Wirtschaftliche Zeitenwende? -  - E-Book

Wirtschaftliche Zeitenwende? E-Book

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Beschreibung

Die Zeitenwende, die mit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 eingesetzt hat, ist inzwischen auch zum geflügelten Wort für die ökonomische Transformation der deutschen Wirtschaft geworden. Sie bildet den thematischen Rahmen für die Beiträge dieses Buches, der & wie die früheren Bände der Reihe & aktuelle gesamtwirtschaftliche Entwicklungen aufgreift und in verständlicher Weise für jeden mit Interesse am Thema erläutert. Aufgegriffen werden u. a. folgende Fragen: Was bedeuten Künstliche Intelligenz und digitaler Umbruch für die Wirtschaft? Wie gelingt sozial gerechte Wirtschaftspolitik für den Klimaschutz? Sollte sich die deutsche Wirtschaft von China entkoppeln? Was bedeutet die Rückkehr der Zinsen für die Sparer, und was ist zu tun, damit die Energiewende hierzulande wirklich gelingt?

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[2]Volkswirtschaftslehre – praxisnah und verständlichherausgegeben von Manuel Rupprecht

Manuel Rupprecht (Hrsg.)

[3]Wirtschaftliche Zeitenwende?

Künstliche Intelligenz, Energieversorgung, Rückkehr der Zinsen

1. Auflage

Verlag W. Kohlhammer

[4]Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-044453-9

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-044454-6

epub: ISBN 978-3-17-044455-3

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

[5]Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1

Deutschlands Energiewende: Nicht zur Nachahmung zu empfehlen!

Manuel Frondel

1.1

Einleitung

1.2

Die Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien seit Einführung des EEG

1.3

Auch der künftige Ausbau der Erneuerbaren könnte teuer werden

1.4

Kosteneffizienter Ausbau der Erneuerbaren, statt weiter anschwellender Kostenlawine

1.5

Wirkungen des Ausbaus der erneuerbaren Energien

1.6

Die künftige Energiewende: Photovoltaik und Windkraft sollen es richten

1.7

Energiepolitischer Strategiewechsel: Erhöhung statt Verringerung des heimischen Energieangebots

1.8

Neue energiepolitische Strategie: Technologieoffenheit statt Ressourcenverschwendung!

1.9

Deutschlands Energiewende: Vom Kopf auf die Füße stellen!

Anhang

Literatur

2

Zeitenwende für Sparer? Was die Rückkehr der Zinsen für die private Vermögensbildung bedeutet

Manuel Rupprecht

2.1

Einleitung

2.2

Zeitenwende bei den Zinsen: Was bisher geschah

2.3

Ursache der Zinswende: die Rückkehr der Inflation

2.4

Folgen der Zinserhöhungen: Lohnt sich Sparen wieder?

2.5

Fazit

Literatur

3

Decoupling, Derisking, Friendshoring: Ist Deutschlands wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China ein Auslaufmodell?

Britta Kuhn

3.1

Veränderter deutsch-chinesischer Beziehungsstatus

3.2

Bisherige deutsch-chinesische Wirtschaftskooperation

3.2.1

Wirtschaftliche Entwicklung im Vergleich

3.2.2

Bilateraler Handel

3.2.3

Bilaterale Direktinvestitionen

3.3

Westliche Wirtschaftsreaktionen auf die geopolitischen Änderungen

3.3.1

Decoupling und weitere Anglizismen

3.3.2

China-Strategie der USA, G7 und EU

3.3.3

China-Strategie der Bundesregierung

3.4

Volkswirtschaftliche Einschätzung der deutschen China-Abhängigkeit

3.4.1

Wichtige Studienergebnisse

3.4.2

Haupt-Empfehlungen aus volkswirtschaftlicher Sicht

3.5

Fazit und Ausblick

Literatur

4

Künstliche Intelligenz und digitaler Umbruch – Fluch oder Segen für die Wirtschaft?

Jörn Quitzau

4.1

Einleitung

4.2

Das Strukturwandel-Szenario

4.3

Die 20:80-Gesellschaft

4.4

(Übergangs-)Probleme

4.4.1

Verteilung der Wertschöpfungsgewinne

4.4.2

Verlustpotenzial

4.4.3

Anpassungsgeschwindigkeit

4.4.4

Sozialpolitik

4.4.5

Psychologische Aspekte

4.5

Gesamtwirtschaftliche Aspekte

4.6

Ausblick und Fazit

Literatur

5

Wirtschaftssanktionen – Motive, Wirkungen und Nebenwirkungen

Thieß Petersen

5.1

Einleitung

5.2

Erwartete ökonomische Folgen von Sanktionen

5.2.1

Konsequenzen eines Importverbots

5.2.2

Konsequenzen eines Exportverbots

5.2.3

Konsequenzen des Verbots eines Technologie- und Kapitaltransfers

5.2.4

Konsequenzen für Außenhandel und Wechselkurs

5.3

Erwartete politische Folgen von Sanktionen

5.4

Bedingungen für erfolgreiche Sanktionen

5.4.1

Bedingungen für den wirtschaftlichen Erfolg von Sanktionen

5.4.2

Empirie zum wirtschaftlichen Erfolg von Sanktionen

5.4.3

Empirie zum politischen Erfolg von Sanktionen

5.5

Bewertung der Sanktionen gegen Russland

5.5.1

Einschätzung der aktuellen Sanktionslage

5.5.2

Folgen der Sanktionen für Russland

5.5.3

Politökonomische Erwägungen

5.6

Ausblick

Literatur

6

Wirtschaftspolitik für den Klimaschutz: sozial (un-)gerecht?

Katharina Eckartz

6.1

Einleitung

6.2

Hintergrund

6.2.1

Emissionen

6.2.1.1

Trends in der globalen Emissionsentwicklung

6.2.1.2

Emissionsentwicklung Deutschland

6.2.1.3

Emissionen und Einkommen

6.2.2

Klimaziele

6.2.3

Instrumente mit dem Ziel Emissionsreduktion

6.2.3.1

Exkurs: Internalisierung von externen Effekten

6.2.3.2

Status quo EU: EU-ETS 1 & CBAM

6.2.3.3

Status quo Deutschland: nEHS

6.2.3.4

Planung EU: EU-ETS 2

6.3

Aktuelle Entwicklungen & Diskussionen

6.3.1

Abschaffung der sogenannten Sektorziele

6.3.2

Besonderheiten Sektor Verkehr

6.3.3

Besonderheiten Sektor Gebäude

6.4

Bedarf für einen Instrumentenmix

6.4.1

Klimageld

6.4.2

Ausgestaltungsmöglichkeiten

6.4.3

Wege der Rückerstattung

6.4.3.1

»Best practice«-Beispiel: Umsetzung in Österreich

6.4.3.2

Finanzierung des Klimageldes

6.4.4

Lasten und Anpassungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Einkommensgruppen

6.4.4.1

Belastungen

6.4.4.2

Reaktionsmöglichkeiten

6.4.4.3

Klimageld

6.5

Diskussion und Fazit

Literatur

7

Regionale Wirtschaft unter Veränderungsdruck – Chancen und Risiken

Fritz Jaeckel, Jutta Gogräfe

7.1

Wirtschaftliche Lage in Nord-Westfalen – schwache Konjunktur und langfristige Wachstumsschwäche

7.2

Hohe Energiepreise, verschlechterte Wettbewerbssituation, hoher Transformationsdruck durch Energiewende

7.3

Energieintensive Industrie unter besonderer Belastung

7.4

Außenhandel im Zeichen der De-Globalisierung, auch mit Blick auf China

7.5

Arbeitskräfteknappheit durch Demografie

7.6

Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen in Zeiten multipler Krisen und langfristiger Wachstumsschwäche – Fazit: Chancen

Literatur

Angaben zu den Autoren

[9]Vorwort

Dies ist der vierte Band der Reihe »Volkswirtschaftslehre – praxisnah und verständlich«. Auch dieser Band thematisiert ausgewählte Entwicklungen des – vor allem hiesigen – Wirtschaftsgeschehens zu Beginn der 2020er Jahre. Gemeinsam ist allen, dass sie – um den von Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 verwendeten Begriff zu nutzen – eine Zeitenwende gegenüber früheren Entwicklungen darstellen. Ob Energieversorgung, Künstliche Intelligenz oder Zinsumfeld: Überall stehen die Zeichen auf (substanzielle) Veränderung.

Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass diese Themen mit einer gewissen Regelmäßigkeit in der medialen bzw. öffentlichen Diskussion aufgegriffen werden. Kaum eine Nachrichtensendung vergeht, ohne dass einer oder gar mehrere dieser Aspekte angesprochen werden. Ausreichenden Tiefgang erfahren sie dabei allerdings nur selten. Was den journalistischen Informationsauftrag erfüllen mag, hinterlässt den Leser, Zuhörer oder Zuschauer häufig mit offenen Fragen; ein fundiertes Verständnis der Zusammenhänge kann oft nicht hergestellt werden. Gleichzeitig ist auch bei den Themen dieses Bandes ein solches Verständnis zentral! Wenn das Zinsumfeld nach Jahren mit Null- und Negativzinsen plötzlich wieder (deutlich) positiv wird, die künstliche Intelligenz flächendeckend Einzug in die Berufswelt zu halten verspricht und jahrzehntelange Handelsbeziehungen infrage gestellt werden, sorgt dies ohne grundlegende Kenntnisse der Hintergründe vor allem für eines: Unsicherheit. Und Unsicherheit ist selten ein guter Ratgeber, wenn es darum geht, kompetente Entscheidungen zu treffen – ob im privaten, beruflichen oder auch politischen Umfeld.

Diese Unsicherheit zu reduzieren, um so zu überlegten Entscheidungen beizutragen, ist das Hauptanliegen der Reihe und damit auch dieses Buches. Dafür greifen insgesamt acht Experten aus Wissenschaft und Praxis ausgewählte Themen des wirtschaftlichen Geschehens auf und diskutieren diese in bewährter Manier: wissenschaftlich fundiert, aber allgemein verständlich. Wer tiefer einsteigen möchte, findet in jedem Beitrag Literaturhinweise, manchmal auch weitergehende Fußnoten. Erneut lassen sich alle Beiträge unabhängig voneinander lesen, haben dabei aber gemeinsam, dass sie zur Erklärung der Zusammenhänge auf etablierte Konzepte und Modelle der Volkswirtschaftslehre zurückgreifen, ohne diese mit all ihren Annahmen, Finessen und konkreten Modellierungen detailliert vorzustellen.

Auch diesem Buch ging eine – von der Hanns Martin Schleyer Stiftung geförderte – Vortragsreihe an der FH Münster voraus. Unter dem Titel »Aktuelles Wirtschaftsgeschehen – verständlich und kompakt« wurden nahezu alle Themen im [10]Herbst 2023 von den gleichen Referenten mit einem breiten Publikum diskutiert. Für die Teilnehmer der Vortragsreihe bieten die Beiträge somit die Möglichkeit, das Gehörte noch einmal nachzulesen oder zu vertiefen. Jeder Text ist aber so geschrieben, dass er auch ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann. Und wer sich zunächst einen Überblick über die jeweils erläuterten Zusammenhänge verschaffen will, findet vor jedem Beitrag eine pointierte Zusammenfassung.

Auch dieser vierte Band und die dazugehörige Vortragsreihe konnten nur entstehen, weil zahlreiche Personen daran mitgewirkt haben. Ausnahmslos allen Mitwirkenden gilt mein herzlicher Dank! Zuvorderst sind hier die Referenten bzw. Autoren zu nennen, die sich allesamt der Herausforderung gestellt haben, komplexe Themen allgemein verständlich zu erläutern. Dazu gehören (in alphabetischer Reihenfolge): Prof. Dr. Katharina Eckartz von der TH Köln, Prof. Dr. Manuel Frondel vom RWI Essen, Jutta Gogräfe und Dr. Fritz Jaeckel von der IHK Nord Westfalen, Prof. Dr. Britta Kuhn von der Hochschule RheinMain, Dr. Thieß Petersen von der Bertelsmann Stiftung sowie Dr. Jörn Quitzau von der Schweizer Privatbank Bergos AG. Der Hanns Martin Schleyer Stiftung und seiner Geschäftsführerin Barbara Frenz danke ich herzlich für ihre erneute finanzielle Unterstützung, welche die Vortragsreihe überhaupt erst ermöglicht hat. Verbunden bin ich auch dem Verlag W. Kohlhammer und insbesondere seinem Verlagsleiter Dr. Uwe Fliegauf, dessen ernsthaftes Interesse an diesen Themen und ihrer adäquaten Aufbereitung zentrale Grundlage dieses Projektes sind. Zu schätzen weiß ich ferner die Unterstützung meiner Kollegen der FH Münster, ohne deren Zutun weder Organisation noch Kommunikation von Buch- und Vortragsreihe so gelungen wären. Gleiches gilt für alle anderen, die hier keine namentliche Erwähnung finden, aber trotzdem auf die ein oder andere Art und Weise zum Gelingen des Vorhabens beigetragen haben.

Ich wünsche allen Lesern eine erkenntnisreiche Lektüre!

Münster, im Februar 2024Manuel Rupprecht

[11]1Deutschlands Energiewende: Nicht zur Nachahmung zu empfehlen!

Manuel Frondel1

Zusammenfassung

Deutschlands Energiewende beschränkt sich weitgehend auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung, vor allem der Photovoltaik und Windkraft. Trotz immens hoher Kosten zeigt dies jedoch wenig Erfolge: Die lange Zeit hoch subventionierte Photovoltaik brachte es im Jahr 2021 lediglich auf einen Anteil am Primärenergieverbrauch von 1,5 %, die Windkraft hatte einen Anteil von 3,4 %. Es ist offenkundig, dass die für das Jahr 2045 angestrebte Nettotreibhausgasneutralität nicht allein mit Hilfe der Erneuerbaren sowie den dafür unverzichtbaren Energiespeichertechnologien erreicht werden kann. Dennoch behält Deutschland den eingeschlagenen Weg bei, gemessen an den verschärften Erneuerbaren-Zielen sogar mit massiv forciertem Tempo. Anstatt sich immer ehrgeizigere Ziele für den Erneuerbaren-Ausbau vorzugeben, bräuchte Deutschland eine fundamental andere energiepolitische Strategie, die darauf abzielt, das Energieangebot wieder auszuweiten, und die auf Tabus wie das Verbot von Fracking verzichtet. Zudem sollten die Erneuerbaren bei den aktuell hohen Strompreisen nach Jahrzehnten der Subventionierung dem Markt überlassen werden. Mit einem Bruchteil der dadurch im Klima- und Transformationsfonds eingesparten finanziellen Mittel könnte die Forschung und Entwicklung sämtlicher Energie- und Speichertechnologien, inklusive Kern- und Wasserstofftechnologien, in nie dagewesenem Maße forciert werden. Die künftige Energiepolitik sollte allen Technologien eine Chance geben, nicht allein jenen, die in den Augen der Mehrheit der Bevölkerung ein – nicht immer gerechtfertigtes – hohes Ansehen genießen. Vielmehr sollten künftig auch solche Technologien und Energierohstoffe genutzt werden, gegen die eine verschwindend kleine, aber lautstarke Minderheit aus ideologischen Gründen medial professionell orchestrierten Widerstand entgegensetzt und dabei auch Rechtsbrüche nicht scheut.

[12]1.1Einleitung

Deutschlands Energiewende ist bislang weitgehend eine Stromwende, denn sie hat sich bis dato vorwiegend auf den Ausbau der regenerativen Stromerzeugungstechnologien konzentriert. In anderen Bereichen, vor allem dem Verkehrssektor, wurde die Energiewende hingegen lange Zeit eher vernachlässigt. So stagnierten die Treibhausgasemissionen im Sektor Verkehr über Jahrzehnte hinweg (Vgl. Frondel, Schubert 2021), erst seit der Corona-Pandemie sind sie deutlich gesunken, um 16 auf 148 Mio. Tonnen Kohlendioxid (CO2) im Jahr 2021 (Vgl. UBA 2022).

Im Sektor Energiewirtschaft hingegen, zu dem auch die Stromerzeugung zählt, wurden deutliche Emissionsminderungen erzielt: Dort sanken die Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2021 um rund 40 % (Vgl. UBA 2022), vor allem aufgrund des durch den europäischen Emissionshandel bedingten Wechsels von älteren zu effizienteren Kohlekraftwerken sowie zu emissionsärmeren Erdgaskraftwerken, teils aber auch aufgrund der vorzeitigen Abschaltung von Kohlekraftwerken infolge des ordnungsrechtlich festgelegten Kohleausstiegs. Zur Senkung der Emissionen haben nicht zuletzt auch die alternativen Stromerzeugungstechnologien beigetragen. So stieg der Anteil des regenerativ erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2022 auf knapp 50 %, während er im Jahr 2000, als das Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) zur Förderung der grünen Stromerzeugung auf Basis von Erneuerbaren eingeführt wurde, noch unter 10 % lag.

Der unter dem Begriff Energiewende firmierende ökologische Umbau der deutschen Volkswirtschaft hat den hohen Anspruch, ambitionierte Klimaziele zu verwirklichen und zugleich als internationales Vorbild auf dem Weg zur Klimaneutralität zu dienen. Ambitionierte nationale Klimaziele erscheinen angesichts der mittlerweile deutlich erkennbaren Dringlichkeit einer raschen und konsequenten Abkehr aller globalen Akteure von fossilen Energiesystemen durchaus als gerechtfertigt. Doch um als internationales Vorbild dienen zu können, müsste Deutschland diese Ziele unter ebenso ambitionierten Nebenbedingungen erreichen, allen voran dem Erhalt der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der sozialen Ausgewogenheit der Klimapolitik.

Diese Nebenbedingungen finden in der Politik eine viel zu geringe Beachtung. So hat die Energiewende sowohl Unternehmen als auch privaten Haushalten hohe Lasten aufgebürdet: Allein die durch das EEG seit dem Jahr 2000 geförderte grüne Stromerzeugung auf Basis von Erneuerbaren, vor allem Windkraft und Photovoltaik (PV), hat, wie im Folgenden dargestellt wird, die privaten und betrieblichen Stromverbraucher bislang knapp 300 Milliarden Euro gekostet, ohne dass diesen hohen Kosten entsprechende ökologische und wirtschaftliche Erfolge gegenüberstehen. Beispielsweise brachte es die lange Zeit hoch subventionierte Photovoltaik im Jahr 2021 lediglich auf einen Anteil am Primärenergieverbrauch von 1,5 %, auch die Windkraft hatte lediglich einen moderaten Anteil von 3,4 %.2

[13]Dieser bescheidenen Fortschritte zum Trotz, oder vielmehr wohl gerade deswegen, setzt die Politik sich immer ehrgeizigere Ziele für den Erneuerbaren-Ausbau und bürdet so sowohl der heutigen Gesellschaft als auch künftigen Generationen immer höhere finanzielle Lasten auf. Diese gesteigerten Ambitionen wurden daran sichtbar, dass das Ziel eines Erneuerbaren-Anteils am Bruttostromverbrauch von 65 % im Jahr 2030 auf einen Anteil von 80 % erhöht wurde (Vgl. BMWK 2022a).

Anstatt sich immer ehrgeizigere Ziele für den Erneuerbaren-Ausbau vorzugeben, bräuchte Deutschland allerdings eine fundamental andere energiepolitische Strategie, die stärker auf neue, ebenso emissionsarme bzw. emissionsfreie Technologien setzt, um das Energieangebot wieder auszuweiten, und auf Tabus wie das Verbot von Fracking und der CO2-Speicherung verzichtet. Die Erneuerbaren sollten bei den aktuell hohen Strompreisen nach Jahrzehnten der Subventionierung nun dem Markt überlassen werden. Mit einem Bruchteil der dadurch eingesparten finanziellen Mittel könnte die Forschung und Entwicklung sämtlicher Energie- und Speichertechnologien, inklusive Kern- und Wasserstofftechnologien, in nie dagewesenem Maße forciert werden. Solche Anstrengungen erscheinen unabdingbar, denn es sind neben den Erneuerbaren viele weitere Technologien nötig, da es angesichts der geringen Anteile der Erneuerbaren am Primärenergiemix offenkundig ist, dass damit das Ziel der Treibhausgasneutralität nicht erreicht werden kann.

Die folgenden Abschnitte stellen die Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien seit Einführung des EEG sowie die Größenordnung der künftig anfallenden Kosten dar. Davon ausgehend wird dargestellt, warum und wie der Ausbau der Erneuerbaren kosteneffizienter gestaltet werden könnte. Sodann wird der Nutzen des Ausbaus der erneuerbaren Energien besprochen, bevor abschließend ein energiepolitischer Strategiewechsel vorgeschlagen wird, der unter anderem auf die folgenden Komponenten setzt: Erstens eine Erhöhung statt einer Verringerung des heimischen Energieangebots, zweitens eine massive Erhöhung der finanziellen Mittel für Forschung- und Entwicklung von neuen Energieerzeugungs- und -speichertechnologien und drittens eine generelle Technologieoffenheit anstatt Verengung des Energiemixes auf erneuerbare Technologien.

1.2Die Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien seit Einführung des EEG

Das mit dem EEG in Deutschland im Jahr 2000 eingeführte Einspeisevergütungssystem wird häufig als weltweites Vorzeigemodell bezeichnet. Tatsächlich hat es in [14]mehr als 100 Ländern Nachahmung gefunden (Vgl. REN21 2015). Mit Hilfe dieses Förderregimes konnten die sogenannten regenerativen Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland in beachtlicher Weise ausgebaut werden, allen voran die Kapazitäten an Photovoltaik und Windkraft (► Dar. 6 im Anhang). So waren am Ende des Jahres 2022 rund 67 Gigawatt (GW) an PV-Kapazitäten installiert und etwa 66 GW an Windkraftkapazitäten, rund 58 GW an Land sowie rund 8 GW vor deutschen Küsten.

Mit dem beachtlichen Ausbau gingen immense Kosten einher. So belaufen sich die sogenannten Differenzkosten der Förderung der regenerativen Stromerzeugung seit Einführung des EEG im Jahr 2000 bislang (Stand: Ende 2022) nominal auf mehr als 294,5 Mrd. Euro (► Dar. 1).3 Die Differenzkosten ergeben sich aus der Differenz der je nach Technologie unterschiedlichen Einspeisevergütungen, die pro Kilowattstunde regenerativ erzeugtem Strom von den Stromnetzbetreibern bezahlt werden, und dem Wert des »grünen« Stroms, sprich dem Erlös, der für den Verkauf des grünen Stroms an der Strombörse erzielt wird. Damit geben die Differenzkosten die Förderkosten wieder, die durch die Förderung der erneuerbaren Stromerzeugungstechnologien via EEG gewährt und bis Mitte des Jahres 2022 von den Stromverbrauchern in Form der EEG-Umlage mit ihrer Stromrechnung bezahlt wurden. Allein im Jahr 2020 mussten die Stromverbraucher den bisherigen Höchstwert von rund 28 Mrd. Euro für den Ausbau der Erneuerbaren bezahlen. Das ist mehr als die Bundesrepublik jährlich für Entwicklungshilfe ausgibt: Diese Ausgaben lagen im Jahr 2020 laut OECD bei rund 24,5 Mrd. Euro.

Damit sind die Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren jedoch noch längst nicht abgegolten: Zu den knapp 300 Mrd. Euro, die bislang für den Ausbau der Erneuerbaren seit dem Jahr 2000 ausgegeben wurden, kommen weitere Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe hinzu, denn die durch das EEG gesetzlich garantierten Vergütungen werden in der Regel für bis zu 21 Jahre in unveränderter Höhe garantiert. So müssen die aus heutiger Sicht unverhältnismäßig hohen Einspeisevergütungen für die in den Jahren 2009 bis 2012 installierten, umfangreichen PV-Kapazitäten noch bis zum Jahr 2032 gezahlt werden.

In Summe dürfte in den kommenden zwanzig Jahren noch einmal ein ähnlich hoher dreistelliger Milliarden-Betrag für die bereits installierten Erneuerbaren-Anlagen aufzuwenden sein, um damit die Einspeisevergütungen oder alternativ die Marktprämien für den mit den bestehenden Anlagen produzierten grünen Strom zu bezahlen. Wenngleich diese Summe nicht genau beziffert werden kann, weil sie nicht unwesentlich von der Höhe der unbekannten künftigen Strompreise abhängt, könnten diese Kosten sogar höher ausfallen als die bisher entrichtete Summe von knapp 300 Mrd. Euro, denn die Anfangsjahre der EEG-Förderung gingen mit vergleichsweise geringen Förderkosten aufgrund eines moderaten Ausbaus der Erneuerbaren einher (► Dar. 1).

Dar. 1:Differenzkosten des Ausbaus der Erneuerbaren in Millionen Euro (Quelle: BMWK 2021a. Die Kategorie Übrige enthält Deponie-, Klär- und Grubengas sowie Geothermie. Die Werte für 2021 und 2022 sind Prognosen.)

Jahr

Wasserkraft

Photovoltaik

Windkraft an Land

Windkraft auf See

Biomasse

Übrige

Insgesamt

Differenzkosten in Cent/kWh

2000

213

14

397

0

42

0

666

6,4

2001

295

37

703

0

105

0

1,140

6,3

2002

329

78

1,080

0

177

0

1,664

6,7

2003

253

145

1,144

0

224

0

1,766

6,2

2004

195

266

1,520

0

347

103

2,431

6,3

2005

193

636

1,518

0

540

111

2,998

6,8

2006

168

1,090

1,529

0

896

84

3,767

7,3

2007

121

1,436

1,428

0

1,307

46

4,338

6,5

2008

81

1,960

1,186

0

1,565

26

4,818

6,8

2009

25

2,676

608

3

1,991

-2

5,301

7,0

2010

192

4,465

1,647

19

3,000

204

9,527

11,6

2011

263

6,638

2,145

57

3,522

152

12,777

12,4

2012

223

7,948

2,948

92

4,576

269

16,056

13,6

2013

304

8,293

3,179

122

5,183

342

17,423

13,9

2014

301

9,165

3,668

208

5,674

279

19,295

14,2

2015

294

9,556

4,645

1,262

6,094

62

21,913

13,5

2016

352

9,282

4,315

1,947

6,292

22

22,210

13,8

2017

290

9,060

5,164

2,770

5,973

-61

23,196

12,4

2018

232

9,773

4,536

2,850

5,769

-59

23,101

11,8

2019

287

9,916

5,640

3,731

6,066

-105

25,535

12,1

2020

308

10,749

6,600

4,246

6,528

-46

28,385

12,8

2021

297

9,564

5,691

4,575

6,221

5

26,353

11,5

2022

124

8,633

2,564

3,691

4,723

64

19,799

8,3

Kosten

5,340

121,380

63,855

25,573

76,815

1,496

294,459

Anteile

1,8 %

41,2 %

21,7 %

8,7 %

26,1 %

0,5 %

100.0 %

Wenn aber die hohen jährlichen Förderkosten der vergangenen Dekade auch in den kommenden zwei Dekaden in annähernd gleicher Höhe weitergezahlt werden müssen, ist es leicht möglich, dass dafür mehr als 300 Mrd. Euro fällig werden könnten. Letzteres träfe im Übrigen dann zu, wenn die Strompreise durch den Ausbau der Erneuerbaren künftig sinken würden, wie häufig von der Politik prognostiziert wird. [16]Dann würde die Differenz zwischen den Einspeisevergütungen und dem Strompreis an der Börse steigen und somit auch die Differenzkosten. Summa summarum ist die Größenordnung der Förderkosten für den bisherigen Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugungstechnologien auf 600 Mrd. Euro zu taxieren.

Hinzu werden weitere hohe Milliardenbeträge für jene Anlagen kommen, die seit Ende des Jahres 2022 in Betrieb genommen werden. Es ist zu erwarten, dass die Kosten dafür eine ähnliche Größenordnung annehmen könnten wie in der Vergangenheit. Diese Erwartung beruht im Wesentlichen auf zwei Anhaltspunkten: Zum einen soll der Erneuerbaren-Ausbau entsprechend der sehr ambitionierten Ausbauziele Deutschlands für das Jahr 2030 in deutlich stärkerem Ausmaß als bislang vorangehen. Zum anderen sind die Höchstsätze für die Einspeisevergütungen bzw. die Marktprämien bei den Auktionen zum Errichten von Solar- und Windkraftanlagen durch die Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr deutlich erhöht worden (Vgl. BNetzA 2022), beispielsweise auf 7,35 Cent pro Kilowattstunde für Windkraftanlagen, die ab dem Jahr 2023 an Land installiert werden und auf 11,25 Cent für Aufdach-Solaranlagen. Im Jahr 2017 lag der Höchstwert für Einspeisevergütungen in den Auktionen für Windkraft an Land bei 7,0 Cent je Kilowattstunde; der Höchstsatz sank in den nachfolgenden Jahren und betrug 2022 lediglich 5,88 Cent (Vgl. BNetzA/Bundeskartellamt 2022, S. 121). Die Erhöhung auf 7,35 Cent im Jahr 2023 bedeutet somit gegenüber 2022 einen Anstieg um knapp 20 %. Auch für Photovoltaik-Freiflächen-Anlagen mit einer Leistung von über einem Megawatt wurden die Höchstsätze erhöht, von 5,70 Cent in der Juni-Auktion 2022 auf 7,37 Cent im Jahr 2023, eine Erhöhung um über 20 %.

Dies zeigt: Die Bemühungen um Kostendämpfung beim Ausbau der Erneuerbaren, die im Jahr 2017 mit der Einführung von Auktionen Einzug gehalten haben, sind zugunsten des forcierten Ausbautempos wieder aufgegeben worden. Bei solchen Auktionen wird ein bestimmtes Ausbauvolumen einer regenerativen Stromerzeugungstechnologie durch die Bundesnetzagentur ausgeschrieben und es kommen nur diejenigen Investoren zum Zuge, die für die von ihnen zu installierenden Kapazitäten an Erneuerbaren-Anlagen mit die geringsten garantierten Vergütungen für den damit erzeugten grünen Strom in Anspruch nehmen. Diese Vergütungen müssen aus dem sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) bestritten werden, einem neben dem Bundeshaushalt bestehenden Sondervermögen, dem nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023 nun 60 Mrd. Euro fehlen. Diese wurden laut Urteil in illegitimer Weise von der Ampelregierung aus der Zeit der Corona-Pandemie in den Fonds transferiert. (Das Urteil macht deutlich, dass bei diesem Fonds anstatt von Sondervermögen besser von einem Schulden- bzw. Kreditermächtigungsfonds gesprochen werden sollte.)

Die seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil sehr gravierenden, aber bereits im Sommer 2023 offen zu Tage getretenen Engpässe bei der Finanzierung der aus dem Klima- und Transformationsfonds zu bestreitenden Maßnahmen, zu denen auch der Ausbau der Erneuerbaren gehört, verdeutlichen, dass dabei Kostendisziplin höchst angebracht wäre. Nach dem aktuellen Wirtschaftsplan sind für die kommenden vier Jahre Ausgaben von rund 210 Mrd. Euro vorgesehen, die aus [17]diesem Fonds bestritten werden sollen. Dennoch scheinen diese Mittel bereits heute nicht auszureichen, um alle Ausgabenwünsche zu erfüllen, etwa zunächst in Frage stehende Zuschüsse für die Deutsche Bahn zur Förderung der Verkehrswende.4

1.3Auch der künftige Ausbau der Erneuerbaren könnte teuer werden

Beim künftigen Ausbau der Erneuerbaren scheint Kostendisziplin aber wohl kein vordringliches Kriterium zu sein. Darauf deutet vor allem hin, dass bislang fast ausschließlich technologiespezifische anstatt technologieneutrale Ausschreibungen stattfinden. Würde die Politik hohe Ausbaukosten in Zukunft verhindern wollen, müsste sie technologieneutrale Ausschreibungen zum Standard machen, damit nur noch die kosteneffizientesten regenerativen Technologien zum Zuge kommen.

Dadurch würden sich gravierende Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Zu nennen ist hier besonders die übermäßige Förderung der Photovoltaik (Vgl. Frondel, Schmidt, Vance 2014), ehemals eine der teuersten Stromerzeugungstechnologien, aber heute in Form von Solarparks nahe der Wettbewerbsfähigkeit. So hat der starke PV-Ausbau, vor allem in den Jahren 2010 bis 2012, bislang rund 121 Mrd. Euro an Förderkosten verursacht (► Dar. 1). Damit beanspruchte die Photovoltaik den weitaus größten Anteil von über 40 % der bereits beglichenen Differenzkosten. Deutlich geringer hingegen fiel der Anteil der Solarstromerzeugung an der Produktion von grünem Strom seit Einführung des EEG im Jahr 2000 aus: Dieser Anteil betrug lediglich rund 16 % (► Dar. 7 im Anhang). Die ebenfalls durch das EEG geförderten, sogenannten kleinen Wasserkraftanlagen haben bis dato in Summe nicht allzu viel weniger Strom produziert als die Photovoltaikanlagen, ihr Anteil an den bisherigen Differenzkosten von knapp 300 Mrd. Euro liegt jedoch bei lediglich knapp 2 % (► Dar. 1).

Es gibt weitere Hinweise, die darauf hindeuten, dass auch künftig wenig auf die Zubau-Kosten geachtet wird. Eine grobe Vorstellung von deren Größenordnung lässt sich dadurch gewinnen, dass man Abschätzungen des BMWK (2022a) zu Rate zieht. Demnach würde das Erneuerbaren-Ziel für das Jahr 2030, das einen Grünstrom-Anteil von 80 % am Bruttostromverbrauch vorsieht, implizieren, dass dann rund 600 Mrd. kWh an grünem Strom produziert werden müssen. Das würde beinahe eine Verdreifachung gegenüber dem Jahr 2021 bedeuten, als 234 Mrd. kWh an grünem Strom erzeugt wurden (Vgl. AGEB 2022b).

[18]Das Erreichen des 80-Prozent-Ziels stellt somit eine gewaltige Herausforderung dar, sowohl in finanzieller als auch in technischer Hinsicht. Daher muss damit gerechnet werden, dass die finanziellen Mittel des Klima- und Transformationsfonds, aus dem die Differenzkosten des Ausbaus der Erneuerbaren derzeit beglichen werden, in Zukunft nicht mehr ausreichen werden, wenn das 80-Prozent-Ziel auch nur annähernd erreicht werden sollte – vor allem weil neben vielem anderen auch die Kosten der Wärmewende, insbesondere die massive Förderung von Wärmepumpen, aus dem Klima- und Transformationsfonds bestritten werden sollen.

Aus allen diesen Gründen ist es um die Sozialverträglichkeit der Energiewende schlecht bestellt. So ist es mehr als fraglich, ob der Fonds künftig ausreichende finanzielle Mittel beinhalten wird, um das sogenannte Klimageld zu finanzieren. Dieses ist im Koalitionsvertrag (2021) der Ampelregierung festgehalten worden, um damit den Bürgerinnen und Bürgern einen Ausgleich zur nationalen CO2-Bepreisung zu gewähren. Durch die CO2-Bepreisung wird seit dem Jahr 2021 der Verbrauch fossiler Kraft- und Brennstoffe zum Zwecke des Klimaschutzes verteuert. Noch immer aber wird kein Klimageld an die Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt. Das dürfte in den nächsten Jahren auch so bleiben, denn im sich über vier Jahre, von 2024 bis 2027 erstreckenden Wirtschaftsplan gibt es keine Ausgabenposition für das Klimageld.

1.4Kosteneffizienter Ausbau der Erneuerbaren, statt weiter anschwellender Kostenlawine

All dies ist umso erstaunlicher, als der Ausbau der Erneuerbaren wesentlich kostengünstiger erreicht werden könnte. So werden Solarparks schon oftmals ohne jegliche Inanspruchnahme von garantierten Vergütungen gebaut, ohne dass die Investoren an entsprechenden Auktionen teilnehmen. Bereits in den Jahren 2017 und 2018 gab es Ausschreibungen zur Errichtung von Windparks vor deutschen Küsten, bei denen einige Bieter wie die EnBW keine garantierten Vergütungen in Anspruch genommen haben (Vgl. BNetzA 2020, S. 77).

Und bei der Offshore-Auktion zum Bau von 7-GW-Windparks in Nord- und Ostsee am 1. Juni 2023 haben die Bieter nicht nur gänzlich auf garantierte Vergütungen verzichtet. Nachdem neun Null-Cent-Gebote abgegeben wurden, wurden in einer nachfolgenden Versteigerungsrunde insgesamt 12,6 Mrd. Euro geboten (Vgl. EID 2023, S. 4), um auf den ausgeschriebenen Flächen Offshore-Windparks errichten zu dürfen. So kann der Staat, in diesem Fall die Bundesnetzagentur als staatliche Institution, ähnlich wie bei der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen sogar erhebliche Einnahmen erzielen.5

[19]Der Ausbau der Windkraft an Land wird hingegen weiterhin mit hohen Vergütungen gefördert, obwohl dieser Technologie massive lokale Widerstände durch Bürgerinitiativen entgegengesetzt werden, denn damit gehen starke negative externe Effekte einher, etwa negative Wirkungen von Windkraftanlagen auf die Preise angrenzender Immobilien (Vgl. Frondel et al. 2019).

Will man die Kosten des Ausbaus der Erneuerbaren und die damit zusammenhängenden Folgekosten, beispielsweise Entschädigungszahlungen für die Abschaltung von Erneuerbaren-Anlagen zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität, wenn andernfalls ein Überangebot an Strom das Netz überlasten würde, nicht weiter ausufern lassen, wäre es ratsam, die stark forcierte Ausbaustrategie grundsätzlich zu überdenken. So sollte angesichts des im Vergleich zu den Jahren der Corona-Pandemie um ein Vielfaches höheren Strompreisniveaus an den Strombörsen der Ausbau der Erneuerbaren dem Markt überlassen werden. In anderen Worten: Das EEG sollte abgeschafft werden. Dadurch würde der Erneuerbaren-Ausbau keineswegs zum Erliegen kommen. Ohne dieses Förderregime würden künftig aber wohl vor allem Windparks vor deutschen Küsten und große Solarparks errichtet werden, der Erneuerbaren-Ausbau würde in den kommenden Jahren voraussichtlich weit weniger schnell vorankommen, als dies für die Erreichung des 80-Prozent-Ziels erforderlich wäre.

Dennoch sprechen zahlreiche Gründe dafür, den Ausbau der Erneuerbaren nicht weiter ohne Rücksicht auf die Kosten auf breiter Front und mit erhöhtem Tempo voranzutreiben, sondern vorwiegend auf kosteneffiziente regenerative Technologien zu setzen. Erstens würden die Phasen mit Engpasssituationen im Netz, in denen die Netzstabilität gefährdet wird, nicht so stark zunehmen, wie dies bei einem beschleunigten Ausbau zu erwarten ist. Bereits heute werden immer häufiger Erneuerbaren-Anlagen abgeschaltet, um eine Gefährdung der Netzstabilität zu vermeiden. Dadurch sind die dafür gewährten Entschädigungszahlungen tendenziell immer weiter angestiegen (► Dar. 2). Diese Entschädigungszahlungen haben sich innerhalb weniger Jahre deutlich erhöht, von rund 180 Mio. Euro im Jahr 2014 auf rund 800 Mio. Euro im Jahr 2021. Nach vorläufigen Angaben der Bundesnetzagentur stiegen die Entschädigungszahlungen im Jahr 2022 weiter an, auf rund 900 Mio. Euro (Vgl. BNetzA 2023, S. 5) Diese Tendenz würde sich bei einem beschleunigten Erneuerbaren-Ausbau weiter fortsetzen, falls keine Gegenmaßnahmen getroffen würden.

Die Kosten für sämtliche Netzengpassmanagement-Maßnahmen, zu denen neben dem Abschalten von Erneuerbaren-Anlagen – im Fachjargon Einspeisemanagement genannt – auch das Abregeln und Zuschalten von konventionellen Kraftwerken (Redispatch) sowie der Einsatz und die Vorhaltung der in der Netzreserve befindlichen konventionellen Kraftwerke gehören, lagen im Jahr 2021 bei rund 2,3 Mrd. Euro. Dies ist gegenüber den Kosten von 1,4 Mrd. Euro im Jahr 2020 ein Anstieg von über 50 % (Vgl. BNetzA/Bundeskartellamt 2022, S. 6).6 Diese Kosten haben sich nach vorläufigen Angaben im Jahr 2022 auf 4,2 Mrd. Euro nahezu verdoppelt. Vor allem die Redispatchmaßnahmen bei konventionellen Kraftwerken [20]haben sich wegen der steigenden Brennstoffkosten bei Erdgas und Steinkohle massiv erhöht, auf rund 1,9 Mrd. Euro. Im Jahr 2021 lagen die Redispatch-Kosten mit rund 1,2 Mrd. Euro noch deutlich niedriger.

Dar. 2:Geschätzte Entschädigungszahlungen für das Abschalten von Erneuerbaren-Anlagen zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität in Millionen Euro (Quelle: BNetzA/Bundeskartellamt 2022, S. 80) [zurück]

Zweitens würde die Zahl der Stunden mit negativen Strompreisen weniger stark zunehmen, als dies bei Umsetzung des 80-Prozent-Ziels zu erwarten wäre. Negative Strompreise verursachen hohe volkswirtschaftliche Kosten und treten meist bei einer hohen Einspeisung von Strom aus Wind und Sonne und einem geringen Stromverbrauch auf (Vgl. Next Kraftwerke 2023). Dies ist häufig an Feiertagen oder Sonntagen der Fall. In solchen Situationen eines hohen Überangebots an Strom erhalten die Abnehmer von Strom diesen nicht nur umsonst, sie bekommen sogar noch eine Abnahmeprämie in Form des negativen Strompreises bezahlt.

Obgleich man erwarten würde, dass diese negativen Anreize dafür sorgen sollten, dass Stromproduzenten ihre Produktion drosseln und damit helfen, die Häufigkeit und Dauer des Auftretens negativer Strompreise zu verringern, lassen sich diese aus technischen, regulatorischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht immer vermeiden, weil Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen bislang wenig Anreize haben, in solchen Situationen ihre Stromproduktion zu drosseln und die Betreiber konventioneller Kraftwerke einer Vielzahl an Restriktionen und Auflagen unterliegen, die eine flexible Fahrweise des Kraftwerks verhindern.7 Die Betreiber nehmen daher meist Stunden mit negativen Strompreisen in Kauf, statt ihre Produktion [21]anzupassen. Das Entstehen negativer Strompreise ist somit auch nicht allein den erneuerbaren Energien anzulasten (Vgl. Next Kraftwerke 2023).

Dennoch ist die mit dem Ausbau der Erneuerbaren einhergehende starke Zunahme der Zahl an Stunden mit negativen Börsenstrompreisen ein klares Indiz dafür, dass die Ursache dafür in den Schwankungen der Stromproduktion auf Basis von Wind und Sonne liegt sowie in den dafür fehlenden Speicherkapazitäten. So hat sich die Zahl der Stunden mit negativen Börsenstrompreisen seit ihrer Zulassung im Jahr 2008 stark erhöht und liegt heute bei einem Vielfachen der Anzahl zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts (► Dar. 3). So gab es bis Ende Oktober 2023 bereits 226 Stunden mit negativen Strompreisen. Das Minimum an negativen Strompreisen betrug bislang bis zu rund -13 Cent je Kilowattstunde und trat im Jahr 2016 auf (► Dar. 8 im Anhang). Mithin betrug die Belohnung für die Abnahme von überschüssigem Strom im Jahr 2016 bis zu rund 13 Cent je Kilowattstunde, eine Belohnung, die besonders oft von Abnehmern aus dem Ausland entgegengenommen wurde.

Dar. 3:Anzahl an Stunden im Jahr mit negativen Börsenstrompreisen in Deutschland (Quellen: Aust und Morscher 2017, Next Kraftwerke 2023, SMARD 2023, die Anzahl der Stunden mit negativen Strompreisen für das Jahr 2023 reflektiert den Stand bis Ende Oktober.) [zurück]

Ein weiteres Indiz dafür, dass das Auftreten negativer Strompreise letztlich der Inflexibilität der Erneuerbaren-Anlagen geschuldet ist, besteht darin, dass Deutschland und Dänemark, beides Länder mit starkem Windkraftausbau, die beiden Länder sind, in denen das Phänomen der negativen Strompreise am häufigsten in Europa auftritt (► Dar. 4). In Schweden und Finnland hingegen traten negative Preise am Spotmarkt nicht vor Februar 2020 zum ersten Mal auf (Vgl. Next Kraftwerke 2023).

Drittens würde der Export von Strom nicht so stark zunehmen, wie dies bei einem beschleunigten Ausbau zu erwarten ist. So nahm einhergehend mit der tendenziellen Zunahme der Häufigkeit negativer Strompreise seit Einführung des EEG im Jahr 2000 auch der Export von Strom in das Ausland beinahe beständig zu (► Dar. 9 im Anhang). War der Saldo aus dem Import und Export von Strom im

Dar. 4:Häufigkeit an negativen Strompreisen in europäischen Staaten (Quelle: Next Kraftwerke 2023) [zurück]

[23]Jahr 2000 noch positiv und zeigte an, dass mehr Strom aus dem Ausland importiert als exportiert wurde, sank dieser Saldo seither tendenziell zunehmend ins Negative. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 55 Mrd. kWh Strom mehr exportiert als importiert wurde. Das waren beinahe 10 % des Stromverbrauchs des Jahres 2017 von rund 590 Mrd. kWh. (Dass der Stromaustauschsaldo seither tendenziell wieder abgenommen hat, ist mitunter der Abschaltung von Kohle- und Atomkraftwerken im Zuge des Kohle- und Kernenergieausstiegs geschuldet.) Insgesamt wurden mit rund 531 Mrd. kWh (► Dar. 9