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Ein neues Kind im Zauberwald
Die Geschwister Jo, Bessie und Fanny können endlich von ihren Abenteuern im Zauberwald erzählen, denn ihr Cousin Dick kommt zu Besuch. Der will zuerst gar nicht glauben, was ihm die drei berichten. Da hilft nur eins: Rauf auf den Wunderweltenbaum im Zauberwald und rein in ein Wunderland! Manchmal wird es ganz schön gefährlich, doch die alten Freunde Mondgesicht, Seidenhaar und Pfannenmann lassen die Kinder auch diesmal nicht im Stich, so dass sie fast immer rechtzeitig zum Abendessen wieder zu Hause sind. Diese Ferien wird Dick so schnell nicht vergessen!
Ein Klassiker neu entdeckt! Eine fantastische Reihe voll überbordendem Einfallsreichtum von der Autorin der Fünf Freunde.
Der zweite von vier Bänden mit Sammelmotiv
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Enid Blyton, 1897 in London geboren, begann im Alter von 14 Jahren, Gedichte zu schreiben. Bis zu ihrem Tod im Jahre 1968 verfasste sie über 700 Bücher und mehr als 3000 Kurzgeschichten, die in über 40 Sprachen übersetzt wurden. Bis heute gehört Enid Blyton zu den meistgelesenen Kinderbuchautoren der Welt, und mit den »Fünf Freunden« hat sie die bekanntesten Helden aller Zeiten geschaffen.
Alica Räth, geboren 1999 in Norddeutschland, ist mit Leib und Seele Illustratorin. Nach ihrem Studium an der Designakademie in Rostock zog sie in eine kleine Stadt in Bayern. Wenn sie dort, in ihrem Atelier direkt unterm Dach, nicht an ihren liebevollen dunkelbunten Illustrationen arbeitet, spaziert sie mit ihrem Hund Dexter durch die bergige Landschaft Süddeutschlands.
Enid Blyton
Aus dem Englischen von Ute Mihr
Mit Illustrationen von Alica Räth
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Die Wunderweltenbaum-Reihe:
Band 1: Komm mit in den Zauberwald
Band 2: Aufregende Ferien im Zauberwald
Band 3: Das Geheimnis des Zauberwaldes
Band 4: Jacqueline Wilson, Zurück im Zauberwald
© 2024 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der
Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Lena Ellermann
Umschlagillustration: Alica Räth
IF • Herstellung: AW
Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg
ISBN 978-3-641-30354-9V001
www.cbj-verlag.de
1 Dick kommt zu Besuch
2 Im Zauberwald
3 Das Kopfüber-Land
4 Das Land der Zaubersprüche
5 Der Pfannenmann bringt alles durcheinander
6 Was jetzt?
7 Mister Veränderlich und der Zauberer
8 Wie können sie entkommen?
9 Das Land der Träume
1O Mehr Abenteuer
11 Zurück im Baum
12 Das Land Tu-was-du-willst
13 Im Land der Spielsachen
14 Eine aufregende Befreiung
15 Ein Schreck für die Spielsachen
16 Das Land der Leckereien
17 Dick bringt alle in Schwierigkeiten
18 Überraschende Besucher
19 Das Land der Alten
2O Das Land der magischen Medizin
21 Dick sorgt für Aufregung
22 Sir Namenlos überbringt eine schlechte Nachricht
23 Das Land der Launen
24 Große Aufregung
25 Alles wird gut
26 Das Land der Geschenke
Jo, Bessie und Fanny lebten mit ihren Eltern in einem kleinen Häuschen auf dem Land. Die Mädchen halfen der Mutter im Haus und Jo arbeitete mit dem Vater im Garten.
Eines Tages erhielt die Mutter einen Brief. Da sie nur selten Post bekamen, waren die Kinder sehr neugierig.
»Hört mal!«, rief die Mutter. »Eine spannende Neuigkeit für euch. Euer Cousin Dick besucht uns.«
»Toll!«, riefen die Kinder erfreut. Dick war ungefähr so alt wie Jo. Er war immer gut drauf und ziemlich frech. Sie würden ihren Spaß mit ihm haben.
»Er kann bei mir im Zimmer schlafen«, bot Jo an. »Mensch, Mum, das wird klasse. Wann kommt er?«
»Morgen«, antwortete die Mutter. »Die Mädchen sollen in deinem Zimmer ein zweites Bett aufstellen und du, Jo, machst Platz in deinem Schrank für Dicks Sachen. Er wird eine Weile bleiben. Seine Mutter ist krank und kann sich nicht um ihn kümmern.«
Die Kinder stürmten nach oben und bereiteten Jos Zimmer für den Besuch von Dick vor.
»Was meint ihr, was Dick sagt, wenn wir ihm vom Zauberwald erzählen«, rief Jo, »und vom Wunderweltenbaum!«
»Und wenn wir ihm unsere Freunde dort vorstellen«, fügte Bessie hinzu, »Seidenhaar und den alten Mondgesicht und den lieben schwerhörigen Pfannenmann und all die anderen.«
»Der wird sich ganz schön wundern«, meinte Fanny.
Sie bereiteten alles für die Ankunft ihres Cousins vor. In Jos Zimmer stellten sie ein schmales Klappbett auf und legten Decken bereit. Als Kopfkissen nahmen sie ein Kissen von der Couch. Zum Schluss räumten sie in Jos Schrank und in seiner Kommode ein Fach frei für Dicks Sachen. Dann schauten sie aus dem Fenster, das auf einen dunklen dichten Wald gleich hinter dem Garten hinausging. Die Bäume schwankten im Wind.
»Der Zauberwald«, sagte Bessie leise vor sich hin. »Was wir da schon für tolle Abenteuer überstanden haben! Vielleicht erlebt Dick auch was Schönes.«
Am nächsten Tag kam Dick mit dem Wagen des Gepäckträgers an. Er sprang mit seiner kleinen Reisetasche von dem Gefährt herunter und umarmte die Mutter der Kinder.
»Hallo, Tante Polly!«, rief er. »Klasse, dass ich zu euch kommen kann. Hi, Jo! Meine Güte, Bessie und Fanny sind ganz schön groß geworden. Ich freu mich, dass ich mal wieder bei euch bin.«
Die Kinder führten ihn in sein Zimmer hinauf. Die beiden Mädchen packten seine Sachen aus und räumten sie ordentlich in den Schrank und in die Kommode ein. Dann zeigten sie ihm das Bett, in dem er schlafen sollte.
»Wahrscheinlich wird es mir hier ziemlich langweilig. Schließlich wohne ich ja in London«, sagte Dick und legte seine Haarbürste auf den kleinen Frisiertisch. »Es ist so still hier. Der Lärm von Bussen und Straßenbahnen fehlt mir bestimmt bald.«
»Keine Sorge, Dick, dir wird’s hier sicher nicht langweilig«, beruhigte ihn Jo. »Wir haben, seit wir hier sind, mehr erlebt als je zuvor in der Großstadt.«
»Was?«, fragte Dick erstaunt. »Hier sieht alles so ruhig aus. Ich hätte nicht gedacht, dass sich hier auch nur das kleinste Erlebnis findet.«
Die Kinder zogen Dick zum Fenster. »Schau mal, Dick«, erklärte Jo. »Siehst du den dichten dunklen Wald dort drüben hinter der Straße? Gleich im Anschluss an unseren Garten?«
»Ja«, antwortete Dick. »Sieht ganz normal aus, nur die Blätter der Bäume sind vielleicht ein wenig dunkler als sonst.«
»Also, pass auf, Dick. Da ist der Zauberwald!«, sagte Bessie,
Dick riss die Augen auf und starrte zum Wald hinüber. »Ihr wollt mich wohl auf den Arm nehmen!«, sagte er schließlich.
»Nein, wollen wir nicht«, entgegnete Fanny. »Wir meinen das genau so, wie wir es sagen. Der Wald heißt Zauberwald und er ist auch verzaubert. Und weißt du was, Dick? Mittendrin wächst der tollste Baum der Welt.«
»Und was ist das für ein Baum?«, fragte Dick, der langsam neugierig wurde.
»Der Baum ist einfach riesig«, antwortete Jo. »Seine Krone reicht bis zu den Wolken. Und dann, Dick, steht über der Krone immer irgendein merkwürdiges fremdes Land. Um dorthin zu gelangen, musst du auf dem obersten Ast immer weiter klettern bis zu einer Leiter. Die führt durch ein Loch in der Wolke, die immer über dem Baum steht, und dann bist du in irgendeinem seltsamen Land!«
»Das glaub ich nicht«, sagte Dick. »Das denkt ihr euch bloß aus.«
»Ach, Dick! Wir nehmen dich mit und zeigen dir alles«, sagte Bessie. »Es ist alles genauso, wie wir es sagen. Mensch, Dick, wir haben so spannende Abenteuer erlebt oben über dem Wunderweltenbaum. Im Schaukelland waren wir und im Geburtstagsland.«
»Und im Land Nimm-was-du-willst und im Land des magischen Schneemanns«, fügte Fanny hinzu. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie spannend das alles ist.«
»Und im Stamm des Wunderweltenbaums leben die komischsten Gestalten«, sagte Jo. »Wir haben viele gute Freunde dort. Wir nehmen dich mal mit zu ihnen. Zum Beispiel zu der kleinen Fee Seidenhaar. Sie wird so genannt, weil sie so seidige blonde Haare hat.«
»Und dann gibt’s da noch Mondgesicht«, erzählte Bessie weiter. »Er hat ein großes rundes Gesicht wie der Mond! Er ist total süß!«
»Oder den witzigen Sir Namenlos«, warf Fanny ein.
»Wie heißt der wirklich?«, fragte Dick verwundert.
»Das weiß niemand, nicht einmal er selbst«, antwortete Jo. »Deshalb nennen ihn alle Sir Namenlos. Und dann gibt’s da noch den Pfannenmann. Er ist mit Töpfen und Pfannen behängt und hört so schlecht, dass er alles immer falsch versteht.«
Dicks Augen begannen zu leuchten. »Bringt mich dorthin«, bat er. »Bitte, schnell! Ich kann es nicht erwarten, all diese merkwürdigen Leute kennenzulernen.«
»Wir können nur gehen, wenn Mum es uns erlaubt. Vielleicht müssen wir ihr noch helfen«, sagte Bessie. »Aber wir nehmen dich mit, keine Sorge.«
»Und, Dick«, sagte Fanny, »da gibt’s auch die Rutschige Rutsche, die führt von der Krone bis zu den Wurzeln im Innern des Baumstamms entlang. Sie gehört Mondgesicht. Er verleiht Kissen, auf denen man runterrutschen kann.«
»Da möchte ich gerne rutschen«, sagte Dick und wurde ganz ungeduldig. »Warum erzählt ihr mir das alles, wenn ihr es mir nicht auf der Stelle zeigen könnt? Ich kann heute Nacht bestimmt nicht schlafen. Meine Güte. In meinem Kopf dreht sich alles, wenn ich nur an den Wunderweltenbaum und Mondgesicht und Seidenhaar und die Rutschige Rutsche denke.«
»Dick, wir zeigen dir alles so schnell wie möglich«, versprach Jo. »Kein Grund zur Eile. Der Wunderweltenbaum ist immer da. Aber wir wissen nicht, welches Land über der Krone steht. Außerdem müssen wir aufpassen. Manchmal sind die Länder gefährlich und man kommt nicht mehr weg.«
Von unten rief eine Stimme: »Kinder! Wollt ihr den ganzen Tag dort oben bleiben? Wahrscheinlich wollt ihr gar keinen Tee! Schade, ich habe Butterhörnchen gemacht und Erdbeermarmelade hingestellt.«
Vier Kinder stürmten die Treppe hinunter. Butterhörnchen mit Erdbeermarmelade – das wollten sie nicht verpassen.
»Jo, Dad möchte, dass du nach dem Tee Kartoffeln erntest«, sagte die Mutter. »Dick kann dir ja helfen. Und Bessie und Fanny, ihr müsst mir die restliche Wäsche bügeln. Ich muss die ausgebesserten Kleider zu Mrs Harris bringen und sie wohnt ziemlich weit weg.«
Die Kinder hatten sehr gehofft, dass sie spielen gehen dürften und mit Dick in den Zauberwald gehen könnten. Sie sahen sehr enttäuscht aus, aber sie sagten nichts, denn sie wussten, dass in der Familie alle mithelfen müssen.
Die Mutter sah ihre langen Gesichter und lächelte. »Ihr wollt bestimmt, dass Dick eure merkwürdigen Freunde kennenlernt«, sagte sie. Also passt auf. Wenn ihr heute schön mithelft, dann dürft ihr morgen den ganzen Tag spielen gehen. Ihr könnt etwas zu essen mitnehmen und alle eure Freunde besuchen. Wie wäre das?«
»Ja, Mum, danke!«, riefen die Kinder erfreut.
»Den ganzen Tag!«, sagte Bessie. »Mensch, Dick, da können wir dir alles zeigen.«
»Vielleicht kannst du sogar einen Blick in das Land werfen, das oben über dem Wunderweltenbaum steht«, flüsterte Fanny. »Super!«
Also machten sie sich nach dem Tee an die Arbeit und freuten sich auf den nächsten Tag. Dick strengte sich an und Jo war zufrieden mit ihm. Sie würden eine gute Zeit haben mit dem Cousin. Sie könnten zusammen arbeiten, aber auch spielen und Spaß haben.
Als sie abends ins Bett gingen, ließen sie die Zimmertüren offen, damit sie sich unterhalten konnten.
»Schlaf gut, Dick!«, rief Bessie. »Hoffentlich ist morgen schönes Wetter! Das wird bestimmt lustig!«
»Gute Nacht, Bessie!«, rief Dick zurück. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich auf morgen freue. Heute Nacht mach ich bestimmt kein Auge zu.«
Aber er schlief bald ein und die anderen drei Kinder auch. Gegen zehn Uhr kam die Mutter herauf und sah nach ihnen. Alle Kinder schliefen.
Jo wachte am nächsten Morgen als Erster auf. Er setzte sich auf und schaute aus dem Fenster. Warm und hell schien die Sonne herein. Jos Herz machte vor Freude einen Satz. Er beugte sich hinüber zu Dicks Bett und rüttelte ihn an der Schulter.
»Wach auf!«, rief er. »Jetzt ist morgen und wir gehen zum Zauberwald!«
Die Kinder verschlangen ihr Frühstück in Windeseile. Die Mutter bat Bessie und Fanny, belegte Brote zu machen und aus der Speisekammer einen kleinen Schokoladenkuchen zu holen.
»Ihr könnt auch eine Packung Kekse mitnehmen«, sagte sie. »Und da drüben in der Schüssel sind Äpfel. Wenn ihr dann heute Abend hungrig seid, mache ich euch Ofenkartoffeln, die ihr in der Schale mit Butter und Salz essen könnt.«
»Ja, Mum, wir sind bestimmt hungrig«, rief Jo sofort. »Beeilt euch mit den Broten, Bessie und Fanny. Wir wollen möglichst bald aufbrechen.«
»Aber kommt nicht so spät nach Hause, sonst mache ich mir Sorgen«, bat die Mutter. »Und Jo, pass auf deinen Cousin auf.«
»Ja, klar«, antwortete Jo.
Endlich war alles bereit. Jo packte die Vorräte in eine Ledertasche und hängte sie sich über die Schulter. Dann machten sich die vier auf zum Zauberwald.
Bald schon waren sie an ihrem Ziel. Zwischen der Straße und dem Wald lag ein schmaler Graben.
»Du musst über den Graben springen, Dick«, sagte Jo. Alle machten einen Satz über den Gaben.
Im Wald angelangt, blieb Dick stehen. »Was für merkwürdige Geräusche die Blätter von sich geben«, meinte er. »Hört sich fast an, als würden sie miteinander sprechen, als würden sie sich Geheimnisse zuflüstern.«
»Wispa-wispa-wispa-wispa«, machten die Bäume.
»Das tun sie auch«, erklärte Bessie. »Und weißt du was, Dick? Wenn die Bäume uns etwas sagen wollen, müssen wir nur unser linkes Ohr an den Stamm legen. Dann verstehen wir, was sie sagen.«
»Wispa-wispa-wispa-wispa«, flüsterten die Bäume.
»Los«, drängte Jo ungeduldig. »Wir wollen doch zum Wunderweltenbaum.«
Sie gingen weiter und bald hatten sie den magischen Baum erreicht. Dick sah staunend an ihm hinauf.
»Mensch, der ist ja riesig«, rief er. »So einen Baum habe ich noch nie im Leben gesehen. Man kann noch nicht mal bis zur Krone hinaufsehen. Meine Güte! Was ist das für ein Baum? Er trägt Eichenblätter, aber eine richtige Eiche ist er offenbar nicht.«
»Das ist ein komischer Baum«, meinte Bessie. »Manchmal wachsen eine Weile Eicheln und Eichenblätter, und dann bemerkst du plötzlich, dass Pflaumen auf ihm wachsen. Aber am nächsten Tag sind es dann wieder Äpfel oder Pfirsiche. Man kann es nie vorhersagen. Das ist alles sehr spannend.«
»Und wie kommt man hinauf?«, fragte Dick. »Einfach klettern?«
»Ja, heute schon«, antwortete Jo. »Wir wollen dich doch mit unseren Freunden bekannt machen, die im Baum wohnen. Manchmal hängt ein Seil herab, an dem wir uns ganz schnell hinaufhangeln können. Oder Mondgesicht lässt ein Kissen herunter, an dem ein Seil befestigt ist, und zieht uns dann nacheinander hoch.«
Jo schwang sich in den Baum hinauf und die anderen folgten. Nach einer Weile schrie Dick auf: »Mensch, seht mal! Da wachsen ja Nüsse. Das ist wirklich sehr ungewöhnlich!«
Dick pflückte ein paar Nüsse und knackte sie. Es waren tatsächlich Haselnüsse: reif und süß. Alle Kinder pflückten sich eine Handvoll Nüsse und mampften sie genüsslich.
Bald waren sie schon sehr hoch oben, da entdeckte Dick zu seiner großen Überraschung ein kleines Fenster im Stamm des Weltenbaums.
»Huch! Wohnt da wirklich jemand?«, fragte er die anderen. »Ach ja! Da ist ja auch ein Fenster. Ich schau mal rein!«
»Lieber nicht!«, rief Jo ihm zu. »Dort wohnt Griesgram, und der mag es gar nicht, wenn jemand zu ihm hineinschaut.«
Aber Dick war so neugierig, dass er einfach hineinschauen musste. Griesgram war zu Hause. Er ließ gerade Wasser in seinen Kessel laufen, sah auf und entdeckte Dicks erstauntes Gesicht am Fenster. Nichts ärgerte Griesgram mehr als Leute, die ihn anstarrten. Er stürzte zum Fenster und riss es auf.
»Glotzt ihr wieder?«, schrie er. »Es ist eine Schande. Tag und Nacht kommen Leute und glotzen in meine Wohnung! Da, nimm das!« Und er leerte den ganzen Wasserkessel über dem armen Dick aus. Dann knallte er das Fenster zu und zog die Vorhänge vor. Jo, Bessie und Fanny mussten lachen.
»Ich hab dich gewarnt«, sagte Jo und rieb Dick mit seinem Taschentuch trocken. »Schau nie bei Griesgram durchs Fenster. Er ist fast immer schlecht gelaunt. Und noch was, Dick. Ganz oben im Baum wohnt eine alte Frau. Sie wäscht den ganzen Tag und kippt dann ihr Waschwasser einfach den Baum hinunter. Du musst immer auf der Hut sein, sonst wirst du nass.«
Dick spähte den Baum hinauf, als erwarte er gleich einen Schwall Wasser.
»Komm weiter«, trieb Bessie ihn an. »Jetzt kommen wir gleich zur Behausung der Eule. Sie ist mit Seidenhaar befreundet und bringt uns manchmal Briefe.«
Die Eule schlief fest. Sie wachte normalerweise erst am Abend auf. Dick spähte zum Fenster ihrer Wohnung hinein und sah, dass die große Eule auf einem Bett schlief. Er musste unwillkürlich lachen.
»Das gefällt mir alles wirklich sehr«, sagte er zu Fanny. »Es ist superspannend.«
Die Kinder kletterten noch höher und kamen schließlich an einen dicken Ast. »Da ist ja eine kleine gelbe Tür mit einem Türklopfer und einer Klingel!«, rief Dick und betrachtete die Tür, die sauber in den Stamm eingelassen war. »Wer wohnt da?«
»Unsere Freundin Seidenhaar«, sagte Jo. »Zieh an der Klingel, dann macht sie auf.«
Dick zog an der Klingelschnur und hörte, wie es drinnen bimmelte. Schritte näherten sich der Tür. Die Tür ging auf und eine hübsche kleine Elfe schaute heraus. Ihre Haare umrahmten ihr Gesicht wie eine goldene Wolke.
»Hallo, Seidenhaar!«, rief Jo. »Wir möchten dich besuchen. Und wir haben unseren Cousin Dick mitgebracht. Er wohnt eine Weile bei uns. Gerade erkundet er mit großem Spaß den Wunderweltenbaum.«
»Hallo, Dick. Wie geht’s?«, sagte Seidenhaar und reichte ihm ihre kleine Hand. Dick drückte sie schüchtern. Noch nie hatte er ein so liebliches Geschöpf gesehen.
»Wollt ihr noch zu Mondgesicht?«, fragte Seidenhaar. »Dann komm ich mit. Ich möchte mir von ihm Marmelade ausleihen. Ich nehme ein paar Knallkekse mit. Die können wir dann alle zusammen bei Mondgesicht essen.«
»Was um Himmels willen sind Knallkekse?«, fragte Dick verwundert.
»Wart’s ab!«, meinte Jo grinsend.
Dann kletterten sie alle zusammen weiter den Baum hinauf. Bald härten sie ein komisches Geräusch. »Das ist der alte Sir Namenlos. Er schnarcht«, erklärte Jo. »Schau, da ist er.«
Und da saß er tatsächlich in einem bequemen Stuhl, die Hände über dem dicken Bauch gefaltet und mit weit offenem Mund.
»Jetzt hätte ich Lust, ihm was in den offenen Mund zu werfen«, sagte Dick sofort.
»Das geht jedem so«, sagte Jo. »Mondgesicht und Seidenhaar haben ihm mal Eicheln in den Mund geworfen. Stimmt’s, Seidenhaar? Namenlos wurde furchtbar zornig. Er warf Mondgesicht durch das Loch in der Wolke in das merkwürdige Land, das gerade oben stand.«
»Wo ist der Pfannenmann?«, fragte Bessie. »Er ist doch normalerweise immer bei seinem Freund Namenlos.«
»Wahrscheinlich besucht er Mondgesicht«, sagte Seidenhaar. »Kommt! Wir sind gleich da.«
Plötzlich hielt Seidenhaar inne. »Horcht mal!«, sagte sie. Und alle lauschten. Sie hörten ein merkwürdiges Geräusch – plitsch platsch plitsch platsch –, das immer näher kam.
»Das ist Frau Waschs schmutziges Wasser!«, schrie Jo. »Schnell, unter einen Ast!«
Dick war nicht so schnell wie die anderen, die alle unter dicken Ästen Schutz gesucht hatten, und hatte seinen Unterschlupf noch nicht erreicht, als das Wasser den Baum hinunterplatschte. Es landete auf seinem Kopf und rann ihm den Rücken hinunter. Dick war sehr aufgebracht. Den anderen tat er leid, aber irgendwie fanden sie es auch lustig.
»Das nächste Mal ziehe ich eine Badehose an«, meinte Dick und versuchte, sich trocken zu reiben. »Aber eigentlich sollte irgendjemand Frau Wasch verbieten, ihr Wasser einfach auszuschütten. Das ist ja ekelhaft.«
»Ach, du hast dich bald daran gewöhnt und kannst dem Wasser dann leicht ausweichen«, beruhigte ihn Jo.
Sie kletterten weiter nach oben und hatten endlich fast die Krone erreicht. Dort sahen sie eine Tür im Stamm und hörten Stimmen.
»Das sind Mondgesicht und der Pfannenmann«, erklärte Jo und klopfte an die Tür. Sie flog auf und Mondgesicht schaute heraus. Als er sah, wer seine Besucher waren, erstrahlte sein großes rundes Gesicht in einem Lächeln.
»Hallo! Hallo! Hallo!«, rief er. »Kommt rein. Der Pfannenmann ist auch da.«
Alle traten in Mondgesichts lustiges rundes Zimmer ein. In der Mitte befand sich ein großes Loch: der Einstieg zu der wunderbaren Rutschigen Rutsche, die sich innen am Stamm des Baumes entlang bis ganz nach unten wand. Um den Einstieg herum standen Mondgesichts Möbel, die alle rund waren, damit sie sich in das Rund des Baumstamms einfügten. Sein Bett war rund, die Stühle waren rund, das Sofa war rund und auch der Herd war rund. Es sah sehr merkwürdig aus.
Dick betrachtete alles höchst erstaunt. Er glaubte wirklich, dass er träumte. Auf dem Sofa saß eine sehr seltsame Gestalt.
Das war der alte Pfannenmann. Er bot wirklich einen komischen Anblick. Von Kopf bis Fuß war er mit Töpfen und Pfannen behängt und als Hut trug er ebenfalls einen Topf mit Stiel. Außer seinem Gesicht und seinen Händen und Füßen sah man vor lauter Töpfen und Pfannen kaum etwas von ihm. Bei jeder Bewegung machte er einen Höllenlärm.
»Wer ist denn das?«, fragte er und schaute Dick an.
»Das ist Dick«, stellte Jo seinen Cousin vor, und Dick machte einen Schritt nach vorn, um dem Pfannenmann die Hand zu geben.
Der Pfannenmann war sehr schwerhörig, auch wenn er manchmal recht gut hörte. Aber fast immer verstand er etwas falsch und das war manchmal sehr lustig.
»Tick?«, sagte er. »Das ist aber mal ein lustiger Name für einen Jungen.«
»Nicht Tick, sondern DICK!«, schrie Mondgesicht.
»Kick?«, fragte der Pfannenmann und streckte die Hand aus. »Guten Morgen, Kick. Ich hoffe, es geht dir gut.«
Dick kicherte. Mondgesicht wollte wieder losbrüllen, aber Seidenhaar reichte ihm rasch die Tüte mit den Knallkeksen. »Ärgere dich nicht über ihn«, sagte sie. »Nehmen wir uns lieber alle ein paar Knallkekse. Sie sind ganz frisch. Von heute. Und Mondgesicht, sag mal, welches Land steht heute über dem Wunderweltenbaum?«
»Das Kopfüber-Land«, sagte Mondgesicht. »Aber ich rate euch, nicht hinzugehen. Es ist bestimmt sehr unbequem.«
»Doch, lasst uns gehen«, bettelte Dick. »Können wir wenigstens einen Blick hineinwerfen?«
»Mal sehen«, meinte Jo und gab ihm einen Knallkeks. »Probier mal, Dick.«
Knallkekse waren etwas Wunderbares. Dick nahm den Keks in den Mund und biss hinein. Mit einem leisen Plopp platzte er auf, und Dick hatte den ganzen Mund voller süßem Honig, der aus den Keksen quoll.
»Lecker!«, sagte er. »Kann ich noch einen haben? Aber komm, Jo, wir essen unsere Brote oben im Kopfüber-Land. Bitte!«
Wie ist das Kopfüber-Land?«, fragte Jo und nahm sich noch einen Knallkeks.
»War noch nie da«, meinte Mondgesicht. »Aber ich glaube nicht, dass es gefährlich ist. Es ist erst angekommen, dürfte also noch eine Weile bleiben. Wir könnten ja hochgehen und schauen, wie es ist. Und wenn es uns nicht gefällt, dann kommen wir einfach wieder runter. Seidenhaar und der Pfannenmann und ich begleiten euch, wenn ihr wollt.«
Mondgesicht wandte sich an den Pfannenmann, der gerade seinen fünften Knallkeks verspeiste.
»Pfannenmann, wir klettern die Leiter hoch«, sagte er. »Willst du mitkommen?«
»Nein, ich will mich nicht sonnen«, antwortete der Pfannenmann. »ich sitze lieber hier und esse noch ein paar Knallkekse.«
»Ich sagte, willst du KOMMEN?«, schrie Mondgesicht.
»Ach so, kommen«, sagte Mondgesicht. »Natürlich will ich mitkommen. Nehmen wir was zu essen mit?«
»Ja«, antwortete Mondgesicht und ging zu einer runden Tür, die in eine winzige Speisekammer führte. »Mal sehen, was ich hier habe. Tomaten. Pflaumen. Ingwerschnaps. Ingwerbier. Ich bringe einfach alles.«
Er packte die Sachen in einen Korb. Dann verließen sie das lustige runde Zimmer und traten auf den breiten Ast hinaus. Mondgesicht schloss die Tür.
Jo ging voran bis zur obersten Spitze des Wunderweltenbaums. Da stieß Dick vor Verwunderung einen Schrei aus.
»Schaut mal!«, rief er. »Da ist ja eine riesige Wolke über uns und um uns herum. Merkwürdig!«
Tatsächlich schwebte eine ausladende weiße Wolke direkt über ihnen, aber ganz in ihrer Nähe war ein Loch, das durch die Wolke hindurchführte.
»Dort gehen wir durch«, erklärte Jo. »Siehst du den Zweig, der in das Loch ragt? Komm!«
Sie alle kletterten den letzten und höchsten Ast des Wunderweltenbaums entlang, der immer weiter hinauf durch das Loch in der Wolke führte. Ganz am Ende des Asts stand eine kleine Leiter.
Jo kletterte die Leiter hinauf und auf einmal streckte er seinen Kopf in das Kopfüber-Land.
Seine Begleiter folgten ihm einer nach dem anderen und bald standen alle sieben in dem seltsamen Land.
Dick war nicht so sehr an merkwürdige Länder gewöhnt wie die anderen. Er stand nur da und schaute. Seine Augen waren so weit aufgerissen, dass es fast aussah, als würden sie ihm aus dem Kopf fallen.
Aber es war auch ein sehr seltsamer Anblick, der sich ihm da bot. Alle Häuser standen kopfüber auf ihren Schornsteinen. Auch die Bäume standen auf dem Kopf. Die Kronen steckten im Boden und die Wurzeln ragten in die Luft. Und – oje – auch die Menschen gingen auf dem Kopf.
»Sie gehen auf den Händen und die Füße sind in der Luft!«, sagte Jo. »Wie kann man nur.«
Alle betrachteten staunend die Bewohner des Kopfüber-Landes. Sie kamen sehr schnell voran auf ihren Händen. Oft blieben sie auch stehen und redeten geschäftig miteinander. Einige hatten eingekauft und trugen an einem Fuß einen Korb.