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Frisch mit ihrem Lieblingsvampir zusammengezogen, wird Yvonne Nowak mit neuen Herausforderungen konfrontiert: Isabel, Yvors Schwester, bekommt die Erlaubnis, das letzte Schuljahr an einer öffentlichen Schule zu erleben. Die junge Vampirdame schlittert natürlich sogleich in einige Probleme, da sie im Umgang mit Normalsterblichen nicht erprobt ist. Zum Glück hat sie Yvi, die sie versteht. Als jedoch der Rat der Vampire Dr. Yvonne Nowak den Auftrag für ein Gutachten erteilt, wird es allmählich komplizierter in deren Leben. Schließlich handelt es sich bei diesem Auftrag um eine Auserwählte, die keine Ahnung von ihrer Gabe hat. Wie soll Yvi ihr nur beibringen, dass diese eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt? Und was hat der verschwundene Ermittler mit der ganzen Sache zu tun? Hält der Rat eventuell Informationen zurück? Empfohlene Lesereihenfolge: MmeeBs: 01 – Ein Vampir fürs Leben (Neuausgabe) MmeeBs: 02 – Erinnerungen eines Vampirs (Neuausgabe) MmeeBs: 03 – Eine Vampirdame im Sprechzimmer Yvor und Yvi – Eine Vampir-Liebesgeschichte mit Knacks MmeeBs: 04 – Vampirische Eifersucht MmeeBs: 05 – Vampirdamen bedeuten nichts als Ärger Yvor und Yvi 2 – Eine Vampir-Liebesgeschichte und noch ein Knacks MmeeBs: 06 – Vampirischer Auftrag: Blutiges Erbe MmeeBs: 07 – Blut, Eis und Flammen Yvor und Yvi 3 – Kein Knacks ist auch keine Lösung VieW 01 – Sam und Moe VieW 02 – Sam und Moe 2 VieW 03 – Avalarie und das Schicksal VieW 04 – Adrian – Gegen die Zeit VieW 05 – Sam und Moe 3 *MmeeBs – Manchmal muss es eben Blut sein *VieW – Verliebt in einen Wolf Und die Welt wächst weiter ... Die Reihe ›Yvor und Yvi‹ umfasst drei Bände und ist somit vollständig abgeschlossen.
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Seitenzahl: 412
Ein Buch aus der Reihe: Yvor und Yvi »Eine Vampir-Liebesgeschichte mit Knacks« »Eine Vampir-Liebesgeschichte und noch ein Knacks«
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Yvor und Yvi 2 - Eine Vampir-Liebesgeschichte und noch ein Knacks
Sabrina Georgia
1. Auflage
März 2017
© 2017 DerFuchs-Verlag
D-69231 Rauenberg (Kraichgau)
DerFuchs-Verlag.de
Korrektorat: Ulrike Rücker
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, Verbreitung, Übersetzung und Verfilmung liegen beim Verlag. Eine Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ohne Genehmigung des Verlags ist strafbar.
ISBN 978-3-945858-48-6 (Taschenbuch)
ISBN 978-3-945858-49-3 (E-Book)
Danke an meine Leserinnen und Leser, die sich so für meine Geschichten begeistern können. Ihr seid einfach wunderbar!
Kiwi, der ich Yvor und Yvi zu verdanken habe. ;) Mal schauen, was du zu diesem Abenteuer sagst.
Prolog
Manchmal wäre er gern ein ganz normaler Mann, der abends nach Hause kam und sich von seiner Frau all die langweiligen Dinge erzählen ließ, die sie so den ganzen Tag über erlebt hatte. Stattdessen kauerte er auf einer Wolldecke zu Füßen seiner Auserwählten und wartete darauf, dass sie aufhörte, dieses dumme Buch zu lesen und ihn stattdessen hinter den Ohren kraulte. Vorsichtig stupste er sie an.
»Ach, Clint! Hast du schon wieder Langeweile?«, hörte er Antonijas Stimme belustigt sagen und sie strich ihm sanft über den Kopf, was er mit einem Brummen quittierte. Er liebte es ...
Sie sollte endlich das Buch weglegen und mit ihm kuscheln! Antonija schien seine Gedanken zu erraten, denn sie seufzte leise.
»Du gibst eh keine Ruhe, oder? Magst du lieber einen Film schauen?« Darauf bedacht, ja keine Knicke in ihr Buch zu machen, legte sie es auf den Wohnzimmertisch, ergriff die Fernbedienung und rutschte zur Seite, um ihm Platz zu machen. Na endlich!
Sogleich streckte er sich neben ihr aus, während sie sich einen Film aussuchte. Sie mochte Filme, bei denen man lachen konnte, aber auch welche, die so schmalzig waren, dass sie nur noch schniefte und ein Taschentuch nach dem nächsten verbrauchte. Antonija hatte das Sofa vorgewärmt und alles roch so gut nach ihr. Sie kraulte ihm das Fell. Das fühlte sich prima an! So könnte es immer sein ... Leider musste sie den ganzen Tag arbeiten und er war dazu verdammt, die meiste Zeit still da zu sitzen und auf sie zu warten. Aber diese Momente mit ihr auf der Couch waren das Geduldspiel wert!
»Du bist eine richtige Schmusebacke, weißt du das?«, kicherte Antonija nun und legte den Kopf auf seinen Hals, während ihn eine ihrer rotbraunen Haarsträhnen in der Nase kitzelten. Sie hatte sich für einen typischen Frauenfilm entschieden – die Verfilmung eines Romans von Jane Austen. Ihm war alles recht, Hauptsache sie blieb bei ihm liegen.
»Schade, dass du ein Hund bist«, hörte er sie leise und verträumt flüstern, während im Film dieser ständig unfreundliche Mr. Darcy endlich über seinen Schatten sprang und Elisabeth seine Liebe gestand. »So lange wie du hat es noch kein männliches Wesen bei mir ausgehalten.«
Sie drückte ihm einen Kuss auf den Kopf, gähnte herzhaft und schloss die Augen. Er spürte, wie sie langsam einnickte. Diese Frau wusste gar nicht, wie sehr sie sich täuschte ...
1
Yvi war verwundert, als sie einen fremden Wagen in der Einfahrt stehen sah. Es war keine der typischen Edelkarossen, die die Vampire fuhren.
›Bitte, lass das trotzdem ein Geschäftspartner von Yvor sein!‹, sandte sie ein Stoßgebet gen Himmel und betrat das Haus, ein ungutes Gefühl im Magen.
Stimmengewirr drang aus dem Wohnzimmer und bestärkte das ungute Gefühl, dass es sich doch nicht um Yvor, sondern um Isabel handeln musste. Hoffentlich hatte sie nichts angestellt ...
»Und was war der Grund dafür, dass du diesem Mädchen Quark über den Kopf geschüttet hast?«, knurrte Yvor gerade in dem Moment, als Yvi ins Wohnzimmer kam.
Isabel saß auf der Couch, ein Mann im Anzug neben ihr, während Yvor im Raum auf und ab tigerte und seine Schwester mit seinen blauen Augen böse anfunkelte. Die Stimmung war definitiv kurz vorm Explodieren, das spürte Yvi deutlich.
»Sie weiß wieso und ich ebenfalls. Das sollte reichen! Kristin hat mich ja auch nicht beim Direktor gemeldet, sondern Frau Himmel.« Isabel verzog die Lippen zu einem Strich. Für sie war dies das Ende der Unterhaltung, egal was man nun noch sagte. »Ich gehe jetzt in mein Zimmer. Die Hausaufgaben machen sich nicht von selbst.«
Yvi verkniff sich ein Lächeln, als Yvors Schwester hoch erhobenen blonden Hauptes an ihr vorbeimarschierte und die beiden Männer einfach stehen ließ. Yvor blieb ihr bei diesem Verhalten sogar einen Kommentar schuldig. Sie hatte ihn wohl auf dem falschen Fuß erwischt.
»Teenager«, sagte Yvi stattdessen lächelnd zu dem fremden Mann, der sich inzwischen auch erhoben hatte, schritt auf ihn zu und hielt ihm die Hand hin. »Guten Abend! Yvonne Nowak. Ich bin Yvors Lebensgefährtin.«
»Direktor Lehmann«, sagte er und ergriff die Hand. »Ich denke, Sie haben bereits mitbekommen, weshalb ich hier bin. Natürlich kann ich nachvollziehen, dass die Eingewöhnung in einer neuen Schule derweilen recht problematisch sein kann, aber eine solche Entgleisung war überaus unangebracht.«
Er hielt immer noch ihre Hand und Yvi erlaubte sich, seine Gefühle zu studieren. Ihre Gabe konnte sehr viel mehr über den Menschen ihr gegenüber erzählen, als ihre ursprüngliche Ausbildung als Therapeutin. Direktor Lehmann machte sich in der Tat Sorgen, allerdings nicht wegen Isabel. Es betraf eher die Eltern der von Isabels Attacke betroffenen Schülerin Kristin. Aber wieso hatte ein Schulleiter Angst vor den Eltern seiner Schüler?
»Erzählen Sie mir bitte von Kristins Eltern.« Natürlich hatte Yvor ihre Eindrücke mitbekommen und bohrte nun nach. Yvi liebte ihn dafür, dass er seine Halbschwester nicht gleich an den Pranger stellte, auch wenn sie es nicht so toll fand, dass er ihre Gabe ausnutzte.
Der Schulleiter wurde kreidebleich und stammelte ein paar unverständliche Worte, doch Yvor nickte. Na, zumindest er schien peinliches Gestammel zu verstehen. Er bot dem aufgeregten Mann einen Drink an und wartete, bis sich der Arme zumindest ein wenig beruhigt hatte.
»Nun? Was ist mit den Eltern des Mädchens?« Yvors Worte waren ruhig, fast hypnotisch. Es schien zu funktionieren, denn Isabels Schuldirektor räusperte sich, auch wenn seine Hände noch immer ziemlich nervös über die Sitzfläche der Couch fuhren.
»Herr und Frau Heisenberg sind ein sehr einflussreiches Paar. Er ist Geschäftsmann, und seine Frau ist sehr engagiert, wenn es um die Organisation von Spenden- und Wohltätigkeitsveranstaltungen geht. Sie haben sehr viel für unsere Schule getan und ohne sie müssten wir einige soziale Projekte aufgeben.« Jetzt fuchtelte er erneut mit den Armen.
»Wie bitte? Die beiden spenden jährlich für mehrere Projekte?«, wollte Yvi wissen. Waren sie vielleicht so was wie die hiesigen Trumps?
Doch der Direktor schüttelte den Kopf.
»Nein, Yvi, das kommt eher selten vor. Es funktioniert normalerweise so: Die eine Person spendet, gibt diese Info an Bekannte weiter und die schließen sich an. Da kann einiges an Geld zusammenkommen. Wenn man von diesen Personen jemanden verärgert, spricht sich das herum wie ein Lauffeuer.«
Yvi nickte. Das war natürlich Erpressung pur. Kein Wunder, dass Direktor Lehmann nervös war. Er sah vermutlich bereits sämtliche Felle davon schwimmen.
»Ich würde vorschlagen, dass Kristin und Isabel das unter sich regeln. Sollten ihre Eltern Ihnen trotzdem das Leben schwermachen, sagen Sie mir bitte Bescheid. Ich regele das.« Yvor zückte ein kleines Lederbüchlein aus dem Jackett und notierte etwas darauf, dann zog er eine seiner Visitenkarten hervor. »Und an Ihren sozialen Projekten würden wir uns auch gern beteiligen. Melden Sie sich diesbezüglich in meinem Büro. Eine Wertvorstellung habe ich aufgeschrieben.«
Er überreichte Isabels Schuldirektor die Visitenkarte und den Zettel, der Herrn Lehmann die Farbe aus dem Gesicht saugte.
»Das ... das ... das ...«, stammelte er und Yvor grinste gefällig.
»Ja, das ist ein nettes Sümmchen.«
Am liebsten hätte Yvi ebenfalls einen Blick darauf erhascht, aber ihre gute Erziehung verbot es ihr. Yvor würde es ihr früher oder später eh verraten.
›Es war nur ein kleiner Teil meines jährlichen Einkommens. Aber es würde mich sehr wundern, wenn die Schule jetzt noch weitere Spender benötigt. Der Betrag ist siebenstellig.‹
Yvi fiel alles aus dem Gesicht.
Verdammt! Sie musste sich wirklich einmal bei Violetta schlaumachen, wie viel Yvor eigentlich verdiente. So blauäugig an die Sache heranzugehen, war doch sonst nicht ihre Art! Dieser Mann gab ihr in manchen Bereichen noch immer Rätsel auf und würde es vermutlich immer tun.
›Rätsel sind doch nicht schlecht ... So bleibe ich hoffentlich interessant ...‹, hörte sie Yvors Stimme in ihrem Kopf und nahm auf der Couch Platz, während Yvor den noch immer stotternden Direktor zur Tür begleitete.
2
Isabel rollte sich auf dem Bett zusammen und starrte an die Decke. Diese Haltung war unbequem, aber sie wollte jetzt auch nicht einschlafen. Sie dachte an den Tag und die Reaktion ihres Bruders, als er von den Schwierigkeiten erfahren hatte. Was musste sich diese Frau Himmel auch einmischen? Kristin hätte sie sicher nicht verpfiffen. Zum Glück war sich Isa zumindest einigermaßen sicher, dass ihre Mutter nichts von diesem Schlamassel erfahren würde. Es war ohnehin nicht einfach gewesen, sie zu überreden, bei Yvor das letzte Schuljahr verbringen zu dürfen, doch nach langem hin und her hatte Isabel es geschafft.
Ein leises Winseln lenkte ihre Aufmerksamkeit zum Boden. Goldie und Blacky saßen vor dem Bett und forderten Kuscheleinheiten ein. Die beiden Racker waren ihr gefolgt und würden nun so lange maulen, bis sie sich zu ihnen hinunterbeugte.
»Ihr beiden macht mir wenigstens keine Vorwürfe«, seufzte Isabel und zog die kleinen Racker zu sich aufs Bett.
Sofort kuschelte sich Goldie an sie, während ihr Bruder die Bettdecke interessanter zu finden schien. Blacky hatte einen von Isabels Socken entdeckt und versuchte nun, diesen unter der Decke zu verbuddeln. Es sah ziemlich süß aus, wie er immer wieder mit der Schnauze erst den Socken anstupste und danach dann die Decke drüber zu schieben versuchte.
»Dummer Hund«, kicherte Isabel und kraulte den schwarzen Shih Tzu hinter dem Ohr.
Goldie hatte sich in der Zwischenzeit einen wärmeren Platz unter Isabels weitem Pullover gesucht. Isa quietschte, als sie eine Zunge an ihrem Bauch spürte, lachte jedoch, als Goldies kleines Schwänzchen zu wedeln begann. Das war das Einzige, was sie von der kleinen Shih Tzu-Dame noch sehen konnte.
Ein leises Klopfen ließ Isabel zur Tür schauen. Zumindest respektierte man noch einigermaßen ihre Privatsphäre. Bei ihrer Mutter wäre vermutlich die Tür einfach aufgerissen worden.
»Ja?«, sagte sie, war sich aber unsicher, ob sie schon wieder bereit war, sich neuen Vorwürfen zu stellen.
»Hey.« Es war Yvi, die sie vom Türrahmen aus anlächelte.
»Hey.«
Isabel mochte Yvors Freundin. Sie war nie aufdringlich, spürte jedoch immer, wenn man mit jemandem reden wollte. Mit ihren lächelnden braunen Augen und dem rundlichen Gesicht machte sie es einem leicht, sich ihr anzuvertrauen. Yvi setzte sich neben sie aufs Bett, zog Blacky zu sich heran und gluckste, als der kleine Shih Tzu nun unter ihren Pulli schlüpfte. Isabel sah Blackys schwarze Nase wieder erscheinen und Yvi legte die Hände auf das kleine Knäuel.
»Diese kleine Schmusebacke. Ich weiß, wieso du sie gern um dich hast«, hauchte Yvi und Isabel nickte, während sie Goldie hervorzog und an sich drückte.
»Sie zetern nicht.«
»Ich denke, dein Bruder wird sich ebenfalls wieder beruhigen. Es ist ungewohnt für ihn, die Verantwortung für jemanden zu tragen. Vor allem dann, wenn es sich um jemand so wichtigen handelt, wie seine Schwester.« Yvis Blick, der auf ihr ruhte, war weich und voller Liebe. Ihre Hand legte sich kurz auf Isas Bein, um ihre Worte zu unterstreichen.
Isabel fühlte einen Kloß im Hals. Sie wollte etwas erwidern, wollte Yvi sagen, dass es ihr leidtat, was sie Yvor zumutete. Sie kannte ja seine eigenen Probleme. Yvor war vor Monaten noch ein Vampir ohne Halt gewesen. Er hatte sich von Menschen genährt, war langsam in den Abgrund geglitten. Dann hatte er Yvi kennengelernt und es sah so aus, als würde sie seinem Leben endlich einen Sinn geben. Jede Aufregung brachte ihn allerdings ins Wanken, auch wenn diese Anfälle nicht mehr so häufig aufkamen.
»Hast du Hunger?« Yvi stand auf und ging, Blacky nun auf dem Arm tragend, in Richtung Tür zurück. »Soll ich für uns was Leckeres kochen?«
Isabels Magen knurrte, was Yvi zum Kichern brachte.
»Ich sehe dich und Yvor also in einer halben Stunde in der Küche. Es gibt sogar Nachtisch.«
Sie zwinkerte Isabel zu und schloss dann hinter sich die Tür. Goldie stupste Isabel gegen die Hand. Geistesabwesend streichelte sie dem kleinen hellbraunen Hund über den Rücken, der dies sogleich mit begeisterten Wedeln des Puschelschwanzes quittierte.
»Kannst du mir sagen, was ich machen soll, wenn Yvor gleich in der Küche ist? Noch mehr Vorwürfe halte ich echt nicht aus«, wollte sie von Goldie wissen, die sie weiterhin schwanzwedelnd anguckte.
»Dann lass ich es eben.« Yvor stand in der Tür. Seine hochgewachsene Gestalt nahm beinahe den gesamten Platz ein. Isabel schnappte nach Luft. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie er die Tür geöffnet hatte. Er kam langsam auf sie zu und setzte sich neben Isa, wie es zuvor bereits Yvi getan hatte. »Entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Und ich dich nicht verärgern. Ich ...«
Yvor hob die Hand, was sie verstummen ließ. Ihr Bruder betrachtete sie mit einem Blick, der im Grunde alles sagte. Er hatte Angst. Aber wieso?
»Ich möchte, dass du dich hier bei uns wohlfühlst, aber du musst dich dennoch an die Regeln halten, vor allem außerhalb unseres Hauses. Es ist für uns wichtig, das zu tun.« Er tätschelte etwas unbeholfen ihr Bein. Isabel verkniff sich ein Lächeln, das Zwischenmenschliche war wirklich nicht Yvors Ding. »Ich habe Mutter versprochen, dass du bei mir sicher bist. Du glaubst gar nicht, wie sehr ich dafür bete, dieses Versprechen halten zu können.«
»Das bin ich doch! Ich bin sicher. Während meiner Auseinandersetzung mit Kristin lief ich nie Gefahr, als Vampirin aufzufliegen. Es war eine für mein Alter typische Rebellion«, suchte Isabel nach Worten, aber Yvor grinste plötzlich.
»Eine Rebellion mit Quark? Dass man diesen in der heutigen Zeit dazu nutzt, war mir neu.«
Isa kicherte. Am liebsten hätte sie ihren Bruder für diesen Scherz als Blödmann betitelt, ließ es allerdings bleiben, da sie noch immer nicht genau wusste, wie Yvor auf so was reagieren würde. Vielleicht konnte sie Yvi ja später noch die ganze Geschichte erzählen. Von ihr würde sie sicherlich nicht zu hören kriegen, wie ›Das hättest du die beiden unter sich ausmachen lassen müssen‹.
Ihre Mutter hätte so etwas zu ihr gesagt und Isabel hätte nur genickt. Sie liebte ihre Mutter, aber sie war keine Person, mit der man gewisse Dinge diskutierte. Dafür war Martha zu alt und zu stur.
»Lass uns etwas essen. Danach sieht die Welt schon besser aus. Und eventuell bekomme ich ja dann die ganze Story von dir zu hören. Ich habe nämlich so ein Gefühl, das ein bestimmter Grund hinter deinem Verhalten steckt.« Yvor gab ihr einen sanften Klaps und stand auf. »Du magst es nicht glauben, aber ich war auch mal jung. Es ist etwas her, aber trotzdem habe ich manche dieser Kämpfe nicht vergessen.«
Ein Klingeln an der Haustür lenkte sie von weiteren Kommentaren ab und Isabel lauschte. Wer konnte das sein?
Diese Frage schien sich auch Yvor zu stellen, denn er runzelte wieder die Stirn.
»Noch mehr Überraschungen?«, erkundigte er sich bei ihr. Sein Gesichtsausdruck zeigte eine Mischung aus Besorgnis und Belustigung.
Isabel hob die Hände und wehrte ab:
»Nicht von meiner Seite aus. Vielleicht hat ja Yvi zur Abwechslung was ausgefressen.«
Yvor zwinkerte ihr nun grinsend zu und marschierte danach in Richtung Haustür. Isa überlegte nicht lange und lief ihrem Bruder hinterher. Goldie folgte Isabel, wobei diese wohl mehr für ihre Schnürsenkel übrig hatte, die Isa auf die Schnelle nicht hatte binden wollen.
»Aus Goldie! Das ist jetzt kein guter Zeitpunkt zum Spielen«, zischte sie dem hellbraunen Fellknäuel zu, das sich davon jedoch nicht beeindrucken ließ.
»Ach Darius, du bist es! Komm rein. Wir wollten zwar gleich essen, aber du bist herzlich eingeladen«, begrüßte Yvor gerade einen großen und stattlich aussehenden Mann, als Isabel dank Goldie ins Straucheln geriet.
Goldie hatte sich zwischen ihre Füße geworfen und den Schnürsenkel zu fassen bekommen. Um nicht auf den kleinen Hund zu treten, machte Isa einen Ausfallschritt und verpasste nur knapp den obersten Treppenabsatz. Mit lautem Gepolter und einem schrillen Schrei segelte Isabel recht schmerzhaft die Stufen hinunter. So hatte sie sich den Abend nun wirklich nicht vorgestellt!
»Holla! Guten Abend junge Dame!« Der Fremde, den Yvor gerade noch begrüßt hatte, hatte einen Satz nach vorn gemacht und hielt Isabel nun in seinen Armen. Er lächelte sie höflich an, als sie sich mit hochrotem Kopf von ihm losmachte. Isa sah eine feine Narbe an seiner Lippe, die sich bis unter das Auge zog. Sie drückte sich etwas tiefer in seine Haut, als er grinste. Der Typ war auf jeden Fall ein Vampir ...
»Danke fürs Auffangen.«
Ein leises Bellen oben an der Treppe zog den Blick des Mannes auf Goldie, die sich Stufe für Stufe ihren Weg in die Eingangshalle bahnte. Dann starrte er Yvor an.
»Seit wann hast du denn einen Hund?«
Isabel hätte beinahe losgelacht, denn der Vampir mit dem Namen Darius hatte das Wort ›Hund‹ so abschätzig ausgesprochen, als bezweifle er, dass es sich bei dem kleinen Shih Tzu tatsächlich um einen richtigen Hund handelte.
»Wenn es doch nur einer wäre«, seufzte Yvor und deutete auf die Rasselbande, die nun aus allen Ecken des Hauses kamen und einen Heidenlärm veranstalteten. »Oh nein! Nicht jetzt ... Ruhe!«
Belustigt besah sich Darius die Racker, danach Yvor, der versuchte, ihnen Herr zu werden, aber sie kläfften einfach weiter. Isa hatte Mitleid mit ihrem Bruder, traute sich jedoch nicht, ihm zu helfen. Wie würde das denn aussehen?
»Sie scheinen nicht zu hören«, stellte Darius fest und schüttelte grinsend den hellbraunen Haarschopf. Isabel fand das halblange Haar, so wie er es trug, ziemlich adrett, auch wenn sie vermutete, dass es eher aus Bequemlichkeit heraus so war. Darius schien ihr nicht sonderlich eitel, eher pragmatisch. Und bei der Länge musste er nicht ständig zum Friseur.
Er sah sie an und Isa schluckte. Sie hatte ihn nicht anstarren wollen, aber aus irgendeinem Grund tat sie es doch. Dieser Vampir hatte nichts getan, was dies rechtfertigte, aber sie analysierte ihn fast automatisch. Als wäre er eine Bedrohung, die sie unter die Lupe nehmen musste. Wieso nur?
»Yvi! Wir haben Besuch!«, knurrte Yvor, statt auf die stichelige Bemerkung seines Bekannten einzugehen. Es dauerte nicht lange, bis sich die Tür zur Küche öffnete.
»Ach, Darius! Das ist aber nett, dass du uns besuchst!« Yvi marschierte auf den Vampir zu und schüttelte dessen Hand. Es sah recht lustig aus, da sie dem großen Mann gerade mal bis zur Brust reichte. Erst danach schien sie die bellenden und winselnden Hunde zu bemerken. »Na, was soll denn das hier werden? Abmarsch in euren Korb! Ich will keinen Mucks mehr hören.«
3
Einhunderteins, einhundertzwei, einhundertdrei‹, zählte Yvor innerlich, um sich zu beruhigen, nachdem diese bellenden Nervensägen in aller Seelenruhe und ohne noch einen weiteren Laut von sich zu geben, in Richtung ihres Körbchens verschwanden. Solche Verräter! Und auch Darius grinste plötzlich so, als wisse er nun ganz genau, wer in Yvors Haus das Sagen hatte. Dieser Drecksack!
»Es ist wirklich schön, bei euch zu sein, auch wenn der Grund meines Besuchs ein ernster ist. Der Rat braucht Hilfe«, erklärte das Ratsmitglied kurz darauf, nachdem sie sich in der Küche niedergelassen hatten.
Yvor runzelte die Stirn. Er hatte keine Ahnung, wie er da ins Bild passen sollte, denn der Rat benötigte normalerweise entweder ausgebildete Krieger oder Leute mit diplomatischem Geschick. Yvor war im Grunde nur für die Finanzen des Rats zuständig und den Job machte er gut.
»Yvi ist Therapeutin«, begann Darius, zögerte jedoch, als er in Yvors Gesicht blickte. Es war wie ein Dolchstoß ins Herz. Selbst der Rat legte nun eher Wert auf seine Auserwählte, als auf ihn?
»Ja, aber ich praktiziere seit Monaten nur noch in meiner eigenen Praxis. Ich versuche, mich langsam aus dem Trubel rauszuziehen. Wozu braucht der Rat mich denn? Ich bezweifle, dass ich Vampire therapieren kann«, überging Yvi ihn, legte ihre Hand allerdings auf die Yvors und er spürte, wie seine Eifersucht schwand. Sie hatte seine Gefühlslage manipuliert. Etwas, worüber er sich eigentlich ärgern sollte, doch nun war er eher beeindruckt, wie leicht es ihr von der Hand gegangen war.
»Es handelt sich auch nicht um einen Vampir. Zumindest nicht direkt. Antonija Vitezić ist Auserwählte mit einer Gabe, die ihr und anderen sehr gefährlich werden kann. Wenn sie sich aufregt, schüttet sie Hormone aus, die giftig sind. Die Auserwählte scheint sich dieser Gabe nicht bewusst zu sein. Wir hatten eigentlich einen Mann auf sie angesetzt, aber von dem fehlt mittlerweile jede Spur.« Darius´ Miene war ernst und Yvor verstand endlich, wieso der Rat ausgerechnet Yvi für diese Sache anheuern wollte. Sie konnte die Auserwählte mit ihrer Gabe manipulieren, ohne dass es ihr auffiel.
»Aber wie soll ich mit ihr Kontakt aufnehmen? Sie wird es sicherlich nicht toll finden, wenn ich einfach bei ihr auftauche«, gab Yvi zu bedenken, aber Darius winkte ab.
»Darum haben wir uns bereits gekümmert. Ihr Arbeitgeber hat ihr nahegelegt, eine Psychotherapeutin aufzusuchen, um sich Tipps zu holen. Dafür hat sie ein paar Tage frei bekommen.«
Auf Yvis fragenden Blick hin, erklärte Darius, dass Antonija in der Telefonseelsorge arbeitete und eine neue Sparte betreuen sollte. Eine seelische Belastung für sie und dadurch eine Gefahr für andere, die mit ihr zu tun bekamen.
»Aber ich verstehe noch immer nicht ganz, was ich da machen soll. Braucht sie nur Tipps zum ruhig werden oder soll ich sie mental auf die Welt der Vampire vorbereiten?« Yvors Auserwählte stand auf, marschierte zum Schrank und holte ein Glas und einen Blutbeutel aus dem Kühlschrank. Sie hielt beides Darius unter die Nase, der sie irritiert anstarrte. Yvi jedoch lächelte. »Du hast Durst. Nur zu. Ich habe mich mittlerweile an diesen Anblick gewöhnt.«
»Danke. Der Rat möchte im Grunde in erster Linie sicher gehen, dass diese Auserwählte keine tickende Zeitbombe mehr ist und sie wollen wissen, was aus dem Ermittler wurde, der zu Antonijas Bewachung eingeteilt war. Wie schon gesagt: Er ist spurlos verschwunden.«
Statt das Glas zu benutzen, versenkte Darius die Zähne im Beutel und saugte ihn aus.
›Vielleicht ist er ja tot‹, ging es Yvor durch den Kopf, während er das Ratsmitglied beim Trinken beobachtete, aber Yvi schüttelte den dunkelbraunen Haarschopf energisch.
›Dann hätten sie ihn sicherlich längst gefunden.‹
›Und wenn diese Auserwählte ihn gefangen hält?‹, warf er ein und sah das Glitzern in Yvis Augen. Dieser Gedanke schien sie zu amüsieren.
›Würdest du dich etwa von mir einsperren lassen? Du bist schließlich auch ein Vampir. Ich denke, da bräuchte ich sehr gutes Zuckerbrot ...‹
Yvor lachte. Er wollte ihr nicht erwidern, dass er auch die Peitsche von ihr nehmen würde, aber an ihren geröteten Wangen erkannte er, dass sie wohl das Gleiche gedacht hatte.
Darius räusperte sich, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Yvis Gesicht verfärbte sich sogar noch eine Spur mehr, als fühle sie sich ertappt. Seine Auserwählte war einfach süß.
»Gut, ich mache es! Allerdings unter einer Bedingung: Der Rat hält sich raus. Ich brauche keine Aufpasser und vor allem niemanden, der das Leben meiner Patienten infrage stellt. Antonija ist ab jetzt mein Problem.«
Darius, Isabel und auch Yvor starrten Yvi nach ihren Worten entgeistert an. Wollte die den Rat tatsächlich in seine Schranken weisen? Das konnte doch nicht ihr Ernst sein!
Darius´ Lippen zuckten, die Fänge darunter waren voll ausgefahren, aber er nickte. Dann würde sich der Rat also wirklich raushalten? Die Ältesten mussten komplett aufgeschmissen sein und bei dieser Auserwählten keinen anderen Weg mehr sehen. Hoffentlich ging das gut ...
›Du könntest ab und an ein bisschen mehr Vertrauen in mich haben. Denk einfach nur mal daran, wie sehr ich dein eigenes Leben verändert habe.‹ Yvis Blick war streng, also begnügte Yvor sich damit, seiner Auserwählten zärtlich über den Handrücken zu streicheln.
Ja, sein Leben hatte sich verändert. Die Ruhe war dahin, genau wie sein teuerstes und edelstes Paar Schuhe, das diese Fellnasen in der letzten Woche auseinandergenommen hatten und doch war er glücklicher als je zuvor. Auch Yvis Lippe zuckten.
›Ich liebe dich auch.‹
»Nun gut, dann werde ich euch nicht weiter stören. Der Rat wird von deinen Bedingungen unterrichtet werden. Sollte die Auserwählte weiterhin von den Normalsterblichen unerkannt bleiben, bin ich sicher, der Rat wird deinen Wünschen entsprechen. Anders wird es allerdings aussehen, sollte ihre Gabe andere gefährden oder der Ermittler verschollen bleiben ...« Darius hielt inne, ließ die Drohung im Raum stehen. Yvor schluckte. So war es nun einmal, wenn man dem Rat Fesseln anlegen wollte.
›Erst die Peitsche und jetzt Handschellen? Sollte ich mir langsam Sorgen machen? Nicht, dass du diese Fantasien noch ausleben willst.‹ Yvis Lachen in seinem Kopf beruhigte Yvor. Sie schien keine Spur verunsichert zu sein.
»Ich bringe dich zur Tür, Darius.« Zu Yvis und Yvors Überraschung stand Isabel auf und begleitete den Vampir nach draußen, der sich kurz mit einem Kopfnicken verabschiedete.
»Du hättest den Rat ja nicht gleich so herausfordern müssen.« Yvor wollte nicht vorwurfsvoll klingen, bekam diesen Unterton aber leider nicht aus der Stimme. Er wusste, wie seine Auserwählte darauf reagieren würde. Sie war für ihn ein offenes Buch.
Yvi seufzte theatralisch und machte sich dann daran, die Küchentheke mit Tellern zu bestücken. Er blieb sitzen, da seine Knie weich geworden waren. Der Rat, dem er selbst zu einem gewissen Teil angehörte, war nicht zu bezwingen. Er bestand aus den zwanzig einflussreichsten Familien. Manche Ratsmitglieder, so wie Yvor kümmerten sich nur um die Finanzierung, andere um die Einhaltung der Gesetze. Diesem Trio, das hier die Oberhand hatte, zu sagen, dass sie sich raushalten sollten, grenzte schon an Selbstmord.
»Jetzt reicht es aber wirklich!« Geschirr klapperte, als Yvi es schlecht gelaunt auf der Arbeitsplatte abstellte und ihn böse anfunkelte. »Der Rat wollte meine Hilfe, und ich habe ihnen meine Bedingungen genannt. Darius hätte nicht darauf eingehen müssen. Da er es aber getan hat, werde ich mich dieser Antonija annehmen und ihr helfen. Eine Gabe muss man kontrollieren lernen!«
»Ich weiß ja, dass du dein Bestes geben wirst. Mir behagt nur nicht der Gedanke, dass du da ohne Schutz hinein gehst. Du bist nun mal sterblich ... Es wäre etwas anderes, wenn du dich wandeln lassen würdest!«
Und da waren sie auch schon beim nächsten Streitthema. Yvi hatte sich bislang vehement geweigert, ihre Rolle an seiner Seite anzunehmen und sich von ihm wandeln zu lassen. In diesem Punkt war sie so stur wie ein Maulesel!
»Yvor, das hatten wir schon. Das ist mir einfach alles zu endgültig. Ich meine: Bist du dir etwa schon zu hundert Prozent sicher, dass du mit mir zusammen alt werden möchtest?«, klang Yvi skeptisch und Yvor war sogleich genervt.
»Ich möchte eben nicht, dass du alt wirst, sondern so bleibst, wie du jetzt bist. Das ist ja der Sinn und Zweck der Wandlung!« Okay, das waren wohl die falschen Worte gewesen, Yvis gerunzelter Stirn nach zu urteilen. Aber wie hätte er es sonst ausdrücken sollen? Probiert hatte er vieles. ›Ich habe Angst, dich zu verlieren‹? Das hatte schon beim letzten Mal nicht gezogen! ›Du solltest dich doch auch verbessern wollen ...‹ Daraus hatte Yvi ihm auch einen Strick gedreht. Egal, was er bisher gesagt hatte, es war immer falsch gewesen. Er würde sich als etwas Besseres fühlen, hatte sie ihm vorgeworfen. Das stimmte zwar, aber Yvor hatte es sich zum Glück verkniffen, das auch zu sagen. Normalsterbliche waren nun einmal unreif, zerbrechlich und die meisten lernten nie irgendwas dazu. Sie waren wie Kinder! Unreife, verzogene Kinder, die sich weigerten aus ihren Fehlern zu lernen und vorausschauend zu denken!
»Ich glaube nun einmal nicht, dass ich es schaffe, mein ganzes Leben lang Blut zu mir zu nehmen. Ich bin ja schon froh, dass mich bei dem Anblick nicht mehr das nackte Grausen packt«, warf Yvi ein und hakte damit erneut die Sache ab. Es war ein Totschlagargument. Aber wie sollte sie es auch rausfinden, hätte Yvor am liebsten gefragt, wenn sie es nicht einfach probierte?
Isabel kam zurück und damit war jede Diskussion beendet. Yvi war der Meinung, dass man vor Kindern nicht streiten sollte. Nun gut, dann würde er später noch einmal darauf zurückkommen. So hatte Yvor zumindest noch etwas Zeit, sich neue Argumente zu überlegen. Die Alten taugten eh nichts!
»Darius hat mir gerade noch diese Akte in die Hand gedrückt. Außerdem sagte er, dass du dich am besten an ein anderes Ratsmitglied wenden solltest, falls du Hilfe benötigst. Kennst du eine Evelyn Terrin?«
4
Yvis Laune besserte sich schlagartig, denn Evelyn Terrin war eine Frau nach ihrem Geschmack. Sie hatte die rothaarige Vampirdame bereits durch Yvor kennengelernt und mochte sie sehr.
»Evelyn ist wirklich eine großartige Frau. Sie hat einen ausgeprägten Familien- und Gerechtigkeitssinn, der jeweils seinesgleichen sucht. Yvi wird gut und in ihrem Sinne unterstützt werden. Evelyn gibt ihre Schützlinge genauso selten, wenn nicht sogar noch seltener auf wie Yvi.« Yvor zwinkerte Isa zu.
›Natürlich hat Evelyn seltener aufgegeben ... Wie alt ist sie? Fünfhundert Jahre?‹
Yvors Lachen erklang in ihrem Kopf und spülte selbst die letzten heimlichen Zweifel davon. Es würde sicherlich alles gut gehen.
»Ich hätte da eine Frage: Und wie steht ihr eigentlich zu Besuch von Normalsterblichen?«, wollte Isabel plötzlich wissen und Yvi grinste. Sie war gespannt, was Yvors Schwester plante.
»Also ich habe auf keinen Fall etwas dagegen. Wir sollten vorher bloß die Blutbeutel in den Kühlschrank des Arbeitszimmers verfrachten, damit wir nicht in unangenehme Situationen geraten. Wen möchtest du denn einladen?« Sie betrachtete die junge Vampirdame, die unschlüssig zu sein schien, wie viel sie nun erzählen sollte. Vermutlich hatte es etwas mit dem Quark-Fiasko zu tun. Hoffentlich war es kein Junge ... Yvi war sich nicht sicher, wie Yvor eine solche Situation meistern würde. Schließlich war ihm seine kleine Schwester anvertraut worden und er war fest entschlossen, sie zu behüten wie seinen Augapfel.
»Es ist eine Klassenkameradin. Elly kommt mir so vor, als bräuchte sie genauso dringend eine Freundin wie ich. Nichts gegen euch, aber ich möchte endlich auch mit Mädels in meinem Alter Kontakt haben.« Isa schien sich bereits auf ein weiteres Donnerwetter einzustellen, aber Yvi entgegnete:
»Das ist doch eine tolle Idee! Dann bring sie am besten morgen mit. Ich hole auf dem Heimweg Kuchen und gebe einen aus. Yvor muss morgen eh wieder länger arbeiten, schließlich ist Monatsabschluss ...«
Sie zwinkerte Isabel zu, die strahlte. Meine Güte! Wie sehr hatte man sie wohl die ganze Zeit bewacht und bevormundet, dass sie sich nun so dermaßen freute, Besuch bekommen zu dürfen?
›So, wie ich meine Mutter einschätze, war Isa in einen goldenen Käfig gesperrt. Nicht gerade unüblich in alten Vampirfamilien.‹
Yvors Miene hatte sich bei diesem Gedanken verfinstert, aber Yvi tätschelte ihm nur den Arm, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Es war nicht gut für ihn, wenn er zu sehr an die Vergangenheit dachte oder zu negativ. Das spornte seinen Blutdurst an.
»Ich hab Hunger!«, verkündete Isabel jedoch, ehe Yvi handeln konnte, und sah sie fast flehend an.
Hungrige Vampire waren zum Glück sehr leicht zu begeistern und dank ihrer Gene funktionierte auch mal Ungesundes. Yvi hatte eine schnelle Fertigsuppe gezaubert, danach würde es einen kleinen Hackbraten geben, dazu Salzkartoffeln, Soße und Salat. Sie freute sich, als Yvor und Isabel gleichermaßen darüber herfielen.
»Gibt es auch Nachtisch?«, erkundigte sich die junge Vampirdame sogar am Ende und brachte Yvi und ihren großen Bruder damit zum Lachen.
»Ja, wir haben etwas im Kühlschrank. Vorhin frisch zubereitet ... Die Frage ist nur, ob deine Nerven dafür stark genug sind.«
Isabel stürmte neugierig auf den Kühlschrank zu, riss die Tür auf und schallendes Gelächter drang zu Yvi und Yvor.
»Quark! Manchmal bist du schon fies, Yvi ...«
5
Er konnte spüren, wie nervös sie war. Neue Bekanntschaften machten ihr Angst, was in dieser Lage nicht gerade praktisch war. Ihre Gabe konnte für Vampire und Normalsterbliche tödlich sein, weshalb der Rat darüber nachgedacht hatte, sie einfach zu erledigen. Einer der Gründe, wieso er noch mehr auf der Hut war als sonst. Dieser Auserwählten würde niemand ein Haar krümmen, dafür musste er sorgen. Antonija gehörte ihm!
»Ich habe keine Ahnung, ob ich dich mitnehmen darf«, hauchte sie ihm nun in fast verzweifeltem Tonfall ins Ohr, ehe sie den Wagen in eine Parklücke lenkte. Clint roch bereits die Anspannung. Antonija war kurz davor, ihre Gabe frei zu setzen.
Für ihn war es keine Frage, ob er mitkommen durfte oder nicht. Er würde sie auf jeden Fall begleiten! Wer wusste denn schon, was sich der Rat nun wieder hatte einfallen lassen. Antonija ausgerechnet zu einer Psychotherapeutin zu schicken! Das roch verdächtig nach einer Falle ...
Eine dunkelhaarige Frau mit ziemlich rundlicher Figur kam gerade um eine Hausecke gehastet, als er aus dem Wagen sprang. Sie machte einen Ausfallschritt und ein überraschtes »Hoppla!« drang aus ihrem Mund. Er ließ ein leises Knurren hören, um sie von sich fernzuhalten, denn er hasste es, von Fremden berührt zu werden.
»Oh, entschuldigen Sie bitte ... Clint, aus!«, kam Antonija der Frau zu Hilfe und er änderte sogleich sein Verhalten, schließlich war er ja ein ›braver Hund‹.
»Nicht schlimm. Ich war es ja, die beinahe auf ihn getreten wäre und nicht umgekehrt. An seiner Stelle hätte ich wohl auch geknurrt.« Zu seiner Überraschung strich ihm diese fremde Frau nun über den Rücken und kraulte ihn hinter den Ohren. Bei Antonija genoss er diese Zuwendung, aber bei dieser Frau kam es ihm merkwürdig vor. Clint fühlte ein eigenartiges Prickeln in seinem Inneren.
»Sind Sie Antonija?« Die forsche Dunkelhaarige hielt seiner Auserwählten die Hand hin, die sie ein wenig irritiert ergriff. Musste er dazwischen gehen?
»Ja, das bin ich. Woher wissen Sie ...?«
»Berufsgeheimnis«, scherzte die Frau und stellte sich als ›Yvi‹ vor. Sie bot Antonija gleich das ›du‹ an, das seine Auserwählte lächelnd annahm. Clint beäugte diese Therapeutin, die nun nicht gerade zurückhaltend war.
»Wäre es in Ordnung, wenn Clint mit in die Praxis kommt, oder muss er draußen bleiben?«, erkundigte sich Antonija. Er rechnete bereits damit, dass man ihn nun im Wagen warten lassen würde.
»Gar kein Problem! Dein Clint ist ja ein wirklich braver Junge«, sagte sie jedoch und kraulte ihn erneut hinter den Ohren. Irgendwie wurde ihm diese Frau langsam doch sympathisch. Das Prickeln, das sie ihm bescherte, war angenehm.
Gemächlich folgten sie Yvi durch den Flur des Hauses. Die Praxis von ›Yvonne Nowak‹ befand sich im fünften Stock. Es gab keinen Aufzug, weshalb sie die Treppe erklommen. Am liebsten hätte Clint Yvi angeschoben, da sie extrem langsam vorankam. Die Sportlichste schien sie ja nicht gerade zu sein. Noch ein Punkt, der sie sympathisch machte, denn sie stellte sich mehr und mehr als ungefährlich heraus.
»Ich hasse diese vielen Stufen! Der Vermieter sagte mir zu Beginn des Mietvertrags, dass ich mich schnell daran gewöhnen würde ... Das war vor fünf Jahren und ich warte noch heute darauf!«, ächzte sie und brachte Antonija zum Lachen.
›Sie ist zu nett. Da muss es einen Haken geben!‹, dachte Clint, allerdings schien sich seine Auserwählte in Yvonne Nowaks Gegenwart recht wohl zu fühlen, denn sie plauderten schon kurz darauf sehr zwanglos über Gott und die Welt.
Antonija war recht interessiert an Yvis Arbeit. Die Therapeutin hatte keine Probleme damit, über diese zu reden. Sie brachte sogar die eine oder andere Geschichte, die nicht nur seine Auserwählte belustigte. Zu Antonijas neuem Job in der Telefonseelsorge hatte Yvonne Nowak ebenfalls einige Tipps und Tricks beizusteuern, was Antonija sichtlich Mut machte.
»Lass dich nicht verunsichern. Im Leben wird es noch einige Höhen und Tiefen geben. Das Wichtigste daran ist, dass du dir sicher bist, was du kannst und dich nicht unterkriegen lässt«, sagte Yvi nun lachend und tätschelte Antonijas Arm.
Sie zuckte zu Clints Überraschung noch nicht einmal mehr zusammen, wie sie es bei ihren Kollegen tat. Diese Therapeutin war gut ... wirklich gut!
»Yvi, ich hätte da noch etwas in eigener Sache. Ich weiß nur nicht genau, wie ich es sagen soll, ohne dass es komisch klingt«, flüsterte Antonija, plötzlich unsicher geworden, und Clint wappnete sich für das bevorstehende Chaos, denn der Geruch seiner Auserwählten begann, sich zu verändern.
»Einfach raus damit! Keine Sorge, ich habe schon so einiges erlebt und gehört.«
»Ich glaube manchmal, etwas stimmt mit mir nicht«, brachte Antonija heraus und die Bedrohung, die von ihr ausging, stieg. Clint machte sich bereit einzugreifen falls nötig. »Wenn ich Stress habe, werde ich irgendwie anders.«
»Anders? Meinst du launisch? Oder wie komplett ausgewechselt, wie ein anderer Mensch?« Yvi lächelte, blieb zum Glück jedoch dieses Mal still auf ihrem Platz sitzen und machte keine Anstalten, die Auserwählte zu berühren.
»Es klingt sicherlich irre, aber meine Haut kommt mir anders vor. Und wenn mich dann jemand berührt ...« Antonija begann zu zittern.
Die Situation würde jeden Moment eskalieren, da war Clint sich sicher. Er spannte die Muskeln an, bereit zum Sprung.
»Machen wir eine kleine Übung. Schließ bitte kurz die Augen. Denk an einen weißen Sandstrand und an blaues Meer. Stell es dir ganz genau vor. Stell dir vor, du beugst dich hinab und lässt den Sand durch deine Finger rieseln. Atme dabei tief ein und aus, ein und wieder aus ...«, klang Yvis Stimme nun hypnotisch. Toni schloss tatsächlich die Augen und atmete tief durch. Die Bedrohung verschwand fast augenblicklich und auf Antonijas Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab.
»Es hilft tatsächlich!«
Clint beobachtete, wie seine Auserwählte begeistert aufsprang und die Therapeutin freudig umarmte, welche erstickt kicherte. Yvonne Nowak hatte etwas geschafft, das bis jetzt noch keiner vermochte. Vielleicht war diese Frau ja doch die Rettung.
6
Yvi hielt spontan den Atem an, als Antonija auf sie zukam und sie umarmte. Natürlich hatte sie noch den Gedanken im Kopf gehabt, dass die Gabe dieser Auserwählten tödlich sein konnte, auch wenn Yvi nicht wusste, ob das nur für Vampire galt oder auch für sie.
Nun, da ihr ganz offensichtlich keine Gefahr drohte, wurde sie ruhiger und ließ die Umarmung geschehen. Der jungen, großgewachsenen Frau mit dem rotbraunen Haar und den blauen Augen fiel sichtlich ein Stein vom Herzen, was Yvi auch spüren konnte. Allerdings waren da auch noch andere Emotionen im Raum, die sie nicht zu deuten vermochte. Kamen diese tatsächlich von Antonija? Das mussten sie ja, schließlich gab es sonst nur noch Clint und die Gefühle von Hunden waren anders gestrickt. Sie fühlten normalerweise einfacher. Hunger, Durst, Müdigkeit ... solche Emotionen eben.
»Wäre es vielleicht möglich, dass ich dich weiterhin kontaktiere? Ich weiß nicht, vielleicht als Patientin?«, fragte Antonija unsicher und Yvi überlegte. Einerseits wäre es sicherlich kein Problem, sie in der Kartei aufzunehmen, aber andererseits wollte sie die Auserwählte nicht noch mehr in Konflikte stürzen. Yvis Patienten machten hier in der Praxis meist einen ziemlichen Wirbel, vor allem nachdem Yvi sie beeinflusst hatte.
»Ich denke, wir können es anders lösen. Haben Clint und du morgen schon etwas vor? Mein Lebenspartner wird wohl wieder lang arbeiten und ich hasse es, allein zu essen, außerdem denke ich, dass es sich bei uns Zuhause zwangloser reden lässt, Kollegin«, schlug sie vor und sah Antonijas Strahlen.
»Das würde mich sehr freuen.«
Auch Yvi freute sich über die Möglichkeit, eine neue Freundin zu gewinnen, und dann sogar eine Auserwählte. Die Vampirfrauen in ihrem Umfeld waren wirklich nett, aber keine wusste genau, wie es sich anfühlte, mit seiner Gabe unzufrieden zu sein oder deshalb fast durchzudrehen. Eine Leidensgefährtin gab hoffentlich auch Antonija die nötige Stabilität, um mit den baldigen Neuigkeiten klarzukommen.
Clint winselte plötzlich und schon klopfte es leise. Dieser Hund war wohl der perfekte Bodyguard.
»Ich gehe kurz nachsehen, wer es ist. Bin gleich wieder da.« Yvi stand auf und schritt an dem alarmiert lauschenden Riesenhund vorbei. Egal, wer da gerade störte, er hatte keinen Termin! Eilig öffnete sie die Tür und schob sich hindurch. Es wäre schließlich eine Katastrophe, würde Clint einen ihrer Patienten anknurren oder gar anfallen.
»Hallo Schatz! Ich sehe, du bist beschäftigt. Wollte dir nur schnell etwas vorbeibringen ...« Yvor grinste breit und reichte ihr ein kleines Päckchen. Dieser Mann konnte es wohl einfach nicht lassen, auf sie aufzupassen! Er hatte gewusst, dass sie ihn abgewimmelt hätte, wäre er im Voraus gedanklich mit ihr in Kontakt getreten.
›Ich wollte dir wirklich nur diese Kleinigkeit vorbeibringen. Ist die Auserwählte noch hier?‹, erkundigte sich Yvor. Yvi nickte.
›Ja, ist sie. Und Antonija ist ein ganz liebes Ding. Also kein Grund zur Sorge!‹
Aus dem Sprechzimmer drang ein leises Grollen, das Yvor dazu brachte, fragend das Gesicht zu verziehen.
›Das ist Clint, Antonijas Hund. Er mag wohl keine Störenfriede ...‹ Yvi verkniff sich ein Grinsen, versuchte stattdessen, streng dreinzuschauen. Es gelang ihr leider eher schlecht als recht, denn Yvor erwiderte:
›Scherzkeks! Sehen wir uns später noch oder erst heute Nacht?‹ Er zog sie sanft zu sich heran und küsste Yvi auf die Nasenspitze. Sie kicherte leise. Dieser Vampir war einfach unverbesserlich und hatte ständig nur das eine im Sinn. ›Ich kann nichts dafür. Du bist nun einmal die anziehendste Frau, der ich je begegnet bin. Also darf ich hoffen?‹
›Nur, wenn du mich jetzt arbeiten lässt. Sonst muss ich leider Überstunden machen und du unbefriedigt ins Büro.‹
Yvi wusste, es war Erpressung, aber es war zumindest wirkungsvoll. Yvor küsste sie abermals und wohl wissend, was sie bezweckte. Er verabschiedete sich. Sie beobachtete, wie er betont langsam in Richtung Ausgang schritt, vermutlich noch immer abschätzend, ob sie in der Praxis tatsächlich sicher war.
›Ab jetzt! Manchmal bist du wirklich eine Nervensäge, Graf Mäusezahn!‹
›Na warte, dafür lege ich dich später übers Knie!‹, drohte Yvor lächelnd, verschwand jedoch ohne einen weiteren Kommentar. Yvi seufzte.
Clint schien sie skeptisch zu betrachten, als sie zurück ins Sprechzimmer kam. Er war wirklich ein seltsames Exemplar Hund! Yvi hielt Yvors Päckchen empor und grinste:
»Mein Lebensgefährte torpediert meine Diät. Wer hat Lust auf Pralinen?«
Ehe sie Antonija etwas anbieten konnte, musste Yvi der Verpackung zu Leibe rücken. Das war gar nicht so einfach, doch schlussendlich hielt sie das Ergebnis der Auserwählten unter die Nase.
»Was haben wir denn da Schönes?«, erkundigte sich diese unsicher. Sie schien nicht so der Schokoladenfan zu sein, Yvi machte sich dennoch einen Spaß daraus, jede Sorte anzubeißen, das Innere der Praline zu präsentieren und den Geschmack zu analysieren. Selbst Clint kam schnüffelnd näher und schnappte sich zwei angebissene Teile.
»So ein frecher Kerl! Na, hoffentlich bekommt dir das. Ich bin gespannt, wie er sich mit meinen Rackern versteht. Wir haben eine Rasselbande von Shih Tzus.«
7
Na, das würde ein lustiger Abend werden! Clint sah sich bereits mit einer Horde unerzogener Hunde kämpfen, um seine Ruhe zu bekommen. Yvi hatte Antonija von ›ihrer Rasselbande‹ vorgeschwärmt, für ihn klang es eher nach einem kleinen Terrorkommando. Hoffentlich ließen sie ihn nicht mit den Kleinen allein!
»Dann treffen wir uns morgen so gegen halb sieben? Ich werde uns was Schönes zaubern.« Yvi grinste, als sie Antonija ein weiteres Mal umarmte und an sich drückte. Diese Auserwählte schien gern auf Tuchfühlung zu gehen.
»Aber bitte, mach dir nicht zu viel Arbeit ... Wir sind beide sehr genügsam, Clint und ich.«
Damit hatte Antonija offenbar einen Nerv getroffen, denn Yvonne Nowak winkte sogleich ab. Sie kochte gern und es würde sicherlich lecker werden. Keine große Mühe. Clint hoffte, dass er ein bisschen von dem normalen Essen abbekommen würde, denn Hundefutter machte zwar satt, aber befriedigte nicht annähernd seine Geschmacksnerven.
Er musste wirklich langsam dieses Hundedasein hinter sich lassen. Schade nur, dass er Antonija mit seinem ersten Auftritt in ihrem Leben so verängstigt hatte. Sie würde ihm sicherlich nicht gestatten, ihr noch einmal nahe zu kommen, auch wenn er sich sicher war, dass sie sein Äußeres nicht richtig hatte sehen können.
Artig erhob Clint sich, als Yvi die Tür des Raums öffnete. Er wartete darauf, dass Antonija vorging. Als Mann hätte Clint sich vor ihr aus dem Zimmer begeben, aber für einen Hund wäre das ungezogen gewesen. Wurde wirklich Zeit, dass er etwas unternahm! So konnte es nicht mehr lange weitergehen. Hinzu kam, dass er bald Blut brauchen würde. Seine Reserven gingen allmählich zur Neige.
»Dann bis morgen, Clint! Wenn du brav bist, gibt es ein schönes Steak für dich«, versprach Yvi und kraulte ihn ein letztes Mal hinter den Ohren. Es kam ihm vor, als hätte sie seine Gedanken gelesen. War das möglich? Hätte er sich doch nur etwas genauer nach Yvonne Nowak erkundigt! Er musste unbedingt wissen, welche Gabe sie besaß!
Yvi räusperte sich, zog die Hand zurück und beäugte ihn irritiert. Was? Was hatte diese Frau gerade bemerkt? Clint wurde nervös.
»Alles in Ordnung?«, fragte Antonija.
Die Therapeutin fing sich sofort wieder. Sie setzte ein Lächeln auf.
»Klar. Mir ist nur gerade etwas in den Sinn gekommen. Ich glaube, ich muss noch einen Termin umlegen.« Sie winkte ab, aber Clint war sich sicher, dass sie log. Sie wusste, dass er kein normaler Hund war. Aber wie ... woher?!
Eilig, um sie nicht weiter aufzuhalten, verabschiedete Antonija sich und, nachdem Yvi ihr die Visitenkarte mit der darauf notierten Privatadresse gegeben hatte, waren sie auch schon unterwegs Richtung Wagen. Clint war es gewohnt, dass seine Auserwählte die Wege im Sauseschritt hinter sich brachte. Es war ein Rennen gegen die Zeit, denn im Freien zu sein, bedeutete Stress und das brachte erneut ihre Gabe auf den Plan. Hektisch öffnete Antonija nun die Beifahrertür und Clint sprang ins Auto. Er wusste, wenn sie erst einmal hinter dem Steuer saß, ging es wieder besser.
»Bald sind wir zu Hause und dann bin ich wieder die Alte«, murmelte sie, kaum dass sie neben ihm saß. Als Antwort stupste er sie mit seiner Schnauze an. Sie strich ihm sogleich sanft über den Kopf. »Du hast schon ein schweres Los mit mir.«
Antonija hatte ja nicht die geringste Ahnung wie schwer ...
8
Yvor hatte es sich gerade wieder nach einem nervigen Kurzmeeting im Sessel bequem gemacht, als sein Handy klingelte. Erstaunt registrierte er Yvis Name auf dem Display.
»Hallo Schatz! Erzähl mir jetzt bitte nichts von einem Notfall. Ich habe mir mein Zuckerbrot später schwer verdient!«
Yvis Lachen klang gequält, was ein schlechtes Zeichen war. Sie wollte ihm doch nicht wirklich absagen?
»Ich brauche nur kurz deine Hilfe. Hast du vielleicht schon von Hunden gehört, die sich nicht wie echte Hunde verhalten, sondern eher wie Menschen? Gibt es Wesen wie Werwölfe eventuell wirklich?«, wollte Yvi wissen und Yvor stutzte.
»Werwölfe gibt es nicht! Wieso? Was ist denn geschehen?« Ein seltsames Gefühl breitete sich in ihm aus. Er konnte es nicht genau benennen. War das etwa Panik? Kam das von Yvi?
»Antonijas Hund ist irgendwie seltsam. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Clint verhält sich untypisch und seine Gefühle scheinen auch nicht normal zu sein. Es sind zu viele«, versuchte Yvi, zu erklären, stoppte allerdings gleich wieder. Anscheinend kam sie sich dumm vor. »Weißt du was? Vergiss es! Ich werde morgen schon noch dahinter kommen ...«
Yvor wartete, doch Yvi schien nicht weitersprechen zu wollen, also fragte er: »Was ist denn morgen?«
»Oh, ich habe Antonija und Clint zum Essen bei uns eingeladen. Ich dachte mir, es würde Sinn machen, sie in einer behaglichen Umgebung darüber zu informieren, dass sie etwas Besonderes ist. Sie muss es einfach erfahren, Yvor, sonst wird sie es nie beherrschen können.«
Er war ja auch dafür, dass diese Auserwählte die Wahrheit erfuhr, aber wieso ausgerechnet in ihrem Haus? Das war schließlich ihr Rückzugsort! Und wieso ausgerechnet morgen, wenn sie mit der Auserwählten allein sein würde? So konnte er Yvi nicht beschützen!
»Bitte, Yvor, darüber haben wir doch schon dutzende Male gesprochen. Ich spüre deine Sorgen, aber es wird nichts daran ändern, dass ich Menschen helfen werde. Antonija braucht jetzt eine Freundin.«
Er seufzte. Yvi würde immer ihren Weg gehen, das hatte er bereits zu Anfang ihrer Beziehung gewusst. Wieso fiel es ihm nur so schwer, dies zu akzeptieren? Natürlich, das war der Vampir in ihm. Es lag nun einmal nicht in seiner Natur, Vertrauen zu haben und seine verwundbare Frau ›einfach machen zu lassen‹.
»Pass bitte nur auf dich auf.«
»Das mache ich doch immer, mein Liebling! Ich freue mich auf später ... auf dich!« Ihre Stimme klang verheißungsvoll und er hätte schon jetzt Lust gehabt, nach Hause zu fahren und sie nach allen Regeln der Liebeskunst zu vernaschen. Leider kam nun seine Assistentin Violetta herein und unterbrach diese Überlegung.
»Dein nächster Termin ist da, Boss!«
»Ich bin gleich da. Halte ihn bitte noch etwas bei Laune«, antwortete Yvor und wandte sich erneut dem Telefon zu, an dessen anderem Ende Yvi geduldig wartete. »Ich freue mich auch. Gegen zehn bin ich da.«
Er hoffte, dass seine Auserwählte dann schon auf ihn warten würde. Am liebsten wäre ihm nackt und willig, doch falls nicht, würde er schnell dafür sorgen. Im Bett waren sich Yvi und er einig. Immer ...
9
Isabel konnte nur hoffen, dass das gutgehen würde. Sie hatte Elly zu sich nach Hause eingeladen, und wartete nun voller Ungeduld auf deren Ankunft. Hoffentlich wirkte ihr Heim genauso wie das der Normalsterblichen. Isa hatte ja leider keine Ahnung, wie es bei ›normalen Leuten‹ aussah. Gut, das Haus war sicherlich etwas zu groß. Die meisten anderen in der Stadt waren wesentlich kleiner und das Grundstück drum herum hatte ebenfalls gefehlt. Im schlimmsten Fall hielt Alison sie für einen reichen Snob, im besten, nur ihren Bruder. Bei diesem Gedanken musste Isabel grinsen. Ihr Bruder, der Snob! Nun ja, da war ja schon was dran ...