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Wer hätte angenommen, dass einem ein Mann so viele Schwierigkeiten machen kann? Kristin, die Auserwählte der Göttin Lilith hat riesige Probleme, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren, denn Slave, den sie aus der Gefangenschaft gerettet hat, scheint seine neuen Klamotten nicht gern zu tragen. So kommt es vor, dass er sich nackt durchs Haus bewegt und Kristin und ihre beste Freundin Alison regelmäßig auf dem falschen Fuß erwischt. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, dass sich das Phönixgirl auf ihre Aufgabe konzentrieren kann, denn es heißt einen besonderen Gott ausfindig zu machen und auf ihre Seite zu ziehen. Ob sich Loki von ihr überreden lässt?
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Seitenzahl: 363
Manchmal wünscht man sich nur einen Platz, an dem man sich wie Zuhause fühlen kann ...
Prolog
Die Nacht hatte ihn schon immer geängstigt. Seine Mutter sang ihm stets ein Schlaflied und lächelte, als er sie bat, ihr noch eine Geschichte zu erzählen. Er hasste es, allein zu sein.
»In Ordnung, aber nur die vom mutigen Phönixkrieger. Du musst schlafen, denn schließlich erwartet dich morgen ein besonderer Tag.« Seine Mutter küsste ihn zärtlich auf die Stirn.
Der besondere Tag. Sein zwölfter Geburtstag sollte das Leben, so wie er es kannte, beenden. Es war der Tag, an dem er entführt und in die Dienste von Herrin Jelena gekommen war. Die Nacht hatte daraufhin nicht mehr geendet, bis eine Frau mit blondem Kurzhaar in seinem Verlies aufgetaucht war: Kristin.
»Es war einmal ein tapferer Phönixkrieger, der auszog das Böse zu bekämpfen. Er stellte sich Drachen, Monstern und allerlei Schurken«, erzählte seine Mutter indes in seinem Traum und er lauschte den Worten.
Er hatte diese Geschichte geliebt, denn sie war die seines Vaters gewesen. Was allerdings aus dem tapferen Phönixkrieger am Ende wurde, blieb ein Rätsel. Das Einzige, was er von seinem Vater hatte, war das Aussehen. Seine Mutter hatte dies zumindest immer behauptet.
»Du siehst aus wie dein Vater und wirst irgendwann auch für das Gute kämpfen.« Sie hatte bei diesen Worten gelächelt, doch ihre Augen wirkten dabei traurig. Ob sie daran dachte, dass er dafür fortgehen und sie hatte verlassen müssen? Das wollte er nicht. Hatte er nie gewollt.
Der Traum veränderte sich. Schreie und klatschende Geräusche waren zu hören, der unverwechselbare Klang der Peitsche auf nackter Haut. Er roch den Moder des Verlieses und zerrte an den Ketten.
»Oh, da ist heute jemand aber aufmüpfig. Wollen wir doch mal sehen, ob du das gleich auch noch bist«, herrschte ihn die Herrin an und schlug zu.
Eisern biss er die Zähne aufeinander, weigerte sich, den Schmerz hinauszuschreien. Sie hatte ihn mehrmals bis an den Rand des Todes geprügelt, gönnte ihm jedoch das Jenseits nicht. Er war achtzehn. Man hatte ihn vom Hausdiener, der nur nachts herumstreifen durfte, zum Prügelknaben herabgestuft, weil er es gewagt hatte, einen der Wachen zu bedrohen. Dieser Kerl war gegen eine freie Magd zudringlich geworden.
»Ich denke, du wirst bleiben. Dein Sturkopf gefällt mir. Marx! Portes!«
Ihre ergebenen Sklaven hatten ihn gepackt und festgehalten. Verzweifelt versuchte er, ihnen zu entrinnen. Sein Schicksal war jedoch besiegelt. Herrin Jelena befahl den beiden, ihm den Mund offen zu halten, während sie ihm ihr eigenes Blut einflößte.
Das Fieber kam rasch, raubte ihm die Kraft.
»Willkommen in der Hölle«, hatte Marx amüsiert geraunt.
Die Handgelenke in Ketten musste er die Wandlung überstehen und die Schmerzen ertragen, während sich sein Körper nach Blut sehnte. Monate vergingen, bis er sich an sein neues Dasein gewöhnt hatte.
1
Um Himmels willen, Slave! Du hast ja schon wieder nichts an.« Alison hielt sich sogleich die Hände vors Gesicht und wurde rot. Erschrocken blickte er an sich hinab. Er hatte sich noch nicht daran gewöhnt, immer bekleidet zu sein. Der Stoff scheuerte auf seiner Haut, was es nicht gerade leichter machte.
»Entschuldigt. Ich wollte Euch nicht in Verlegenheit bringen«, raunte er und schnappte sich ein Handtuch.
Die Freundin seiner neuen Herrin seufzte. Vorsichtig nahm sie die Finger von den Augen und blinzelte ihn an. Sie zeigte glücklicherweise sehr viel Nachsicht mit ihm.
»Gefallen dir die Klamotten, die ich dir besorgt habe, etwa nicht?«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sich zu einem Kopfschütteln durchringen konnte. Er wusste nicht, wie er das Gefühl in Worte fassen sollte. Alison sah ihn wissend an und nickte.
»Komm mal mit«, forderte sie ihn auf und marschierte in Richtung ihres Zimmers. Slave folgte ihr unsicher, das Handtuch um seine Hüfte wickelnd. Sie schritt auf den Kleiderschrank zu, der diesen Raum dominierte und stöberte darin herum. Ein paar Kleider wurden auf das Bett befördert. Unschlüssig blieb Slave im Türrahmen stehen und beobachtete die Freundin der Herrin. Was hatte sie nur vor?
»Ah, da ist er ja!« Sie winkte ihn zu sich. »Dann schauen wir mal, mit welchen Stoffen du klar kommst.«
Alison hielt ihm einen Morgenmantel hin, den er misstrauisch beäugte. Was wollte sie, dass er damit tat?
»Streif ihn einfach mal über. Dann sehen wir, ob du ihn magst oder nicht.«
Der Mantel war rot und aus einem eigenartigen Material. Es war sehr weich, juckte jedoch fürchterlich, als es mit seiner Haut in Berührung kam. Er schüttelte sogleich den Kopf. Diese Kluft zu tragen käme für ihn einer Folter gleich.
»Schon gut. Wir finden etwas Anderes«, versicherte ihm Alison und lächelte. Sie hatte ein nettes Lächeln. Er mochte sie.
Ehe er etwas sagen konnte, reichte sie ihm einen eigenartigen Klumpen aus dickem Garn. Sie nannte es einen Wollpullover, den er als Nächstes testen sollte. Bemüht, sich kooperativ zu verhalten, zwängte sich Slave hinein. Dieses Mal biss ihn das Material förmlich und er kämpfte sich verzweifelt wieder hinaus. Noch drei andere Vorschläge Alisons folgten, die jedoch auch keinen Erfolg brachten.
»Was ist denn hier los?«, knurrte plötzlich jemand und Slave gefror beinahe das Blut in den Adern.
Da war er, der Lehrmeister seiner Herrin. Er funkelte Slave böse an und betrachtete danach das Chaos, das sich um ihn und Alison herum gebildet hatte.
»Slave braucht Klamotten. Jeans und diese komischen Hemden, die du besorgt hast, scheint er nicht zu ertragen. Ich fürchte, wir müssen mit ihm einkaufen gehen.«
»Kommt nicht infrage!«, fuhr der Hüne sie an, was Alison nicht zu kümmern schien. Sie legte nur den Kopf schief und hielt ein paar Sekunden inne. Anscheinend wartete sie auf etwas. »Ihr werdet das Haus nicht verlassen! Die Partner von Jelena werden wohl noch nach uns suchen. Mich würde es nicht wundern, wenn sie sogar selbst die Augen nach uns offen hält, schließlich haben wir die Party und ihre Geschäfte gestört.«
Die hübsche langhaarige Blondine neben Slave seufzte und rollte mit den Augen. Er kannte diese Geste nicht, aber sie wirkte, als würde sie diesem bedrohlichen Kerl keinerlei Beachtung mehr schenken.
»Slave, bitte zieh die anderen Sachen nochmal an. Wir gehen einkaufen.« Die Worte, die sie nun an ihn richtete, verärgerten den Dritten im Bunde sichtlich. Wäre diese Wut auf ihn gerichtet gewesen, hätte er sich in die letzte Ecke des Hauses verkrochen.
»Ihr bleibt hier!«, knurrte der Hüne und stellte sich Alison in den Weg.
»Oz, du hast mir damals gesagt, ich wäre keine Gefangene und könnte mich frei bewegen. Willst du dein Wort jetzt schon brechen?« Die beiden lieferten sich ein Duell mit Blicken. So bedrohlich der Kerl auch wirkte, ihre Stärke lag in diesem unbändigen Selbstbewusstsein, von dem sich Slave gern mehrere Scheiben abgeschnitten hätte. Gebannt verfolgte er die Situation.
»Ich traue ihm nicht«, raunte er nun leise. Eine Hand legte sich auf ihre Hüfte. »Was, wenn ihr seiner früheren Herrin begegnet und er dir in den Rücken fällt?«
Sogleich senkte Slave den Kopf. Ihm stand es nicht zu, diesem vertraulichen Gespräch zu lauschen. Er wollte sich zurückziehen, doch Alison hielt ihn auf.
»Slave, bitte zieh dich an. Wir fahren gleich.«
Er nickte und hastete davon, froh den vernichtenden Blicken dieses unheimlichen Hünen entkommen zu können. Im Zimmer seiner Herrin ging er auf das zu, was ihm als Nachtlager diente. Das Haus hatte zu wenig Zimmer, weshalb sie ihn auf einer Matratze mit vielen Decken am Fußende ihres Bettes hatte schlafen lassen. Die halbe Nacht war er wach gelegen und hatte ihrem Atmen gelauscht. Sie redete zudem leise im Schlaf. Ihre sanfte Stimme war durch den Raum zu ihm herübergeweht. Sie hatte von einem Mann gesprochen: Elias.
Bei dem Gedanken schmerzte sein Herz. Es hatte sich gequält angehört, als vermisste seine Herrin ihn. Ob er sie verlassen hatte?
Die Tür zum Zimmer wurde aufgerissen. Der Mann mit dem Namen Oz stand so plötzlich vor ihm, dass Slave erschrocken einen Schritt zurück machte. Allein diese bedrohliche Ausstrahlung ließ ihm die Knie weich werden.
»Ich warne dich, Freundchen. Wenn du Alison nicht wohlbehalten zurückbringst, werde ich dich in ganz kleine Fetzen reißen«, drohte er mit geradezu sanfter Stimme.
Slaves Herz schlug ihm bis zum Hals. Er ging automatisch zu Boden und senkte das Haupt.
»Herr, ich schwöre, dass ich niemandem ein Leid zufügen möchte. Ich will nur bei Euch bleiben. Gebt mir Aufgaben und ich gelobe, diese zu erfüllen.« Er zitterte. Diese Welt war dermaßen anders, als er es gewohnt war. Die Menschen, die von der Herrin in sein Verlies geschickt worden waren, hatten meist nur zwei Absichten gehabt: Sie wollten ihren Spaß mit ihm haben oder ihn einfach nur quälen. Das Verhalten des Mannes vor ihm zeigte Slave, dass es schwer werden würde. Das Leben war unheimlich kompliziert.
2
Oz starrte zu dem Häufchen Elend auf dem Boden hinab. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Auf der einen Seite misstraute er dem Sklaven, der sein ganzes Leben nur Befehlen gefolgt hatte, doch andererseits schien er eingeschüchtert und eigenartig verletzlich zu sein. Im Grunde war er nur ein Junge.
»Steh auf!«, brummte Oz besänftigt. Das würde allerdings nicht heißen, dass er Alison einfach so mit diesem Knilch losziehen lassen würde. »Du hast etwas gegen die Kleidung, die wir dir besorgt haben?«
»Die Stoffe sind schwer. Das bin ich nicht gewohnt.« Es klang wie eine Entschuldigung. Slave rappelte sich auf, heftete den Blick jedoch sofort wieder auf seine nackten Zehen. »Ich werde mich daran gewöhnen, wenn Ihr es wünscht.«
Meine Güte! Der Kerl zitterte vor Angst. Wieso hatte Kristin ausgerechnet heute einen kleinen Ausflug unternehmen wollen, um Informationen einzuholen? Sie war diejenige, auf die sich der Typ fixiert hatte. Das bekam ihm zumindest besser, als wenn er es bei Alison versuchen würde. Oz´ Blick fiel auf den Nacken des Jungen, der unter dem Hemd zum Vorschein kam. Rote Striemen hatten sich darauf gebildet. War das etwa wegen des Hemds?
»Zeig mir mal deinen Nacken«, verlangte Oz und der Sklave beugte sich unsicher nach vorn. Das Zittern nahm zu. »Keine Sorge, ich will mir nur die gerötete Stelle ansehen. Bekommst du das immer, wenn du etwas anziehst?«
Slave nickte. Er erschauderte, als Oz´ Fingerspitzen das nackte Fleisch berührten. Der Junge starb beinahe vor Nervosität.
»Ist gut. Zieh das dumme Ding aus. Ich denke, ich kann dir helfen. Das wirst du auch beim besten Schneider nicht los. Du bist verflucht, Kleiner.« Ohne eine Reaktion abzuwarten, drehte sich Oz auf dem Absatz um und marschierte in Richtung Tür. Er bat Slave so höflich wie möglich, an Ort und Stelle zu bleiben, und lief den Flur entlang. Alison begegnete ihm dort. Sie hatte sich zurechtgemacht und starrte ihn argwöhnisch an.
»Ihr geht nicht. Ich denke, ich habe eine Lösung«, raunte er ihr im Vorbeigehen zu.
Sie schürzte die Lippen, folgte ihm jedoch. Hoffentlich behielt Oz Recht, denn er hatte keine Lust auf ein weiteres von Alisons Donnerwettern. Sie hatte in letzter Zeit sehr schnell schlechte Laune, was vermutlich daran lag, dass sie demnächst ihre Tage bekam. Er konnte riechen, dass ihre fruchtbare Phase erreicht war.
In seiner Kammer ging er zum Schrank und nahm das schwarze Seidenhemd heraus. Es hatte einen Teil Göttlichkeit an sich, weshalb Oz es wie einen Schatz gehütet und beschützt hatte. Wieso er es nun an diesen Jungen gab, wusste er nicht genau. Vielleicht lag es an Lilith´ Worten, die ihm ständig im Kopf herumspukten.
›Er wird ein Vorbild brauchen, Oz‹, hatte sie ihm gesagt.
Als gefallener Gott war Oz alles Mögliche, aber definitiv kein gutes Vorbild. Wenn es nach ihm ginge, wäre der Junge nicht bei ihnen, sondern irgendwo, wo man sich um seine Macken und Wehwehchen kümmern konnte. Sie waren schließlich ständig auf Missionen unterwegs, die ihnen seine Schwester Lilith auftrug.
Alisons Finger strichen vorsichtig über den schwarzen Stoff. Sie seufzte leise. Ja, dieses Geschenk des Himmels war etwas Besonderes und verführerisch obendrein. Aber es würde Slave auch etwas Erleichterung in seiner jetzigen Situation verschaffen, deshalb gab Oz es auf. Sollte Lilith´ Plan gelingen, würde es bald mehr von diesen Präsenten geben.
»Ich denke, das wird Slave tragen können, ohne Probleme zu haben. Zumindest so lange, bis ich eine Idee habe, wie ich den Fluch lösen kann. Er wurde von der schwarzen Hand berührt. Das ist eine Spezialität meines Bruders.«
Alison schluckte. Sie wusste genau, was Kronos einem Menschen antun konnte, auch wenn sie sich nicht mehr an alles erinnerte. Als Druckmittel gegen Kristin hatte er Oz´ Schützling mehr als fünf Jahre gefangen gehalten. Diese Zeit war so verstörend gewesen, dass Lilith diese in Alisons Unterbewusstsein eingeschlossen hatte. Die Barriere war massiv gewesen, zumindest so lange, bis Kronos Alison bei ihrem letzten Aufeinandertreffen berührt hatte. Die Bilder wären beinahe Ellys Ende gewesen.
›Du musst dir keine Sorgen um mich machen, Oz.‹ Sie lächelte ihn nun an, während die Worte in seinem Kopf widerhallten. ›Ich denke, mit der Zeit wird alles gut werden. Du schaffst es, dass ich positiv in die Zukunft sehe.‹
Ihre Hand legte sich sanft auf seinen Oberarm und er spürte mal wieder das befremdliche Gefühl von Durst und Verlangen. Diese Frau, eine ganz gewöhnliche Normalsterbliche, hatte es geschafft, sich in sein Herz zu schleichen. Sie würde wohl niemals seine Geliebte werden, aber die Zuneigung, die er für sie empfand, war echt. Nicht, dass Oz es nicht gewollt hätte, doch eine körperliche Beziehung würde seinen ganz persönlichen Fluch herausfordern und das käme für Alison eines Todesurteils gleich. Er musste sie wohl ständig und überall nicht nur vor seinem Bruder, sondern auch vor sich selbst schützen.
»Ich werde zu dem Jungen gehen. Lilith sollte in der Lage sein, ebenfalls andere Kleidungsstücke für Slave zu besorgen.« Er räusperte sich und ließ Alison vorsichtig los. Sie stöhnte bedauernd.
›Du wirst wohl nicht müde, mich von dir zu stoßen, nicht wahr?‹ Ihr Blick wurde traurig. Sie hatte ja keine Ahnung, welche Kraft es Oz kostete, stark zu bleiben. Sein Körper hungerte und gierte nach dieser Frau.
›Ich denke, dass es besser ist, wenn du keine übereilten Entscheidungen triffst. Der letzte Gott, mit dem du etwas hattest, sollte dir gezeigt haben, wie grausam es enden kann.‹
Diese Worte schockten Alison. Sie glaubte hoffentlich nicht, dass Oz zu solchen Taten fähig sein könnte, doch er vermochte es ebenfalls nicht, dies auszuschließen. In seinem Inneren lebte ein altes Monster, das noch immer Menschen hasste, das sich nach Rache sehnte und es genoss, Leben aus Schurken zu saugen.
»Ich werde gehen. Es ist an der Zeit, dass ich mich nähre«, knurrte er und erwischte sich dabei, mit dem Blick auf Alisons Kehle zu verweilen. Sie biss sich nervös auf die Unterlippe. »Ich werde Slave mitnehmen. Er sollte lernen zu jagen. In Deutschland kann ich mich um Blutbeutel für ihn kümmern, aber hier in Prag ist das nicht so einfach.«
Sie nickte.
3
Vom Fenster des gegenüberliegenden Cafés aus beobachtete Kristin das Geschäftsgebäude. Sie hatte innerhalb kürzester Zeit jede Menge Informationen gesammelt und hoffte, noch ein paar Antworten auf drängendere Fragen zu erhalten. Etwas an Jelena hatte sie gestört. Es waren zu viele Kontakte, die Erinnerungen in Kristin geweckt hatten. Namen aus ihrer Vergangenheit, ehe sie zum Phönix geworden war ...
»Noch einen Kaffee?«, fragte die Bedienung sie auf Englisch und Kristin nickte.
»Ja, danke.«
Die Dunkelhaarige verschwand hinter der Theke. Es war nicht sehr viel los im Café, weshalb Kristin wohl bald gehen musste. Sie durfte nicht auffallen, denn sonst ging ihr Plan nicht auf. Es war schon seltsam, wie sich alles in letzter Zeit verändert hatte, seit sie durch Lilith gefunden und zum Phönix gemacht worden war. Oz hatte sie streng trainiert, dann war Alison aufgetaucht und nun Slave.
›Slave.‹
»Entschuldigen Sie«, sprach sie plötzlich jemand auf Deutsch an und Kristin blinzelte irritiert. Neben ihr stand ein eleganter Mann mit schwarzem Haar. Er lächelte und deutete auf den Stuhl, der ihr gegenüber stand. »Darf ich Ihnen vielleicht Gesellschaft leisten? Ich trinke meinen Kaffee nicht gern allein.«
»Sicher.« Sie ließ es zu, dass er Platz nahm. »Aber woher wissen Sie, dass ich aus Deutschland bin?«
Er grinste. An sich war er gut aussehend, obwohl Kristin irgendetwas an seinem Wesen störte. Was war es nur?
»Ich weiß sogar noch ein bisschen mehr.« Der Anzugträger legte den Kopf schief. »Wenn ich mich nicht täusche, rede ich gerade mit Kristin Heisenberg, einer Frau, die eigentlich tot sein müsste.«
Alarmiert tastete sie nach dem Kristalldolch, den sie sich in die Tasche gesteckt hatte. Der Kerl schien sich daran jedoch nicht zu stören, sondern nippte entspannt an seinem Kaffee. War er lebensmüde?
»Und wer sind Sie?«, fragte Kristin.
Ihre Finger schlossen sich noch fester um den Griff der Waffe. Sie machte sich bereit zum Kampf, auch wenn der Typ vor ihr keinerlei Bemühungen zeigte, sie zu attackieren.
»Sagen wir, ich bin ein Freund. Was suchen Sie hier?« Seine dunklen Augen fixierten Kristin, was sie nervös werden ließ. »Der Kaffee ist bestimmt sehr gut, aber ich bezweifle, dass das der Grund ist.«
»Ich denke, das ist meine Sache.« Kristin hatte keine Lust, diesem Kerl Rede und Antwort zu stehen. Sie wusste ja nicht einmal, wer er war und was er hier zu suchen hatte.
»Es sei denn, es gibt noch mehr Tote, dann wird es meine Sache. Und wenn Sie weiterhin die Geschäftsräume von Jelena Černá beobachten, wird es bald wohl noch mehr Leichen geben.«
Ertappt starrte Kristin ihn an. Für jemanden, den sie gerade erst kennengelernt hatte, wusste er schon verdammt gut über sie Bescheid.
Der Anzugträger besaß die Frechheit, ihr keck zuzuzwinkern.
»Ich habe nicht vor zu töten. Ich will nur Antworten«, versicherte sie ihm empört.
Kristin wollte aus einem unbestimmten Grund nicht, dass er sie für die Böse hielt, was sie andererseits irritierte. Der Typ war komisch!
Sein Blick blieb weiterhin intensiv, auch als die Bedienung zu ihnen kam, um Kristin einen weiteren Kaffee zu bringen. Er ließ sich nicht davon abhalten, sie zu taxieren.
»Ich glaube Ihnen. Was für Antworten suchen Sie? Vielleicht kann ich ja helfen«, raunte er auf einmal und grinste.
›Der Kerl ist nicht ganz dicht!‹ Dieser Gedanke beunruhigte Kristin sogar noch mehr, denn mit Verrückten konnte sie nicht umgehen. Mordlustige Kämpfer waren okay, denn die musste man nur ungespitzt in den Boden rammen und Ruhe kehrte ein. Sollte sie es wagen und dem Anzugträger einen Tipp geben?
Er winkte die Bedienung zu sich und verlangte die Rechnung. Zu Kristins Überraschung lud er sie ein. Er nannte es einen kleinen Vertrauensvorschuss, als ob er ihre Gedanken gelesen hätte. Ihr stockte der Atem. Was, wenn er wirklich ihre Gedanken lesen konnte?
Ihr Gegenüber rollte plötzlich mit den Augen.
»Ich bin gut in meinem Job. Nachdem das Anwesen Jelena Černás vor zwei Tagen in die Luft geflogen ist, wurde es mein Fall. Sie können mich Petr nennen. Sie wollen in das Büro und sich dort etwas umsehen? Ich bringe Sie rein. Oder Sie sagen mir, was Sie suchen und ich beschaffe es Ihnen.« Diese dunklen Augen! Ständig ertappte sich Kristin dabei, wie sie darin förmlich versank. Trotz seiner Ansprache weigerte sie sich, mit ihm zu kooperieren, schließlich hatte sie keine Lust, an diesem Tag abermals das Leben zu verlieren.
Er lachte.
»Eine harte Nuss, was?«
Eine junge Frau kam ins Café geeilt. Sie schaute sich suchend um, ehe sie Petr bei Kristin sitzen sah.
»Ach, hier sind Sie. Ich habe die Unterlagen, die Sie haben wollten«, hauchte sie und überreichte ihm einen dicken Umschlag. »Mehr konnte ich leider nicht finden.«
»Ich denke, das sollte reichen. Vielen Dank, Julie, Sie waren mir eine außerordentlich große Hilfe.« Petr stand auf, nahm den Umschlag entgegen und küsste die junge Frau auf die Wange. Sie errötete.
»Melden Sie sich einfach, wenn Sie wieder in der Stadt sind.«
Es war ein faszinierendes Schauspiel. Der Typ hatte anscheinend eine Angestellte des Büros um den Finger gewickelt. Sie strahlte von einem Ohr zum anderen, während sie sich allmählich von ihnen entfernte. Geradezu verdattert blickte Kristin ihr nach.
»Ich kann äußerst charmant sein, wenn man mich erst einmal kennt.« Petr feixte. »Und ich denke, ich werde nun gehen. Ich hoffe, im Umschlag finden Sie noch ein paar Antworten, hübsche Kristin.«
Er zückte eine Karte, die er vor ihr auf den Tisch legte. Ermittler Petr Horák stand darauf. Kristin wollte etwas sagen, ihm vielleicht sogar danken, aber er nickte nur noch einmal und verschwand daraufhin. Zurück ließ er ein eigenartiges Gefühl, dass es wohl nicht das letzte Mal gewesen war, ihm zu begegnen.
Langsam zog Kristin den Umschlag zu sich heran. Sie beäugte ihn kritisch, ehe sie diesen öffnete. Es befanden sich allerdings keine Fallen oder Wanzen darin, sondern nur jede Menge Dokumente. Ein Päckchen fiel ihr besonders ins Auge: Namen, Daten und Uhrzeiten. Es war Jelena Černás Terminkalender. Er war kodiert, aber Kristin hatte schon immer Rätselspiele gemocht. Sie würde sicherlich bald auf die Lösung kommen.
4
Es scheint zu passen und steht dir richtig gut.« Alison grinste breit, während Slave rot wurde. Oz hatte es tatsächlich geschafft, nicht nur ein Hemd, sondern auch eine passende Hose für ihn aufzutreiben. Damit sollte der Nacktheit im Hause in Zukunft einigermaßen Einhalt geboten werden.
»Ich danke Euch«, raunte Slave Oz zu, der nur nickte.
Solche Bekundungen waren dem ehemaligen Gott weiterhin unangenehm und Elly lächelte. Es würde wohl noch einige Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern, bis er dies hinter sich ließ. Aber sie war guter Dinge, dass er es schaffte.
»Schon gut. Hauptsache, du rennst nicht mehr die ganze Zeit nackt herum.« Das Knurren von ihm hätte Alison beinahe zum Lachen gebracht. Manchmal beschlich sie das Gefühl, Oz wäre eifersüchtig, wenn sie sich zu sehr mit Slave beschäftigte. Ein früherer Liebessklave wäre kein guter Umgang für sie, hatte er einmal gesagt, doch da konnte auch mehr dahinter stecken.
Sie dachte daran, dass in dieser Nacht eine neue Erinnerung in ihrem Geist geweckt werden würde. Einmal in der Woche, so war der Plan, denn Oz wollte sie nicht überfordern. Alison hatte Angst davor, war allerdings beruhigt, dass er ihr beistehen würde. In solchen Nächten ließ Oz sie nie allein.
»Ich bin in einer Stunde zurück«, meinte er nun zu ihr und drückte Elly im Vorbeigehen kurz die Hand.
Seine Finger waren warm, die Berührung angenehm, was sie stets von Neuem irritierte. Er mochte sie, weigerte sich jedoch, mehr mit ihr anzufangen, obwohl Alison nichts dagegen gehabt hätte. Oz wäre sicherlich ein heißblütiger Liebhaber. Dennoch hielt er sich zurück, beteuerte, er könnte es nicht. Meist redete er von einem Fluch. Wenn Elly nur einen Euro für jede Merkwürdigkeit erhalten hätte, die ihr in den letzten Tagen und Wochen widerfahren waren, wäre sie nun bereit für einen Altersruhesitz irgendwo in der Karibik mit Dienern und einer eigenen Insel. Sie grinste.
»Ich werde jetzt etwas kochen und dann auf Kristin warten. Du nimmst Slave mit?«
Oz nickte. Der Vampir neben ihm starrte ihn ängstlich an. Er war zwar dankbar wegen der Kleidung, doch mit dem gefallenen Gott allein unterwegs zu sein, brachte ihn sichtlich in Panik. Alison sprach ihm leise Mut zu und schob den jungen Vampir dann hinter Oz zur Tür hinaus. Irgendwann mussten die Männer miteinander klarkommen und wenn nicht beim gemeinsamen Jagen, wann dann?
Der Gedanke ließ sie den Kopf schütteln. Am besten dachte man nicht über solche Sachen nach. Allein das Bild, das sich in ihrem Geist bildete, als sie sich vorstellte, Oz würde seine Fänge in den Hals ...
›Nein, das reicht jetzt!‹, wies Elly sich selbst zurecht und fuchtelte vor ihrem Gesicht herum, als wollte sie eine Fliege verscheuchen. Sie hörte die Haustür ins Schloss fallen und marschierte in Richtung Küche. Es machte ihr Spaß für Kristin, Oz und auch für Slave zu kochen. Die große Abwechslung war es zwar nicht, aber zumindest nahmen sie ihren Einsatz dankbar an.
Eine Stunde später duftete es köstlich und Alison putzte noch Salat. Wenn ihre Mitbewohner auch unsterblich waren, würde es sicherlich nicht schaden, ihnen eine ausgewogene Ernährung zu bieten. Sie schmunzelte. Kristin hatte sich nach ihrem ersten Kochen so über die Speisen hergemacht, als wäre sie wochen- oder monatelang ausgehungert worden. Gut, sie konnte sich vorstellen, bei Oz, der sonst nur von Blut zu sich genommen hatte, waren Fast Food und Frühstückscerealien das Höchste der Gefühle gewesen.
»Ich bin wieder da!«, rief ihre Freundin plötzlich in Ellys Richtung und erschien nur wenig später im Türrahmen zur Küche. Sie schnupperte begeistert. »Riecht gut. Was machst du da?«
»Rouladen. Ich hoffe, sie schmecken euch.«
Kristin versicherte ihr, dass dies auf jeden Fall so sein würde. Ihre Freundin wirkte müde und erschöpft. Alison wusste, dass sie die letzten Nächte nicht gut geschlafen hatte, doch allmählich sah sie komplett erledigt aus.
»Oz und Slave sind unterwegs, um sich zu nähren. Setz dich zu mir«, forderte Elly Kristin auf, die sich ohne große Widerworte auf die Eckbank fallen ließ. Sie legte einen Umschlag auf den Küchentisch und starrte ihn gedankenversunken an. »Was ist das?«
»Das sind ein paar Antworten. Und das, obwohl ich noch nicht einmal wirklich meine Fragen gestellt habe.«
Alison konnte mit der Aussage ihrer Freundin nichts anfangen, schritt dennoch auf sie zu und nahm den Umschlag in Augenschein. Er wirkte unscheinbar, weshalb Elly ihn öffnete und einen Blick riskierte.
»Ich denke, Jelena war mit meinen Eltern befreundet. Mir kamen einige Namen bekannt vor, die ich von ihr hörte. Wenn ich mich nicht sehr täusche, ist der Orden in die Sache mit dem Menschenhandel verstrickt.« Kristins Stimme konnte man den Ekel und die Missbilligung genau anhören. Sie hatte ihre Eltern einst für ehrliche und hart arbeitende Geschäftsleute gehalten. Nachdem mehr von irgendwelchen Abartigkeiten aufgetaucht waren, hatte Kristins Welt kopfgestanden, doch spätestens seit dem Tod ihres jüngeren Bruders, schien sie auf Rache aus zu sein.
»Wirst du Oz davon erzählen?«, fragte Alison, wusste jedoch bereits die Antwort.
Kristin schüttelte den blonden Haarschopf.
»Das ist meine Angelegenheit. Ich will meine Eltern dafür bestrafen, was sie uns angetan haben. Uns und die vielen anderen, die sie durch falschen Glauben ausnutzen.« Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Wären ihr Vater oder Kristins Mutter in der Stadt, hätte sie diese genauso gut mit einem ihrer Dolche bearbeiten können. Die Absicht war wohl die gleiche. Ihre Laune hatte sich dem Nullpunkt genähert. »Ich habe vor einer Woche seinen Namen herausgefunden, Elly. Mein Bruder hieß Elias. Er wurde fünfzehn Jahre alt. Sie hatten einen Killer aus ihm gemacht! Statt wie jeder Junge in seinem Alter am Computer oder an irgendeiner schwachsinnigen Konsole zu spielen, haben sie ihn gelehrt, wie man Monster in der Realität tötet.«
Alison schluckte. Dermaßen wütend hatte sie ihre Freundin noch nie erlebt. Hitzig oder gar zickig, ja, aber derart rachsüchtig? Niemals! Sie strahlte eine eigenartige Hitze aus, die ihr zu denken gab. Vielleicht sollte sie Oz davon erzählen, um Rückendeckung für ihre Freundin zu haben. Abermals schüttelte Kristin den Kopf. Sie wollte nichts mehr davon hören.
»Ich werde mich etwas hinlegen. Bitte sei mir nicht böse, wenn ich beim Essen nicht dabei bin. Ich werde es mir später aufwärmen«, murmelte sie und ließ Alison allein in der Küche zurück. Was blieb, war ein ungutes Gefühl in Ellys Magengegend. Sie war sich absolut sicher, dass Ärger ins Haus stand. Kristin sann auf Rache und das würde niemals gut ausgehen.
5
Oz war ein guter Lehrmeister. Er zeigte Slave, wie er sich am besten an Normalsterbliche anschleichen konnte, ohne Verdacht zu erwecken, hatte jedoch auch die Geduld, wenn es nicht auf Anhieb klappte.
»Du solltest wissen, wie es ist, sich zu beherrschen. In dieser Beziehung bist du noch immer ein Sklave! Normalsterbliche zu töten, um sich zu nähren, ist nicht akzeptabel und wird streng geahndet. In Deutschland bekommst du deshalb Konserven, verstanden?«, knurrte Oz und Slave nickte artig.
Er hatte zwar keine Ahnung, was diese Konserven waren, denn die Herrin hatte ihn immer mit Menschenblut versorgt, aber er wollte Oz auch nicht noch um mehr Erklärungen bitten. Er erinnerte sich an früher. Es waren meist andere Sklaven, von denen er nur kosten, oder ehemalige Geschäftspartner, an denen er sich sättigen durfte. So oder so hatte er gelernt, seine Gelüste zu zügeln, ganz im Gegensatz zu dem, was Oz von ihm dachte.
»Dann zeig mal, was du kannst.« Sein Lehrmeister deutete auf eine Gruppe ziemlich finsterer Gestalten. Slave runzelte die Stirn. Es waren vier ausgewachsene und sehr angetrunkene Männer. Alle zu überwältigen würde er nicht fertig bringen. Was erwartete Oz da von ihm?
»Was schlagt Ihr vor?«
»Ich würde sagen, wir teilen. Du zwei, ich zwei.« Er grinste und zeigte dabei seine voll ausgefahrenen Fänge. Dieser Anblick machte Slave abermals nervös. Was sollte er nur tun, um ihm genügend Respekt zu zollen? Zögernd wandte er sich der Gruppe zu, die ihn bereits zu beobachten schien. Sie redeten miteinander und Slave kam es vor, als würden sie sich über ihn lustig machen.
»Ruhig Blut. Die Kerle sind uns nicht gewachsen. Ich schlage vor, du läufst jetzt an ihnen vorbei und dann direkt in diese kleine Gasse dort hinten. Da warte ich auf euch.« Seine Augen funkelten bedrohlich und Slave nahm die Vorfreude wahr, die der andere Vampir empfand. Er fühlte sich unwohl dabei, tat jedoch, wie ihm geheißen. Es wäre schlecht, wenn er Oz nicht mehr auf seiner Seite wüsste.
Wie prophezeit, torkelten die Betrunkenen Slave hinterher. Sie waren zu langsam, um zu begreifen, woher schlussendlich die Gefahr kam. Oz stieß zwei gegen die Hauswand, um diese auszuschalten, und bemächtigte sich danach den restlichen beiden. Er biss zu, saugte rasch und ließ die erste bewusstlose Schnapsleiche dann zu Boden sinken. Beim zweiten trank er langsamer, achtete mehr auf den Herzschlag, doch auch hier wurde der Säufer ohnmächtig. Slave betrachtete fasziniert das Schauspiel. Er hatte so etwas noch nie gesehen. Die Herrin hatte vor seinen Augen zwar getrunken, allerdings nie, um ihren Durst zu stillen. Oft waren die Bisse als Bestrafung genutzt worden, in wenigen Fällen als Belohnung.
»Willst du nichts?«, brummte Oz nun und runzelte die Stirn. Ihm schien es nicht zu gefallen, dass Slave ihn anstarrte. Hastig senkte dieser den Blick. Er wollte nicht aufdringlich erscheinen.
»Ich bin nicht durstig, Herr.« Das stimmte nicht ganz, aber der Geruch des Alkohols ließ es ihm flau im Magen werden. Die Kerle stanken!
»Gut, dann gönne ich mir noch ein oder zwei Schluck. Ihr Blut ist nicht übel. Irgendwie macht es gute Laune.«
Zu Slaves Überraschung lachte Oz leise. Er beugte sich über die beiden übrig gebliebenen Männer und biss auch diese. Seine Laune schien prächtig zu sein. Zufrieden marschierte er ein paar Minuten später zusammen mit Slave die Straße entlang. Er hatte die Erinnerungen der Männer verändert, sodass diese nach dem Aufwachen glauben würden, sie wären einfach betrunken eingeschlafen. Es war interessant zu erfahren, was Unsterbliche alles fertigbrachten.
»Was für eine Gabe hast du eigentlich?«, erkundigte sich Oz plötzlich und legte den Kopf schief, um Slave erwartungsvoll anzuschauen. Dieser zuckte mit den Schultern, da er nicht wusste, was der ehemalige Gott meinte. »Du musst doch auch eine Gabe haben. Jeder Vampir, den ich bisher getroffen habe, hatte eine.«
»Ich kann es nicht sagen, Herr. An mir ist nichts Besonderes.«
Oz ließ ihn nicht aus den Augen, was Slave Unbehagen bereitete. Er mochte es nicht, wenn man ihn so taxierte. Es erinnerte ihn an frühere Zeiten.
»Ich denke, wir werden noch herausfinden, was in dir steckt, Junge. Jetzt gehen wir aber erst einmal zurück. Alison wird schon mit dem Essen auf uns warten und sie kann schrecklich mies drauf sein, wenn man sie warten lässt.« Der Gesichtsausdruck des Ex-Gottes veränderte sich. Die Normalsterbliche bedeutete ihm etwas.
Gemeinsam marschierten sie weiter, schwiegen einträchtig, was ihm nicht unangenehm war. Es schien die Art seines Gegenübers zu sein. Oz mochte keine großen Worte, ließ lieber Taten sprechen. Slave hatte Hochachtung davor. Wie es wohl wäre, seinen eigenen Weg zu gehen?
6
Oz fühlte sich angeheitert nach dem Nähren. Von Betrunkenen Blut zu saugen war eine nette Abwechslung, die er sich jedoch nur selten gönnte. Neben Slave hertrottend sah er manchmal zu dem Jungen hinüber. Er hatte nichts zu sich genommen, obwohl Oz das leichte Gefühl von Durst gespürt hatte. Ob es ein generelles Problem mit dem Jagen war oder nur keine Lust auf wehrlose Opfer hatte, wusste Oz nicht, war ihm aber auch egal. Solange er die Fänge von den Frauen im Haus ließ, würde er ihm nichts vorschreiben.
Lilith hatte Oz darum gebeten, sich dem Jungen anzunehmen, und das würde er tun. Sollte er jedoch irgendwelche Tendenzen zeigen, sie zu verraten, wäre Oz allerdings derjenige, der dem Ganzen ein Ende setzte. Alison und Kristin schienen da wenig Bedenken zu haben. Sie hielten Slave für unschuldig und hilflos. Darüber konnte Oz nur den Kopf schütteln. Ein Vampir und hilflos? Das musste ein schlechter Scherz sein!
***
Alison saß in der Küche, als sie ankamen. Sie starrte gedankenverloren vor sich hin, was ihn stutzig machte. Wo war Kristin?
›Sie ist in ihrem Zimmer. Sie war müde‹, antwortete Alison in seinem Kopf und deutete dann in Richtung Herd. »Bedient euch. Ich werde mich umziehen. Der Tag ist ja gleich um.«
Sie wich seinem Blick aus. Ein schlechtes Zeichen. Sie musste ihre Gedanken klären, ehe die nächste Erinnerung zurückkam. Es war wichtig, denn sollte Alison nicht ausgeglichen sein, traf sie das Geschehene wesentlich härter.
›Lass mich noch eine halbe Stunde in Ruhe und ich bin bereit. Es ist nur viel, was mir durch den Kopf geht‹, gab sie hastig an, ehe er in ihren Geist vordringen und die Gedanken lesen konnte.
Slave und er aßen eine Kleinigkeit. Alison war eine wirklich gute Köchin, auch wenn es ihm noch immer schwerfiel, richtige Nahrung zu sich zu nehmen. Slave schien es ähnlich zu ergehen. Er schnupperte zwar begeistert, aß jedoch nur drei oder vier Bissen.
»Ich denke, wir sollten heute alle früher schlafen gehen. Sei bitte so gut und mach das Licht aus, ehe du die Küche verlässt«, brummte Oz.
Er marschierte in Richtung seines Zimmers, da er umgezogen sein wollte, bevor Alison zu ihm kam. Oz vermisste sein Zimmer im Keller. Dieses Haus hatte eine solche Einrichtung leider nicht, weshalb er sich mit dem Raum ganz am Ende des Flurs abfinden hatte müssen. Für ihre Rückkehr nach Deutschland waren die Vorbereitungen glücklicherweise fast abgeschlossen. Das Haus, das ein Bekannter für ihn besorgt hatte, war perfekt. Alison würde sich darin hoffentlich wohlfühlen und nicht ständig darüber reden, einen Ausflug nach dem Nächsten unternehmen zu wollen.
Es klopfte leise und er knurrte ein »Herein.«. Alison trug ein weißes Nachthemd unter ihrem schwarzen Morgenmantel und wirkte nervös. Sie nahm neben ihm auf dem breiten Bett Platz und spielte mit einer ihrer blonden Haarsträhnen.
»Was wird heute auf mich zukommen?«, flüsterte sie und er zuckte leicht mit den Schultern. Welche der Erinnerungen zurückkam, konnte Oz nicht beeinflussen. Er hoffte nur, dass es keine war, die sie zerbrechen ließ.
»Bist du bereit?« Er spürte, dass er ebenfalls angespannt war. Diese Art von Magie war nicht leicht auszuführen und in Alisons Gegenwart schon gar nicht. Es zerrte an seinem Wesen und ihr Duft stieg ihm in die Nase. Alisons verführerischer Duft.
»Ja«, hauchte sie und schloss die Augen.
Langsam und vorsichtig legte er den Zeigefinger unter ihr Kinn und zog sie zu sich. Seine Lippen berührten die ihren zärtlich. Alison öffnete den Mund, ein leises Seufzen drang daraus hervor. Oz atmete sachte aus, ließ den Zauber seine Wirkung entfalten.
Alisons Keuchen, ihre schlanken Finger, die sich plötzlich in seinen Oberschenkel krallten und die Tatsache, dass ausgerechnet die schrecklichsten Bilder, die sich Oz hatte vorstellen können, in ihr Inneres zurückkehrten, zerstörten den Moment. Es war Kronos’ Idee von einem für ihn erschaffenen Wirtskörper. Über ein Jahr hatte er versucht, Alison von ihm oder einem seiner Phönixe schwanger zu bekommen. Ein kleiner, durch ihn besetzter Körper, sollte Kronos’ Weg in die Freiheit sein. Immer und immer wieder wurde Alisons Geist überflutet von den Vergewaltigungen, die sie hatte erdulden müssen. Sie schluchzte, zitterte auf einmal am ganzen Leib. Oz bedauerte es, ihr diese Erinnerungen nicht ersparen zu können.
›Ruhig atmen. Du hast es überlebt. Alison, du bist stärker!‹, stand Oz ihr bei und hätte sie am liebsten noch fester in die Arme gezogen, zögerte jedoch bei der Flut der Bilder. Er hatte die Befürchtung, ihr mit seinem Handeln Angst zu machen.
»Ich schaffe das nicht.« Ihre Stimme klang verzweifelt und erstickt zwischen all den Schluchzern. Sie tastete nach seinem Arm, schmiegte sich zu seiner Überraschung eng an ihn.
›Du schaffst das. Ich weiß, dass du eine starke Frau bist. Kronos hat dich nicht gebrochen und wird es auch niemals fertigbringen‹, redete er in Gedanken auf sie ein.
Oz nahm wahr, dass sich das Zittern nach und nach beruhigte. Äußerst sachte strich er ihr über den Rücken. Die schrecklichen Bilder machten ihm selbst sehr zu schaffen und Oz hätte einiges dafür getan, wenn Alison diese Erinnerungen erspart geblieben wären. Nun war es leider zu spät. Die Brutalität seines Handelns brachte Oz zu dem Entschluss, dass Kronos vor nichts zurückschrecken würde, um seine Pläne durchzusetzen. Menschen hatten ihm noch nie etwas bedeutet und das würde wohl auch so bleiben.
»Darf ich heute Nacht bei dir bleiben?«, fragte Elly zaghaft und blickte ihn mit tränenverschleierten Augen an. Er konnte kaum fassen, was er da hörte.
»Bist du dir sicher?«
Nach ein paar Sekunden nickte sie. Angst stand ihr noch immer ins Gesicht geschrieben, aber da war noch etwas anderes. Sie suchte weiterhin seine Nähe, weigerte sich, sich von den Erinnerungen unterkriegen zu lassen. Wie sollte er dieser Frau also den Wunsch verwehren?
Mit der freien Hand bewegte er die Bettdecke, schob sie etwas zur Seite, sodass Alison darunter kriechen konnte. Oz, der in einem T-Shirt und einer locker sitzenden Hose bekleidet war, legte sich kurz darauf neben sie. Ihr Körper schmiegte sich sogleich wieder an ihn und er fuhr damit fort, ihr den Rücken zu streicheln.
›Schlaf jetzt ein bisschen. Ich werde über dich wachen‹, sandte er ihr den Gedanken und Alisons Augen schlossen sich. Sie vertraute ihm und seufzte, während sie erschöpft in die Traumwelt glitt.
7
Kristin lag in ihrem Bett und starrte an die Decke, als Slave ins Zimmer geschlichen kam. Er bewegte sich immer so, als müsste er seine Anwesenheit verschleiern. Es nervte Kristin, weshalb sie einen missbilligenden Laut von sich gab. Slave schien daraufhin zur Salzsäule zu werden. Sein Blick verharrte auf ihr.
»Willst du weiterhin da herumstehen?«, fuhr sie ihn an und er zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. Kristin seufzte. »Entschuldige. Ich bin heute nicht gut drauf.«
Zu ihrem Erstaunen näherte er sich ihr. Slaves blaue Augen schimmerten im trüben Licht der kleinen Lampe, die Kristin in einer der Ecken an gemacht hatte. Er nahm neben ihr Platz. Jetzt, da er ihr so auf die Pelle rückte, wurde sie ruhiger. Seine Art und Weise, die sie sonst zum Ausflippen bringen konnte, kehrte sich um. Sie hätte früher für eine solche Gelassenheit getötet.
»Legt Euch auf den Bauch«, raunte er und lächelte, nachdem sie eine Augenbraue hob. »Ich werde Euch etwas den Nacken und die Schultern massieren. Das bewirkt Wunder.«
Das ließ sich Kristin nicht zweimal sagen. Hastig zog sie ihren Pullover aus und rollte sich dann auf den Bauch. Slaves warme Fingerspitzen strichen ihr über die Haut und sie schloss automatisch die Augen. Er war begnadet! Leise summend arbeiteten sich seine Hände von einer Verspannung zur anderen und lockerten die Muskeln auf ihrer Schulter. Kristin seufzte wohlig. Ihre schlechte Laune war wie weggeblasen.
»Du bist echt gut darin«, flüsterte sie irgendwann matt und gluckste. »Wenn du so weitermachst, sabbere ich in die Kissen.«
Slave lachte leise. Das war ein schönes Geräusch, fand Kristin. Seine Hände glitten weiterhin über ihre Haut, liebkosten diese geradezu und bereiteten ihr eine Gänsehaut.
»Ich wüsste da etwas, was Euch noch mehr entspannen würde.« Seine Stimme war plötzlich rau geworden und sie spürte seine Lippen im Nacken. Nun war sie es, die erstarrte. Meinte er etwa das, was sie vermutete?
»Slave, das ist wirklich«, begann sie, doch er hatte sich erneut heruntergebeugt, küsste ihren Hals, leckte und liebkoste sanft in Richtung ihrer Wirbelsäule und diese hinunter. Es war ein unglaublich schönes Gefühl. Hitze wallte in Kristin auf.
»Lasst mich Euch verwöhnen, Herrin.«
Hände öffneten den Verschluss ihres BHs. Ein unbändiges Verlangen erfasste Kristin, welches sie erschreckte. Es war wie ein Feuer in ihr, das sie zu verbrennen drohte. Sie wollte mehr, brauchte mehr!
Als hätte er dies gespürt, richtete sich Slave auf und drehte sie auf den Rücken. Er streifte ihr den Büstenhalter von den Schultern und half ihr, sich diesem zu entledigen. Kristin trug nur noch ihre Jeans und atmete schwer. Seine Fingerspitzen gingen vorsichtig auf Erkundung, während Slave ihre Reaktion darauf genau beobachtete.
»Ihr seid wunderschön«, raunte er und senkte den blonden Haarschopf, um die Streicheleinheiten mit dem Mund fortzuführen.
Kristin biss sich auf die Lippen, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Seine Berührungen verzehrten sie. Er durfte jedoch nicht aufhören. Und das tat er zum Glück auch nicht. Mit geschickten Fingern öffnete er den Knopf ihrer Hose und zog diese samt des Slips aus. Kristin schnappte nach Luft, als es ihr bewusst wurde. Sie war nun nackt, lag vollkommen unverhüllt unter ihm und genoss seine Zärtlichkeiten.
Seine Lippen wanderten tiefer.
›Oh Gott, das sollte er nicht tun‹, ging es Kristin noch durch den Kopf, ehe er sein Ziel erreichte und bei ihr die Sicherungen durchbrannten.
Eine Welle der Erregung überflutete ihren Geist, während Kristins Körper angespannt verharrte und dem Orgasmus entgegenfieberte. Slave leckte, streichelte und küsste so einfühlsam und sanft, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Kristin krallte die Finger in ihre Kissen und nahm die Woge wahr, die sie zum Höhepunkt führte. Zitternd nahm sie alles an, was er ihr bot, jeden Kuss, jedes Saugen und das Massieren ihrer intimsten Stelle.
»Ich«, keuchte sie und kam, noch bevor sie es aussprechen konnte. Ihr Körper erbebte. Die Wellen der Lust, die sie erfasst und fortgerissen hatten, ebbten nur langsam ab, denn Slave wusste genau, wie er diese weiterhin anfachen konnte, ohne sie zu überfordern. Es fühlte sich an, als hätte sie einen ewig anhaltenden Höhepunkt und erst, nachdem Kristin kraftlos in die Kissen gesunken war, ließ dieser nach.
Ihr Herz schlug bis zum Hals. Sie hatte das Gefühl, als wollte es ihr aus der Brust hüpfen. Nach Atem ringend seufzte Kristin.
»Das war der Wahnsinn!«
Slaves Miene zeigte ein beinahe schüchternes Lächeln. Er leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Kristin bemerkte die ausgefahrenen Fänge.
»Hast du Durst?«, erkundigte sie sich und erhaschte Slaves Reaktion. Er blickte kurz, nur einen winzigen Moment, betreten drein, versteckte dies allerdings schnell.
»Ich durfte Euch dienen, Herrin.« Er wollte sich zurückziehen, um ihr mehr Freiraum zu geben, doch Kristin hielt ihn fest.