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Wer das Glück sucht, muss kreativ sein: Der spritzige Liebesroman »Wo ein Traummann ist, ist auch ein Weg« von Hailey North jetzt als eBook bei dotbooks. Was in Las Vegas passiert, bleibt in Las Vegas … jedenfalls behaupten das alle. Dummerweise hat Meg in der schillernden Wüstenmetropole aber viel zu kurzentschlossen einen faszinierenden Fremden geheiratet. Schon drei Tage nach der Trauung fällt sie aus allen Wolken, als sie erfährt, dass ihr neuer Gatte bei weitem nicht der Traummann ist, für den sie ihn gehalten hat und auch vor kriminellen Machenschaften nicht zurückschreckt. Während sich Meg noch fragt, warum sie ausgerechnet das schwarze Schaf der sonst so liebenswerten Familie heiraten musste, erwachen in ihr ungeahnte Gefühle – denn Parker, der Bruder ihres Mannes, fasziniert sie vom ersten Augenblick an, weil seine einfühlsame Art so gar nicht zu seinem Ruf als rücksichtsloser Unternehmer passt … Welches Geheimnis verbirgt er möglicherweise vor Meg – und darf man eigentlich seinen Schwager küssen? »Temporeich und witzig – an diesem Buch stimmt einfach alles!« Lexington Herald Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die romantische Komödie »Wo ein Traummann ist, ist auch ein Weg« von Hailey North – der zweite Band ihrer locker zusammenhängenden New-Orleans-Reihe über die Fallstricke der Liebe. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 407
Über dieses Buch:
Was in Las Vegas passiert, bleibt in Las Vegas … jedenfalls behaupten das alle. Dummerweise hat Meg in der schillernden Wüstenmetropole aber viel zu kurzentschlossen einen faszinierenden Fremden geheiratet. Schon drei Tage nach der Trauung fällt sie aus allen Wolken, als sie erfährt, dass ihr neuer Gatte bei weitem nicht der Traummann ist, für den sie ihn gehalten hat und auch vor kriminellen Machenschaften nicht zurückschreckt. Während sich Meg noch fragt, warum sie ausgerechnet das schwarze Schaf der sonst so liebenswerten Familie heiraten musste, erwachen in ihr ungeahnte Gefühle – denn Parker, der Bruder ihres Mannes, fasziniert sie vom ersten Augenblick an, weil seine einfühlsame Art so gar nicht zu seinem Ruf als rücksichtsloser Unternehmer passt … Welches Geheimnis verbirgt er möglicherweise vor Meg – und darf man eigentlich seinen Schwager küssen?
»Temporeich und witzig – an diesem Buch stimmt einfach alles!« Lexington Herald
Über die Autorin:
Hailey North arbeitete als Anwältin, bis sie schließlich ihre wahre Leidenschaft entdeckte und als Autorin heiterer Liebesromane große Erfolge feiern konnte. Sie lebt gemeinsam mit ihrem Mann, ihrem Hund und ihren drei Katzen in Louisiana.
Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre locker zusammenhängende »New Orleans Love«-Reihe mit den Bänden »Ein Mann gegen alle Sorgen«, »Träumerin sucht Mann fürs Leben« und »Wo ein Traummann ist, ist auch ein Weg«. Außerdem erscheint bei dotbooks ihr romantischer Kleinstadtroman »Arkansas Dreams – Ein Tierarzt zum Verlieben«.
Die Website der Autorin: www.haileynorth.com/
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eBook-Neuausgabe Dezember 2022
Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1999 unter dem Originaltitel »Pillow Talk« bei Avon Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Kissengeflüster« bei Goldmann, München.
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1999 by Hailey North
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2001 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von Motiven von Marish / shutterstock.com und lilett / Adobe Stock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)
ISBN 978-3-98690-429-6
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Hailey North
Wo ein Traummann ist, ist auch ein Weg
Roman
Aus dem Amerikanischen von Eva Kornbichler
dotbooks.
Für den Mann, der das Eis brach.
»T-tot?« Margaret ‒ »Nennen Sie mich doch bitte Meg!« ‒ McKenzie Cooper Ponthier fühlte, wie ihre Stimme sich hob. Die Wolljacke, nach der sie gegriffen hatte, um ihr dünnes Satinunterhemd zu bedecken, sank in ihren Schoß, und sie starrte den Fremden mit den dunklen Augen, der ihr Hotelzimmer mit einem Schlüssel in der Hand betreten hatte, mit offenem Mund an. »Jules ist tot?«
Der Mann nickte mit grimmig verzogenem Mund.
Meg tastete nach dem Hotel-Morgenrock, den sie neben dem Bett hatte fallen lassen, als sie vorhin angefangen hatte, die Kleider auszuprobieren, die Jules gestern von Saks, dem ersten Damenausstatter vor Ort, für sie herüberschicken ließ. Sie verknotete ihren Gürtel und stand dann von dem riesigen Doppelbett auf, in dem sie die letzte Nacht allein verbracht hatte, nachdem Jules sie in diesem Zimmer untergebracht hatte und dann verschwunden war.
»Beantworten Sie mir bitte zwei Fragen«, begann sie und richtete sich zu ihren vollen ein Meter neunundfünfzig auf, »wer sind Sie, und woher wissen Sie, dass er tot ist?«
Ein dunkler Schatten fiel über das Gesicht des Mannes. Er presste seine Fäuste zusammen, und Meg wusste, dass er die Wahrheit sagte. Dieser Mann hatte das Antlitz des Todes gesehen. Sie schluckte und fingerte am Knoten ihres Morgenrocks herum.
Er kam näher. Mit einem unheilvollen Ausdruck in seinen dunklen Augen nahm er die zerknüllte Bettdecke und die Kleiderschachteln von Saks wahr und ließ dann seinen durchdringenden Blick langsam über sie schweifen, von den nackten Füßen über ihre Waden bis zu ihrem weißen Frotteemantel, über das Lockengewirr ihrer langen, braunen Haare bis zu ihrem Mund.
Meg hatte das Gefühl, er könne durch den Morgenrock hindurch das Satinunterhemd und den dazu passenden Slip sehen, den sie anprobiert hatte, bevor er hereinkam. Sie wollte ihn gerade auffordern, ihr Zimmer zu verlassen, da sagte er: »Jules hat immer etwas für sein Geld bekommen.«
»Und was wollen Sie damit sagen?« Meg reagierte eher alarmiert als beleidigt. Hatte Jules irgendjemandem erzählt, wozu er Meg angeheuert hatte? »Ich frage Sie noch einmal, wer Sie sind!«
»Warum denn? Lassen Sie sich von Ihren Kunden immer den Ausweis zeigen, bevor Sie kassieren?«
»Wie bitte?«
Der Mann zuckte die Schultern und zog eine lederne Börse hervor. »Wie ich Jules kenne, hat er Sie nicht bezahlt, als er ging. Was schuldet er Ihnen?« Er zog eine Hundertdollarnote hervor. »Zwei? Drei?«
Meg starrte die Scheine an. Dieser Mann hielt sie für eine Hure! Bei dieser absurden Vorstellung musste sie lachen, und dieser Drang verstärkte sich noch, als sie sich seine Reaktion vorstellte, wenn sie sagen würde »Zwanzigtausend Dollar«.
Anstatt zu antworten, griff sie nach dem Telefonhörer. »Wenn Sie dieses Zimmer nicht auf der Stelle verlassen, rufe ich den Sicherheitsdienst.«
»Sieh mal, Süße, der Spaß ist vorbei. Der Goldesel ist fort.« Mehrere Scheine flatterten aus seiner Hand auf das Bett. »Zieh dich an und verschwinde. Nimm von mir aus diese neuen Kleider alle mit, das ist mir egal.« Die Schultern des Mannes sanken herab, und Trauer ließ seine Gesichtszüge weicher werden. »Dein Schatz kommt nie mehr zurück.«
Meg bemerkte seinen Kummer und fragte noch einmal, diesmal in weniger forschem Ton: »Wer sind Sie?«
Er war zu der Couch auf der anderen Seite des großen Raumes gegangen. Über die Schulter sagte er: »Wenn du es unbedingt wissen willst, ich bin Jules’ Bruder.«
Sein Bruder. Meg hob die Hand an den Mund, um eine Antwort zu ersticken. Ihre Reaktion hätte nicht heftiger sein können, wenn er gesagt hätte, er sei der Teufel höchstpersönlich. Aber es war tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit vorhanden. Jules war schlanker, fast mager, und dieser Mann war kräftig gebaut, mit breiten Schultern, und sein Verhalten drückte Zielstrebigkeit aus. Jules trug unter seinem Jackett Polohemden und sportliche Hosen; dieser Mann trug ein untadeliges weißes Hemd mit dunkler Krawatte zu seinem teuren Anzug.
Es klopfte an die Tür, und der Mann rief gleichzeitig mit Meg: »Herein.«
Ein Hotelangestellter in Uniform, der unter einem mit rotem und grünem Zellophan geschmückten, riesigen Korb fast zusammenbrach, kam herein. »Entschuldigen Sie, Missus Ponthier«, sagte er, »aber der Hoteldirektor lässt Ihnen und Mr. Jules diesen Korb mit seinen Glückwünschen überreichen.«
Meg starrte den Korb an, voller Bewunderung für die Magnum-Flasche Champagner, die zwischen Pralinen und schön polierten Früchten eingebettet lag. Glückwünsche? Glückwünsche für eine Ehe, zu der sie sich in ihrer Verzweiflung hatte »anheuern« lassen. Sie musste mit aller Kraft ihre Familie retten, nachdem ihr Gatte vor einem Jahr völlig unverhofft gestorben war und sie entdecken musste, dass er sie in einem finanziellen Chaos zurückgelassen hatte, das das Leben ihrer drei Kinder und ihr eigenes zu zerstören drohte.
Der Hotelangestellte trug den Korb zu einem niedrigen Tischchen vor der Couch und setzte ihn ehrfurchtsvoll ab. Als sie sich umblickte, sagte er: »Oh, Mr. Parker, Sir, ich habe Sie gar nicht gesehen, mit diesem riesigen Korb und so.«
»Clinton, nicht wahr?«
Der Angestellte nickte.
»Wie geht es Ihrer Mutter?«
Der Mann ließ den Kopf hängen und rieb mit dem Finger an einem Uniformknopf. »An manchen Tagen geht es ihr besser, Mr. Parker, und an manchen nicht so gut.«
Meg sah mit offenem Mund zu, als der Mann sein Portemonnaie nochmals hervorzog und dem Angestellten einen Schein in die Hand drückte. Jules hatte seinen Bruder als den geizigsten Mann der Welt beschrieben, aber hier zückte er zum zweiten Mal seine eigene Börse, um etwas zu bezahlen, für das eigentlich Jules zuständig war.
Als Jules sie überredet hatte, ihm bei seinen Plänen zu helfen, hatte er seinen Bruder als skrupellos, selbstsüchtig und rücksichtslos seinen eigenen Kopf durchsetzend beschrieben, was die Führung des Familienunternehmens betraf, egal, ob das für die Familie und für die Hunderte von Angestellten gut war. Und das hieß auch, dass er sich einem Kaufangebot widersetzte, das Jules von einem internationalen Konzern bekommen hatte und durch das die gesamte Familie der Ponthiers für die nächsten Generationen ausgesorgt hätte.
Der Bruder wusste, dass Jules tot war. Hatte er etwas damit zu tun?
Meg schauderte. Der Hotelangestellte lächelte und sagte mit leiser Stimme etwas zu dem Mann namens Parker. Sie hatte nicht mehr zugehört.
»… der Direktor hat es vom Nachtschicht-Barkeeper, und er hat es von Mr. Jules persönlich.«
Der Mann namens Parker antwortete: »Danke, Clinton, und vielen Dank auch an Mr. Stibbs für den Korb.«
Eindeutig entlassen, eilte Clinton zur Tür.
»Einen Augenblick!« Meg hasste es, an die Wand gespielt zu werden. Dieser Mann hatte das Geschenk für sie und ihren ‒ nun ja, ihren Gatten gebracht. Jules hatte sie auf dem Flug von Las Vegas darauf gedrillt, seine Familie davon zu überzeugen, dass sie aus guter Familie stammte und einer Ehe mit Jules würdig war.
Sie nahm einen der Hundertdollarscheine vom Bett auf und drückte ihn Clinton mit den Worten »Mit meinen besten Wünschen für Ihre Mutter« in die Hand.
»Gott segne Sie«, sagte er. »Ich hoffe, Mr. Jules weiß es zu würdigen, was für eine reizende Lady Sie sind.«
Mit einem Seitenblick auf Parker sah Meg, dass er ihr mit zynisch hochgezogener Augenbraue zusah, und ihre Nackenhaare sträubten sich.
Clinton verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.
Meg und Parker starrten einander über den Glückwunschkorb hinweg an.
Sie wartete auf eine Bemerkung von ihm. Himmel. Er musste doch genauso überrascht sein, auf eine neue Schwägerin zu stoßen, wie sie es war, den Bruder von Jules kennen zu lernen.
Eigentlich wollte sie aber nur eines von ihm hören, nämlich dass Jules nicht wirklich tot war.
»Bisschen arg übertrieben, oder?« Seine Stimme klang rau, und er dehnte seine Frage etwas zu sehr, sodass Meg sich unbehaglich fühlte. Sie musste an eine der vielen Klapperschlangen denken, die sich zwischen den Felsen in der Wüste um Las Vegas sonnten.
»Was meinen Sie damit?« Sie versuchte, nicht feindselig zu wirken; ihre momentane Situation war alles andere als angenehm. Als Ted damals gestorben war, hatte sie das Gefühl gehabt, als sei ihr der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Aber das jetzt!
Der Unterschied war, dass sie mit Ted elf Jahre lang verheiratet gewesen war.
Er wies auf den Korb. »Du und Jules. Er hat dem Barkeeper unten erzählt, dass er sich entschlossen habe, eine Familie zu gründen. Er hat sich vorher nie Gedanken gemacht, welchen Ruf die Frauen haben, wenn er sie in dieses Apartment bringt. Jedenfalls hat er nie irgendwelche dummen Geschichten erfunden.« Parker fuhr sich über das Kinn und betrachtete sie aus verengten Augen. »Was ist bei dir anders?«
Meg hätte ihm wegen seiner Arroganz und seiner Weigerung, die Geschichte zu glauben, am liebsten ins Gesicht geschlagen. Dann bemerkte sie, wie er seinen abschätzenden Blick über ihren Körper gleiten ließ und sie einordnete, wie sie in ihrem weißen Frotteemantel mit den Hotelschriftzeichen als einzigem Schutz dastand. Sogar ihre Füße waren nackt. Sie hob herausfordernd das Kinn.
Natürlich nahm er die Herausforderung an, arroganter Kerl, der er war.
»Jetzt wird mir klar, warum er einen gewissen Anstand wahren wollte«, sagte Parker und begann, das Band zu lösen, mit dem das Zellophan um den Korb gebunden war. »Du bist auf alle Fälle eine Kategorie besser als seine bisherigen Flittchen.«
»Was haben Sie gesagt?« Megs Stimme klang plötzlich frostig. Niemand sprach so mit ihr. In ihrer Jugend, als sie im Mädchenheim ihre Interessen wahren musste und als sie dann von Pflegeeltern zu Pflegeeltern weitergereicht wurde, hatte sie eine gewisse Zähigkeit und Härte gelernt, um sich zu schützen.
»Ich sagte ...« Er sah auf. »Sieh mal, wer immer du auch bist, es hat keinen Zweck, Theater zu machen. Mein Bruder ist tot. Ich habe ihn gerade im Beisein eines Polizeibeamten identifiziert.« Seine Schultern sanken herab, und das Band entglitt seinen Händen. »Ich kam hierher, in Jules’ Lieblingswohnung, weil ich einen Augenblick lang meine Ruhe haben und mich von meinem Bruder verabschieden wollte; also, warum packst du jetzt nicht deine Sachen zusammen und gehst, damit ich allein sein kann?«
Meg trat an den Korb heran und löste mit einem raschen Ruck das Band. Das Zellophanpapier öffnete sich. Sie war schon fast entschlossen gewesen, genau das zu tun, was Parker ihr nahe legte ‒ so schnell wie möglich diesen Raum zu verlassen und nach Las Vegas zurückzukehren. Mit den Hunderten von Dollar, die dieser arrogante Kerl auf das Bett geworfen hatte, hätte sie es gekonnt.
Aber sie hatte Clinton schon hundert Dollar gegeben. Und außerdem, wenn sie das Geld nähme, würde es so sein, als hätte sie es sich durch die eine Nacht mit Jules verdient.
Dieser Mann aber musste eine Lektion bekommen, und sie, Margaret ‒ »Nennen Sie mich bitte Meg!« ‒ McKenzie Cooper Ponthier, würde ihm diese Lektion erteilen.
Er sank auf die Couch und griff nach der Magnum-Flasche Champagner. Er drehte sie in seinen Händen, die die schwere Flasche anscheinend mühelos hielten, wie Meg bemerkte. »Er liebte Champagner«, sagte er und fuhr mit einem Finger über das Etikett.
»Ja, wirklich«, murmelte sie und wusste doch, dass Jules lieber Bourbon mit Wasser trank. Zumindest hatte er das im Pinnacle Casino an dem Abend getrunken, als er sie bat, ihn zu heiraten.
»Und Schokolade«, sagte Parker und zog ein in orangefarbenes Seidenpapier eingewickeltes Praline hervor.
Meg murmelte etwas Zustimmendes. Sie hatte keine Ahnung, was Jules mochte. Sie hatte nur eines gesehen, das er zu sich nahm, und das waren die Bourbon mit Wasser, die sie ihm in der Bar des Pinnacle Casino serviert hatte. Die Erdnüsse, die auf dem Flug nach New Orleans angeboten wurden, hatte er abgelehnt, dann hatte er ihr vom Zimmerservice ein Abendessen kommen lassen und war im Zimmer umhergestreift, während sie versuchte zu essen.
Und dann war er zu dieser mysteriösen Besorgung verschwunden, und sie hatte ihn nicht mehr wiedergesehen.
»Und Haselnüsse«, sagte Parker und hob eine Hand voll Nüsse aus dem Korb. »Das muss man Stibbs lassen, er hat ein sehr gutes Gedächtnis.«
Meg nickte und nahm erstaunt so etwas wie ein unterdrücktes Schluchzen wahr. Vielleicht war dieser Mann wirklich gekommen, weil er um seinen Bruder trauerte. Andererseits empfand sie bei all dem, was Jules ihr über seinen Bruder erzählt hatte, ein ungutes Gefühl.
»Sehr nett, diese Demonstration von Mitgefühl«, sagte Meg und dachte, sie hätte ihn entlarvt.
Er aber hob den Kopf, und sein Blick bohrte sich in ihre Augen. »Nur ein Dummkopf spricht von Dingen, die er nicht kennt«, sagte er so leise, dass sie sich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen.
Sie hatte das Gefühl, als hätte er sie geschlagen. Dann erkannte sie, wie verrückt es von ihm war, so etwas auszusprechen.
»Nein wirklich«, gab sie zurück und ahmte dabei seine eigene gedehnte Sprechweise nach.
Er zog die Augenbrauen hoch.
Sie lächelte.
»Ich würde jetzt gern allein sein …«, sagte sie, wobei sie zur Tür ging und sie aufhielt, »mit meinen Erinnerungen an meinen Gatten.«
Er regte sich nicht. »Gatten?« Er spielte mit ein paar Haselnüssen und sah sie durch zusammengekniffene Lider an. »Wissen Sie, solange Clint hier war, habe ich diese Geschichte hingenommen, um den Ruf der Familie nicht ganz zu zerstören. Aber wenn du wirklich meinst, ich glaube, dass mein Bruder dich geheiratet hat, bist du verrückt. Jules wusste, was er sich schuldig war; er hat zwar seine zwei Ehen kaputt gehen lassen, aber er hat immer standesgemäß geheiratet.«
Dieser Mann ist schlicht und einfach ein unerträglicher Snob, dachte Meg zornig und vergaß, dass die Meinung eines vollkommen Fremden ihr vollkommen egal sein konnte. Und wenn er sie für eine Edelnutte hielt, na und? Sie sollte einfach nach Las Vegas zurückkehren und die zehntausend Dollar nehmen, die Jules ihr im Voraus überwiesen hatte, um ihrer Familie aus der finanziellen Katastrophe zu helfen.
Und trotzdem konnte sie den Gedanken nicht ertragen, dass dieser Mann sie als ein einmaliges Abenteuer seines Bruders einschätzte, das ihm nichts bedeutete. In eisigem Ton sagte sie: »Vielleicht kannten Sie Ihren Bruder doch nicht so gut, wie Sie meinen. Vielleicht haben wir doch geheiratet, und ich habe die Papiere, die das beweisen.«
Er erhob sich drohend von der Couch. Meg wich ein wenig zurück, krallte dann aber ihre nackten Zehen in den weichen Teppich, um standhaft zu bleiben. Sie hatte die Urkunde, die bewies, dass sie Mrs. Jules Ponthier III. war. Sollte er sich doch ereifern.
Sie hatte keine Ahnung, was jetzt, da Jules tot war, aus seinen Plänen wegen des Familienunternehmens werden sollte. Er hatte ihr langatmig etwas über die komplizierte Situation erklärt, aber Meg konnte sich nur noch an eines erinnern, nämlich dass Jules’ Abstimmungsanteile verdoppelt würden, wenn er verheiratet war. Ob das bei seinem Tod auf sie überging, wusste sie nicht.
Sollte sie in New Orleans bleiben und in seinem Sinn ihr Möglichstes tun? Meg war durch die Nachricht von seinem Tod so betäubt, dass ihr die Entscheidung schwer fiel. Schuldete sie ihm Loyalität für die zehntausend Dollar, die er ihr schon gegeben hatte? Außerdem war er freundlich zu ihr gewesen und hatte sein Wort gehalten, von ihr keinen Sex zu verlangen.
Allein schon deswegen würde Meg ihren Teil der Vereinbarung einhalten. Sie streckte eine Hand aus, jeder Zoll die große Lady, die sie Jules zuliebe spielen sollte. »Verzeihen Sie mir«, sagte sie sonor, »in meinem Kummer über die Nachricht von Jules’ Tod habe ich ganz meine Manieren vergessen. Ich bin Margaret Cooper ‒ äh, Ponthier. Aber nennen Sie mich bitte Meg.«
»Verdammt.« Die affektiert gedehnte Sprechweise war verschwunden. Parker stand groß über ihr, die Hände in die Hüften gestützt. »Ich glaube, du meinst es wirklich ernst.«
Meg blickte ihn gelassen an, zumindest hoffte sie es, denn in einen Bademantel eingewickelt war das gar nicht so leicht, aber ihre Entschlossenheit half ihr.
Langsam und zögernd streckte er ihr seine Rechte entgegen. »Parker Ponthier«, sagte er und starrte ihre Hand an, als sie seine Hand ergriff.
Sie nickte. »Der ‒ äh ‒ jüngere Bruder.« Verflixt, beinahe hätte sie »böse« gesagt. Sie errötete und sah, dass er es bemerkt hatte. Er hielt ihre Hand in seiner fest.
Ohne irgendetwas zu sagen, hielt er nur ihre Hand fest, und seine dunklen Augen blickten sie forschend an, bis er sie schließlich frei gab.
Einen Augenblick wünschte sie, er hätte nicht losgelassen. Seine Berührung hatte etwas Sanftes, das seine Worte und Gesten nicht im Geringsten vermuten ließen. Und sie hatte einen Kontakt zu einem anderen Menschen ‒ sei ehrlich, Meg: zu einem Mann ‒ gefühlt, wie sie es seit langem nicht mehr erlebt hatte.
»Ich sehe, du hast schon angefangen, sein Geld auszugeben«, fuhr er mit einem sarkastischen Blick auf die auf dem Bett verstreuten Kleiderschachteln von Saks beleidigend fort. »Zumindest brauchst du dann für die Beerdigung keine neuen Kleider zu kaufen.«
Die Beerdigung. Das Wort erschütterte Meg. Sie konnte es sich immer noch nicht vorstellen, dass Jules tot war. Sie wusste nicht einmal, wie er zu Tode gekommen war. Als trauernde Witwe wurde sicherlich von ihr erwartet, dass sie danach fragte. Und als warmherzige Frau, die den Mann nur für eine kurze Zeit gekannt hatte, wollte sie es wirklich wissen. »Wie ist Jules denn … gestorben?«
Parkers Antwort bestand in einem halb erstickten Geräusch, das in einem rauen Lachen endete. Er schüttelte den Kopf und betrachtete sie dann mit zur Seite geneigtem Kopf. »Wie gut hast du deinen seligen Gatten eigentlich gekannt, Missus Ponthier?«
Er dehnte das ironische Missus schier endlos, und Meg musste an sich halten, um nicht zu schreien. Sie antwortete: »Gut genug. Wieso?«
»Dann solltest du wissen, dass er nicht ausging, um gegen den bösen Dämon in seinem Leben zu kämpfen.«
Sie leckte sich über die Lippen und fragte sich, was, um Himmels willen, er damit wohl meinte. Da sie Jules erst seit drei Tagen kannte, war sie bei diesem Wortgeplänkel eindeutig im Nachteil. Also wartete sie, zupfte an ihrem Bademantel und beobachtete Parker vorsichtig und hoffte, dass er mit Informationen herausrücken würde, die ihr eine Antwort ermöglichten.
Während sie ihn ansah, bemerkte sie die schön geschwungene Linie seiner vollen Lippen, die gebändigte Kraft seiner breiten Schultern. Voller Bewunderung folgten ihre Augen der Linie seines kraftvollen Arms und blieben auf seiner Hand liegen, die die ihre berührt hatte, und wieder fühlte sie die Wärme seiner Haut.
Meg, Meg, du hast schon genug Ärger! Hastig vergrub sie ihre Hände in den Taschen des Morgenmantels. Nach dem, was sie getan hatte, stand es ihr nicht zu, Parker Ponthier gegenüber wie eine Frau zu empfinden, wie attraktiv sie ihn auch finden mochte.
Wenn sie auch Jules Ponthier seiner Wege geschickt hatte, als er ihr zum ersten Mal seinen Vorschlag gemacht hatte, den er als schlichtes Geschäft bezeichnete, hatte sie, als er wieder und wieder kam, nachgegeben und eingewilligt. Es erschien ihr wie die Antwort auf ihre Gebete um Rettung ihrer Familie aus dem finanziellen Ruin, und sie hatte sich gute Gelegenheiten noch nie entgehen lassen.
Jetzt aber, da Jules tot war, hatte diese Maskerade ein ganz anderes Maß an Komplikationen erreicht, als sie sich in dem Augenblick vorgestellt hatte, in dem sie ihr Herz in beide Hände nahm und in die Rolle von Missus Jules Ponthier der Dritten schlüpfte.
»Da du offensichtlich so tun willst, als wüsstest du nicht, wovon ich rede, komme ich zur Sache.« Er schlug mit einer Faust in die Handfläche der anderen Hand. »Er starb, als er versuchte, ein paar lausige Gramm Kokain zu kaufen. Aber von diesem oder sonst einem Dämon in seinem Leben weißt du natürlich gar nichts, nicht wahr?« Er schrie fast, und Meg schreckte nur deswegen nicht zurück, weil sie sich sagte, dass seine Aufregung verständlich war.
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und ließ ihn weiter wüten.
»Er war fast ein Jahr lang clean. Und dann« ‒ er zeigte auf sie ‒ »hopp übers Wochenende nach Las Vegas, und schon hat es ihn wieder erwischt.«
Sie hatte nicht den Eindruck gehabt, dass Jules auf Drogen sei, allerdings wusste sie auch nicht viel darüber. Sie war so mit diesem Gedanken beschäftigt, dass sie die unterschwellige Beschuldigung überhörte. Natürlich hatte sie nichts damit zu tun, wenn Jules sich Drogen kaufte. Meg trank kaum jemals Alkohol, hatte noch nie Marihuana geraucht und hatte erst recht keine Ahnung von Kokain. Nun ja, Jules war unruhig, das musste sie zugeben, und er aß kaum etwas. »Wo ist es denn passiert?«
»Drei Wohnblöcke vom Hotel entfernt.«
»Woher ‒ woher wissen ‒ weißt du denn so genau, dass er Drogen kaufen wollte?«
Er warf ihr einen Blick zu, der besagte, dass er selbstverständlich immer Bescheid wusste, worüber er redete. »Er hat es von einer Undercover-Polizistin gekauft, und als sie ihn festnehmen wollte, kam es zu einem Kampf um ihre Pistole.«
»Von der Polizei erschossen?« Meg wurde sich des Entsetzens in ihrer Stimme bewusst. Armer Jules. Was für eine Art zu sterben. Und was er ihr alles über die bedeutende Stellung seiner Familie erzählt hatte, und wie wichtig ihnen ihr gesellschaftliches Ansehen war!
Parker schüttelte den Kopf und ließ sich auf die Couch fallen. Er schlug die Hände vor das Gesicht und sagte: »Nein, er hat sich mit der Pistole selbst erschossen.«
»Um Gottes willen! Warum sollte er das tun?«
Parker ließ die Hände auf die Knie sinken und murmelte wie zu sich selbst: »Vielleicht konnte er die Schande nicht ertragen.«
»Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe.« Meg ging in großen Schritten zur Couch und wieder zurück zur Tür. »Festgenommen zu werden ist doch nicht der Weltuntergang. Man gilt als unschuldig, bis die Schuld bewiesen wird, sogar in …« Sie brach ab. Sie hatte in Las Vegas von Besuchern gehört, dass New Orleans in vielerlei Hinsicht rückständig war wie ein Dorf.
»Sogar in New Orleans? Sogar wenn man sich mit den Ordnungshütern anlegt?« Parker schüttelte den Kopf. »Er hätte es nicht ertragen können, wenn die Leute wüssten, dass er wieder Drogen nahm.« Mit der geballten Faust schlug er sich auf die Oberschenkel. »Er hätte ein viel schöneres Leben haben können. Immer hat er alles durch seine sinnlosen Dummheiten zerstört, aber so hätte er nicht enden müssen.«
Er starrte zum Kamin hinüber, als ob er in seiner Fantasie seinen Bruder dort spielen sähe. Ruhig ging Meg wieder zur Couch hinüber und ließ sich behutsam auf die Ecke nieder. In einer Welle des Mitgefühls hob sie ihre Hand und legte sie ihm auf den Arm, ohne etwas zu sagen. Sie wusste nur zu gut, wie wenig Worte halfen, wenn man einen geliebten Menschen verloren hatte.
Sie strich ihm tröstend über die Schulter, genauso wie sie über Samanthas weiche Locken zu streichen pflegte, wenn diese angstvoll aus einem Albtraum aufwachte.
Langsam kam sein Blick zurück und haftete auf ihrer Hand. Er wurde starr und stieß ihre Hand fort. »Versuch ja nicht, mir schönzutun. Aus irgendeinem Grund hat er wieder angefangen, und der einzige neue Faktor bist du.«
Meg zog ihre Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. »Jeder Idiot weiß, dass ein Süchtiger selbst dafür verantwortlich ist, und niemand sonst. Oder hast du keine Ahnung von Psychologie?«
Er machte eine Geste in Richtung der Kleiderschachteln mit ihrem teuren Inhalt. »Man braucht keine Psychologie, um zu sehen, dass dich an meinem Bruder nur das Geld interessiert hat, also tu nicht so besorgt.«
»Ich hoffe, du glaubst nicht …«
»Oh, aber nein, wegen Geld heiraten? Doch nicht unser Fräulein Unschuld. Na los, Baby, was warst du? Ein Callgirl in Las Vegas, das meinen Bruder in einem schwachen Moment in die Falle gelockt hat?«
Meg wollte schon protestieren, aber dann machte sie den Mund wieder zu. Seine Worte taten weh, aber er war der Wahrheit viel zu nahe gekommen.
»Ins Schwarze getroffen, was?« Er erhob sich und blickte, die Hände in die Hüften gestemmt, auf sie herunter. »Jeder in der Stadt wusste, dass er eine ständige Freundin hatte. Wieso sollte er also für ein Wochenende irgendwohin fliegen und dann verheiratet zurückkommen?«
»Er hat ‒ was?« Meg konnte nicht glauben, was Parker da gerade gesagt hatte. Wenn das stimmte, wozu brauchte Jules dann ein Frau? Dann verengten sich ihre Augen, als sie sich an Jules’ warnende Worte über seinen Bruder erinnerte: Parker würde alles tun, um zu gewinnen.
»Du hast mich schon verstanden. Wenn du keinen rechtlichen Beweis hast, dass ihr geheiratet habt, bist du in der Zwickmühle.«
Jeden Gedanken daran, nach Las Vegas zurückzutrampen und die Familie Ponthier ihren eigenen dummen Problemen zu überlassen, vergaß Meg, als ihr Temperament durchbrach. »Du unerträglicher, arroganter …« Sie unterbrach sich gerade noch rechtzeitig. Wenn sie fluchte wie ein Seemann, war das genau das, was Jules nicht wollte. Er hatte ihr sehr genau die Art von Frau erklärt, die sie darstellen sollte, und nachdem sie jetzt erfahren hatte, welch arroganter Snob sein Bruder war, konnte sie auch verstehen, warum.
Seine rechte Augenbraue hob sich.
Sie sprang auf, nahm all ihre Würde zusammen, zog den Kragen des Bademantels fest um ihren Hals und ging lässig zum Schrank hinüber, wo Jules seine weichlederne Aktentasche verstaut hatte. Dieses Stück allein hatte wahrscheinlich mehr gekostet als alle ihre Schuhe zusammen. Sie griff hinein und zog die Heiratsurkunde heraus, auf der Jules’ und ihr Name standen.
Sie drehte sich um.
Er war ihr gefolgt.
Das Dokument klatschte gegen seine Brust. Er blickte ihr aus einer Nähe ins Gesicht, die ihr unangenehm war, und nahm ihr dann die Urkunde aus den Händen. Er begann, sie zu lesen, ohne sich auch nur einen Schritt zu entfernen. Sie atmete etwas zu hastig und kämpfte gegen den Drang an, ihn fortzustoßen.
Er knurrte, als er das Schriftstück überflogen hatte, und betastete das Siegel. »Gestern?«
Meg nickte und konnte noch immer nicht ruhig atmen. Ihr Kinn war in Höhe seines Krawattenknotens. Sie war ihm so nahe, dass sie sehen konnte, wie sein Hemd mit seinen Atemzügen und seinem Herzschlag zitterte. Sie wich zum Schrank zurück.
Mit hochgezogenen Brauen wiederholte er ohne fragenden Ton in der Stimme: »Gestern.«
»Ja.«
Er reichte ihr die Urkunde zurück. Mit einem unergründlichen Ausdruck in den dunklen Augen sagte er Worte, die ihr vollkommen den Atem nahmen.
»Die Familie erwartet dich in einer Stunde zu Hause.«
»Zu Hause?«
Parker sah sie an, als hätte sie etwas besonders Dummes gesagt. »Auch wenn Jules sich am liebsten in diese Suite zurückzog, hatte er trotzdem auf Sugar Bridge und auch in Ponthier Place seine Zimmer.«
Meg rieb sich beim Klang dieser vornehmen, stolzen Namen die Stirn. In was für eine Welt war sie da hineingestolpert? Dann riss sie sich zusammen. Sie zwang sich zu lächeln und sagte: »Ja, natürlich. Ich wusste nur im Augenblick nicht …« Sie verlor den Faden und ließ den Blick zum Bett hinüberschweifen, irgendwohin, nur nicht den Mann ansehen, der anscheinend alle durchschauen konnte und viel zu nahe vor ihr stand.
»… was du anziehen sollst?« Endlich trat Parker zurück, und Meg löste sich erleichtert von dem Schrank. Als er so dastand und sie kritisch anstarrte, wünschte sie, sie könnte sich in den Ankleideraum zurückziehen und die Tür hinter sich zuknallen.
»Du siehst in dem Bademantel besser aus als jede andere Frau, die ich kenne. Ich glaube, da gibt’s keine Probleme.«
»Aha.« Meg verdaute diese Feststellung und dachte sich, dass er wohl noch nicht allzu viele Frauen im Bademantel gesehen hatte. Dann sagte sie: »Danke.«
Parker lachte wieder in dieser trockenen, ironischen Art. »Du brauchst mir nicht zu danken, und glaube ja nicht, dass ich diese Heiratsurkunde, mit der du da herumwedelst, akzeptiere, ohne sie zu überprüfen.«
Während er sprach, war er wieder dicht vor sie hingetreten, und Meg bekam erneut Atemprobleme, als er mit einer Hand ihr Kinn hob. Einen verrückten Augenblick lang dachte sie, er wollte sie küssen ‒ und, Gott helfe ihr, es hätte ihr gefallen.
Stattdessen sagte er langsam und betont: »Jules hatte eine Schwäche für hübsche Gesichter, und du bist ein Prachtweib.« Er ließ seine Hand sinken und sagte: »Willkommen in New Orleans, Mrs. Ponthier. Ich hole dich in einer Stunde ab.«
Dann war er verschwunden, bevor sie sich noch darüber klar werden konnte, was er eigentlich wollte.
Der Kerl war nicht nur arrogant, er machte sich auch über sie und seinen Bruder lustig. Denn sie war ganz eindeutig kein »Prachtweib«. Meg schlang einen Moment lang ihre Arme um sich und tat dann, was ihr angenehm und tröstend schien: Sie telefonierte nach Hause.
Mit gekreuzten Beinen auf dem breiten Bett hockend, wählte sie Mrs. Fennistons Nummer. Ein Telefongespräch aus dem Hotel musste ein Vermögen kosten, aber Meg kniff ihre Augen fest zu, während sie darauf wartete, dass am anderen Ende jemand abhob.
Jules war tot, aber Meg wusste, dass die Rechnung bezahlt würde.
Sie hatte schon zweimal angerufen und jedes Mal nur Mrs. Fennistons würdevolle Stimme auf dem Anrufbeantworter vernommen, mit der Botschaft, dass es den Kindern gut ging und sie beschäftigt waren. Aber Meg wollte mit ihnen selbst sprechen, ihre Stimmen hören und sie aus der Entfernung an sich drücken.
Vielleicht war es auch sie selbst, die gedrückt werden wollte. Sie saß hier ganz allein in einer fremden Stadt, und der Mann, mit dem sie gekommen war, war in einer schrecklichen und sinnlosen Begegnung umgekommen. Der Abenteurerin in ihr stellten sich die Nackenhaare auf, wenn sie an die Polizistin dachte, die in Jules’ Tod verwickelt war; aber die Mutter in ihr konnte den Behörden keinen Vorwurf machen. Drogen waren ein Fluch, und wenn Jules sich wirklich welche besorgen wollte, nun ja, das hätte er nicht tun dürfen.
Trotzdem … aus einem solch sinnlosen Grund zu sterben …
Meg seufzte und wunderte sich, warum niemand ans Telefon ging. Dann sah sie auf ihre Uhr. Fast Mittag in New Orleans, das hieß, zehn Uhr in Las Vegas. Vielleicht waren sie zum Frühstücken gegangen. Oder in die Kirche. Mrs. Fenniston hielt viel auf die Kirche. Aber sie hätte ruhig den Anrufbeantworter einschalten können.
Eine Automatenstimme schaltete sich ein und wies sie nicht besonders freundlich darauf hin, dass der Teilnehmer sich nicht melde und dass sie es später noch einmal versuchen solle.
Meg knallte den Hörer auf den Apparat, dann hob sie ihn noch einmal auf und legte ihn viel sanfter auf die Gabel. Sie hätte auch Teddy oder Ellen solches Benehmen nicht erlaubt, und es gab keinen Grund für einen solchen Zornesausbruch.
Überhaupt keinen Grund.
Ha!
Sie sprang vom Bett auf und begann, hastig hin und her zu laufen, vom Bett zum Kamin, dann hinüber zum Schrank, wo Parker Ponthier sie praktisch in die Enge getrieben hatte; vom Schrank zur Couch, wo er gesessen hatte und sie mit abschätzendem und verurteilendem Blick angestarrt hatte.
Wie konnte er es nur wagen!
Megs Schritte wurden noch ungestümer. Sie schlüpfte aus dem Morgenmantel, vertauschte das Satinunterhemd aus den Schachteln von Saks wieder mit ihrem eigenen übergroßen T-Shirt, in dem sie geschlafen hatte, eines der wenigen Kleidungsstücke ihrer mageren Reisegarderobe. Nicht gerade das, was eine traditionsbewusste Braut für ihre Flitterwochen einpackte, aber sie war ja auch keine typische Braut.
Dieser Gedanke trieb sie wieder zur Couch. In einer Geste, wie sie Parker vorher gemacht hatte, ließ sie ihren Kopf in die Hände sinken.
Was sollte sie jetzt nur tun? Auf dem Familiensitz erscheinen und die trauernde Witwe spielen?
Was blieb ihr denn sonst übrig?
Die Wahrheit gestehen. Die zehntausend Dollar zurückgeben und nach Las Vegas zu ihrem Job im Pinnacle Casino zurückkehren. Die Kleider zurückgeben. Mr. Parker Ponthier die Befriedigung lassen, sie als Schwindlerin entlarvt zu haben. Wie hart das alles auch sein würde, das Letzte war das Schlimmste.
Meg ließ sich wieder aufs Bett fallen und nahm eines der Kissen in den Arm. Sie legte ihre Wange an den feinen Baumwollstoff, schloss die Augen und fragte sich, was sie wohl von ihren Kindern erwartet hätte. Sie hatte sich immer solch große Mühe gegeben, ihnen beizubringen, die richtige Entscheidung zu treffen.
Sie hatte das Falsche getan, als sie sich von Jules überreden ließ. Auch wenn sie es nur getan hatte, um ihre Familie aus ihrer katastrophalen Lage zu retten, hatte sie doch die Augen vor den Konsequenzen verschlossen. Und jetzt musste sie den Preis bezahlen.
Aber sie war es müde gewesen, zuzusehen, wie ihre Kinder dafür bezahlen mussten, dass ihr Vater ein finanzielles Chaos angerichtet hatte. Nach seinem Tod sah sich Meg dem Ruin seiner Firma, dem Verlust ihres Heims und der Tatsache gegenüber, dass er seine Lebensversicherung bereits zu Geld gemacht hatte, ohne es ihr jemals zu sagen.
Drei Tage Arbeit für dreißigtausend Dollar, dieses Angebot war ihr wie ein Geschenk des Himmels erschienen. Sie könnte dann die schlimmsten Gläubiger ausbezahlen, ihr Studium zu Ende führen und einen besseren Job bekommen.
Und jetzt war Jules tot.
Wie peinlich die Sache auch war, sie sollte der Familie Ponthier die Wahrheit sagen.
Sie strich die Kissen glatt, öffnete die Augen und griff wieder nach dem Telefonhörer, um noch einmal zu Hause anzurufen. Als sie den Hörer berührte, klingelte das Telefon.
Sie fuhr zusammen und krallte sich in ihr Kissen.
»Dummkopf«, schimpfte sie sich laut, »das ist entweder für Jules, oder Mrs. Fenniston ruft an.«
Es klingelte wieder.
Sie zögerte. Wenn es für Jules war, konnte sie sich nicht herausreden, indem sie nur eine Botschaft entgegennahm. Man musste der Wahrheit ins Gesicht sehen. Wenn es aber Mrs. Fenniston war, könnte sie endlich mit Ellen und Teddy und Samantha sprechen.
Das Klingeln ging weiter und schien immer lauter zu werden.
»Na gut, na gut!« Sie hob ab. »Hallo!«
»Mrs. Ponthier, bitte«, sagte eine Bariton-Stimme in autoritärem Ton.
»Mrs. Ponthier?«
»Ja, hier spricht Dr. Prejean.«
»J-ja?«
»Spreche ich mit Mrs. Jules Ponthier?« Die Stimme klang eindeutig ungeduldig.
»Darf ich fragen, warum Sie anrufen?«
»Nur, wenn Sie Mrs. Ponthier sind.« Die Stimme klang jetzt trockener, aber immer noch ungeduldig.
»Nun gut, ja, ich bin Mrs. Ponthier.« Ob sie wollte oder nicht, es war die Wahrheit.
»Mrs. Ponthier«, sagte er und dehnte die drei Silben für Megs Geschmack allzu sehr, »ich habe Teensy gerade zu Bett gebracht. Sie nimmt diesen tragischen Verlust natürlich sehr schwer, und bei dieser Gelegenheit darf ich auch Ihnen mein Beileid aussprechen« ‒ er redete ohne Pause, und Meg fühlte, dass er ihre Existenz missbilligte, und besonders ihre überstürzte Heirat mit dem Verblichenen ‒ »aber es ist meine feste Überzeugung, dass Ihre Anwesenheit für Teensy vielleicht der einzige Trost wäre, der ihr hilft, diesen schmerzlichen Verlust zu überstehen.«
Meg besann sich darauf, was der Anstand gebot, und murmelte einen Dank. Aber wer, in aller Welt, war Teensy? Was sollte sie … schließlich brachte sie ein »Entschuldigen Sie, aber woher haben Sie meine Nummer?« hervor.
»Es ist doch Jules’ Suite«, sagte er, als ob das alles erkläre.
»Ja, aber woher wissen Sie, dass ich hier bin?«
»Spreche ich jetzt mit Mrs. Ponthier oder nicht?« Die Ungeduld in der Stimme steigerte sich zu Unwillen.
»Ja, aber woher wissen Sie überhaupt von mir?«
Es herrschte einen Augenblick Stille.
Schließlich erwiderte der Mann: »Sie sind nicht von hier, oder?«
Sie schüttelte den Kopf, sagte dann: »Nein.« Welch dumme Frage. Warum sollte sie in einem Hotel bleiben, wenn sie aus New Orleans stammte? Andererseits hatte Jules in einem Hotel gelebt. Meg brummte der Kopf.
»Sie werden noch merken, was für ein Dorf New Orleans ist, meine Liebe«, sagte er eine Spur freundlicher und fast väterlich. »Der Grund meines Anrufs ist, dass ich Sie vorwarnen möchte, dass Teensys Kummer nur durch Ihre Anwesenheit gemildert werden kann. Es ist ein Trost für sie, zu wissen, dass ihr Sohn doch noch Liebe gefunden hat, wenn auch erst in den letzten Tagen seines ‒ äh« ‒ er zögerte, fuhr dann fort ‒ »recht turbulenten Lebens. Wenn Sie hier sind und Teensy zur Seite stehen, dann schafft sie es vielleicht.«
Meg schluckte und starrte das Telefon an. Jules’ Mutter! O mein Gott, was hatte sie nur getan? Vor ihrem geistigen Auge erschien eine ältere Dame, gramgebeugt wegen des Todes ihres Sohnes und vollkommen am Boden zerstört durch Megs Enthüllung, dass dieser Sohn sich eine Frau gekauft hatte, um seinen Bruder auszustechen. »Was würde es für Teensy bedeuten, wenn ich aus irgendeinem Grund nicht bei ihr bleiben könnte?«
»Wo sollten Sie denn sonst hin? Sie ist doch Ihre Schwiegermutter.«
»Ich frage ja nur rein theoretisch.«
»Überlassen Sie das den Anwälten.« Er räusperte sich. »Ich sollte vielleicht nicht mit Ihnen darüber sprechen, aber Sie gehören ja jetzt zur Familie. Meine Prognose lautet: kompletter Zusammenbruch. Sie ist nun mal sensibel, hoch sensibel. Wie eine Orchidee in der prallen Sonne.« Er seufzte. »Aber ich werde rund um die Uhr im Haus bleiben, für alle Fälle.«
Meg hätte fast schwören können, dass der Doktor insgeheim in Jules’ Mutter vernarrt war. Jules’ schwache und zerbrechliche Mutter. Meg schüttelte den Kopf. Sie hatte nur wenige Tennessee-Williams-Romane über die Südstaaten gelesen, erkannte hier aber doch einige Charaktertypen wieder.
»Kompletter Zusammenbruch?«, fragte sie.
»Sie schluchzte sich fast das Herz aus dem Leibe, bevor ich ihr ein Beruhigungsmittel gab. Aber sie sagte immer wieder, wenigstens hätte er Liebe gefunden.«
Meg umklammerte den Hörer und fragte sich, ob ihr Schuldbewusstsein in ihrer Stimme zu hören war. Sie sagte betont ruhig: »In einer Stunde bin ich im Haus. Meinen Sie, dass sie mich dann empfangen kann?«
Parker Ponthier riss den Steuerknüppel seines Porsche in den vierten Gang und starrte wütend auf das Handy, das er auf den Beifahrersitz geworfen hatte, nachdem er mit durchdrehenden Reifen vom Hotel Maurepas gestartet war. Welcher Teufel hatte ihn geritten, diesem Quacksalber Prejean, der sich in alles einmischte, zu erzählen, dass Jules eine Ehefrau im Hotel hatte?
Wenn außer ihm niemand von ihrer Existenz gewusst hätte, hätte er sich mit ihr vielleicht einigen können. Vielleicht hätte er ihr die Wahrheit über diese Eheschließung entlocken können. Er hätte sie notfalls mit Geld abfinden und so der Familie weitere Peinlichkeiten ersparen können.
Sein Geschäftsinstinkt, der über die Jahre, in denen er Ponthier Enterprises geleitet hatte, geschärft worden war, sagte ihm, dass mit ihr nur Ärger verbunden war. Vielleicht war es auch die Verbindung dieser unbekannten Frau mit Jules, der immer nur Ärger gemacht hatte.
Seine Überlebensinstinkte schrien ihm das Gleiche zu.
Und doch, was für eine Frau!
Als er Jules’ Suite betrat, hatte es ihm bei ihrem Anblick die Sprache verschlagen. Sie wirkte fast kindlich, wie sie da mit gekreuzten Beinen auf dem riesigen Bett saß. Ihr Haar hing ihr über die Schultern herab, dunkel, leicht gelockt und etwas wirr, genau so, wie schöne Frauen nach stundenlanger leidenschaftlicher Liebe aussehen sollten.
Bei diesem Gedanken hatten sich seine Eingeweide zusammengezogen. Diese Schönheit im Bademantel konnte nichts Gutes bedeuten.
»Also hast du ihr ein paar Hunderter hingeworfen, hast sie beleidigt, so gut du konntest, und dich erst dann um die Fakten gekümmert.« Er hörte den Hohn in seiner Stimme, als er laut zu sich selbst sprach. Aber wie hätte er das ahnen sollen? Jules hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich diese Suite ständig hielt, um sich dort mit allen möglichen Flittchen zu amüsieren.
Tolle Art, seine Schwägerin kennen zu lernen.
Schwägerin.
Parker musste diese Bezeichnung mehrmals wiederholen. Er dachte an die Frau in Jules’ Suite immer noch als eine Art Luxusnutte für die Begierden eines sterbenden Mannes.
Und wenn sie sich tatsächlich als Jules’ legitime Gattin erwies? Parker empfand ein ungehöriges Verlangen, aber aus Respekt vor seinem toten Bruder bremste er seine Gedanken. Es war nicht die Schuld dieser Frau, dass er schon längere Zeit nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen war.
Jetzt, da Jules tot war, lag es an Parker, eine Familie zu gründen. Die Kugel, die Jules getötet hatte, hatte Parker zum ältesten Sohn gemacht.
Parker presste die Lippen zusammen. Er fühlte ein heißes Pochen in den Schläfen. Jules war der Erstgeborene, aber Parker hatte stets die Rolle des älteren Bruders übernommen. Wenn er das nicht getan hätte, wenn er die Verantwortung abgelehnt oder sich geweigert hätte, immer und immer wieder Jules’ Dummheiten auszubügeln, vielleicht würde Jules dann jetzt nicht im Leichenschauhaus liegen.
Vor ihm staute sich der Verkehr und kam dann wieder in Gang, nachdem ein Reisebus abgebogen war. Parker wollte nicht an Jules denken, wie er tot vor ihm gelegen hatte. Er wollte an den Jules denken, dem es noch gut ging, bevor er anfing, sich seiner Verantwortung zu entziehen und sich mit Drogen, Alkohol und den falschen Frauen eine Scheinwelt schuf.
Es war einfacher, seinen Ärger auf die Frau zu konzentrieren, die Jules hinterlassen hatte, als zu akzeptieren, dass Jules seine Chancen alle verspielt hatte.
Armer Jules.
Zwei Dinge standen Parker klar vor Augen. Erstens, sein Bruder war tot, und zweitens, als Jules vor drei Tagen nach Las Vegas geflogen war, war das direkt nach einer stürmischen Auseinandersetzung zwischen ihnen beiden gewesen, einem Aufeinandertreffen, bei dem Jules ihm angedroht hatte, alles zu tun, was nötig war, um Parker zu zwingen, das Kaufangebot für Ponthier Enterprises anzunehmen.
Was nötig war. Parker grübelte über diesen Worten und fragte sich, was für Margaret ‒ »Nennen Sie mich bitte Meg« ‒ nötig war, um einen Mann zu heiraten, den sie kaum kannte.
Geld? Die Möglichkeit gesellschaftlichen Aufstiegs? Das Versprechen eines luxuriösen Lebens? Ein schicker Ehering?
Er runzelte die Stirn und versuchte, sich an den Anblick ihrer Hand zu erinnern. Sie hatte da lediglich einen dünnen goldenen Ring getragen, der an ihren schmalen Fingern etwas verloren wirkte, keinesfalls die Art von Ring, die Jules seinen beiden ersten Bräuten geschenkt hatte.
Natürlich wollten auch die meisten Frauen, mit denen Parker liiert war, um jeden Preis einen Ring am Finger. Aber nicht eine Einzige aus seinen ‒ oder Jules’ ‒ Kreisen hätte sich mit einem derart bescheidenen Ring zufrieden gegeben.
Vielleicht hatte Jules ihr das Familienerbstück, den Diamant- und Smaragdring, versprochen, den ihm seine erste und dann seine zweite Exfrau gnädigerweise zurückgegeben hatten. Zweifellos erklärte das den provisorischen schlichten Goldring. Parker musste daran denken, wie neugierig sich seine Exverlobte Renee DuMont nach dem Familienschmuck der Ponthiers erkundigt hatte. Jules war damals gerade geschieden gewesen und hatte geschworen, nie wieder zu heiraten, und das musste Renee auf den Gedanken gebracht haben, zu fragen, ob der berühmte Ring nun ihr angeboten würde.
Parker zog eine Grimasse und bremste ab, um hinter einem weiteren Reisebus vorwärts zu kriechen, der die Mitte der Fahrbahn eingenommen hatte. Er hasste die Erinnerung daran, welche Dummheit er sich mit Renee geleistet hatte. Diese Verlobung mit ihr war seine einzige Handlung, über die seine Mutter jemals entzückt gewesen war, und allein das hätte ihn von diesem Fehler abhalten sollen.
Renee hatte, wie alle anderen Frauen ihrer Gesellschaftsschicht ‒ und natürlich seiner ‒, studiert und einen verantwortungsvollen Beruf. Aber kaum hatten diese Frauen den Ring am Finger, ergriffen sie die Gelegenheit und vertauschten ihre teuren Bürokostüme mit noch teureren Designerkleidern, extravaganten Hüten und Kindermädchen rund um die Uhr.
Aber Parker wollte sein Leben nicht mit einer Frau verbringen, die nur die Rolle einer Gattin und Mutter spielte. Er wünschte sich jemand, der aus ganzem Herzen Frau und Mutter war. Parker war mit einer gesellschaftssüchtigen Mutter aufgewachsen, die sich mehr darum kümmerte, wer das Familienporträt malte, als darum, dass ihre Kinder sich geliebt fühlten, und er hatte sich geschworen, lieber sein Leben lang allein zu bleiben, als eine Ehe einzugehen, die nur der Show diente.
Schließlich war Parker dazu übergegangen, sich mit Karrierefrauen seines Alters oder älter zu verabreden. Das Problem mit diesen Frauen war nur, dass er bei ihren Terminplänen und Interessen an letzter Stelle kam.
»Du bist ein anspruchsvoller Kerl, weißt du.« Er sprach die Worte laut aus und lächelte über sich selbst. Das stimmte. Er wollte einfach alles ‒ eine Frau, die ihn und nur ihn liebte, für die er vor allem anderen an erster Stelle stand und die auch nicht darauf bestand, eine Familie zu gründen, in der er vor lauter Kindern und sonstigen Ansprüchen nicht mehr dazu kam, dann zu arbeiten, wenn er es musste oder wollte. Dafür wusste er, dass er fähig war, die richtige Frau anzubeten und auf Händen zu tragen. Er würde sich der Frau, die er liebte, mit der gleichen Intensität widmen wie seiner Arbeit.
Renee hatte nicht verstanden, warum er dringende Arbeit nicht liegen lassen konnte, um all die gesellschaftlichen Ereignisse wahrzunehmen, die ihrer Meinung nach für einen Mann in seiner Position ebenso wichtig waren. Ihr letzter Streit war entbrannt, als er vergessen hatte, dass er sie auf einen Maskenball begleiten sollte, und stattdessen stundenlang zu einer Zuckerrohrplantage gefahren war, um sich dort um Probleme der Produktion zu kümmern. Renee hatte darüber, dass sie allein gehen musste, vor Wut getobt. Am nächsten Tag hatte Parker sich entschuldigt, aber sie hatte ihm nur seinen Ring zurückgegeben, helle Wut in den Augen.
Parker hoffte noch immer, dass es nur daran lag, dass Renee und all die anderen einfach nicht die Richtigen für ihn waren und dass er, wenn er die Richtige gefunden hätte, auch ohne Ermahnen und Streiten ein Gleichgewicht finden würde.
Vor kurzem dachte er, er wäre auf der richtigen Spur. Lucille war die große Ausnahme, die es geschafft hatte, Partnerin in einer großen Rechtsanwaltskanzlei zu werden, eine Position, die normalerweise von Männern besetzt war. Sie hatte zwar eine Achtzig-Stunden-Arbeitswoche, aber wenn sie sich wochentags zum Mittagessen oder am Wochenende zum Abendessen trafen, signalisierte sie ihm deutlich, dass er sie als Mann interessierte.
Nachdem sie sich drei Wochen lang so getroffen hatten, ging Parker mit ihr zum Abendessen ins Louis XVI. im Französischen Viertel. Sie hielt seine Hand und schmiegte ihr Bein unter dem Tisch an seines. Als er sie schließlich zu ihrer Wohnung begleitete, wusste er, dass es an diesem Abend zum Sex kommen würde.
Er war bereit dazu. Und er hatte Kondome eingepackt.
Beim Gedanken an die entscheidende Szene stöhnte Parker, dann musste er wider Willen lachen.
Kaum waren sie in der Wohnung, hatte er sie innerhalb von Minuten aus ihrem Kleid geschält, sie in seine Arme gehoben und durch den steril wirkenden Wohnraum mit den weißen Teppichen ins Schlafzimmer getragen, wo er sie auf das Bett gleiten ließ und seinen Gürtel und seinen Reißverschluss zugleich öffnete.