Wo die Angst regiert - Neil White - E-Book
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Wo die Angst regiert E-Book

Neil White

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Beschreibung

Er wartet in den Schatten … Der packende Thriller »Wo die Angst regiert« von Neil White jetzt als eBook bei dotbooks. In der Kleinstadt Blackley im nordenglischen Lancashire wird der Fitnesstrainer Luke Howarth brutal ermordet in seinem Bett aufgefunden, von seiner Freundin Sarah fehlt jede Spur. Ein klassisches Beziehungsdrama? Der Reporter Jack Garrett will das nicht glauben. Als Sarahs verzweifelte Eltern ihn bitten, ihre Tochter zu finden, begibt er sich auf die Spur der jungen Frau … Als sich der Fall weiter zuspitzt, wird auch Jacks Freundin, Polizistin Laura McGanity, in die Ermittlungen hineingezogen. Gemeinsam machen sich Jack und Laura auf die Jagd nach einem wahnsinnigen Killer, der vor nichts zurückschreckt. Wer wird das nächste Opfer seines mörderischen Spiels? »›Wo die Angst regiert‹ strotzt nur so vor Spannung, und die Handlung steigert sich zu einem grandiosen Höhepunkt.« Lancashire Evening Post Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Thriller »Wo die Angst regiert« von Neil White ist Band 2 seiner fesselnden Spannungsserie Lancashire Killings, deren Einzelbände unabhängig voneinander gelesen werden können, und wird alle Fans von Elizabeth George und Val McDermid begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 624

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Über dieses Buch:

In der Kleinstadt Blackley im nordenglischen Lancashire wird der Fitnesstrainer Luke Howarth brutal ermordet in seinem Bett aufgefunden, von seiner Freundin Sarah fehlt jede Spur. Ein klassisches Beziehungsdrama? Der Reporter Jack Garrett will das nicht glauben. Als Sarahs verzweifelte Eltern ihn bitten, ihre Tochter zu finden, begibt er sich auf die Spur der jungen Frau … Als sich der Fall weiter zuspitzt, wird auch Jacks Freundin, Polizistin Laura McGanity, in die Ermittlungen hineingezogen. Gemeinsam machen sich Jack und Laura auf die Jagd nach einem wahnsinnigen Killer, der vor nichts zurückschreckt. Wer wird das nächste Opfer seines mörderischen Spiels?

Über den Autor:

Neil White wurde über einem kleinen Schuhladen geboren und wuchs in Yorkshire auf. Seit seiner Kindheit begeistert ihn nichts so sehr wie die Musik von Johnny Cash und Bücher, vorzugsweise Science Fiction und Kriminalromane. Während seines Jura-Studiums packte ihn die Lust, selbst zu schreiben. Heute ist Neil White der erfolgreiche Autor zahlreicher Spannungsromane.

Die Website des Autors: neilwhite.net/

Bei dotbooks veröffentlichte der Autor seine Thriller-Serie »Lancashire Killings« mit den Einzelbänden:

»Wer in den Schatten lebt«

»Wo die Angst regiert«

»Wenn der Hass entbrennt«

»Wen die Rache treibt«

Außerdem erschienen bei dotbooks die seine Thriller »Die Stimme des Verrats« und »Ein tödlicher Verdacht«.

***

eBook-Neuausgabe Februar 2024

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2009 unter dem Originaltitel »Last Rites« bei Avon Books, a division of HarperCollins Publishers, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Hexenblut« bei Weltbild, Augsburg.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2009 by Neil White

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2010 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Andrew Roland, Piotr Krzeslak

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-920-8

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Neil White

Wo die Angst regiert

Thriller

Aus dem Englischen von Ralph Sander

dotbooks.

Für Thomas, Sam und Joe – wie immer

Kapitel 1

Ein Frösteln überkam Abigail Hobbs, als sie die Haustür ihres Cottage öffnete und einen Fuß über die Schwelle setzte. Der Wind wehte kräftig aus westlicher Richtung und gab dem ausklingenden Oktober eine mürrische Note, die wie ein erster Vorgeschmack auf die schlechte Laune des nahenden Winters daherkam. Zu allen Seiten pfiff er um den Pendle Hill. Dieser mit Gras und Heidekraut bewachsene Hügel beherrschte seine gesamte Umgebung, kauerte dunkel und unheilvoll da und hielt die Sonne davon ab, die Fenster des Cottage zu erreichen. Abigail zog den Mantel fester um sich und schlug den Kragen hoch, um ihre Ohren zu schützen. Für Morgen wie diesen wurde sie allmählich zu alt.

»Tibbs? Tibbs?«

Sie konnte ihren Kater, einen Britisch Kurzhaar mit großen tapsigen Pfoten, nirgends entdecken. Normalerweise saß er morgens auf der Fensterbank, beobachtete Abigail und wartete darauf, dass sie aufstand. Aber nicht so an diesem Morgen.

»Tibbs?«

Sie sah sich um. Noch immer nichts. Ihre Stimme war natürlich nicht mehr so kräftig wie früher, und sie wurde vom Wind sofort weggetragen; dennoch wusste Abigail, dass irgendetwas nicht stimmte.

Sie trat auf den Pfad aus mittlerweile zum Teil schief eingesunkenen Steinplatten, der durch den Garten führte, und lauschte. Im ersten Moment schob sie das Geräusch auf den Wind, der irgendwo etwas gegeneinanderschlagen oder klappern ließ. Sie ging über die Steinplatten, auf denen ihre Schlappen klatschende Laute verursachten. Da war das Geräusch wieder – es klang, als würde Metall gegen Holz schlagen. Und da war noch etwas. Ein aufgeregtes Schreien.

»Tibbs?«

Vorsichtig näherte sie sich der nächsten Ecke; hohes Gras strich um ihre Knöchel. Das Geräusch war jetzt lauter. Wieder rief sie. Das merkwürdige Poltern hielt an.

Sie war am Schuppen angelangt, einer Art Anbau am Cottage, in dem Gartengeräte untergebracht waren. Etwas schlug von innen gegen die Tür, der metallene Riegel klapperte, und als Abigail näher kam, wurde das Schreien lauter.

»Tibbs, was ist los? Was hast du angestellt?«

Sie zog an der Tür, aber die wollte zunächst nicht nachgeben; es schien, als würde jemand sie von innen zuhalten. Jetzt fühlte Abigail, wie die Tür vibrierte, während die Schreie im Schuppen noch lauter wurden. Mit aller Kraft riss sie an der Tür, und plötzlich ging sie auf. Dann sah sie ihren Kater Tibbs, der in der Luft zu hängen schien. Er wand sich, strampelte. Er war mit irgendetwas umwickelt.

Ratlos machte sie einen Schritt nach vorn, um auf den Kater zuzugehen, aber im gleichen Moment blitzte etwas auf, begleitet von einem lauten Knall. Etwas Feuchtes traf sie im Gesicht, und etwas Kleines, Spitzes, das sie nach hinten taumeln ließ. Während sie das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte, wurde ihr klar, dass Tibbs nicht länger zu sehen war.

Kapitel 2

Zunächst hörte ich nicht, dass mein Telefon klingelte.

Ich stieg den steilen Hügel zu meinem Haus hinauf, das Kinn tief in den Schal gedrückt, um die Kälte abzuhalten, während sich meine Beine abmühten. Mein Morgenspaziergang bot mir eine kleine Pause vom Alltag, und ich konnte dabei die Streitereien zu Hause ebenso vergessen wie den langen Tag, der noch vor mir lag. Die frische, klare Luft in den Hügeln von Lancashire ließ mich wach werden. Sie war so wohltuend anders als in den von der Baumwollverarbeitung beherrschten Tälern, wo die riesigen Schornsteine die Städte mit ihrem Rauch überzogen und wo sich das Leben ganz auf die großen Backsteingebäude der Fabriken konzentrierte, die sich dicht an dicht am Kanal drängten.

Mein Spaziergang diente aber nicht nur dem Zweck, mir den kalten Wind ins Gesicht wehen zu lassen. Im letzten Jahr hatte ich einfach zu viel Schokolade gefuttert, wir hatten uns zu oft und zu spät am Abend Essen liefern lassen und zu viel Wein getrunken. Wir hatten beide ganz schön zugelegt und uns gut aufeinander eingestellt. Vielleicht sogar etwas zu gut.

Während ich weiterging, warf ich einen Blick über die Schulter und sah mir die Gegend an, die mich geprägt hatte: Turners Fold, eine alte Ansammlung von steilen Straßen, mit Pflastersteinen überzogene Narben inmitten von üppigem Grün, wie ein Museum, das längst vergessene Industrieanlagen ausstellte. Für mich war es aber mehr als das. Wohin ich auch sah, überall wurde ich an meine Kindheit erinnert. Dort der Park, in dem ich mich tapfer meinem ersten Kuss gestellt hatte, da das weitläufige Anwesen, auf dem ich aufgewachsen war, da hinten die Schule, die mir die nötige Ausbildung mit auf den Weg gegeben hatte, damit ich diese Stadt verlassen konnte – was ich schließlich auch tat, wenn auch nur für eine Weile, bis mich der Lockruf der Heimat hierher zurückbrachte.

Die Aussicht entlockte mir ein Lächeln. Die Baumwollmühlen und Fabriken hatte man längst aufgelassen; die Schornsteine standen zwar noch, aber die meisten Gebäude hatte man zu Büros und Apartments umgebaut. Einige wenige waren sich selbst überlassen worden und verfielen allmählich; das Gras drängte sich durch die Fußböden, und die Fensterrahmen kippten im Lauf der Zeit nach innen. Aber die Stadt glänzte im oktoberlichen Morgentau und wirkte vor der im Osten stehenden Sonne wie ein Scherenschnitt. Der Anblick ließ mich vergessen, wie bitterkalt der Wind war.

Ich wandte mich ab und sah mein Haus an, das auf halber Höhe am Hügel stand. Trockenmauern säumten die Straße, und mit seinen alten Schindeln aus Schiefer und dem gedrungenen Schornstein hob es sich von den dahinter gelegenen Feldern ab. Ich glaubte, durch eines der Fenster Laura zu erkennen, nur als Schatten, der sich im Haus bewegte. Ich winkte ihr zu, aber es kam keine Reaktion.

Dann bemerkte ich mein Telefon, das mich mit dem Refrain aus Johnny Cashs Ring of Fire auf einen eingehenden Anruf aufmerksam machte. Ich klappte es auf und sah aufs Display. Das war die Nummer von Sam Nixon einem Strafverteidiger hier aus dem Ort. Es kam nicht oft vor, dass er anrief, also musste er etwas Interessantes für mich haben.

»Hi, Sam«, begrüßte ich ihn, während ich ins Haus trat.

Laura schaute in dem Moment auf, doch ich drehte mich weg. Zwar war sie mit dem Frühstück für Bobby beschäftigt, aber ich merkte ihr an, dass sie mir mit einem Ohr zuhörte.

Ich ließ Sam reden, dann erwiderte ich: »Okay, dann sehen wir uns später.« Nachdem ich das Telefon zugeklappt hatte, wandte ich mich zu Laura um und versuchte, eine Unschuldsmiene aufzusetzen.

»Was wollte Sam Nixon von dir?«

Ich legte meinen Arm um sie, um einen von Bobbys Spielzeugsoldaten zu stibitzen. »Das wird er mir verraten, wenn wir uns treffen.«

»Lass dich bloß nicht auf irgendeine Dummheit ein«, mahnte sie und warf mir einen warnenden Blick zu, als ich sie ansah.

»Wie meinst du das?«

»Du weißt genau, wie ich das meine«, gab sie in müdem Ton zurück. »Strafverteidiger bedeuten meistens Ärger. Diese Leute sind oft nicht in der Lage, zwischen ihrem Mandanten und sich selbst zu unterscheiden.«

»Sam ist nicht so«, erwiderte ich. »Und du weißt genau, wie es läuft.«

Das wusste sie allerdings. Als Detective bei der örtlichen Polizei musste sie allzu oft miterleben, wie geschickte Strafverteidiger die Ergebnisse ihrer harten Arbeit zunichtemachten, wie im Namen der Menschenrechte geschwiegen oder gelogen wurde. Ich war auf eine andere Weise mit dem Verbrechen befasst: Ich saß im Gerichtssaal und machte mir Notizen zu den einzelnen Fällen, um Artikel für die Lokalzeitung darüber zu schreiben. Meist wurden sie in den schmalen Randspalten abgedruckt. Ich hatte auch schon größere Reportagen unterbringen können, ich war sogar freiberuflich in London tätig gewesen, aber das war zu unsicher und manchmal auch ziemlich gefährlich, und ich war derzeit nicht in der richtigen Situation, um Risiken einzugehen.

Laura seufzte schwer und küsste Bobby auf den Kopf. »Nicht jetzt, Jack«, sagte sie. »Wir können es uns nicht leisten, das hier an die Wand zu fahren. Nicht jetzt, wo wir es schon so weit geschafft haben.«

Ich ging in die Küche, einen kleinen fensterlosen Raum, der vom Wohnzimmer abgeteilt worden war. Ich wollte nicht streiten, erst recht nicht so früh am Tag.

Sie folgte mir. »Jack, rede mit mir.«

Mit dem Wasserkessel in der Hand drehte ich mich zu ihr um. »In letzter Zeit machen wir doch überhaupt nichts anderes mehr«, hielt ich mürrisch dagegen.

»Ich will bloß nicht, dass du dich auf irgendeine Dummheit einlässt, das ist alles.«

»Ich weiß, ich hab’s gehört«, konterte ich. »Wir verbringen unser Leben in der Warteschleife, nur damit sich dein beschissener Ex nicht auf die Füße getreten fühlt.« Die Worte kamen mir schroffer als beabsichtigt über die Lippen.

»Meinst du, mir macht das Spaß?«, herrschte sie mich an. »Meinst du, es gefällt mir, hier zu sitzen und abzuwarten, bis irgendein Wildfremder darüber entscheidet, bei wem mein Sohn leben darf? Meinst du, das habe ich mir gewünscht, als ich hergezogen bin?«

Ich atmete tief durch. »Tut mir leid.« Dann stellte ich den Wasserkessel weg und streckte die Arme aus, um Laura an mich zu ziehen. »Das war nicht gegen dich gerichtet. Ich weiß, dass es für dich noch schwieriger ist als für mich.«

»Du hast nicht die geringste Ahnung, wie es für mich ist«, widersprach sie mir wütend und wich meiner Berührung aus. »Ich bin diejenige, die alles aufgegeben hat. Ich bin mit dir in den Norden gezogen, zusammen mit meinem Sohn, um hier ein neues Leben zu beginnen. Oh, warte, das stimmt so ja gar nicht. Ich bin allein deinetwegen in den Norden gezogen, und manchmal frage ich mich, ob das wirklich so klug war oder ob wir nicht besser in London geblieben wären, wo ich nicht jedes Mal die Märtyrernummer erleben müsste, wenn mal nicht alles so glatt läuft.«

Ich schaute zur Decke. Zu oft schon hatten wir diese Diskussion geführt, aber ich wusste, es lag eigentlich nicht an uns. Wir verstanden uns gut in den ruhigen Augenblicken, wenn wir den Sorgerechtsstreit um Bobby für ein paar Stunden vergessen und uns entspannen konnten. Das Problem war nur, dass diese Augenblicke immer seltener wurden.

»Hör zu, es ist okay«, sagte ich schließlich. »Sam sprach davon, dass er eine Story für mich hat.« Als Laura daraufhin unverändert argwöhnisch dreinschaute, fügte ich an: »Es wird gar nichts dahinterstecken. Irgendein unspektakulärer Tipp von jemandem oder etwas in dieser Art.«

»Und warum hast du das nicht gleich gesagt?«, fragte sie, machte kehrt und ließ mich in der Küche stehen.

Ich seufzte schwer. Die gute Laune, in die mich der Spaziergang versetzt hatte, war längst wieder verflogen. Wie hatte es nur wieder so weit kommen können? Und das so schnell?

Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück und sah, dass sie Bobbys Schultasche packte. Der Kleine schwieg und aß langsam sein Frühstück. Er hatte das alles schon bei seinem Vater – Lauras Exmann – durchmachen müssen, und er hatte wirklich etwas Besseres verdient. Er war ein wundervoller Junge, gerade mal sechs Jahre alt, der von Laura die Intelligenz und von Geoff die Körpergröße geerbt hatte.

Wie um alles in der Welt verhinderte man, dass einem Kind wehgetan wurde?

Ich wusste, es lag eigentlich nicht an uns, sondern an dieser verfahrenen Situation. Lauras Ex wollte den Jungen zurück in den Süden, nach London holen. Er behauptete, das sei besser für Bobby, weil Lauras Polizeiarbeit angeblich ein chaotisches Familienleben mit sich brachte. In Wahrheit ging es dabei gar nicht um ihren gemeinsamen Sohn, sondern um mich, den neuen Mann in Lauras Leben. Den Mann, der Laura glücklich machte, der sie dazu gebracht hatte, ihre Karriere bei der Londoner Polizei aufzugeben und stattdessen als Detective im nahe gelegenen Blackley zu arbeiten. Und so kam es, dass wir alle zwei Wochen Richtung Birmingham fuhren, wo Bobby auf einem Rastplatz seinem Vater übergeben wurde. Während der Rückfahrt sprach Laura kein Wort und wirkte erst wieder glücklich, wenn wir den Kleinen zwei Tage später abholen durften.

Mit Bobbys Tasche in der Hand sah Laura mich an, und ich bemühte mich um ein Lächeln.

»Beeil dich, Bobby«, sagte sie und wandte sich von mir ab. »Iss dein Frühstück auf, wir müssen los.«

Kapitel 3

Inspector Rod Lucas klopfte seine schäbige braune Cordhose ab, warf die Fahrertür seines ramponierten alten Landrover zu und blickte sich um.

Das Cottage sah exakt so aus, wie er es erwartet hatte. Wie die meisten Häuser im Schatten des Pendle Hill war es ein Stück von der Straße zurückgesetzt, die dunkelgrauen Mauersteine hoben sich von der grünen Wiese dahinter ab, und das mit Schindeln aus Schiefer gedeckte Dach ragte weit über die Hauswand nach unten.

Sein Blick wanderte zum Hügel, dessen kahler, öder Gipfel ihn schaudern ließ. Er zog die alte Wachstuchjacke über und drehte sich um, in Gedanken bei Abigail Hobbs, die noch immer im Krankenhaus lag. Sie hatte Verbrennungen im Gesicht, und die Stelle am Hinterkopf, mit der sie auf den Steinboden geschlagen war, war mit mehreren Stichen genäht worden. Er wusste, es waren nicht die körperlichen Wunden, die ihr die schlimmsten Schmerzen bereiten würden, sondern die psychischen, die noch lange nachwirken würden.

Die zwei Constables an der Tür strafften die Schultern, als er sich ihnen näherte. Beide waren junge Frauen, die die Hände in den Taschen ihrer leuchtend grünen Jacken vergraben hatten und deren Hüften gigantisch ausladend wirkten, da zu ihrer Ausrüstung Utensiliengürtel gehörten, die ganz erheblich auftrugen.

Unwillkürlich sah er an sich herab. Er lebte auf einem ehemaligen Bauernhof, den man nur über einen morastigen, von dicken Ästen beschatteten Feldweg erreichen konnte. Als der Anruf eingegangen war, war er gerade damit beschäftigt gewesen, einen Baum zu beschneiden. An seinen Händen klebte noch immer Schmutz, und er hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, seine Uniform anzuziehen. Es würde genügen, sich ein erstes Bild vom Tatort zu machen, danach konnte er zurück in seinen Garten.

»Wie schlimm ist es?«, fragte er ruhig.

Die beiden Frauen schauten sich kurz an. »Es ist nicht schön, Sir«, antwortete die ältere.

»Ist die Spurensicherung unterwegs?«, wollte er wissen.

»Die kommen, sobald sie können«, bekam er zur Antwort.

Was das bedeutete, wusste Lucas nur zu gut. Sie waren hier auf dem platten Land, einige Meilen von der nächsten größeren Stadt entfernt. Die Leute von der Spurensicherung hatte mit den dortigen Verbrechen, den Einbruch- und Diebstahlfällen, alle Hände voll zu tun. Sie würden sich auf den Weg machen, wenn es nicht mehr ganz so kalt war und sie Lust zu einem kleinen Ausflug ins Grüne hatten. Er sah sich um. Büsche überwucherten den Weg, die Farbe an den Fensterrahmen blätterte stellenweise ab.

»Das dritte Mal innerhalb von zwei Wochen«, sagte er zu sich selbst.

»Sind Sie deshalb hier?«, fragte die andere Frau. »In Ihrer Funktion als Inspector, wollte ich sagen. Gehen wir jetzt von etwas Ernsterem aus?«

»Jemand wurde verletzt«, antwortete er. »Das ist kein bloßer Vandalismus mehr.«

»Haben Sie irgendwen im Verdacht?«, redete die Frau weiter. »Jugendliche?«

Er ließ seinen Blick schweifen, bemerkte den schmalen Weg, der sich von der Hauptstraße zum Cottage schlängelte, betrachtete das Gras, das die eingesunkenen Steinplatten überwucherte. »Nein. Dafür ist das hier zu abgelegen. Jugendliche würden viel zu lange brauchen, um von hier wieder zu verschwinden. Das erhöht das Risiko, geschnappt zu werden. Nein, das hier ist etwas anderes. Eine Art Botschaft.«

»Aber warum bei ihr?«

Lucas verzog den Mundwinkel. »Keine Ahnung. Warum traf es irgendeine der anderen Frauen?«

Er drückte den Rücken durch und ließ sich den Weg zum Schuppen erklären. Als er um das Haus herumging, spürte er, wie die Feuchtigkeit des hohen Grases seine Hosenbeine durchdrang. Er strich sein schütteres Haar nach hinten. Sein Schädel war von Sommersprossen überzogen, die grauen Koteletten reichten bis zur Unterkante seines Kinns.

Als er sich dem Schuppen näherte, wurden seine Schritte langsamer. Die Überreste der Katze waren auf dem Weg verstreut. Der kleine, abgeschlagene Kopf lag nahe der Tür, das Maul war weit aufgerissen.

Mit einem Stift drückte Lucas die Tür weiter auf, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, dann sah er den Draht, der am Riegel befestigt war. Genau wie in allen bisherigen Fällen führte der Draht zu einem kleinen Metallrohr, das mit Schwarzpulver gefüllt gewesen war. Sobald man die Tür öffnete, wurde der Draht straff gezogen, und eine kleine Sprengkapsel wurde aktiviert, die dann im Rohr explodierte. Bei den anderen Vorfällen hatte man das Rohr auf dem Boden deponiert. Diesmal war es an Abigails Kater festgebunden und über eine Wäscheleine gehängt worden. Das hier war nicht das Werk irgendwelcher Halbwüchsiger, das war ihm klar.

Während die Tür knarrend zufiel, kehrte er zum Haus zurück, weil er mehr über Abigail in Erfahrung bringen wollte. Als er sich der Eingangstür näherte, bemerkte er die Blicke, die die beiden Constables wechselten.

»Was gibt es?«, fragte er.

Wieder sahen die zwei Frauen sich unschlüssig an, woraufhin Rod Lucas an ihnen vorbei zur Tür ging. Er drückte sie langsam auf, dahinter war alles düster, und erst nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, stieß er einen leisen Pfiff aus.

»Was ist denn das?«, murmelte er und trat ein.

Kapitel 4

Ich war auf dem Weg zu Sam Nixons Büro und durchquerte zügig die Fußgängerzone von Blackley, Filialen großer Ketten auf der einen, der Eingang zu einem großen Einkaufszentrum auf der anderen Seite. Früher hatten viktorianische Fassaden die Straße gesäumt, damals, als die Stadt noch der glamouröse große Bruder von Turners Fold gewesen war. Diese Vergangenheit hatte man aber schon vor Jahrzehnten abzuschütteln versucht; allerdings wirkte das neue Stadtzentrum schon jetzt veraltet. Es waren nicht viele Leute unterwegs, nur ein paar Schüler sowie Verkäuferinnen, die auf hohen Absätzen zur Arbeit stöckelten.

Ich sah, dass Sam bereits auf mich wartete. Seine Kanzlei lag im ersten Stock über einem Kopiercenter, den Eingang bildete eine Glastür im Parterre, an der in goldenen Lettern sein Name prangte. Hier versammelten sich von Zeit zu Zeit seine Mandanten, weil es geschützt und warm war und weil man so leichter die Namen der Dealer austauschen konnte. Sams Ehefrau Helena fungierte als Türsteherin – eine Frau mit strohblondem Haar, dürren Armen und einer spitzen Nase. Sie war früher selbst einmal Anwältin gewesen, aber eine mehrjährige Kinderpause und zu hohe Promillewerte hatten dieser Karriere ein Ende gesetzt. Stattdessen kümmerte sie sich nun um den Papierkram und verwaltete das Geld, damit Sam sich ganz seiner Arbeit widmen konnte.

Ich begrüßte Helen mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange. Ihre Haut fühlte sich kalt an, ihr Gesicht war blass.

»Was macht das Geschäft?«, fragte ich.

»Wie sagt man so schön? Verbrechen zahlt sich nicht aus.«

»Wieso? Fehlen euch die Mandanten?«

Ihr Lachen klang verbittert. »Mandanten zu bekommen ist kein Problem. Schwierig ist es nur, für die Arbeit auch angemessen bezahlt zu werden.«

Ich erwiderte nichts, da ich mir vorstellen konnte, dass wir unterschiedlicher Ansicht waren, ab wann eine Bezahlung angemessen war. Stattdessen ließ ich mich von ihr am Empfang vorbei in Sams Büro führen, einen großen Raum, in dem sich nur ein Schreibtisch aus Holzimitat und ein paar abgewetzte Stühle befanden, die er bei der Auflösung eines anderen Büros günstig erstanden hatte. Auf dem Schreibtisch stapelten sich Akten, der dunkelblaue Blackstone’s, Sams bevorzugtes Nachschlagewerk, diente als Briefbeschwerer. Insgesamt strahlte der Raum Kargheit und Kälte aus. Sam Nixon & Co. hatten nicht genügend Mittel in die Firma eingebracht, um auch nur einen einzigen Gedanken an Luxus oder einen Hauch von Bequemlichkeit zu verschwenden.

Als ich eintrat, stand Sam auf und hielt mir die Hand hin. »Hallo, Jack. Schön, dich zu sehen.«

Ich schüttelte seine Hand und bemerkte die Müdigkeit, die sich hinter seinem Lächeln verbarg. Sam wirkte, als ob die Arbeit ihn ziemlich mitnahm. Er war nicht viel älter als ich, wir waren beide Mitte dreißig, doch sein Miene war von Sorge geprägt, sein Haaransatz rückte unerbittlich nach hinten, und der noch verbliebene Rest war grau meliert. Außerdem hatte er abgenommen, und unter den Augen waren deutliche Falten zu erkennen.

Sam Nixon versorgte mich immer wieder mit Storys für mein Blatt, was sich gelegentlich auf ein knappes Nicken beschränkte, wenn er ins Gericht kam – ein Zeichen dafür, dass ein Fall es wert war, ihn genauer zu verfolgen. Was ich veröffentlichte, war für seine Mandanten zwar unangenehm, aber sein Name wurde auf diese Art regelmäßig in der Zeitung erwähnt, und das bescherte ihm ständigen Nachschub. Für mich war es nur mein Job, für ihn kostenlose Werbung.

»Was macht Laura?«, fragte er.

»Sie kümmert sich um die Leute, die über Nacht verhaftet worden sind.«

»Das ist gut fürs Familienleben«, meinte Sam und nickte zustimmend.

Ich lächelte und spielte für einen Moment den glücklichen Freund, da ich wusste, ich war nicht allein im Zimmer.

Laura war Detective bei jenem Team der Blackley Police, das für über Nacht aufgelesene und in Haft genommene Einbrecher und gewalttätige Ehemänner zuständig war. Die Kollegen von der Nachtschicht lagen längst im Bett und schliefen, während Lauras Team sich um die aufgebrachten Festgenommenen und den Papierkram kümmern musste. Zwar bedeutete das für Laura geregelte Arbeitszeiten, aber es hieß auch, dass sie die meiste Zeit des Tages feindselige Gefangene tief unten im Zellentrakt des Polizeipräsidiums befragen musste, wo der Gestank der Zellen nach Schweiß und Erbrochenem sich an ihre Kleidung heftete.

Was Sam anging, war ich skeptisch. Wenn ein Strafverteidiger mich als Erstes nach dem Befinden meiner als Polizistin arbeitenden Freundin fragte, dann klang das für mich, als wollte er sichergehen, sie nicht in seiner Nähe zu haben.

»Du weißt ja, wie es in Blackley zugeht«, sagte ich. »Da wimmelt es von Verbrechern, die ihr mehr als genug Arbeit machen.«

»Schieb die Schuld auf die Anwälte, die diese Verbrecher alle wieder rausholen«, meinte Sam ironisch.

Während er redete, drehte ich mich zu den anderen Besuchern um, einem Paar im mittleren Alter, das sich sichtlich unbehaglich fühlte. Ich erkannte die beiden wieder, sie waren in der vergangenen Woche wiederholt in den Nachrichten zu sehen gewesen. Als ich Sam anschaute, wirkte der mit einem Mal auffallend nervös.

»Jack, das sind Ray und Lucy Goode.«

Ich lächelte höflich. Ich wusste längst, wen ich vor mir hatte. Ihre Tochter war vor Kurzem in die Schlagzeilen geraten, eine hübsche junge Lehrerin mit sommersprossigem Gesicht, die ihr kastanienfarbenes Haar auf dem veröffentlichten Fotos glatt frisiert trug. Sarahs Freund Luke hatte als Trainer in ihrem Fitnesscenter gearbeitet, und die beiden hatten eine ganz normale Beziehung geführt, bis Luke vor einer Woche erstochen in ihrem Bett aufgefunden worden war. Von Sarah fehlte seither jede Spur.

In der örtlichen Zeitung war das ein paar Tage lang Thema gewesen, und sogar überregionale Blätter hatten kurz darüber berichtet, aber das Fernsehen war allen anderen Medien um Längen voraus gewesen, wurde doch dort die Pressekonferenz ausgestrahlt, bei der Mrs Goode in Tränen ausbrach und ihre Tochter inständig bat, nach Hause zurückzukehren. Als es danach aber keine weiteren Neuigkeiten gegeben hatte, war es schnell wieder ruhig um die Sache geworden. In der offiziellen Darstellung galt Sarah Goode zwar als vermisst, in den Augen der Polizei war sie jedoch eine Mörderin auf der Flucht.

»Das ist Jack Garrett«, stellte mich Sam vor. »Unser engagierter Lokalreporter.« Als ich nichts dazu sagte, fügte er an: »Die beiden würden gern mit dir reden, wenn du einverstanden bist.«

Ich nickte zustimmend, wandte mich aber wieder an Sam: »Wieso ausgerechnet mit mir?«

»Es ist wohl besser«, meinte er ein wenig verlegen, »wenn sie dir das selbst sagen.« Er ging zur Tür. »Wenn mich jemand braucht, ich bin nebenan.«

Überrascht sah ich ihm nach und fragte mich, warum er nicht im Zimmer bleiben wollte. Die Tür wurde mit einem leisen Klicken zugezogen, und es machte sich betretenes Schweigen breit, das nur vom Ticken der Wanduhr und vom Knarren der Stühle unterbrochen wurde, wenn Mr oder Mrs Goode sich nervös bewegten.

Ich versuchte, mir ein Bild von dem Ehepaar zu machen. Sie waren beide über fünfzig. Sie trug einen knielangen Rock und einen Blazer, marineblau mit Goldknöpfen, die grauen Haare waren zu kleinen Löckchen frisiert. Er schien sich in seinem alten braunen Anzug nicht wohlzufühlen, sondern wirkte, als hätte er ihn schon seit Langem nicht mehr getragen. Ich sah, wie sich der Hemdkragen in seinen Hals schnitt. Sein rötlich braunes Haar war auf ein paar Büschel reduziert, die er quer über den Kopf gekämmt trug.

»Ich nehme an, es geht um Sarah, richtig?«, setzte ich dem Schweigen schließlich ein Ende.

Sie schauten sich an, nickten kurz, und dann begann Mrs Goode zu reden: »ja, es geht um unsere Tochter.« Zwar sprach sie mit fester Stimme, aber nach der Art, wie sich die Knie der beiden berührten, zu urteilen, brauchte jeder den anderen als moralische Stütze. Die Frau fuhr mit der Zunge über ihre Lippen und rückte die Handtasche auf ihrem Schoß gerade, dann antwortete sie: »Wir möchten, dass Sie uns helfen, sie zu finden.«

Sie sagte es so selbstverständlich, als würde sie davon ausgehen, dass ich auf jeden Fall daran interessiert war.

Nur war ich das nicht. Ich schrieb keine großen Storys mehr. Das hatte ich zugunsten des Familienfriedens und meiner gemeinsamen Zukunft mit Laura und Bobby aufgegeben. Ich versuchte mitfühlend zu klingen. »Tut mir leid, solche Artikel schreibe ich nicht mehr. Ich bin Gerichtsreporter, mehr nicht.«

»Aber Sie haben mal viel mehr als das gemacht«, hielt Mrs Goode dagegen. »Mr Nixon hat mir davon erzählt, über was Sie alles berichtet haben.«

»Das war früher. Außerdem bin ich Reporter, kein Privatdetektiv.«

»Wir dachten, das würde eine gute Geschichte ergeben, wenn Sie sie finden«, beharrte sie.

Bedächtig schüttelte ich den Kopf. »Ich sehe da keine Geschichte, jedenfalls keine von der Art, wie ich sie schreibe.«

Beide senkten enttäuscht den Blick. Mrs Goode presste die Lippen zusammen, eine Träne lief ihr über die Wange.

Schließlich ergriff Mr Goode das Wort. »Nicht mal, wenn Sie sie zuerst finden sollten?« Er sprach leise und zögerlich.

Mit gespieltem Bedauern erwiderte ich: »Die Polizei wird vor mir mit ihr reden müssen, und wenn Sarah angeklagt wird, werde ich nichts schreiben dürfen, was sich in irgendeiner Weise auf den Fall auswirken könnte. Das würde dann sechs Monate oder vielleicht noch länger bei meinem Redakteur auf dem Schreibtisch liegen, ohne dass ein Wort davon nach draußen dringen darf.«

»Es kommt vielleicht gar nicht zu einem Gerichtsverfahren«, wandte Mrs Goode ein und sah mich flehend an. »Wenn Sie sie finden und zurückbringen, und wenn wir wissen, was sie sagen wird, dann ist vielleicht auch klar, wie sie sich verteidigen kann.«

Als ich das hörte, kniff ich argwöhnisch die Augen zusammen. »Was ist mit Sam Nixon? Wird er mit Sarah reden, bevor sie zur Polizei geht?«

Mrs Goode erwiderte nichts und wich meinem Blick aus, was für mich Antwort genug war. Es ging nicht um die Story, die für mich dabei herausspringen sollte. Vielmehr wollten sich Sarahs Eltern mit ihr absprechen, bevor die sich der Polizei stellte.

»Es tut mir wirklich leid«, beteuerte ich und ging zur Tür. »Aber ich sehe da keine Geschichte, die man einer Zeitung verkaufen kann, jedenfalls nicht im Moment.«

Die zwei sahen sich verzweifelt an, dann legte Mrs Goode ihre Hand auf die ihres Mannes und drückte sie. Es hatte den Anschein, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Das brachte mich dazu, stehen zu bleiben.

Mrs Goode drehte sich zu mir um. »Danke, dass Sie hergekommen sind, Mr Garrett«, erklärte sie leise. »Wenigstens haben Sie uns zugehört.«

»Wie viel hat die Polizei von Ihnen über Sarah erfahren?«, wollte ich wissen.

»Alles, was man von uns wissen wollte.«

Ich seufzte. »Wenn die Polizei nicht weiß, wo Sarah ist, dann wüsste ich nicht, wieso ich sie finden sollte.« Diesmal war mein Bedauern nicht gespielt.

Als ich das Büro verließ, entdeckte ich Sam auf einem der Stühle im Wartebereich. »Wie war’s?«, fragte er.

»Du weißt verdammt gut, wie es war.«

»Wie meinst du das?«, gab Sam zurück und setzte eine Unschuldsmiene auf.

»Sie sind hergekommen, weil sie wissen, dass die Polizei ihre Tochter unter Mordverdacht festnehmen wird«, sagte ich ihm auf den Kopf zu. »Stimmt’s?«

Sam setzte zu einer Antwort an, hielt sich aber zurück und versuchte, eine Entschuldigung zu liefern, sah jedoch ein, dass das ein sinnloses Unterfangen war. »Das sind anständige Leute«, äußerte er sich schließlich. »Sie machen sich Sorgen um ihre Tochter.«

»Und ein Mann ist tot«, hielt ich ungehalten dagegen. »Seine Verwandten sind sicher auch anständige Leute.« Sam wich meinem Blick aus, also redete ich weiter: »Die beiden brauchen jemanden, der ihnen helfen kann, ihre Tochter zu finden, aber einen Privatdetektiv können sie sich nicht leisten. Sie dachten, ich sei eine billige Lösung für ihr Problem, nicht wahr?«

»Aber es wäre eine gute Story, wenn du Sarah aufspüren könntest.«

»Ich wünschte, es wäre so, Sam, weil ich das Geld gut gebrauchen könnte. Lauras Anwälte knöpfen uns fast alles ab, was wir besitzen. Du verstehst nicht, wie Journalismus funktioniert. Ich berichte über Gerichtsverhandlungen. Über den Kleinkram, über den die Leute im Pub reden. Die Zeitungen wollen solche Geschichten nach dem Motto ›Mann beißt Hund‹. Aber das hier ist etwas für einen großen Artikel, einen Aufmacher, eine Story, deren Hintergründe bis ins Letzte analysiert werden müssen. Ich kann es mir nicht leisten, mich dafür zu interessieren. Und abgesehen davon – sollte ich sie tatsächlich finden, dann bin ich die Story, und das kann ich im Augenblick überhaupt nicht gebrauchen.«

Sam nickte entschuldigend. »Tut mir leid, Jack. Die beiden sind gute Menschen, aber sie sind verzweifelt. Du warst der Einzige, der mir in den Sinn kam, der ihnen vielleicht helfen könnte.«

Ich seufzte. »Und was springt für dich dabei raus?«

»Wir kämpfen hier ums Überleben, Jack«, betonte er nach einer betretenen Pause. »Wir haben zwar zu tun, doch das ist alles Kleinkram. Ladendiebstahl, aufgebrochene Autos und so weiter. Das lässt sich schnell erledigen, trotzdem kommen mehr Rechnungen als Mandanten.«

Ich verstand, was er meinte. »Du brauchst einen Mord, um ganz oben mitzuspielen«, sagte ich und deutete mit einer Kopfbewegung auf sein Büro. »Und deshalb musst du zusehen, dass ihre Tochter in einer Zelle landet.«

Es war ihm sichtlich peinlich, dennoch fügte er hinzu: »Ich verdiene damit meinen Lebensunterhalt. Ich habe diesen Mann nicht umgebracht, und irgendjemand muss sie vor Gericht vertreten. Warum nicht ich?«

Ich dachte an Mr und Mrs Goode und wie die beiden dagesessen hatten – verwirrt, ratlos, hilfesuchend. »Ich glaube, die zwei erwarten etwas mehr«, meinte ich und ging zur Tür. »Danke für den Tipp, Sam, aber ich sehe da keine Story.«

Sam entgegnete nichts, und ich war Augenblicke später wieder auf der Straße und machte mich auf den Weg zum Amtsgericht, um mir den ganzen Tag lang Verhandlungen anzuhören, in denen es um irgendwelche kleinen Delikte ging.

Kapitel 5

Als Rod Lucas die Tür zu Abigails Cottage öffnete, schlug ihm zuerst ein intensiver, rauchiger Geruch entgegen. Vermutlich Räuchervasen. Seine älteste Tochter hatte eine solche Phase durchgemacht und diese Dinger in ihrem Zimmer aufgestellt, weil sie so angeblich besser einschlafen konnte. Jedenfalls hatte sie das damals behauptet, doch inzwischen wusste er, dass die Dinger dazu gedient hatten, den Zigarettenrauch zu überdecken. Jetzt besuchte sie die Universität, und dass sie zwanzig Zigaretten am Tag rauchte, war nur eine von vielen Sorgen.

Der schwere Geruch, der ihn zum Husten gereizt hatte, war ihm noch gut in Erinnerung. Er konnte ja noch verstehen, wenn ein Teenager mit etwas Derartigem experimentierte – aber wieso eine Rentnerin in einem entlegenen Cottage?

Er schaute sich um. Eigentlich hatte er damit gerechnet, eine altmodische Polstergarnitur zu sehen, Stühle mit hohen Rückenlehnen, Porzellanfiguren und Fotos von den Enkeln. Doch von all dem war nichts zu entdecken.

Die Wände waren schwarz gestrichen, die Vorhänge bestanden aus schwerem, roten Stoff, überall hingen große, kunstvoll verzierte Spiegel. Auf fast jeder freien Fläche standen Kerzen – auf dem Kaminsims, auf den Sideboards und den Fensterbänken. Das Sortiment reichte von Duftkerzen bis hin zu großen schwarzen Altarkerzen.

Ihm fiel auf, dass ein Teppich zur Seite geschoben worden war, sodass darunter der Steinfußboden zu sehen war, der im Lauf der Jahrzehnte eine glatte, fast polierte Oberfläche bekommen hatte. Mit Erstaunen nahm er zur Kenntnis, warum der Teppich hatte weichen müssen und was an seine Stelle getreten war – ein Ding, das diesen Platz ganz für sich in Beschlag nahm.

Weiße Linien überzogen den Boden kreuz und quer, zackige, ungleichmäßige Linien, die aus etwas bestanden, was man auf den Boden geschüttet hatte ... feine weiße Körner. In der Mitte des Ganzen standen ein Tisch und Stuhl, als würde die alte Dame dort sitzen, wenn sie allein zu Hause war. Lucas ging in die Hocke und nahm mit einer Fingerspitze etwas von dem Pulver auf. Dann leckte er über seinen Finger. Salz.

Die Linien bildeten eine nicht ganz gleichmäßige Form, so, als wären sie in aller Eile gezogen worden: einen fünfzackiger Stern. An jeder Zacke hatte man Gegenstände platziert, unter anderem ein paar Blumensträuße, eine große rote Kerze, eine Muschel.

Rod musste an die Sprengladung denken. Warum sollte jemand diese Frau attackieren? War ihr Lebensstil der Grund dafür? Das war die dritte Explosion dieser Art, doch in den anderen Häusern war nichts Ungewöhnliches entdeckt worden. Aber vielleicht hatte man auch bloß nicht genau genug hingesehen.

Als Nächstes würde er zum Krankenhaus fahren. Vielleicht konnte Abigail ja ein paar Antworten liefern.

***

Ich rutschte auf der Bank im Amtsgericht in Blackley hin und her und versuchte, eine halbwegs bequeme Sitzposition zu finden. Es war noch vor zehn, und die Verhandlungen hatten noch nicht begonnen. Dennoch konnte ich bereits hören, wie es im Korridor lauter und geschäftiger wurde. Ich sah zur Decke, betrachtete die Stellen, an denen die Farbe abgeblättert war, und fragte mich, wie es nur so weit mit mir hatte kommen können. Ich war als freier Journalist für die großen Zeitungen in London tätig gewesen, ich hatte Aufmacher über große Verbrechen geschrieben. Mein Traum war es gewesen, ein Buch zu schreiben, vielleicht als Ghostwriter für die Memoiren eines Gangsters. Und nun produzierte ich am Fließband kleine Artikel über häusliche Gewalt, Prügeleien unter Alkoholeinfluss, sexuelles Fehlverhalten und so weiter und so fort. Die Zeitung bezahlte mir kein Festgehalt, sondern entlohnte mich pro Text. Wenn also nichts vorfiel oder wenn die Polizei wieder mal eine Initiative startete, um die Leute davon abzuhalten, für alles Mögliche die Gerichte zu bemühen, bekam ich kein Geld. Ich konnte zwar meine Arbeitszeiten selbst bestimmen, und ich hatte noch immer die Möglichkeit, die besseren Storys an die großen Zeitungen zu verschachern, trotzdem war es noch gar nicht so lange her, da hatte ich einen viel größeren Handlungsspielraum gehabt.

Aber ich wusste, Laura hatte recht. So war für ein regelmäßiges Einkommen gesorgt und gleichzeitig für stabile häusliche Verhältnisse. Laura machte das Gleiche, indem sie nur am Tag arbeitete und keinen Schichtdienst übernahm. Auf diese Weise waren wir beide abends zu Hause, und der Richter hätte nichts zu bemängeln, wenn das Sorgerechtsverfahren begann.

Ich sah mich im Gerichtssaal um, der bis auf den Anklagevertreter noch menschenleer war. Der sortierte einen Berg Akten, um für den morgendlichen Ansturm gewappnet zu sein. Die Verteidiger würden in Kürze eintrudeln und nach den Unterlagen für die Mandanten fragen, an die sie über Nacht gekommen waren.

»Ist irgendwas Brauchbares für mich dabei?«, fragte ich.

Der Staatsanwalt drehte sich um. »Hm?«

Er war noch einer von der alten Garde. Wenn er gut gelaunt war, brachte er einiges zustande, aber an den meisten Tagen kämpfte er sich nur durch den Schmutz von Blackley.

»Ob es was Nennenswertes zu berichten gibt, wollte ich wissen«, erwiderte ich. »Ich bin nicht hier, weil mir Ihr Anzug so gut gefällt.«

Das ließ ihn ganz schwach lächeln. »Nur das Übliche. Wir haben einen Lehrer, der unter Alkoholeinfluss Auto gefahren ist und auf dem Heimweg von der Schule einen Unfall gebaut hat, wenn das was taugt.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. Wieder ein Ruf ruiniert, doch das war das Problem dieses Lehrers. Wie ich mein Haus abbezahlte, war dagegen mein Problem.

»Aber freuen Sie sich nicht zu früh«, warnte mich der Staatsanwalt. »Mick Boreman verteidigt, und sie werden nicht auf schuldig plädieren.«

»Zu sehr Mittelklasse, als dass er schuldig sein könnte?«, hakte ich nach.

»Ja, so was in der Art.«

Ich atmete aus und lehnte mich zurück. Solange es kein Urteil gab, konnte ich darüber nichts Größeres schreiben. So reichte es gerade mal für eine Kurzmeldung, in der Name und Beruf genannt wurden, und das war’s dann auch schon.

Während ich darauf wartete, dass die Verhandlungen begannen, musste ich wieder an Mr und Mrs Goode denken. War es richtig von mir gewesen, deren Bitte abzulehnen? Die Suche nach Sarah wäre eine willkommene Abwechslung vom Alltagstrott, und es könnte ein guter Artikel dabei herausspringen, den ich für den Fall vorbereiten konnte, dass sie gefasst und verurteilt wurde. Doch dann fielen mir die Rechnungen ein, die am Morgen mit der Post gekommen waren. Ich war auf diese kleinen Geschichten aus dem Gerichtssaal angewiesen, damit wir den Rechnungen immer einen Schritt voraus waren. Und wenn Geoff diesen Sorgerechtsstreit tatsächlich durch alle Instanzen trieb, dann würden Lauras Anwälte uns auch noch den letzten Rest abnehmen, den wir hatten – den und noch ein bisschen mehr.

Ich ließ meinen Kugelschreiber schneller auf meine Hand schlagen.

Die Zukunft der Familie stand im Grunde schon fest.

Alles, was ich jetzt schrieb, würde erst lange nachdem über das Sorgerecht entschieden war, veröffentlicht werden, und wenn heute im Gericht ohnehin nichts Wichtiges anstand, dann konnte ich mir Sarahs Fall zumindest einmal ansehen. Vielleicht stieß ich dabei ja auf etwas, was eine Schlagzeile wert war. Schreiben konnte ich den Artikel spät am Abend, wenn Laura bereits schlafen gegangen war.

Ich spürte, wie sich leichte Schuldgefühle in mir regten, als ich an Laura dachte, doch die schob ich gleich wieder zur Seite ... vielleicht etwas zu schnell. Aber ich war Reporter, und mein Job war es, Geschichten zu verkaufen.

Ich steckte den Notizblock weg und verließ in aller Eile den Gerichtssaal.

Kapitel 6

Sarah Goode schnappte nach Luft, während sie sich in dem beengten Raum umsah. Zu allen Seiten war sie von steinernen Wänden umgeben. In der einen Wand war eine Art Zellentür eingelassen. Der Raum war nur wenige Quadratmeter groß, und es gab kein Fenster, nirgends. Der Boden bestand aus festgestampftem grobkörnigen Sand.

Sie sah zur Decke, zuckte zusammen, und schirmte die Augen ab. Die Deckenlampen waren so hell wie Autoscheinwerfer, gleißend helle Halogenleuchten, die auf höchster Stufe strahlten und sich in ihre Netzhäute brannten.

Sie versuchte, die Beine zu strecken, doch weil sie so verkrampft gelegen hatte, erwies sich das als schmerzhaftes Unterfangen. Sie wusste, sie musste etwas tun, um ihre Durchblutung wieder in Gang zu bringen. Sie humpelte zur Wand und schlug mit den Fäusten gegen die Steine, die sich als so massiv erwiesen, dass sie das dumpfe Geräusch der Schläge zurückwarfen.

Schließlich suchte sie alle Mauern danach ab, ob sich irgendwo eine Schwachstelle entdecken ließ, aber nicht ein Stein saß auch nur annähernd locker. Sie wandte sich der Tür zu, einer schiefen alten Holztür, die auf der anderen Seite mit einem Riegel verschlossen war. Sie wusste von dem Riegel, weil sie hörte, wie er auf- und zugeschoben wurde, wenn der Mann zu ihr in diesen Raum kam. Dass es sich bei der Person um einen Mann handelte, hatte sie an seinem harten Husten ebenso erkannt wie an dem kehligen spöttischen Lachen, als er sie in die Kiste gesperrt hatte.

Sie schaute in eine Ecke des Raums. Die Kiste stand noch da; sie war auf der einen Seite geöffnet, auf der sie vor gar nicht so langer Zeit herausgekrochen war. Abrupt wandte sie den Blick ab und sah wieder zu den Deckenlampen, schirmte aber diesmal ihre Augen vorsorglich gegen das gleißenden Licht ab. Würden die Lampen ununterbrochen eingeschaltet bleiben? Sie sprang in die Höhe und versuchte, eine von ihnen zu zerschlagen, damit das Licht nicht ganz so grell wäre, doch die Decke war zu hoch oben. Der grobe Sand, der sich in ihre Fußsohlen schnitt, schmerzte sie bei der Landung.

Sarah setzte sich hin und legte die Hände vors Gesicht. Warum war sie hier? Was hatte sie verbrochen? Warum sie?

Verzweifelt begann sie, an ihren Haaren zu zerren, und sie wollte zu schreien beginnen, doch dann horchte sie auf. Mit einem Mal konnte sie das Summen eines Lautsprechers vernehmen. Wieder schirmte sie die Augen ab, und diesmal erkannte sie jenseits der grellen Leuchten die großen, dunklen Konturen mehrerer Lautsprecher.

Reglos saß sie da und wartete, was als Nächstes geschehen würde. Plötzlich ertönte ein Geräusch aus den Lautsprechern, so schrecklich laut, dass sie sich die Ohren zuhalten musste. Es war das Geräusch eines Herzschlags, eines schnellen, ängstlichen Herzschlags, ein unerbittliches Pochen, das von allen Seiten von den Wänden zurückgeworfen wurde.

Sie presste die Hände fester auf ihre Ohren und schrie in dem Bemühen, das Geräusch zu übertönen, doch das half nichts. Stattdessen drangen die Schallwellen bis in ihr Innerstes und veranlassten ihr eigenes Herz dazu, schneller zu schlagen. Ihr Blick fiel auf die Kiste. Vielleicht wäre der Lärm dort etwas gedämpfter.

Nein, sie konnte nicht dorthin zurückkehren, das wusste sie ganz sicher. Ihr Leben war bisher ganz normal verlaufen, aber die Tage in dieser Kiste sorgten schon jetzt dafür, dass dieses Leben niemals wieder so sein würde, wie sie es einmal gekannt hatte.

Kapitel 7

Laura McGanity stellte die Handtasche auf ihrem Schreibtisch ab und ließ sich auf ihren Bürostuhl plumpsen, dann lehnte sie sich zurück und schloss für ein paar Sekunden die Augen.

»Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchstehen werde«, sagte sie mehr zu sich selbst.

Pete Dawson grinste sie an. »Sag bloß, dir ist das nicht aufregend genug, das Tonbandgerät einzuschalten und einen Berg Formulare auszufüllen.«

Sie sah ihn an, betrachtete sein kurz geschnittenes Haar und die Narbe über dem Auge, ein Überbleibsel aus seiner Zeit beim Sondereinsatzkommando. »Nimm’s mir nicht übel, Pete, aber du siehst nicht gerade aus wie der nette Briefkastenonkel, dem man sich anvertrauen möchte.«

Pete lachte. Er war Lauras Partner, seit sie nach Blackley gekommen war, ein sturköpfiger Detective vom alten Schlag, der den neuen Ansatz der Polizei, die Aufgaben in Gremien und Arbeitsgruppen anzugehen, noch immer nicht akzeptiert hatte. Laura mochte ihn für diese Haltung. Wenn Pete in seiner Zeit bei der Polizei eine Sache gelernt hatte, dann die, dass Kriminelle erbarmungslos und verlogen waren und wenig Mitleid mit denjenigen hatten, die durch ihr Verhalten zu Schaden kamen. Daher ließ Pete sie gerne wissen, was er von ihnen hielt. Manchmal begnügte er sich damit, ihnen in einer dunklen Straße ein paar deutliche Worte zuzuraunen. In erster Linie jedoch zeigte er es durch ein ebenso erbarmungsloses Auftreten, mit dem er den Kriminellen signalisierte, dass es für sie Zeit wurde, das Weite zu suchen, sollten sie auf die Idee kommen, sich ihn zum Feind zu machen.

»Du hast dir das selbst eingebrockt«, sagte er. »Du wolltest feste Arbeitszeiten.«

Sie rieb sich die Augen. »Wenn das das Einzige wäre.«

»Wenn du dir was von der Seele reden willst«, meinte er, »dann hast du zehn Minuten Zeit. Die Zellen sind nämlich voll, und wenn wir je wieder Tageslicht sehen wollen, dann sollten wir uns bald den Ersten von ihnen vorknöpfen.«

»Davon spreche ich doch gar nicht«, entgegnete Laura kopfschüttelnd und drehte sich um, als sie im Flur Gelächter hörte. Es war die Mordkommission, die man wegen des Mordes an Luke Howarth zusammengestellt hatte und die momentan Jagd auf Sarah Goode machte.

»Es geht nicht nur um das Sorgerecht für Bobby, oder?«, fragte er. »Oder um Jack?«

»Wie meinst du das?«

Pete deutete auf die Tür. »Ich dachte schon, ich würde dir vielleicht langsam zum Hals raushängen, aber mittlerweile habe ich so ein Gefühl, dass du bei dem Fall gern mit von der Partie wärst.«

Einen Moment lang schwieg Laura. Es ging nicht nur darum, dass sie sich ausgeschlossen fühlte. Es ging um Jack und Bobby, um ihr Zuhause, um Geoff und den Sorgerechtsstreit und darum, dass ihr London fehlte. Nichts davon vertraute sie jedoch Pete an, stattdessen atmete sie tief durch und zwang sich zu einem Lächeln. »Du hast mich durchschaut, Pete. Vielleicht sollten wir schnell mit den Verhören anfangen, wenn deine Spürnase gerade so in Hochform ist.«

»Mit denen würdest du nicht wirklich etwas zu tun haben wollen«, entgegnete er. »Deren Hosen haben viel zu ordentliche Bügelfalten.«

»Beurteilst du Menschen nach ihren Bügelfalten?«

»Das ist eine von vielen möglichen Methoden.«

Laura seufzte. »Wer ist unser erster Kandidat?«

Pete warf einen Blick auf die Papiere. »Schlägerei im Trafalgar. Jemandem hätte fast ein Auge verloren.«

»Soll das ein Witz sein?«

»Es ist vielleicht noch nicht mal ein Fall«, gab Pete zurück. »Wir haben den Kerl, der es war, aber niemand will eine Aussage machen, nicht einmal das Opfer selbst.«

»Lass mich raten«, sagte sie lächelnd. »Es ging bei dem Streit um eine Frau, und das Opfer ist verheiratet.«

»Und dann erzählst du mir, ich sei hier der Spitzendetective«, brummte Pete und stand auf. »Komm, schmeißen wir das Tonbandgerät an und lassen uns überraschen.«

***

Ich saß im Wagen und beobachtete die Umgebung.

Nach ein paar Telefonaten mit meinen üblichen Kontaktpersonen hatte ich die Adresse herausgefunden, und nun befand ich mich vor Sarah Goodes Haus in Blackley, dem Schauplatz des Verbrechens. Es lag auf halber Höhe an einem steilen Hügel, und nichts erschien mir hier in irgendeiner Weise außergewöhnlich. Die lange, schnurgerade Straße wurde hin und wieder von Querstraßen unterbrochen, was eine Mutprobe für jeden bedeutete, der auf diesem Weg die Staus im Stadtzentrum zu umgehen versuchte. Die Häuserfassaden bestanden aus den traditionellen lasierten roten Ziegelsteinen, die um die Türrahmen herum weiß gestrichen waren. Es gab keine Vorgärten, sodass man gleich auf dem Fußweg stand, wenn man das Haus verließ. Die Steigung war so stark, dass ich den Kopf nur ein wenig schräg legen musste, um es so aussehen zu lassen, als würde die Straße von umgekippten Dominosteinen gesäumt.

Ich sah mich um, weil ich mir ein Bild von der Nachbarschaft machen wollte. Plötzlich spürte ich, wie die Fensterscheiben meines Wagens zu vibrieren begannen, und dann hörte ich auch schon R’n’B-Musik, die viel zu laut aus billigen Lautsprechern dröhnte. Augenblicke später fuhr ein Wagen an mir vorbei, besetzt mit jungen Pakistanis, die mich alle argwöhnisch beäugten. Die hiesige Pakistani-Gemeinde war in den Sechzigern entstanden, als die Baumwollfabriken Arbeiter für die Nachtschichten benötigten, an denen die zu neuem Wohlstand gekommene weiße Arbeiterschicht wenig Interesse hatte. Also holten sie Asiaten her, die nachts arbeiteten, während die Weißen tagsüber in die Fabrik gingen. Als die Fabriken geschlossen wurden, mussten sich beide Parteien damit abfinden, keine Jobs mehr zu haben.

Ein Stück entfernt stand eine Gruppe Frauen, die mich ebenfalls beobachteten. Der Wind ließ ihre Seidenhosen flattern und wehte ihnen die Kopftücher ins Gesicht. Ich machte ein paar Fotos. Vielleicht ließ sich hier ja ein Ansatzpunkt für eine Story finden. Wie Sarah zur Mörderin wurde – Analyse eines Kapitalverbrechens in einer Kleinstadt. Truman Capote für den industriellen Norden. Ich konnte die Ermittlungen verfolgen und darüber schreiben, um auf diese Weise die Anwälte zu bezahlen. Und es wäre eine bessere Story als das, was ich normalerweise Tag für Tag bei meiner Zeitung ablieferte.

Sarahs Haus stand ruhig und verlassen da. Die Bastjalousien waren an allen Fenstern heruntergelassen, sodass kein Geheimnis enthüllt werden konnte. Ich beschloss, das Viertel erst einmal zu verlassen. Unmittelbar nach dem Fund der Leiche hatte es hier von Reportern gewimmelt, und nicht jeder von ihnen hatte sich von seiner höflichen Seite gezeigt. Wenn einem die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde, dann gab es nicht viel, worüber man berichten konnte.

Ich schaute auf meine Armbanduhr und überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Plötzlich bemerkte ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Ich stieg aus und näherte mich dem Haus. Es sah noch immer so aus wie vor ein paar Minuten, verlassen und kalt, alle Jalousien waren geschlossen.

Dann bemerkte ich die Bewegung abermals. Im vorderen Zimmer. Es war nur ein Finger, der die Lamellen ein klein wenig auseinanderdrückte. Jemand beobachtete mich.

Kapitel 8

Inspector Lucas schaute auf den Boden, während er durch die Station geführt wurde. Der Geruch nach Desinfektionsmitteln und Krankheit war ihm vertraut, aber es war das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das ihn wegsehen ließ. Die Station bestand aus einer Reihe von Krankenzimmern mit je vier Betten, die Patienten waren alle alt und stierten desinteressiert vor sich hin. Er selbst war jenseits der fünfzig. Wie lange noch, bis ihn ein solches Schicksal ebenfalls ereilte?

Ihm fiel auf, dass die Krankenschwester stehen geblieben war und auf eines der Zimmer deutete. Alle Betten waren mit weiblichen Patienten belegt, doch Abigail erkannte er sofort an ihrem frischen Verband. Er folgte der Schwester ins Zimmer, wo ihn niemand beachtete. Abigail schlief.

»Wie geht es ihr?«, fragte er.

»Die Schnittverletzungen an den Beinen wurden genäht, und ihre Verbrennungen sind nicht allzu ernst«, erwiderte die Schwester mit leiser Stimme. »Größtenteils oberflächlich. Aber sie hat einen Schock erlitten, und wir sind um ihre Sehkraft besorgt.«

»Wie meinen Sie das?«

»Ein Stück von dem Objekt, das explodiert ist, hat ihre Augen getroffen. Das rechte hat nur eine Prellung abbekommen, aber auf dem linken könnte sie erblinden.«

Rod wollte ihr nicht sagen, dass es Abigails zerfetzte Katze gewesen war, die ihr ins Gesicht geflogen war.

»Ich werde hier warten«, sagte er.

»Das kann noch eine Weile dauern«, warnte sie ihn. »Und ich möchte nicht, dass Sie ihr Fragen stellen, solange sie noch nicht bereit ist.«

»Das werde ich nicht tun«, versicherte er ihr und nickte zur Bekräftigung.

Im ersten Moment war die Schwester unschlüssig, doch als er ihr verständnisvoll zulächelte, lenkte sie ein und ließ ihn allein bei den Patientinnen zurück.

Rod zog einen Stuhl heran und setzte sich zu Abigail ans Bett.

Abigail sah nicht so aus, wie er es erwartet hätte. Er wusste, sie war achtundsechzig Jahre alt, also hatte er mit einer grauhaarigen, fahlen Frau gerechnet. Ihr krauses Haar war jedoch schwarz gefärbt, sodass man nur einen grauen Ansatz erkennen konnte. Sie trug es nach hinten gekämmt, und jetzt lag es wild zerzaust auf dem Kissen ausgebreitet. An fast jedem Finger trug sie einen Ring, die langen Nägel waren lila lackiert. Obwohl ein Auge verbunden war, konnte Rod erkennen, dass sie um beide Augen herum Prellungen davongetragen hatte. Die Decke lag nicht auf ihren Beinen, und er konnte die Verbände sehen.

Er musterte ihre Hände genauer. Ein paar Schrammen waren zu erkennen, doch seine Aufmerksamkeit galt etwas anderem – einem Ring an ihrer rechten Hand, der ein schreiendes Gesicht in Silber auf schwarzem Untergrund zeigte. Dieses Motiv war ihm schon einmal begegnet, aber er konnte sich nicht daran erinnern, wann und wo.

»Abigail?«, flüsterte er, um festzustellen, ob sie schon wach war. Keine Reaktion. »Abigail«, versuchte er es noch einmal. Wieder nichts.

Er lehnte sich auf seinem Stuhl nach hinten. Manchmal bestand die Kunst, ein guter Polizist zu sein, darin, sich in Geduld zu üben.

***

Ich klopfte an Sarahs Haustür an. Die Frauen an der nächsten Ecke sahen wieder zu mir, dann plapperten sie drauflos. Ich wartete, doch im Haus rührte sich nichts.

Wieder klopfte ich, diesmal hartnäckiger, und schließlich konnte ich ein Geräusch hören. Dann wurde die Tür geöffnet, und ich lächelte freundlich, was aber keine Wirkung zeigte.

Vor mir stand eine dunkelhaarige Frau Anfang zwanzig in Jeans und weitem T-Shirt. Ihr Haar trug sie kurz geschnitten, sodass ihr hübsches Gesicht betont wurde, so blass wie Porzellan, mit hohen Wangenknochen und leuchtenden nussbraunen Augen.

»Ja?«, fragte sie knapp.

In Windeseile ging ich das durch, was ich über Sarah in Erinnerung hatte. Ihre Untermieterin, eine Studentin, hatte den Ermordeten gefunden. Es dauerte einige Sekunden, ehe mir ihr Name einfiel, aber es geschah gerade noch rechtzeitig, bevor sie die Tür zuschlug.

»Katie Gray?«, fragte ich.

Zuerst kam keine Antwort, dann reagierte sie mit einer verhaltenen Gegenfrage: »Wer will das wissen?«

»Mein Name ist Jack Garrett«, erwiderte ich lächelnd in dem Bemühen, ihr Vertrauen zu gewinnen. »Ich bin Reporter.«

»Hatte ich mir schon gedacht.«

»Ich interessiere mich für Sarah Goode«, fuhr ich fort.

»Hatte ich mir auch schon gedacht«, knurrte sie, aber ich konnte sie gerade noch davon abhalten, die Tür zu schließen.

»Sarahs Eltern haben mit mir Kontakt aufgenommen. Sie wollen, dass ich über ihre Tochter schreibe.«

Die junge Frau hielt inne.

»Ich habe gehört, dass sie hier gewohnt hat«, redete ich weiter, um sie in ein Gespräch zu verwickeln.

»Sie wohnt immer noch hier.« Ihr Ton war nicht mehr ganz so feindselig wie gerade eben noch.

»Ihre Eltern wollen nur, dass sie gefunden wird, weil sie ihr helfen möchten. Und weil sie wissen möchten, ob es ihr gut geht.« Ich sprach mit leiser, ruhiger Stimme und ließ meine Hand weiter auf dem Türgriff liegen.

»Können Sie sich ausweisen?«, fragte sie.

Ich griff in meine Tasche und fand eine Visitenkarte, die ich ihr überreichte. Wie sollte sie mich jetzt noch wegschicken?

Sie sah kurz mich an und dann wieder auf die Karte. »Okay, Mr Garrett, dann kommen Sie besser rein«, sagte sie und machte kehrt.

Ich folgte ihr in einen schmalen, muffigen Flur, der durch das Oberlicht über der Tür ein wenig Licht bekam. Katie führte mich in ein Zimmer im hinteren Teil des Hauses, das mit seinen alten Sofas und den Familienfotos an den Wänden zum Entspannen einlud. Auf dem Weg dorthin warf ich einen Blick in das erste Zimmer, das deutlich besser eingerichtet war und über einen alten schwarzen Kamin verfügte. Durch die Bastjalousien war alles in mattes Licht getaucht.

»Möchten Sie was trinken? Kaffee? Tee?«, wollte Katie wissen.

Ich entschied mich für einen Kaffee, der ein guter Vorwand war, um wenigstens eine Viertelstunde bleiben zu können. Katie verschwand in die Küche, einen langen, schlauchartigen Raum mit Aussicht auf einen betonierten Hinterhof.

»Wie lange wohnen Sie denn schon hier?«, fragte ich, während mir eines der gerahmten Fotos an der Wand ins Auge fiel. Es sah aus wie ein Stammbaum, dessen Äste sich ausbreiteten, doch was meine Aufmerksamkeit auf sich zog, das war ein Symbol ganz oben, das an ein Gesicht mit leeren Augen und weit aufgerissenem Mund erinnerte.

»Ich dachte, Sie wollten über Sarah reden?«, rief Katie mir von nebenan zu.

»Das will ich auch, aber Sie gehören ebenfalls zur Story«, entgegnete ich, als Katie vor mir stand.

»Nein, das tue ich nicht«, widersprach sie mir und reichte mir eine Tasse.

Ich nahm Platz und merkte, wie ich langsam in die durchgesessene alte Couch einsank. »Sie haben Luke gefunden, und damit gehören Sie auch zur Story.«

Sie setzte sich in einen Sessel, dachte einen Moment lang nach und zog die Beine auf die Sitzfläche, dann trank sie einen Schluck und sah mich über den Rand der Tasse hinweg an. »Und was wollen Sie wissen?«

»Die ganze Geschichte«, erwiderte ich.

Sie ließ sich Zeit, von ihrem Kaffee zu trinken, dann sagte sie: »Wenn Sie die Zeitungen gelesen haben, werden Sie den größten Teil längst wissen. Sarah ist Lehrerin, und ohne einen Untermieter hätte sie das Haus nicht bezahlen können. Sie hatte am Schwarzen Brett einen Zettel aufgehängt, daraufhin habe ich mich bei ihr gemeldet.«

Ich nickte, lächelte und mimte den interessierten Journalisten, und mit verständnisvollen Blicken täuschte ich Mitgefühl vor. Mir fiel auf, dass ihre Körpersprache nicht mehr ganz so abweisend war, außerdem klang ihre Stimme etwas leiser. »Dann darf ich also davon ausgehen, dass Sie tatsächlich Katie Gray sind«, sagte ich.

Nach einem Moment ließ sie zum ersten Mal ein echtes Lächeln erkennen, und in ihren Augen war ein Funkeln zu sehen.

»Sie haben die Zeitungen gelesen«, stellte sie fest.

»Das ist mein Job«, antwortete ich. »Was studieren Sie?«

»Geschichte.« Sie hielt die Tasse mit beiden Händen fest, während sie mich ansah. Mit einem Mal wirkte sie viel jünger und verwundbarer. »Wenn Sie die Zeitungen gelesen haben, dann kennen Sie die Story«, meinte sie. »Sie müssen also hinter irgendetwas anderem her sein.«

»Sarahs Eltern wollen nur, dass ich ihre Tochter finde«, erklärte ich mit einem Schulterzucken. »Sie sind davon überzeugt, dass sie mit dem Tod ihres Freundes nichts zu tun hat, doch das kann nur bewiesen werden, wenn Sarah wieder nach Hause kommt.«

Katie nickte, während sie mir zuhörte.

»Ich weiß, wie Luke gestorben ist«, fuhr ich fort, »und ich kann mir gut vorstellen, was die Polizei davon hält, aber ich muss mehr herausfinden.«

Bedächtig stellte sie ihre Tasse auf den Boden und beugte sich vor. In ihren Augen war der Widerschein eines Gefühls zu sehen ... Traurigkeit? Einsamkeit?

»Wo haben Sie bislang nach ihr gesucht?«

»Ich habe hier mit Ihnen angefangen.«

»Und wo wollen Sie sich noch umsehen?«, fragte sie.

Als sie das sagte, musterte ich sie sehr wachsam. Sie schien daran interessiert zu sein, wo ich mich aufhielt, und ich überlegte, welchen Grund es dafür geben sollte.

»Dort, wohin die Fakten und Erkenntnisse mich führen«, antwortete ich ausweichend.

»Wie geht es Sarahs Eltern?«, wollte Katie wissen.

»Wie gut kennen Sie sie?«

»So gut wie gar nicht. Ich bin nur die Untermieterin.«

Ich dachte zurück an das Zusammentreffen in Sams Büro. »Sie pendeln irgendwo zwischen Verzweiflung und Trauer«, sagte ich.

Katie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und fragte dann: »Was wollen Sie wissen?«

»Erzählen Sie mir einfach von Sarah«, bat ich sie.