Speyer überstellen und Kaiser Heinrich übergeben, der angeblich schon im Vorfeld dem Babenberger grünes Licht für dieses Kingnapping gegeben hat. Schließlich erpressen die Entführungskomplizen Poldl und Heini für die Freilassung des herzigen Löwen die Fabelsumme von 23,3 Tonnen Silber.
Mit seinem Anteil baut Leopold die Befestigungsanlagen seiner Wiener Residenz aus, gründet Friedberg und – Wiener Neustadt.
»Das Geld«, erklärt uns Magister Max grinsend, »war in England damals vermutlich nicht leicht aufzutreiben. Schließlich standen die Finanzbehörden in Nottingham ja unter einem enormen Druck. Nämlich durch die sozialen Transferzahlungen, die von dem Lokalpolitiker Mr. Robin Hood damals mit Pfeil und Bogen nachdrücklich eingefordert wurden!«
Am Ende sei aber alles irgendwie gut ausgegangen, sagt Magister Max und fügt hinzu: »In jeder Hinsicht! Denn obwohl der Heilige Vater über den Babenbergerherzog wegen Gefangennahme eines Kreuzzugteilnehmers den Kirchenbann verhängt hatte, bekam Leopold ein christliches Begräbnis. Und er erhielt den Beinamen »der Tugendreiche«!«
»Na serwas!«, sagen wir. »Aber in die Liste der großen Söhne unserer Nation ist dieser Freiheitsberauber und Lösegelderpresser natürlich in keinem Fall aufzunehmen!«
Der pensionierte Mittelschulprofessor lächelt süffisant, so, wie nur pensionierte österreichische Mittelschulprofessoren süffisant lächeln können, und meint: »Nun ja, das ist Ihnen natürlich unbenommen. Allerdings hat Kaiser Franz Joseph die Sache ganz anders gesehen!«
»Aha, da schau her!«, sagen wir und fragen: »Und wie hat er es gesehen, der Gemahl von der Sisi? Die wir übrigens durchaus zu den großen Töchtern zählen, obwohl sie ja aus Bayern stammt und es diese blöden Filme gibt!«
Jetzt wird uns Magister Max ein wenig unheimlich. Denn er zitiert aus dem Gedächtnis eine Jahreszahl – wir müssen Jahreszahlen immer googeln: »Am 28. Februar 1863 ließ Kaiser Franz Joseph Leopold V. in die Liste der ›berühmtesten, zur immerwährenden Nacheiferung würdigen Kriegsfürsten und Feldherren Österreichs‹ aufnehmen.«