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Der heutige Kunde ist nicht mehr länger nur der "Abnehmer" von Produkten und Dienstleistungen. In unserer vernetzten Gesellschaft besitzt er eine eigene Stimme und teilt seine Erfahrungen intensiv mit anderen Kunden. Er nutzt die Transparenz des Internets über Preise und Märkte aus, um intelligente Kaufentscheidungen zu treffen. Daher wird es für Unternehmen immer wichtiger eine lernende Beziehung zum Kunden auf Augenhöhe zu etablieren und Wissen vom, über und gemeinsam mit dem Kunden zu entwickeln. Nur so kann das Unternehmen wettbewerbsfähige Lösungen zur passgenauen Befriedigung des Kundenbedürfnisses bereitstellen. Mit dem Knowledge Blueprint for Customer Relationship Management (KnowBlueC) stellt der Autor eine strukturierte Systematik vor, die ein Unternehmen auf dem Weg zur smarten und kundenzentrierten Wissensorganisation führt. Ein "Blick hinter die Kulissen" rund um Customer Artificial Intelligence erlaubt es dem Leser zudem, aktuelle Hype-Themen wie Big Data, Business Analytics und Data Mining, Machine Learning, Neuronale Netze und (Chat-)Bots besser zu verstehen und für den eigenen Unternehmenseinsatz einzuschätzen. Vielfältige Workshopanteile mit konkreten Verfahren, Methoden und Vorlagen ermöglichen die direkte Umsetzung im Unternehmen.
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1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-039109-3
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-039110-9
epub: ISBN 978-3-17-039111-6
mobi: ISBN 978-3-17-039112-3
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»Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß, dann wären unsere Zahlen noch besser.«
Dr. Heinrich von Pierer, ehemaliger Vorsitzender des Vorstands der Siemens AG bei der Bilanzpressekonferenz 1995
»If knowledge is power, customer knowledge is high octane power.«
Thomas Davenport, Professor of Information Technology and Management, Babson College in einem Beitrag in der Zeitschrift CIO vom 09.05.2007
Der Kunde als Ausgangspunkt und im Zentrum aller Unternehmensaktivitäten und Wissen als vierter Produktionsfaktor – so kann eine zukunftsrobuste Positionierung moderner Unternehmen gelingen. Für Firmen wird es immer wichtiger, eine lernende Beziehung zum Kunden aufzubauen und Wissen vom, über und gemeinsam mit dem Kunden zu entwickeln. Um dieses Ziel zu erreichen ist eine integrative Betrachtung des Kundenbeziehungsmanagement und des Wissensmanagement bis hin zu einer Konkretisierung in Methoden und Verfahren zur Erzeugung, zur Verwaltung und zum Einsatz von Wissen unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz essentiell.
Dieses Buch stellt die Systematik KnowBlueC (Knowledge Blueprint for CRM) als integrierendes Rahmenwerk für ein wissenszentriertes Kundenbeziehungsmanagement vor. Workshop-Kapitel sollen zur Umsetzung der vorgestellten Konzepte und Methoden in Ihrem Unternehmen motivieren und so zu einem funktionsübergreifenden Mehrwert und Erfolg in Ihrem Unternehmen führen – daher auch das klangähnliche Wortspiel zum englischen »no blues«. Es wird die organisatorische Perspektive des Wissensmanagement mit dem mathematisch-technologischen Aspekt der Künstlichen Intelligenz und der Business Analytics »unter einem Dach« zusammengeführt. Dem funktional-fachlich orientierten Leser aus der Unternehmensführung, dem Marketing, dem Vertrieb und dem Service ermöglicht der »Blick unter die Motorhaube« eine bessere Einschätzung und Qualifizierung moderner KI-Verfahren und aktueller Technologie-Hypes. Dem mathematisch-technisch orientierten Leser aus der Data-Science- und IT-Abteilung soll die Sicht auf die fachlichen Anwendungsbereiche ein besseres Verständnis funktionaler Anforderungen und unternehmerischer Herausforderungen bieten. Durch eine angepasste nicht zu tiefe Detaillierung der mathematisch-statistischen Verfahren soll der Blick auf das Wesentliche erhalten bleiben, so dass der »Wald vor lauter Bäumen« weiterhin erkennbar bleibt.
Aktuell sind die Fachgebiete der Künstlichen Intelligenz und der Business Analytics von einer sehr hohen Dynamik geprägt. Viele alte und gut bewährte Methoden und Algorithmen werden stark erweitert und angepasst, viele neue Konzepte entstehen. Gleichermaßen stehen immer mehr qualitativ hochwertige Daten zur Analyse zur Verfügung – denn nur Daten und Algorithmen zusammen liefern erstklassige Lösungen. Die Rechenleistung im Cloud Computing lässt bereits heute die Realisierung von Implementierungen zu, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wären. Durch zukünftige Rechnergenerationen wie Quantencomputer werden sich diese Potenziale noch vervielfachen.
Bestehende Unternehmen auf diesen Gebieten erfinden sich neu und neue Unternehmen werden gegründet. Diese Dynamik bewirkt gleichfalls einige Herausforderungen bei der Erstellung eines Buches. Obgleich zum Zeitpunkt des Schreibens alle Quellen aktuell und gründlich recherchiert wurden, möge mir der geneigte Leser verzeihen, wenn er zum Zeitpunkt der Lektüre das eine oder andere Unternehmen oder Produkt vielleicht in der dargestellten Form nicht mehr finden wird. Aber getreu dem Motto, dass allem Neuen der Zauber der Vergangenheit innewohnt, werden Sie, liebe Leser, auch hier die Ursprünge sicherlich leicht nachvollziehen können.
Danken möchte ich Herrn Dr. oec. Uwe Fliegauf vom Kohlhammer Verlag für die hilfreiche Unterstützung und die wertvollen Gedanken im Laufe der Erstellung dieses Werkes sowie das detaillierte Lektorat. Mein tiefer und herzlicher Dank gilt meiner Frau Kirsten. Sie musste auf viele gemeinsame Stunden und Tage verzichten und hat mich dennoch immer weiter bestärkt und ermuntert. Ohne ihre liebevolle Unterstützung wäre solch ein Werk unmöglich gewesen.
»Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden.
Es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.«
Mit diesen Worten von Johann Wolfgang von Goethe in seinem Werk Wilhelm Meisters Wanderjahre möchte ich Sie nun jedoch herzlich zum Lesen, Nachdenken und Handeln einladen. Viel Spaß.
Paderborn, im August 2020
Andreas Schmidt
Vorwort
1 Wissenszentriertes Kundenbeziehungsmanagement – Ein Bezugsrahmen und Überblick
1.1 Aktuelle Herausforderungen im Kundenumfeld
1.2 Der Bedarf nach Wissen im Kundenbeziehungsmanagement
1.3 Definitorische Annäherung an das Kundenbeziehungsmanagement
1.4 Barrieren und Hindernisse auf dem Weg zum wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement
1.4.1 Das Wissensinsel-Problem
1.4.2 Das Sender-Empfänger-Problem
1.4.3 Das Akzeptanzproblem
1.4.4 Das Problem des organisatorischen Vergessens
1.4.5 Das Veredelungsproblem
1.5 KnowBlueC – Ein Rahmenwerk für wissenszentriertes Kundenbeziehungsmanagement
2 Strategie: Customer Knowledge Strategy (KnowBlueC-CKS)
2.1 Die Kundendefinition
2.1.1 Geschäftstyp
2.1.2 Rolle
2.1.3 Beziehungsphase
2.1.4 Detaillierungs- bzw. Aggregationsgrad
2.2 Der Kundenlebenszyklus
2.3 Der Kundenbeziehungslebenszyklus
2.3.1 Ereignis
2.3.2 Kunde
2.3.3 Beziehung
2.3.4 Management
2.3.5 Daten
2.4 Kundenorientierte Managementkonzepte
2.4.1 Customer Centricity
2.4.2 Customer Experience Management (CXM)
2.4.3 Customer Decision Journey (CDJ)
2.4.4 Any Relationship Management (xRM)
2.4.5 Industrie 4.0 und Internet of Things (IoT)
2.5 Workshop: Customer Knowledge Strategy
2.5.1 Know-BlueC-CD: Customer Definition
2.5.2 KnowBlueC-CRC: Customer Relation Cycle
2.5.3 KnowBlueC-FAP: Field of Action Portfolio
3 Wissen: Customer Knowledge Objects (KnowBlueC-CKO)
3.1 Daseins- und Umwandlungsformen von Wissen
3.2 Customer Knowledge Management
3.3 Wissensarten im Zusammenhang mit Kunden
3.4 Der Customer Knowledge Cube
3.5 Ausprägungen des Customer Knowledge Management in Unternehmen
3.6 Workshop: Customer Knowledge Objects
3.6.1 KnowBlueC-CKC: Customer Knowledge Cube
3.6.2 KnowBlueC-5W: 5W-Modell – Wissensbedarfs- und Quellenanalyse
3.6.3 KnowBlueC-KG: Knowledge Gaps – Entdecken von Wissenslücken
3.6.4 KnowBlueC-KAS: Knowledge Asset-Structure – Auswertung des Wissensbestandes
4 Prozesse: Customer Knowledge Processes (KnowBlueC-CKP)
4.1 Ebene A: Kundenprozesse
4.2 Ebene B: Fachliche Unternehmensprozesse
4.2.1 Strategische Führungs- und Steuerungsprozesse
4.2.2 Operative Kerngeschäftsprozesse
4.2.3 Transaktionsintensive versus wissensintensive Prozesse
4.3 Ebene C: Wissensmanagementprozesse
4.4 Ebene D: Partnerprozesse
4.5 Workshop: Customer Knowledge Processes
4.5.1 KnowBlueC-KPMD: Knowledge Process Modelling Desktop
4.5.2 KnowBlueC-KVM: Knowledge Value Chain Model
4.5.3 KnowBlueC-KPM: Knowledge Process Model
4.5.4 KnowBlueC-KPA: Knowledge Process Analysis
5 Systeme: Customer Knowledge Building Blocks (KnowBlueC-BB)
5.1 sCRM: Strategisches CRM
5.2 oCRM: Operatives CRM – Marketing-, Sales- und Service-Automation
5.3 aCRM: Analytisches CRM – Entdecken von Wissen in Daten
5.3.1 Descriptive Analytics: beschreibende Analytik
5.3.2 Diagnostic Analytics: ursachenerforschende Analytik
5.3.3 Predictive Analytics: vorhersagende Analytik
5.3.4 Prescriptive Analytics: aktionsbestimmende Analytik
5.3.5 Cognitive Analytics: selbst-optimierende Analytik
5.3.6 Risk and Compliance Analytics: Analytik für ein internes Kontrollsystem
5.4 CRM-Datenstrukturen und -Datenspeicher
5.4.1 Datenbankschema
5.4.2 Datenmodell
5.4.3 Metadaten
5.4.4 Geschäftsregeln
5.4.5 Anders-strukturierte Daten
5.4.6 Big Data
5.5 Der vernetzte Wissenskreislauf
5.6 Kommunikatives CRM – Kanäle zu den Kunden
5.7 Kollaboratives CRM – unternehmensübergreifende Zusammenarbeit
5.8 SCRM: Social CRM – Management sozialer Netzwerke
5.9 mCRM: Mobile CRM – Kundenbeziehungen in einer mobilen Welt
5.10 eCRM: CRM im eBusiness – überbetriebliche Digitalisierung
5.11 Workshop: Customer Knowledge Building Blocks
6 Organisation: Customer Knowledge Organization (KnowBlueC-ORG)
6.1 Stellen und Rollen in der fachlichen und Wissensorganisation
6.1.1 Fachliche Organisation
6.1.2 Wissensorganisation
6.1.3 Informelle Organisation: Communities of Practice (CoP)
6.2 Kompetenzmodell für wissenszentriertes Kundenbeziehungsmanagement
6.2.1 Kompetenzstrukturmodell
6.2.2 Kompetenzreifegradmodell
6.3 Aufbauorganisatorische Verankerung im Unternehmen
6.3.1 Linienorganisation
6.3.2 Matrixorganisation
6.3.3 Shared Services
6.3.4 Prozessorganisation
6.3.5 Projektorganisation
6.4 Workshop: Customer Knowledge Organization
6.4.1 KnowBlueC-KOM: Kompetenzmanagement
6.4.2 KnowBlueC-OS: Organizational Structure
7 Controlling: Customer Knowledge Controlling (KnowBlueC-CON)
7.1 Ziele des wissenszentrierten CRM
7.2 Wissensbilanz für wissenszentriertes CRM (KnowBlueC-WB)
7.3 Reifegradmodell für wissenszentriertes CRM (KnowBlueC-MM)
7.3.1 Strategie
7.3.2 Wissen
7.3.3 Prozesse
7.3.4 Systeme
7.3.5 Organisation
7.4 Workshop: Customer Knowledge Controlling
7.4.1 KnowBlueC-GS: Goal Specification
7.4.2 KnowBlueC-WB: Wissensbilanz
7.4.3 KnowBlueC-MD: Maturity Degree
8 Intelligenz: Customer Artificial Intelligence (KnowBlueC-CAI)
8.1 Künstliche Intelligenz – eine definitorische Annäherung
8.1.1 Kognitive Multi-Agentensysteme
8.1.2 Arbeitsmodell kognitiver Agentensysteme
8.1.3 Künstliche Intelligenz im wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement
8.2 KnowBlueC-COM: Customer Operational Data Management
8.2.1 Arten von Customer Data
8.2.2 Strukturierungsgrad und Repräsentationsformen der Customer Data
8.2.3 Datenspeicher für operative Kundendaten
8.2.4 Relationale Datenmodellierung
8.2.5 Relationale Datenbanken als Speicher operativer Kundendaten
8.2.6 Nicht-relationale Datenspeicher
8.3 KnowBlueC-REP: Customer Data Reporting
8.3.1 Multi-dimensionales Datenmodell
8.3.2 Multi-dimensionale Datenmodellierung
8.3.3 Multi-dimensionale Datenbank
8.3.4 Customer Data Warehouse
8.3.5 Customer Data Integration
8.4 KnowBlueC-DM: Customer Data Mining and Learning
8.4.1 Regressionsanalyse: Entdecken funktionaler Zusammenhänge
8.4.2 Klassifikationsanalyse: Zuordnung von Objekten zu Klassen
8.4.3 Entscheidungsbäume als Umsetzung der Regressions- und Klassifikationsanalyse
8.4.4 Clusteranalyse: Entdecken von Gemeinsamkeiten zwischen Objekten
8.4.5 k-Means Algorithmus als Umsetzung der Clusteranalyse
8.4.6 Assoziationsanalyse: Entdecken von Zusammenhängen zwischen Objekten
8.4.7 Unüberwachtes Lernen als Umsetzung der Assoziationsanalyse
8.4.8 Neuronale Netze
8.4.9 Deep Learning mit Deep Neural Networks
8.4.10 Emotional Decoding als Anwendungsbeispiel für Deep Learning
8.4.11 Reinforcement Learning – Verstärkendes Lernen
8.4.12 Real Time Bidding (RTB) als Anwendungsbeispiel für Reinforcement Learning
8.5 KnowBlueC-GM: Graph Mining
8.5.1 Graphen als Repräsentation der Vernetzung verschiedener Objekte
8.5.2 Suche in Graphen
8.5.3 Mining in Graphen
8.6 KnowBlueC-TM: Text Mining
8.6.1 Natural Language Processing (NLP)
8.6.2 Transformation von Texten für die numerische Analyse
8.6.3 Repräsentationsformen von Texten
8.6.4 Informationssuche (Information Retrieval)
8.6.5 Informationsextraktion (Information Extraction)
8.6.6 Textklassifizierung (Document Classification Analysis)
8.6.7 Dokumenten-Clustering (Document Clustering Analysis)
8.6.8 Assoziations- und Kookkurrenzanalyse von Termen
8.6.9 Meinungsanalyse (Opinion Mining, Sentiment-Analyse)
8.7 KnowBlueC-WM: Web Mining
8.7.1 Web Content Mining
8.7.2 Web Structure Mining
8.7.3 Web Usage Mining
8.7.4 Nutzungsanalyse einzelner Webpages
8.7.5 Personas
8.7.6 Umsetzung in Web Analytics-Systemen
8.8 Web Mining für das Social CRM
8.8.1 User Generated Content und Social Software
8.8.2 Die sozio-technografische Leiter
8.8.3 Prozessbereiche im Social CRM
8.8.4 Social Media Analytics im Social CRM
8.8.5 Social Media Analytics in Facebook
8.8.6 Social Media Analytics in Twitter
8.8.7 Social Media Analytics in Flickr
8.8.8 Der Customer Journey als Fallbeispiel für Social Media Analytics
8.8.9 Integrierte Social Media Analytics-Werkzeuge
8.9 KnowBlueC-COG: Cognitive Computing
8.9.1 Vom Customer Relationship Management zum Bot Relationship Management
8.9.2 Architektur von (Chat-)Bots
8.9.3 Verhalten eines Bots: Der Dialogflow
8.10 KnowBlueC-KEM: Knowledge Engineering Model
8.10.1 Business Understanding (Geschäftsverständnis)
8.10.2 Data Understanding (Datenverständnis)
8.10.3 Data Preparation (Datenvorbereitung)
8.10.4 Modeling (Modellierung)
8.10.5 Evaluation (Test und Evaluierung)
8.10.6 Deployment (Bereitstellung)
9 Solutions: KI-CRM-Systemlösungen (KnowBlueC-SOL)
9.1 Integrierte CRM-Suite und CRM-Branchenlösungen
9.2 Spezielle KI-Lösungen für CRM
9.3 KnowBlueC-SRV: KI-Services
9.4 KnowBlueC-FRM: KI-Frameworks
9.5 KnowBlueC-IS: KI-Infrastruktur
10 Ausblick
11 Literaturverzeichnis
Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Strategieparadigmen der Unternehmen im Zuge des fortschreitenden Reifegrades der Gesellschaft und der globalisierten Wirtschaft von einer extern ausgerichteten Marktorientierung hin zu einer intern optimierenden Wissens- und Kompetenzorientierung gewandelt. Dabei wird immer weniger das Produkt oder eine Technologie als Ursache für den Unternehmenserfolg gesehen, sondern vielmehr der Kunde und der Gedanke der Wertschöpfung für den Kunden in das Zentrum des Unternehmensgeschehens gerückt ( Abb. 1).
Abb. 1: Von der Produkt- zur Wissensorientierung (Quelle: In Anlehnung an (Bungard, Fleischer, Nohr, Spath, & Zahn, 2003))
In den 1960er bis 1980er Jahren herrschte der Market-based View mit einer Produkt-, Markt- und Wettbewerbsorientierung vor. Die Ursachen für Erfolg wurden im externen Bereich gesehen – in der technologischen Führerschaft bei den Produkten und in der Attraktivität der Branche, in der sich das Unternehmen befindet. Als Strategien wurden dabei eine Kostenführerschaft, die Differenzierung und die Beherrschung von Marktnischen gesehen1. In der Folge wandelte sich die unternehmensextern orientierte Strategieausrichtung hin zu einer unternehmensintern orientierten Sicht, der Resource-based View. Hierbei wurden die Erfolgsfaktoren in der Fähigkeit des Unternehmens gesehen, interne Ressourcen zu entwickeln, um so Wettbewerbsvorteile zu generieren und zu sichern2. Seit den 2000er Jahren gelangt immer mehr das Wissen als intangible Ressource im Unternehmen in den Vordergrund. Über die klassischen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital hinaus fokussiert der Knowledge-based View Wissen als wichtigen »4. Produktionsfaktor« für das Erreichen von Wachstum und Wettbewerbsvorteilen3. Eine wissensbasierte Strategie fördert dabei die Schaffung und Sicherung von Wissenspotenzialen im Unternehmen.
Aus einer wissensbasierten Strategie muss letztlich auch eine technische Umsetzung folgen, die u. a. durch Automatisierung ausgewählter funktionaler Bereiche, Prozesse und Aktivitäten einen Nutzen erwirtschaften. Hier verspricht gerade das Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI) mit seinen unterschiedlichen Methoden und Verfahren ein Unternehmen »smart« zu machen und viele Arbeitsbereiche intelligent zu automatisieren. So soll der Einsatz von Chatbots nicht nur die Kommunikation mit einer sehr großen Anzahl von Kunden individualisieren (Mass Customizing, Mass Individualization und Skalierung), sondern auch ganz neue Wege des Verkaufs ermöglichen (Conversational Commerce). Der Einsatz von Neuronalen Netzen und Deep Learning ermöglicht eine dedizierte Analyse des Kundenverhalten und kann zu einer Maximierung des Customer Lifetime Value (CLV) beitragen. Viele Anwendungsfälle, die im weiteren Verlauf dieses Buches noch aufgenommen werden, zeigen den hohen Nutzwert von Künstlicher Intelligenz (KI) im wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement. Nach einer Studie der International Data Corporation werden bis zum Jahr 2021 CRM-Systeme mit KI-basierten Verfahren, einen Umsatzwachstum von 1,1 Billionen US-Dollar weltweit erzielen. Von dieser Summe wird für die deutsche Wirtschaft ein Wachstum von 62 Milliarden US-Dollar prognostiziert. Parallel entstehen dadurch 800.000 neue Jobs, von denen 130.000 in Deutschland vorhanden sein werden.4
Die zwei Entwicklungen
1. der Kunde – und somit die Beziehung zum Kunden – im Mittelpunkt des Unternehmens und
2. Wissen – und somit das Management von Wissen – als wichtiger Produktionsfaktor führen direkt zu der zentralen Fragestellung vieler Unternehmen: Wie kann ich das Wissen im Unternehmen von, über und für meine Kunden strategisch verankern, so dass meine Mitarbeiter das Paradigma eines wissenzentrierten Kundenbeziehungsmanagement leben, dieses Paradigma in Prozessen integrieren und durch geeignete organisatorische Maßnahmen und IT-Systeme umsetzen?
Zur Beantwortung dieser zentralen Frage stellt das Buch den Bezugsrahmen KnowBlueC vor.
Viele Unternehmen waren in der Vergangenheit in einem recht statisch-passiven Kundenumfeld sehr erfolgreich mit ihren Produkten und Technologien aufgestellt, haben den Markt gut gekannt und die Wettbewerber im Auge behalten. Seit einiger Zeit allerdings haben sowohl neue Kommunikations- und Kollaborationstechnologien wie Internet, E-Shops und Social Media als auch ein gewandeltes Verständnis der heutigen Gesellschaft und somit des modernen Kunden (any time, any place, any where) und moderner Unternehmensnetzwerke (Digital Company, Open Innovation, Industrie 4.0) ein hohes dynamisches und vernetztes Kundenumfeld bewirkt. Dies gilt sowohl für den Business-to-Consumer (B2C) als auch den Business-to-Business (B2B) Bereich – weitere Bereiche wie Business-to-Government befinden sich momentan in den Anfangsphasen.
Als Konsequenz daraus sehen sich viele Unternehmen mit großen Herausforderungen konfrontiert:
• Sie verlieren plötzlich oder schleichend Marktanteile und wissen nicht warum.
• Sie verlieren Kunden, erkennen es aber erst, wenn es schon zu spät ist.
• Sie haben zwar tolle Produkte (Eigenwahrnehmung: wir wissen, was der Kunde will) – aber trotzdem kaufen die Kunden bei der Konkurrenz (Fremdwahrnehmung: der Kunde will aber was ganz anderes).
• Wenn Sie ehrlich sind, wissen Sie nur wenig oder fast gar nichts über die Kunden. Die groben Kundenklassifikationen aus Studien oder Markterhebungen reichen in einem dynamischen Umfeld nicht aus – zudem fehlt ein systematischer und transparenter Wissensspeicher.
• Was ist ein Kunde für uns überhaupt? Müssten wir den »Kunden« nicht detaillierter spezifizieren? (Haushalt, Person, Käufer, …).
• Wie »erlebt« der Kunde Sie? (»Wenn ich drei Mal bei Ihnen anrufe, erhalte ich drei verschiedene Aussagen.«, »Ihr Mitarbeiter A weiß nicht, was ich bereits mit Mitarbeiter B vereinbart habe.«, »Das Marketing verspricht uns das eine – der Vertrieb verkauft uns das andere und der Service erzählt uns, dass das alles so nicht funktioniert.«).
• Sie »laufen dem Kunden hinterher« (»Gestern wollte er das eine haben, heute aber bereits etwas anderes.«).
• Sie haben zwar eine Internetseite, einen E-Shop und einen Facebook-Auftritt, aber wissen nicht wer, was, wie dort macht.
Deshalb ist Kundenbeziehungsmanagement bereits seit einiger Zeit in vielen Unternehmen mit unterschiedlichem Durchdringungsgrad ein wichtiges Thema, von dem man sich die Bewältigung vielfacher Herausforderungen und wesentliche Optimierungspotenziale erhofft:
• Geschäftsführung: CRM soll ein ganzheitlicher Ansatz zur Unternehmensführung werden.
• Vertriebsleiter: Ich möchte eine Transparenz in meinen Vertriebsaktivitäten erhalten.
• Marketing: Der Kunde soll ein großartiges Erlebnis mit unseren Produkten bekommen.
• Service: Wir wollen unternehmensweit die Kundenzufriedenheit erhöhen.
• Informatik: Wir müssen die heterogenen Informationssysteme konsolidieren.
Viele Anforderungen aus unterschiedlichen Abteilungen und von verschiedenen Mitarbeitern erzeugen implizit ein diffuses Bild darüber, was »Kundenbeziehungsmanagement« konkret für mein Unternehmen bedeutet (strategisch, organisatorisch, zwischenmenschlich, technisch, …) und was es liefern kann (Verhaltensanweisungen, Prozesse, eine Kunden-Datenbank, …).
Um die genannten Herausforderungen zu meistern, steht Wissen über den Kunden und im Zusammenhang mit dem Kunden als zentraler Erfolgsfaktor im Mittelpunkt einer jeden Aktivität. Wissen über den Kunden ist in allen funktionalen Bereichen des Unternehmens von Bedeutung.
So ist es im Marketing und der Verkaufsvorbereitung (Presales) wichtig zu wissen, welche Produkte und Dienstleistungen die Bedürfnisse eines individuellen Kunden am besten befriedigen. Um ein erfolgsversprechendes Angebot zu unterbreiten, müssen die Verkaufs- und Nutzenargumente passgenau auf den Kunden und seine Bedürfnisse adaptiert sein.
Im Verkauf (Sales) ermöglicht detailliertes Produkt- und Kundenwissen die individuellen Anforderungen eines jeden Kunden durch eine Kombination von Produkt-, Zubehör- und Ersatzteilen optimal zu erfüllen.
Schließlich ermöglicht Best Practice- und Lessons Learned-Wissen in der Verkaufsnachbereitung (Aftersales) dem Servicepersonal ein individuelles Kundenproblem hinsichtlich eines spezifischen Produktes optimal zu lösen.
Insgesamt benötigen die Mitarbeiter dieser funktionalen Bereiche also ausgeprägtes Wissen über den bearbeiteten Markt, die angebotenen Produkte und die Prozesse mit direktem und indirektem Kundenbezug.
Es existiert eine Vielzahl von Meinungen und Überzeugungen, was Kundenbeziehungsmanagement sein soll. Diese rühren im Wesentlichen aus den unterschiedlichen Motivationen und Zielen her, die damit ausgedrückt werden sollen wie strategischer, organisatorischer, prozessualer oder technischer Art. Daher seien unter den vielen Definitionen zum CRM exemplarisch folgende herausgenommen:
»CRM ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Unternehmensführung. Er integriert und optimiert abteilungsübergreifend alle kundenbezogenen Prozesse in Marketing, Vertrieb, Kundendienst sowie Forschung & Entwicklung. Dies geschieht auf der Grundlage einer Datenbank mit einer entsprechenden Software zur Marktbearbeitung und anhand eines vorher definierten Verkaufsprozesses. Zielsetzung von CRM ist dabei die Schaffung von Mehrwerten auf Kunden- und Lieferantenseite im Rahmen von Geschäftsbeziehungen.«
Council Customer Relationship Management in: Deutscher Direktmarketing Verband (DDV), zitiert in: (Ihlenfeld, 2000)
»CRM ist eine kundenorientierte Unternehmensstrategie, die mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien versucht, auf lange Sicht profitable Kundenbeziehungen durch ganzheitliche und individuelle Marketing-, Vertriebs-und Servicekonzepte aufzubauen und zu festigen.«
(Hippner, 2006, S. 18)
Es geht also um Unternehmensführung und interne Prozesse, die mit Kunden zu tun haben, sowie die Schnittstellen zum Kunden, die sog. »Customer Touch Points«. Besonders hervorgehoben wird meistens, dass (nur) über eine (IT-) technische Umsetzung ein Erfolg herbeigeführt werden kann. Eine Wissenszentrierung ist hier in den meisten Fällen lediglich aus dem Rohstoff Daten heraus motiviert.
Ursprünglich ist CRM aber kein technologisches Gebiet – die Motivation » Mensch vor Technik« muss gleichermaßen berücksichtigt werden:
»Because for all the technological wizardry contained in complex IT systems, nothing in the world can replace good old-fashioned talk, human to human.«
Barry Harrington, ehemaliger Vice President and Director at Bain & Company und Entwickler des Wissensmanagement-Systems von Bain & Company zitiert in: (Cerny, Making Local Knowledge Global, 1996)
Immer wieder wird auch der Einbezug des Kunden in den Produktinnovationsprozess betont (Open Innovation). Der mögliche Wertbeitrag der (End-) Kunden insbesondere bei technisch komplexen Produkten und in den frühen Phasen der Produktentstehung wird allerdings auch von vielen Stimmen kritisch gesehen:
»Die Leute wissen nicht, was Sie wollen, bis man es ihnen anbietet.«
Terence Conran, engl. Designer, zitiert in (Melnik, kein Datum)
»Unser Plan ist es, die Verbraucher zu neuen Produkten zu führen, anstatt sie zu fragen, welche Art von Produkten sie wollen. Die Verbraucher wissen nicht, was möglich ist; wir hingegen wissen es. Anstatt also im großen Stil Marktforschung zu betreiben, modifizieren wir unsere Vorstellung von einem Produkt und seinem Verwendungszweck und versuchen, einen Markt dafür zu schaffen, indem wir die Verbraucher erziehen und mit ihnen sprechen.«
Akito Morita, Gründer des Elektronikkonzerns Sony, zitiert in (Hamel & Prahalad, 1995)
Im Sinne eines wissenzentrierten Kundenbeziehungsmanagement ist also immer auch kritisch zu reflektieren, wieviel und welches Wissen eines Kunden relevant und sinnvoll für den Einbezug in die Entwicklung neuer Produkte ist.
Im vorangegangenen Abschnitt wurden die wesentlichen Herausforderungen bereits angerissen und Hoffnungen in Bezug auf die Lösung dieser Herausforderungen mit Hilfe eines wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement genährt. Auf dem Weg zwischen Herausforderung und Lösung befinden sich jedoch immer wiederkehrende typische Barrieren und Hindernisse, die sowohl in organisatorischen und prozessseitigen als auch daten- und IT-systemtechnischen Aspekten begründet sind. Diese zu erkennen und mit ihnen umzugehen, ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der Einführung eines wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement. Daher seien im Folgenden ausgewählte Umsetzungsbarrieren näher beschrieben.
Selbst wenn beim Einzelnen Wissen im Unternehmen vorhanden ist, wird dieses Wissen oftmals aus den unterschiedlichsten Gründen nicht geteilt. Innerhalb einer funktionalen Organisationseinheit gelingt bei den hierarchischen Wissensbarrieren der Wissensfluss nicht von unteren zu höheren Organisationsebenen. Dies spiegelt sich oftmals in den Gefühlen wider: »Die da oben wissen gar nicht, wie wir hier unten arbeiten.« oder »Wir hier oben haben tolle Ideen zur Optimierung, die die da unten einfach nicht umsetzen.«
Im Kontext des CRM wird z. B. in der Vertriebsorganisation oftmals die Intransparenz hinsichtlich des Wissens über den Kunden in der gesamten Vertriebsmannschaft bemängelt – jeder einzelne Vertriebsmitarbeiter behält das Wissen über »seinen Kunden« bei sich. Bei den funktionalen Wissensbarrieren gelingt der Wissensfluss zwischen den einzelnen funktionalen Organisationseinheiten nicht. Dies spiegelt sich oftmals in dem Gefühl wider:
• »Wenn mir vom Marketing das Wissen über die Kunden- und Marktanforderungen besser zur Verfügung gestellt worden wäre, hätte ich es in der Produktentwicklung auch einfacher, ein gutes Produkt zu entwickeln.«
• »Wenn die in der Produktentwicklung mir mal gesagt hätten, dass sie die eine oder andere Kunden- oder Marktanforderung so nicht realisieren können, dann hätte ich im Vertrieb auch noch einmal mit dem Kunden reden können.«
Die hierarchischen und die funktionalen Wissensbarrieren zusammen führen dann zu unverbundenen Wissensinseln im Unternehmen. Das Wissen wird weder in der horizontalen noch in der vertikalen Aufbauorganisation geteilt. Die Organisation als Ganzes besitzt ein weitaus höheres Wissenspotenzial, kann dies aber nicht ausschöpfen ( Abb. 2).
Abb. 2: Wissensinseln im Unternehmen (Quelle: In Anlehnung an (Probst, Raub, & Romhardt, 2012, S. 92))
Eine mögliche Lösung zur Überwindung der Wissensbarrieren bietet das SECI-Modell entlang der ontologischen5 Dimension der Wissensumwandlung vom Individuum zur Interaktion in Unternehmen ( Abb. 33). Dabei wird der spiralförmige Verlauf der Wissensumwandlung in den vier Formen der Sozialisation, Externalisierung, Kombination und Internalisierung aus der epistemologischen Dimension auf der ontologischen Dimension erweitert. Eine wiederholte Kommunikation und Interaktion zwischen Individuen führt zu Gruppeninteraktionen, die wiederum unternehmensintern schließlich auch zwischen dem Unternehmen und externen Akteuren fortgeführt wird.
Selbst wenn der einzelne Mitarbeiter, die Gruppe oder das Unternehmen bereits sehr weit in der grundsätzlichen Einstellung gelangt sind, Wissen auch proaktiv teilen zu wollen, haben wir bei der Aktivität des Wissensteilens eine weitere Herausforderung zu meistern. Jeder Mensch speichert sein Wissen in umfangreichen mentalen Modellen. Wenn eine Person A (der Sender) sein Wissen einer Person B (dem Empfänger) mitteilt, kann es sein, dass Person B eine ganz andere Vorstellung von diesem Wissen in seinem mentalen Modell aufbaut, als das ursprünglich mentale Modell bei Person A
Abb. 3: Wissensspirale auf ontologischer Dimension (Quelle: In Anlehnung an (Nonaka & Takeuchi, 2012, S. 92))
gewesen ist. Dies ist das sog. »Sender-Empfänger-Problem« ( Abb. 4). Zum Beispiel möchte Person sein Wissen über »tolle Autos« mit Person B teilen. Dazu reflektiert Person A zunächst das mentale Modell und bildet eine vereinfachte Untermenge davon, um u. a. aus eigener Sicht wichtige Aspekte für Person B zu betonen wie z. B. die Sportlichkeit des Wagens. Anschließend expliziert Person A diesen Modellausschnitt sowohl mit bewussten Mitteln wie z. B. durch Sprache oder Bilder als auch unbewussten Mitteln wie z. B. Mimik oder Gestik. Daraus ergibt sich Informationsobjekt X, das über einen Kanal (persönlicher Kontakt, Dokument, Video, E-Mail etc.) an Person B weitergeleitet wird. Der Kanal selbst kann das Informationsobjekt verfremden. Bei einer E-Mail lassen sich z. B. Emotionen oder persönliche Einstellungen schlecht transferieren, so dass solche Teilinformationen verloren gehen können. Das bei Person B ankommende Informationsobjekt Y ist also in Teilen ein anderes, als das vor der Übertragung in den Kanal gegebene Informationsobjekt X. Das Informationsobjekt Y wird von Person B durch z. B. lesen, sehen oder hören dekodiert und in ein eigenes mentales Modell reflektiert und adaptiert, so dass es zum eigenen Gesamtmodell passt. So kann es dazu kommen, dass das ursprünglich tolle sportliche Fahrzeug von Person A zu einem tollen Lifestyle-Fahrzeug bei Person B wird.
Übertragen auf das wissenszentrierte CRM sei hier das Anwendungsszenario der Anforderungsanalyse vor Angebotsabgabe genommen, bei der der Vertriebsmitarbeiter (Empfänger) die Anforderungen des Kunden (Senders) ermitteln muss, um ein tragfähiges Angebot zu erstellen. Der Kunde reflektiert aus seinem Unternehmenskontext (mentales Modell über das Unternehmen) seine Sicht der Anforderungen an eine Lösung und expliziert diese mündlich. Bereits hier muss dem Empfänger später bewusst sein, dass dieses eine mentale Modell nicht unbedingt die mentalen Modelle anderer wichtiger Unternehmensbeteiligter widerspiegelt – sprich eine Erweiterung der Beteiligten auf Kundenseite notwendig wird. Der Vertriebsmitarbeiter dekodiert (hört) die Anforderungen und reflektiert diese gegen potentielle Lösungen (mentale Modelle über konkrete Produkte, Dienstleistungen etc.) und adaptiert diese, falls z. B. eine Anpassung der bereits vorhandenen Lösung an die Anforderungen notwendig ist. Dabei muss dem Vertriebsmitarbeiter wiederum klar sein, dass der Kunde diese Lösungen inklusive notwendiger Anpassungen nicht kennt und somit eventuell eine weitere Annäherung zwischen dem mentalen Modell des Kunden und demjenigen des Vertriebsmitarbeiters notwendig ist.
Abb. 4: Das Sender-Empfänger-Problem
Die Einführung von Wissensmanagement führt zu Veränderungen im Unternehmen, was Einwände, Widerstände und Ängste bei den Mitarbeitern bewirkt. Das Akzeptanzmodell ( Abb. 5) spezifiziert Interventionsfelder, um Barrieren zu überwinden und Mitarbeiter zu motivieren, ein Zielverhalten zu erreichen. So kann die Barriere der »Unkenntnis« durch eine Verbesserung der Kommunikation und Herstellung von Transparenz zur Stufe »Kennen« führen. Eine Überforderung der Mitarbeiter kann durch eine Weiterqualifizierung z. B. Schulungen überwunden werden und zur Stufe »Können« führen. Oftmals entsteht ein Gefühl der Ohnmacht bei den Mitarbeitern, weil sie gewisse Dinge nicht dürfen. Diese Barriere kann durch die Umsetzung entsprechender organisatorischer Rahmenbedingungen überwunden werden, die dem einzelnen Mitarbeiter erweiterte Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Schließlich kann die Barriere des »Nicht-Wollens« bei den Mitarbeitern zu einer Blockierung der Unternehmensweiterentwicklung führen. Hierbei gilt es, durch entsprechende motivierende Maßnahmen die Mitarbeiter zu erwarteten Aktivitäten zu bringen. Dies kann eine Ermunterung zur Teilnahme an Aktivitäten und die Darstellung des Nutzens eines gewollten Verhaltens sein.
Gerade die Einführung eines wissenzentrierten Kundenbeziehungsmanagement verlangt von den Mitarbeitern eine größtmögliche Kommunikation und Kooperation sowie den freien Austausch des Wissens über die Kunden untereinander. Hier müssen innerhalb der Vertriebsmannschaft alle vier Barrieren überwunden werden. Oftmals herrscht bei einzelnen Mitarbeitern das Denken vor, dass ein Kunde ausschließlich
Abb. 5: Das Akzeptanzmodell (Quelle: (Reiß, 1997))
»sein Kunde« ist und durch eine allzu transparente Kommunikation und Kollaboration z. B. aufgrund einer umsatzabhängigen Provision monetäre Nachteile zu erwarten wären. Um das Gesamtziel eines wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement zu erreichen, sind somit vielfältige Verhaltensänderungen in allen Interventionsfeldern notwendig.
Mitarbeiterfluktuation und der demografische Wandel stellen bei vielen Unternehmen besondere Herausforderungen dar. Das implizite Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter wandert ab – das »organisatorische Gedächtnis«6 (Organizational Memory, OM) vergisst mit der Zeit. Während man die Altersstruktur im Unternehmen gut kennt und der demografische Wandel im Unternehmen somit recht gut absehbar ist, kann man dagegen die sonstige Mitarbeiterfluktuation kaum vorhersehen. Gerade der Vertrieb ist oftmals durch eine hohe Mitarbeiterfluktuation gekennzeichnet, so dass sich unmittelbarer Handlungsbedarf im wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement ergibt. Insbesondere ist ein kontinuierlicher Transfer von Wissen und Kompetenzen zwischen den Vertriebsmitarbeitern notwendig sowie ein organisatorischer Rahmen, der diesen Austausch motiviert und unterstützt ( Abb. 6).
Abb. 6: Demografischer Wandel
Die Datenmenge wird sich im Zeitraum von 2010 bis 2020 bis auf 40.000 Exabytes verfünfzigfachen7 – als Vergleich: 40.000 Exabytes ist die Menge an Daten, die jeder Mensch der Erde8 erhält, wenn er ca. 5.000 USB-Sticks mit jeweils einer Speicherkapazität von 1 MB bekommt. Allerdings geht das exponentielle Wachstum an Daten nicht mit einem exponentiellen Wachstum an Wissen einher. Die Auflösungsanalogie bei Bildern mag dies veranschaulichen ( Abb. 7). Ein Bild in der Auflösung HD720 besteht aus 720 Bildpunkten in der Vertikalen und 1.280 Bildpunkten in der Horizontalen – in der Summe also aus 921.600 Bildpunkten. Ein Bild in der Auflösung HD1080 besteht in der Summe aus 2.073.600 Bildpunkten, also ein Zuwachs an Bildpunkten (oder Daten) in Höhe von 225 %. Durch die 2,25-fache Menge an Daten erlangt der Betrachter jedoch keinen Zuwachs an Wissen – d. h. Daten und Wissen müssen unterschiedlich sein und ein Anstieg an Daten hat nicht notwendigerweise auch einen analogen Anstieg an Wissen zur Folge.
Eine technikorientierte Sicht auf das Wissensmanagement illustriert die Wissenstreppe, die ein Unternehmen in vier Reifegradstufen unterteilt9:
• Unternehmen des Reifegrades 1: IT-Lösungen haben dabei Wissensmanagement im Wesentlichen durch technische Ansätze umgesetzt. Der Fokus liegt hier auf der Implementierung von technischen Informations- und Kommunikationsstrukturen wie z. B. der Einführung eines Dokumentenmanagementsystems zur Verwaltung von Texten und Dokumenten und die Einführung von transaktionalen und analytischen Datenbanken zur Verwaltung und Analyse von Geschäftsdaten.
Abb. 7: Exponentieller Zuwachs an Daten ist nicht gleich exponentieller Zuwachs an Wissen (Bildquelle: Datenkrake von Matthias Hornung, digitalcourage in (Stiller, 2013))
• Unternehmen des Reifegrades 2: Spezifische Einzellösungen betreiben in einzelnen Unternehmensbereichen Wissensmanagementinitiativen deren Fokus auf Rahmenbedingungen gelegt ist und insbesondere auch organisatorische Maßnahmen wie z. B. die Einrichtung eines Helpdesk oder eines Expertensystems beinhalten.
• Unternehmen des Reifegrades 3: Professionelle Wissensorganisation leben Wissensmanagement funktionsübergreifend in allen Abteilungen mit dem Fokus auf einer ganzheitlichen Perspektive hinsichtlich Mitarbeitern, Prozessen und Kunden. Dies beinhaltet eine Integration von Wissensmanagement in den Geschäftsprozessen und die funktionsübergreifende Etablierung von Organisationsstrukturen wie Communities of Practice oder die »Kaffeeküche«. Des Weiteren wird der Nutzen und der Erfolg von Wissensmanagement quantitativ gemessen, um sich so kontinuierlich verbessern zu können.
• Unternehmen des Reifegrades 4: Wissensorientierte Unternehmensführung binden auch externe Stakeholder und Einflussfaktoren wie Kunden, Lieferanten, Marktbegleiter, Technologien und Märkte in eine wissensorientierte Unternehmensführung ein ( Abb. 8).
Für die technikorientierten Reifegradstufen 1 und 2 können analytische Methoden und technische Umsetzungen abgeleitet werden, die auch im weiteren Verlauf des Buches wieder aufgenommen werden.
• Zeichen: Hier werden in Erzeugendensystemen wie Point of Sales (POS)-Systemen einzelne Zeichen erzeugt z. B. in Ausprägung eines Bons.
Abb. 8: Wissenstreppe: Wissensorientierte Unternehmensführung (Quelle: In Anlehnung an (North, 2011, S. 40))
• Daten: Durch die Strukturierung der Zeichen z. B. in Tabellenform entstehen Daten, die dann in Datenspeichern wie z. B. einem relationalen Datenbankmanagementsystem abgespeichert werden. In solchen Transaktionalen Systemen (OLTP: Online Transaction Processing Systeme) kann man Fragen beantworten wie: Wer hat wann was gekauft?
• Informationen: Die Daten können hinsichtlich unterschiedlicher Aggregationsoperationen wie z. B. einer Summenbildung zusammengefasst werden. Diese Informationen werden in Data Warehouses als Datenspeicher abgespeichert und verarbeitet. In solchen analytischen Systemen (OLAP: Online Analytical Processing Systeme) kann man Fragen beantworten wie: Welche Kundengruppe hat welches Produkt in der Vertriebsregion Deutschland im dritten Quartal 2019 gekauft?
• Wissen: Aus Daten und Informationen können mit Hilfe von Data-, Text- und weiteren Mining-Verfahren Zusammenhänge entdeckt und neue Erkenntnisse gewonnen werden, so dass Fragen beantwortet werden können wie: Wann bricht der Kunde wahrscheinlich einen Kauf ab? (Vorhersage, Churn-Analyse)
Der Knowledge Blueprint for Customer Relationship Management (KnowBlueC) bietet nun ein umfassendes Rahmenwerk für den Aufbau eines wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement. Abb. 9 zeigt die Struktur von KnowBlueC als 5+1-Ebenen-Modell mit den zwei Hauptteilen I. Organisatorisches WM-CRM und II. Technisches KI-CRM sowie einer Zuordnung jeder Ebene zu den einzelnen Komponenten des KnowBlueC-Rahmenwerkes und der Verortung in den folgenden Kapiteln dieses Buches10.
Abb. 9: Das 5+1-Ebenen-Modell des wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement
Beim organisatorischen WM-CRM werden die organisatorischen Aspekte eines wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement beleuchtet.
Zunächst gilt es eine Strategie für ein wissenszentriertes Kundenbeziehungsmanagement aufzustellen, aus denen alle folgenden Komponenten heraus abgeleitet werden. Dazu werden die zwei Strategiefokussierungen der Kundenzentrierung und der Wissenszentrierung integrierend in der KnowBlueC-CKS (Customer Knowledge Strategy) betrachtet.
Ohne eine personalressourcentechnische Verankerung im Unternehmen wird ein wissenszentriertes Kundenbeziehungsmanagement nicht gelingen. Daher geht es bei der Ebene Aufbauorganisation um die Identifizierung und Schaffung von neuen Stellen und Rollen für den Betrieb und die Verantwortlichkeiten im wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement sowie um die Integration in die Organisationsform des Unternehmens. Stellen, Rollen und Organisationsformen werden in der KnowBlueC-ORG (Organisationskomponente) definiert.
Eine genaue Spezifikation der Abläufe im Unternehmen ermöglicht sowohl eine Transparenz über das Geschehen als auch die Identifikation von Schwachstellen und Anforderungen zur Optimierung. Die Ebene Ablauforganisation unterscheidet dazu in wissensintensive Fachprozesse mit direktem und indirektem Kundenkontakt wie z. B. Marketing, Vertrieb und Service sowie Prozesse des Wissensmanagement, die Kernaktivitäten der Verarbeitung von Daten, Informationen und Wissen umfassen und optimale Wissensflüsse im Unternehmen ermöglichen sollen. Beide Prozessarten werden in KnowBlueC-CKP (Customer Knowledge Processes) untersucht.
Daten über Kunden sind der Rohstoff des wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement. Mit Hilfe intelligenter Verfahren und Methoden werden Daten zu Informationen und Wissen veredelt. Auf der Ebene Intelligence wird zunächst ein Ordnungsschema für Daten im Anwendungsfeld des Kundenbeziehungsmanagement erarbeitet und die grundlegenden Schritte von Daten über Informationen zu Wissen und Entscheidungen aufgezeichnet. Ordnungsschema und Informationswertschöpfungskette werden in KnowBlueC-CKO (Customer Knowledge Objects) spezifiziert.
Um Daten zu veredeln und Prozesse optimal ablaufen zu lassen, ist die Unterstützung durch IT-Systeme essentiell. Die Ebene Informationstechnologien beschäftigt sich im ersten Teil des organisatorischen Wissensmanagement um die grundsätzlichen Komponenten eines wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagementsystems. KnowBlueC-BB (Building Blocks) stellt dazu ein Architektur-Rahmenwerk mit den relevanten Komponenten und deren Beziehungen untereinander vor.
Schließlich betrachtet die Ebene Controlling wie ein wissenszentriertes Kundenbeziehungsmanagement qualitativ und quantitativ gemessen und bewertet werden kann. Kennzahlen sind wichtig, da ansonsten weder zu erreichende Ziele genau spezifiziert werden können noch eine Abweichung von den Zielen erkannt wird, um entsprechende Maßnahmen zur Nachsteuerung abzuleiten. KnowBlueC-CON (Controlling) führt Kennzahlen für ein wissenszentriertes Kundenbeziehungsmanagement ein sowie das Instrument der Wissensbilanzen, mit denen die Kennzahlen ähnlich zu Finanzkennzahlen transparent gemacht werden können.
Der zweite Teil des technischen KI-CRM schaut nun »unter die Motorhaube« des wissenzentrierten Kundenbeziehungsmanagement und gibt Einblicke, mit welchen intelligenten Methoden und Verfahren das organisatorische WM-CRM umgesetzt werden kann.
Dazu werden auf der Ebene Intelligence zunächst relevante berichtsorientierte Verfahren und Verfahren der Künstlichen Intelligenz beleuchtet. KnowBlueC-CAI (Customer Artificial Intelligence) umfasst die wesentlichen Konzepte des maschinellen Lernens auf Daten (Data Mining), Text (Text Mining), Graphen (Graph Mining), des Internet (Web Mining) und des Cognitive Computing. Diese Konzepte werden anhand konkreter Anwendungsfälle des wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement wie Churn-Analyse, Kundensegmentierung, Real Time Bidding, Emotional Decoding und Chatbots illustriert.
Auf der Ebene Informationstechnologien werden schließlich unterschiedliche IT-technische Umsetzungen von KI-CRM-Lösungen verschiedener Anbieter vorgestellt. KnowBlueC-SOL (Solutions) spezifiziert dazu ein Architekturschema für eine KI-Architektur bestehend aus KI-Services, KI-Frameworks und KI-Infrastruktur.
1 Market-based View: (Porter, 2014)
2 Ressource-based View: (Peteraf, 1993)
3 Knowledge-based View: (Stewart T. A., 1998)
4 (Gantz, Schubmehl, Wardley, Murray, & Vesset, 2017)
5 »Ontologisch« wird hier im Sinne einer Ontologie verstanden, die strukturelle Zusammenhänge – also Objekte und deren Beziehungen untereinander – spezifiziert. In dem Fall des SECI-Modells wird durch die Ontologie der aufbauorganisatorische Zusammenhang in den Wissensebenen spezifiziert, also wie Individuum, Gruppe, Unternehmen und die Unternehmensinteraktion zusammenwirken.
6 Das organisationale Wissen ist Wissen, das nicht in den Köpfen von Menschen gespeichert ist, sondern in Regeln, Prozessen, Strukturen, Traditionen und Technologien einer Organisation. In diesem Sinne ist es das »Organizational Memory« oder die Wissensbasis des Unternehmens.
7 (Gantz & Reinsel, 2012)
8 Gemäß der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung liegt die Welbevölkerung zum Jahreswechsel 2019 / 2020 bei ca. 7,7 Milliarden Menschen (Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, 2019).
9 Wissenstreppe nach (North, 2011).
10 Die Nummerierung der KnowBlueC-Komponenten entspricht der Reihenfolge der Betrachtung in diesem Buch, also zunächst I.1 KnowBlueC-CKS Customer Knowledge Strategy, dann I.2 KnowBlueC-CKO Customer Knowledge Objects usw. Sie folgt nicht der Top-Down-Systematik des 5+1-Ebenen-Modells, da die Inhalte aus didaktischen Gründen so dem Leser besser greifbar werden.
Eine wissenszentrierte Kundenbeziehungsstrategie (Customer Knowledge Strategy, CKS) spezifiziert einen langfristigen Handlungsrahmen auf der Basis kundenorientierter Managementkonzepte zur nachhaltigen Ausgestaltung der Beziehungen mit den Kunden. Abbildung 10 zeigt die wesentlichen Komponenten solch einer Strategie.
Abb. 10: Handlungsrahmen einer wissenszentrierten Kundenbeziehungsstrategie
Zunächst wird das Unternehmen, die Kunden und alle weiteren Elemente, die relevant für ein wissenszentriertes Kundenbeziehungsmanagement sind, in ihrer aktuellen Situation (IST-Zustand) ermittelt. In einer ersten, groben Positionsbestimmung kann der in Abbildung 1 dargestellte Entwicklungspfad von der Produkt- zur Wissensorientierung eingesetzt werden. Für eine genaue Positionierung werden folgende Aspekte untersucht:
• Genaue Definition des Kunden: Was verstehen wir heute unter einem »Kunden«?
• Lebenszyklus bei Kundenbeziehungen: In welcher Phase seines Lebens befindet sich unser Kunde und wie kann man mit dem Kunden in dieser individuellen Phase eine starke Beziehung aufbauen?
• Ziele des wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement: Was möchte das Unternehmen qualitativ und quantitativ über einen gegebenen Zeitraum (z. B. 5 Jahre) erreichen?
• Leitplanken: Welche externen Einflüsse und Restriktionen (z. B. Gesetze, Konkurrenten, Marktentwicklungen) und welche unternehmensinternen Gegebenheiten (z. B. Organisations-technischer oder IT-technischer Natur sowie Governance-Vorgaben) beschränken den Handlungsspielraum gewollt oder nicht gewollt.
• Handlungspfade: Wie kann das Unternehmen vom IST-Zustand in den gewünschten SOLL-Zustand gelangen? Welche kundenorientierten Managementkonzepte helfen dabei? Welche notwendigen Rahmenbedingungen müssen zur Zielerreichung geschaffen werden (z. B. in Form von Personal-, Finanz- und Sachressourcen)
In den folgenden Abschnitten werden dazu ausgewählte Aspekte näher beleuchtet.
Eigentlich erscheint die Frage »Wer ist unser Kunde?« (auch Economic Marketing Unit (EMU) genannt) aus Unternehmenssicht zunächst trivial. Wahrscheinlich wird man folgende Antwort in ähnlicher Form erhalten: »Ein Kunde ist jemand, der bei uns kauft.«
Bei näherer Betrachtung erweist sich die Antwort darauf allerdings als recht komplex. So kann ein »Kunde« aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Diese Sichten können hilfreich für die spätere Analyse des Kunden und die Ableitung zielgerichteter und individueller Maßnahmen zur Kundenbearbeitung sein. So werden Personen, die noch keine Umsätze getätigt haben, andere Angebote unterbreitet bekommen, als Personen, die schon sehr lange und viel Umsatz für das Unternehmen erzeugt haben. Hier sei folgendes Vier-Dimensionen-Modell zur Kundendefinition angenommen:
• Geschäftstyp,
• Rolle eines Kunden während einer Transaktion,
• Beziehungsphase über den Kundenlebenszyklus hinweg,
• Detaillierungsgrad auf Einzelkunden-Datenebenen/ Aggregationsgrad auf Kundensegment-Datenebene.
Beim Geschäftstyp unterscheidet man zwischen einem Endkunden (Consumer) und einem Geschäftskunden (Business). Bei Geschäftskunden kann man wiederum mehrere Unterkategorien bilden wie z. B. ein privatwirtschaftliches Unternehmen, eine Behörde oder eine Non-Profit-Organisation. Beziehungen zwischen Geschäftskunden
Abb. 11: Vier-Dimensionen-Modell zur Kundendefinition
(B2B) besitzen ihre eigene Komplexität, da sie hinsichtlich des Wissens über Kunden entlang der Supply-Chain bzw. des Distributionsnetzwerkes erweitert werden muss. So sind Hersteller von Produkten (z. B. Softdrinks) sehr wohl am Kaufverhalten der Kunden hinsichtlich ihres eigenen Softdrinks interessiert. Dem Distributor (Handelsfiliale) ist der Abverkauf eines einzelnen Produktes allerdings egal, so lange der Kunde nur viel in seiner Filiale kauft – egal, ob es Softdrink A oder B ist, er wird bei beiden verdienen.
Des Weiteren kann man die Rolle eines Kunden während einer Transaktion berücksichtigen. Ist der Kunde in der Rolle eines Entscheiders, so beeinflusst bzw. trifft er eine Kaufentscheidung direkt. Als Geschäftskunde könnte dies z. B. ein Abteilungs- oder Projektleiter sein. Als Endkunde könnte dies z. B. ein ganzer Haushalt (Vater, Mutter, Kinder, …) bzw. einzelne Individuen des Haushalts sein.
Die Rolle des Eigentümers oder Verantwortlichen unterscheidet sich von der des Entscheiders insofern, als dass er verantwortlich für eine Transaktion ist z. B. im kostentechnischen oder rechtlichen Sinne. Ein Geschäftsführer oder Prokurist wäre dies im B2B-Umfeld. Als Endkunde könnte dies z. B. der Haushaltsvorstand (Vater oder Mutter) sein.
Schließlich kann man noch die Rolle in einer individuellen Aktion einer Transaktion differenzieren. So ist der Einkauf hinsichtlich der Aktion »Produkt kaufen« verantwortlich während der Sachbearbeiter für die Aktion »Produkt benutzen« einsteht. Im Endkundenszenario wäre z. B. der Haushalt für die Aktion »Zeitung abonnieren« und Vater, Mutter und Kind für die Aktion »Zeitung lesen« zu kategorisieren.
In einigen Fällen kann eine individuelle Person alle drei Rollen innehaben – in anderen Fällen sind die Rollen verteilt. Daher ist eine Verknüpfung der Dimension »Rolle« mit einem Individuum von Nutzen. Beispielhaft sei hier der Fall einer Geschäftsreise genannt, an deren Planung, Entscheidung und Durchführung unterschiedliche Akteure in einem Kundenunternehmen beteiligt sein können. So kann in der Planung der nachher reisende Mitarbeiter aber auch z. B. die Personalabteilung involviert sein. Bei der Entscheidung, welches Transportmittel, welches Hotel etc. genommen wird, hat aber eventuell der Einkauf vorab mit entsprechenden Anbietern Verträge abgeschlossen. Durchführender ist schließlich der Mitarbeiter, der aber bei der Bewertung des Transportmittels und der Unterkunft die Entscheidung des Einkaufs in späteren Phasen beeinflussen wird. Bei der Kundendefinition stellen sich nun unterschiedliche Fragen:
• Wer soll Kunde sein,
• sollen Rollen abgebildet werden und wenn ja,
• welchen Wert sollen die unterschiedlichen Rollen besitzen bzw.
• welchen Einfluss ordnet man den Rollen bei der Kaufentscheidung zu?
Eine weitere Dimension ergibt sich aus der Beziehungsphase des Kunden mit dem Unternehmen im Sinne des Kundenbeziehungslebenszyklus ( Kap. 2.2.2). Eingangs war die Antwort »Ein Kunde ist jemand, der bei uns kauft.« Dies muss man weiter differenzieren. Soll dieses Individuum bereits als Kunde kategorisiert werden, wenn es eine Bestellung getätigt hat – also noch kein tatsächlicher Umsatz generiert wurde. Oder ist es zu diesem Zeitpunkt noch ein Interessent? Vielleicht soll das Individuum aber auch erst nach einer bestimmten Anzahl von Kauftransaktionen oder einer bestimmten aggregierten Kaufsumme als Kunde definiert werden. In diesem Zusammenhang ist auch der Status bzw. Kundenwert eines Kunden zu betrachten. Soll ein Kunde als Neukunde (z. B. Status: Bronze) kategorisiert werden, wenn er im Wert von bis zu € 1.000 bei den ersten n Käufen oder in den ersten m Monaten gekauft hat. Wird er als Wachstumskunde (Status: Silber) spezifiziert, wenn er zwischen € 1.000 und € 5.000 gekauft hat. Ab € 5.000 wird er dann zum Loyalkunde (Status: Gold). Wird ein Kunde als » abwanderungsgefährdet« eingestuft, wenn er innerhalb der letzten n Monate keinen Umsatz getätigt hat – oder soll dies bei der Kündigung einer Dienstleistung geschehen (z. B. Telefonanschluss gekündigt), auch wenn er noch andere Dienstleistungen oder Produkte des Unternehmens besitzt (z. B. Kabelfernsehen). Aus der Beziehungsphase können phasentypische Maßnahmen abgeleitet werden. So könnte ein Interessent im Rahmen einer Werbekampagne durch eine besondere Rabattierung in einen Kunden konvertiert werden.
Um eine zielgerichtete und individualisierte Bearbeitung eines Kunden zu ermöglichen, ist es notwendig, einen geeigneten Detaillierungs- bzw. Aggregationsgrad zu finden. Je detaillierter man den Kunden betrachtet, desto individueller können Kundenmaßnahmen ausgestaltet werden. Je mehr man aggregiert, desto eher kann man Muster und Gemeinsamkeiten z. B. im Verhalten von Kundengruppen gewinnen. Für eine Detaillierung auf Einzelkunden-Datenebene am Beispiel eines Abonnements für Zeitschriften können sich somit folgende Detaillierungsstufen Top-Down ergeben:
• Account: Unternehmen, Verein, Konto, …
• Adresse: Ort, Straße und Hausnummer an die die Zeitschrift geliefert wird.
• Haushalt: eine Familie, ein Paar usw. an die die Zeitung geliefert wird.
• Person: der persönlich identifizierbare Leser der Zeitschrift.
Eine Aggregation auf Kundensegment-Datenebene wird unter Einsatz von Aggregationsvorschriften durchgeführt anhand von
• quantitativen Merkmalen wie z. B. Anzahl Käufe pro Periode, getätigter Umsatz p.a., usw. und/ oder
• qualitativer Merkmale wie Interessen, Berufsgruppe, usw.
Eine quantitativ-fundierte hinreichende Spezifikation des Kunden ist für die spätere Veredelung von Daten zu Wissen über Kunden essentiell notwendig. Mit der Tiefe der Kundendefinition werden alle weiteren Aspekte des wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement festgelegt, wie z. B.
• organisatorisch: Soll ein Key Account Management für individuelle Geschäftskunden eingerichtet werden? Ist die Ansprache von Endkunden durch ein Callcenter sinnvoll?
• prozessual: Wie müssen operative und analytische Prozesse des Kundenbeziehungsmanagement ausgestaltet sein?
• technisch: Wie detailliert müssen Datenstrukturen in einer Kundendatenbank aussehen?
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass eine solide, unternehmensspezifische Kundendefinition ein wichtiges Fundament für alle folgenden Komponenten des wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement legt.
Damit man einen Kunden richtig versteht, relevantes Wissen über den Kunden erhält und zielorientiertes Wissen für den Kunden bereitstellt ist es wichtig, eine Vorstellung darüber zu haben, in welchen Lebensabschnitten sich der Kunde befindet (Kunden-Makro-Zyklus) und wie er agieren wird (Kunden-Mikro-Zyklus).
Der Kunde als menschliches Individuum durchläuft in seinem Leben unterschiedliche Makro-Zyklen, die in ihren jeweiligen Phasen unterschiedliche Bedürfnisse hervorbringen und wertvolles Wissen über den Kunden bieten11:
• Biosozialer Lebenszyklus: Bogen von Geburt bis Tod; Einfluss von biologischen und sozialen Faktoren.
• Familiärer Lebenszyklus: Bezug auf Familiengründung mit Phasen Ehe – Kinder – Enkelkinder und Spannungsfeld zum Beruf.
• Beruflicher Lebenszyklus: von Berufswahl über Arbeitgeberwechsel bis zum Austritt aus Berufsleben mit Unterbrechungen wie z. B. Elternteilzeit etc.
• Betrieblicher Lebenszyklus: vom Unternehmenseintritt bis Unternehmensaustritt mit entsprechenden Karriere-Stufen.
Jede Lebenszyklus-Art und darin definierte Phase hat typische Ereignisse zur Folge, aus denen wichtige Informationen und relevantes Wissen für eine wertvolle und ereignisorientierte Kundenbeziehung abgeleitet werden können.
Wüsste der Key Account Manager, dass sein Kunde in der nächsten Zeit ein neues Produkt entwickeln möchte, könnte er bereits vorab wertschöpfende Zulieferteile und Services spezifizieren. Um den richtigen Zugang zum Entscheider zu haben und mit ihm »auf einer Wellenlänge« zu diskutieren, ist es wichtig zu wissen, wie der Kunde »tickt«. Ist das Unternehmen in der »Geburtsphase«, so kann man informell und persönlich mit dem Kunden – meist mit dem Inhaber selbst – sprechen. Befindet sich das Unternehmen in der Diversifikationsphase mit starkem Wachstum, bürokratisch und formell, so sind andere Kommunikationsarten notwendig. Wissen über den Mikro-Zyklus des Kunden, z. B. hinsichtlich der Kaufentscheidungsprozesse, helfen dann darin, den eigenen Verkaufsprozess operativ optimal an den Kaufentscheidungsprozess des Kunden anzupassen.
Gleiches gilt für Beziehungen zu Endkunden. Wenn man also über einen Endkunden wissen würde, dass im familiären Makro-Lebenszyklus das Ereignis »Kind geboren« eingetreten ist, kann man ihn mit entsprechenden Produktinformationen, Nutzen-Argumenten und schließlich auch eigenen Produkten versorgen.12 Wissen über den Mikro-Zyklus der operativen Kaufentscheidung des Kunden hilft weiterhin, eine optimale Konvertierungsrate vom Interessenten hin zum Käufer zu erreichen. So beschreibt der Extended Customer Buying Cycle (eCBC) als Mikrozyklus die Interaktionsaktivitäten des Kunden mit der Umwelt und dem Unternehmen ( Abb. 12).
Abb. 12: Der Extended Customer Buying Cycle als Interaktionsprozess des Kunden mit seiner Umwelt und dem Unternehmen (Quelle: In Anlehnung an (Oberweis, Paulzen, & Sexauer, 2004, S. 80))
Grob kann man folgende Aktivitäten unterscheiden:
1. Anregung: Ein Bedürfnis ist beim Kunden noch nicht vorhanden bzw. noch nicht konkret spezifiziert.
2. Evaluation: Der Kunde vergleicht Produkte und Leistungen des Marktes (Unternehmen und Konkurrenz) und wertet diese hinsichtlich seiner Anforderungen aus.
3. Kauf: Der Kunde bestellt das aus seiner Sicht passende Produkt bzw. Leistung.
4. Aftersales: Der Kunde nutzt das Produkt, lässt es eventuell reparieren und entsorgt es nach der Produktlebensdauer.
Der Extended Customer Buying Cycle kann in Beziehung zu den Stufen des traditionellen AIDA(S)-Werbewirksamkeitsmodell gesetzt werden. Das ursprüngliche AIDA-Modell wurde 1903 von Elias St. Elmo Lewis als 4-Phasen-Stufenmodell entwickelt, um ein strukturiertes Verkaufsgespräch zu spezifizieren. Es beschreibt die Verhaltensstufen von einem Interessenten bis zum umsatzbringenden Kunden.13
• A: Attention (Aufmerksamkeit/ See14 → eCBC-Phase Anregung): Die Aufmerksamkeit des Kunden wird angeregt, d. h. es geht um die Frage, wie gut es einer Werbemaßnahme (z. B. Anzeige in der Zeitung, TV, Radio, Werbebanner auf Internetseite, …) gelingt, die Aufmerksamkeit des Benutzers auf sich zu ziehen. Bei sozialen Medien ist dies die Aktivität See – z. B. ein Werbebanner oder Link gesehen (Number of Impressions).
• I: Interest (Interesse/ Click → eCBC-Phase Anregung/ Evaluation): Der Kunde interessiert sich für das Produkt oder die Dienstleistung, d. h. es geht hier um die Frage, wie gut kommt die Botschaft der Anzeige beim Kunden an. Bei sozialen Medien ist dies die Aktivität Click – folgt der Kunde einem Werbebanner oder einem Link gemessen anhand von Kennzahlen wie der Klickrate auf ein Werbebanner (CPV: Click-per-View) oder der Folgerate zu einer Zielseite (CTR: Click-Through-Rate).
• D: Desire (Verlangen/ Like → eCBC-Phase Evaluation): Das Verlangen nach dem Produkt oder der Dienstleistung wird geweckt, d. h. der Kunde setzt sich mit dem Produkt näher auseinander; dies wird im Internet z. B. anhand der Besuchszeit der jeweiligen Produktseite, der negativen Absprungrate oder der Anzahl der »Likes« auf einer Internetseite oder eines Social Media-Elementes gemessen.
• A: Action (Handeln/ Use → eCBC-Phase Kauf): Der Kunde führt eine gewünschte Aktivität aus (Use) wie einen Newsletter abonnieren, an einem Gewinnspiel teilnehmen oder das Produkt kaufen – gemessen z. B. mit der Conversion Rate.
• S: Satisfaction (Zufriedenheit/ Like → eCBC-Phase Aftersales): Der Wunsch des Kunden ist befriedigt – gemessen z. B. mit der Anzahl positiver Beiträge auf entsprechenden Blog-Seiten oder am »Liken« einer Produktseite.
In jeder dieser Aktivitäten fließt Wissen vom Kunden, vom Unternehmen, der Konkurrenz, von Freunden, von Portalen usw. zum Kunden und wieder zurück. Je exakter das Wissen über die Kunden ist (Wer bin ich?, Was will ich?, Was ist mir das wert?), desto besser kann das Unternehmen Wissen über entsprechende Versprechen, Produkte und Leistungen an den Kunden zurückspiegeln. Dies geschieht im Wesentlichen in den funktionalen Bereichen des Marketings, Sales und Service.
Die lebenslange Treue eines Kunden in Zeiten des Internets und der sozialen Netzwerke ist vorbei. Die Transparenz über Produkte, Leistungen und Preise im Internet führt zu einem einfachen Vergleich und somit einem schnellen Wechsel zwischen Anbietern. Empfehlungen von Freunden und Interessen-Communities ermöglichen das Unabhängig-machen von den Fachexperten in einem lokalen Geschäft. Die schnelllebige Zeit mit immer kürzeren Innovationszyklen bringt ständig neue Produkte hervor, was eine langfristige Kundenbindung an nur ein Unternehmen bzw. ein Produkt schwer macht. Daher ist es umso wichtiger, die Gestaltung der Beziehung zum Kunden und somit den Kundenbeziehungslebenszyklus im Detail zu gestalten und zu optimieren. Dabei spiegelt das Wissen über den Kunden, für den Kunden und vom Kunden einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil wider. Das Unternehmen, das am meisten über seinen Kunden weiß, kann die Beziehung zu seinem Kunden am besten gestalten und den Kundenwert optimieren ( Abb. 13).
Abb. 13: Der Kundenwert
Die Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen gliedert sich grundsätzlich in zwei Bereiche:
• Ereignisbasiertes Kundenbeziehungsmanagement: Bei ereignisbasierten Beziehungen geht der Kunde keine längerfristige Beziehung mit dem Unternehmen ein. Die in weiten Teilen anonyme Einzeltransaktion bestimmt die Beziehung. Dies ist oftmals bei Barzahlungen der Fall, z. B. der Barkauf beim Lebensmittelhändler oder Kauf einer Prepaid-Telefonkarte ohne Vertragsbindung. Aus Sicht des wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement ergeben sich somit sehr wenig Möglichkeiten, fundiertes Wissen über den Kunden zu erlangen und somit auch wenig Handlungsfelder zur Analyse des Wissens über den Kunden und der Vertiefung der Beziehung. Soziodemografische Daten bilden dabei oftmals die Grundlage der Wissensbasis zur Steuerung breit gefächerter Werbekampagnen über zielgruppenunspezifische Kanäle wie Fernsehen oder Radio. Mit Hilfe von Coupon-Kampagnen können weitere Daten hinsichtlich z. B. der Quellen ermittelt werden. Werbekampagnen im Internet können in Teilen versuchen das Nutzerverhalten zu tracken und zu analysieren.
• Vertragsbasiertes Kundenbeziehungsmanagement: Bei vertragsbasierten Beziehungen geht der Kunde eine längerfristige Beziehung mit dem Unternehmen ein, die sich neben der reinen Zahlungsbeziehung z. B. in der Art einer Registrierung auf einer Webseite oder die Nutzung einer Kundenkarte widerspiegelt. Bei dieser Form der Beziehung stellt der Kunde persönliche Daten zur Verfügung und willigt in den meisten Fällen auch ein, dass sein Nutzerverhalten in der Interaktion mit dem Unternehmen z. B. bei der Suche und dem Einkauf analysiert wird.
Des Weiteren können drei Phasen im Kundenbeziehungsmanagement unterschieden werden: Anbahnung, Geschäft und Rückgewinnung. Das Fünf-Ebenen-Modell des Kundenbeziehungslebenszyklus schlüsselt für jede dieser Phasen unterschiedliche Aspekte auf den Ebenen Ereignis, Kunde, Beziehung, Management und Daten auf ( Abb. 14).
Ein bestimmtes Ereignis gilt als Auslöser für den Eintritt der Kundenbeziehung in einen neuen Status mit einer eventuell anderen Art von Kunden und den sich daraus ergebenden Zielen und Prozessen sowie Daten zur Unterstützung der wissenszentrierten Aktivitäten. Abbildung 14 zeigt beispielhaft typische Ereignisse während des Kundenbeziehungslebenszyklus. Dies führt zum Prinzip des ereignisgesteuerten wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement mit folgenden Ereignissen.
• Strategiemaßnahme: Ausgehend von einer definierten Unternehmensstrategie sollen konkrete Maßnahmen wie z. B. der Eintritt in einen neuen Markt, die Erweiterung des Anteils an bestehenden Märkten, die Entwicklung neuer Produkte usw. ergriffen werden. Maßnahmen könnten der Start von Marktforschung, Ermittlung von Zielmärkten und Identifikation von Interessenten für die Produkte und Dienstleistungen sein.
• Anfrage: Ein Interessent initiiert von sich aus oder als Reaktion auf eine Werbekampagne hin eine Anfrage, um z. B. nähere Informationen zu einem Produkt oder eine Dienstleistung zu erhalten. Dieses Ereignis ermöglicht eine erste individuelle Identifikation und Charakterisierung einer Person sowie deren Interessenlage an Produkten und Dienstleistungen mit der der Grundstammdatensatz des Wissens über den Kunden gelegt wird.
• Erster Kauf: Ein Interessent bestellt nun tatsächlich ein Produkt und bezahlt dieses. Damit wird er zu einem Kunden. Durch dieses Ereignis wird das Wissen über den Kunden hinsichtlich seiner generellen Interessen zu Produkten und Dienstleistungen konkretisiert. Im Sinne des wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement kann nun dieses Wissen in Relation zu dem Wissen über alle anderen Bestandskunden und deren Verhalten gesetzt werden und daraus Maßnahmen zur Vertiefung der Kundenbeziehung abgeleitet werden, insbesondere das nächste Ereignis »Weiterer Kauf« vorbereitet werden. So können weiter unten beschriebene
Abb. 14: Das Fünf-Ebenen-Modell des Kundenbeziehungslebenszyklus (Quelle: In Anlehnung an (Stauss, 2006, S. 436))
Verfahren des Business Analytics eingesetzt werden, um z. B. aus dem Erstkauf und den weiteren Käufen der Bestandskunden Vorschläge für interessante Produkte und Dienstleistungen für den Neukunden abzuleiten.
• Weiterer Kauf/weiteres Ereignis der Kundeninteraktion: Der Kunde tätigt weitere Käufe und wird somit für das Unternehmen wertvoller. Dies drückt sich dann z. B. in der Beziehungsintensität (von neu zu gefestigt zu wachsend etc.) und den sich daraus folgenden Aktivitäten zur Betreuung des Kunden (Bindungsmanagement, Cross-/ Up-Selling usw.) aus. Im Sinne des wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement können diese weiteren Ereignisse der Kundeninteraktion mit Verfahren der weiter unten beschriebenen Business Analytics Methoden analysiert werden und so z. B. Kundenverhaltensmuster entdeckt werden.
• Letzter Kauf: Der Kunde tätigt seinen letzten Kauf bevor er danach keinen Umsatz mehr mit dem Unternehmen macht. Dieses Ereignis ist im Sinne eines wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement besonders wichtig, da der potentielle Eintritt dieses Ereignisses durch die später noch dargestellten wissenszentrierten Methoden und analytischen Auswertungen vorab prognostiziert werden kann und somit eine Vermeidungsstrategie zum Halten des Kunden gestartet werden kann. Allerdings kann es schwierig sein, dieses Ereignis gerade bei einer »stillen Kündigung« tatsächlich und ultimativ als letzten Kauf zu identifizieren. Ist dies z. B. der Fall, wenn der Kunde seit zwei, drei, sechs oder mehr Monaten nichts mehr gekauft hat? Was passiert, wenn er genau einen Tag nach diesem Zeitraum wieder einen Kauf tätigt?
• Kündigung: Eine Kündigung bedeutet eine implizite oder explizite Einstellung von Kauftransaktionen. Eine implizite Kündigung geschieht immer dann, wenn die bisherigen Käufe Einzeltransaktionen ohne längerfristige Vertragsbindungen gewesen sind wie z. B. der einzelne Kauf eines Artikels bei einem Lebensmittelhändler. Eine explizite Kündigung bezieht sich auf einen vorher vereinbarten längerfristigen Vertrag wie z. B. ein Mobilfunkvertrag. Wissenszentrierte Prognoseverfahren der Business Analytics können helfen, das mögliche Ereignis einer impliziten oder expliziten Kündigung für entsprechende Kunden vorherzusagen, um dann frühzeitig gegenzusteuern und dieses Ereignis zu vermeiden. Für die weiteren Aktivitäten im wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement müssen die zwei Fälle »Kunde kündigt dem Unternehmen« oder »Unternehmen kündigt dem Kunden« unterschieden werden. Im ersten Fall kann das Unternehmen auf der Basis des im Beziehungsleben mit dem Kunden gesammelten Wissens den Versuch einer Rückgewinnung starten.
• Rückgewinnung: Entweder kontaktiert der ehemalige Kunde das Unternehmen von sich aus wieder als »Interessent aus Altbestand« oder das Unternehmen initiiert den Rückgewinnungsprozess mit Hilfe entsprechender Rückgewinnungsmaßnahmen.
Im Verlauf der Beziehung des Unternehmens mit dem Kunden kann der Kunde in unterschiedliche Arten und Typen unterteilt werden, die spezifisch für eine Branche oder sogar für ein Einzelunternehmen sind. Aus dem jeweiligen Typ ergeben sich dann entsprechende Aktivitäten für die Zusammenarbeit mit dem Kunden. Das Wissen über den Kundentyp und dessen Charakteristika stellt somit eine essentielle Grundlage für die Ableitung konkreter Handlungsmaßnahmen im Management der Beziehung dar.
• Potenzieller Kunde: Mit dem Kunden wurde noch kein Umsatz getätigt bzw. wird kein Umsatz mehr getätigt. In der weitesten Definition ist das der gesamte Zielmarkt (Suspect), den das Unternehmen für seine Produkte und Dienstleistungen aus der Unternehmensstrategie heraus identifiziert hat. Aus dem Zielmarkt heraus können einige potentielle Kunden als besonders interessant erachtet werden, die sog. Kandidaten (Prospects). Kriterien zur Selektion aus dem Zielmarkt können z. B. das zugeschriebene potentielle Umsatzvolumen, die strategische Bedeutung, die soziodemografische Nähe zum Produkt oder zur Dienstleistung oder andere Kriterien sein. So sind die Kandidaten z. B. Empfänger für eine Werbekampagne. Interessenten (Responder) wiederum spiegeln Kandidaten (Prospects) bzw. potentielle Kunden wider, die entweder von sich aus oder als Reaktion auf eine Werbekampagne über die unterschiedlichsten Kanäle (Telefon, E-Mail, Post, …) bei dem Unternehmen melden. Durch diesen Schritt wird der bislang anonyme Kandidat zu einer individuell identifizierbaren und beschreibbaren Person. Dadurch kann nun dieser Interessent für die folgenden Schritte z. B. bei der Nutzung eines Web-Shops getrackt und so sein Verhalten analysiert werden. Mit zunehmendem Reifegrad erlangt das Unternehmen immer mehr Daten und Wissen über den potentiellen Kunden. Im Sinne des wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement können die in Kapitel 5.3 beschriebenen Analysemethoden der Predictive Analytics eingesetzt werden, die aus dem Verhalten der Kandidaten (Prospects) vorherzusagen versuchen, ob und wann dieser zu einem Interessenten wird.
• Aktueller Kunde: Mit dem Kunden wurde mindestens ein Umsatz getätigt. Als Neukunde (Customer) wird dabei ein Kunde bezeichnet, der bislang wenige Käufe durchgeführt hat, z. B. bis zu fünf. Ein Bestandskunde (Active Customer, Best Customer) ist definiert als jemand, mit dem regelmäßiger Umsatz über einen längeren Zeitraum gemacht wird. Ein gefährdeter Kunde (Customer at Risk) ist wiederum jemand, bei dem damit zu rechnen ist, dass er in naher Zukunft keine weiteren Umsätze mehr tätigen wird und kündigt. Beim wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement gilt es nun, die Methoden und Verfahren einzusetzen, um Daten und Informationen über das Verhalten der Kunden derart auszuwerten, um aus Neukunden loyale Bestandskunden zu machen und gefährdete Kunden zu identifizieren, so dass diese wieder in Bestandskunden konvertiert werden können und somit das Ereignis »letzter Kauf« nicht eintritt.
• Ehemaliger Kunde (Lost Customer): Mit einem ehemaligen Kunden werden keine Umsätze mehr getätigt. Dabei kann man zum einen in ehemalige Kunden unterscheiden, die auch in Zukunft von sich aus oder aus Unternehmenssicht kein Zukunftspotenzial für eine erneute Beziehung haben (ehemaliger Kunde ohne Potenzial) und solche, denen Zukunftspotenzial vom Unternehmen beigemessen wird (ehemaliger Kunde mit Potenzial). Aus Sicht des wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement sind dabei zwei Aspekte interessant. Zum einen die Ableitung einer Kausalkette, die zu der Kündigung geführt hat und zum anderen die Identifikation ehemaliger Kunden mit Zukunftspotenzial, die dann durch entsprechende Rückgewinnungskampagnen angesprochen werden können (zurückgewonnener Kunde, Win-Back Customer). Die Gründe für eine Kündigung können vielfältig sein: Der Kunde nutzt oder benötigt ein Produkt nicht mehr, weil er in einen anderen Lebensabschnitt eingetreten ist; der Kunde kauft nun Wettbewerbsprodukte, die aus seiner Sicht besser sind ( Kap. 2.2.1); der Kunde zieht an einen anderen Ort und besucht daher z. B. nicht mehr die Verkaufsfiliale am alten Wohnsitz. Eine wissenszentrierte Analyse dieser Gründe kann nun helfen, Rückgewinnungskandidaten zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zur Rückgewinnung abzuleiten, indem mit Hilfe von analytischen Verfahren ähnliche Fälle aus der Vergangenheit identifiziert und diese Maßnahmen auf die aktuelle Situation angepasst werden.
Die Beziehung des Kunden mit dem Unternehmen kann mit Hilfe eines Beziehungsgraphen spezifiziert werden, der die verschiedenen Arten und den Status der Beziehung sowie die Übergänge von einem zum anderen Status darstellen. Im Wesentlichen spiegeln die Status an sich die Art der Kunden wider, so z. B. » kalt« für Zielmarkt und Kandidat – also keine Interaktion mit dem Kunden; » interessiert« für Interessenten (Responder) usw. Der Beziehungsgraph kann nun für die Steuerung und Auswertung im wissenszentrierten Kundenbeziehungsmanagement eingesetzt werden z. B. zur Identifikation des Kunden und der Zuordnung des Kunden zu einer Kundenart und des frühzeitigen Erkennens eines möglichen Übergangs von einem Status zu einem anderen Status um ggf. Maßnahmen zu ergreifen. So kann durch die Auswertung des historischen Kundenverhaltens (bspw. sukzessiv immer weniger Käufe oder Interaktionen mit dem Unternehmen) mit Hilfe der Verfahren des weiter unten beschriebenen Predictive Analytics erkannt werden, ob ein Kunde im Status »gefährdet« kurz davor steht, zu kündigen und somit in den Status »verloren ohne Potential« oder »verloren mit Potenzial« übergeht, so dass Maßnahmen ergriffen werden können, die diesen Kunden in den Status »gefestigt« überführen.
Um den Kundenwert zu erhöhen, setzt das Management zu verfolgende Ziele an und bestimmt zugehörige Prozesse und Aktivitäten zur Zielerreichung. Insbesondere stellt sich die Aufgabe, die richtige und erfolgversprechendste Maßnahme (welches Produkt, welche Dienstleistung, …) einer genau identifizierten Zielgruppe über deren genutzte Kanäle zum besten Zeitpunkt zu übermitteln. Grundsätzlich lassen sich drei Hauptblöcke des Managements unterscheiden:
• Interessentenmanagement (Customer Acquisition): (anonyme) Personen des Zielmarktes akquirieren.
• Kundenbindungsmanagement (Customer Engagement/ Customer Retention – Attrition): bestehende Kunden an das Unternehmen binden und den Wert des Kunden erhöhen.
• Rückgewinnungsmanagement (Customer Win-Back): ehemalige Kunden mit Zukunftspotenzial zurückgewinnen.
Beispielhaft werden einige Ziele und Aktivitäten näher beleuchtet, die durch den Einsatz von Wissen über und Wissen für den Kunden unterstützt werden können:
• Kontaktmanagement (Contact Management): Das Kontaktmanagement hat die Aufgabe, Informationen über Produkte, Dienstleistungen, Märkte usw. zu erstellen und daraus z. B. Marketinginformationen abzuleiten, die dann den unterschiedlichen Customer Touch Points zur Kundenansprache zur Verfügung gestellt werden.
• Kampagnenmanagement zur Kundenakquise (Campaign Management/ Customer Akquisition): Das Ziel einer Werbekampagne zur Neukundengewinnung ist es, erfolgversprechende Kundenkontakte (Prospects) aus dem Zielmarkt heraus zu generieren. Zum einen kann der Kontakt vom Unternehmen heraus initiiert sein z. B. ohne konkrete Kontaktinformationen durch breitenwirksame Werbung oder basierend auf eingekauften Kontaktlisten. Zum anderen kann ein potentieller Kunde (Interessent) aktiv auf das Unternehmen zugehen, indem er eine Anfrage hinsichtlich der Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens stellt, einen Newsletter bestellt oder ähnliche Aktivitäten ausführt. Wissen über den potentiellen Kunden kann nun zur Klassifikation