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Ihr Herz rast, ihr zittern die Knie, als sie in Paris unerwartet Rik Prince wiedersieht. Vor fünf Jahren hatte Sapphire mit dem erfolgsverwöhnten Drehbuchautor eine heiße Liebesnacht. Und noch immer sehnt sie sich danach, erneut in seinen Armen glücklich zu werden. Aber sie muss standhaft bleiben! Denn damals hatte Rik sie sehr enttäuscht - niemals wieder will sie so leiden. Obwohl er alles versucht, sie erneut zu erobern, bleibt Sapphire nach außen hin kühl. Spontan fliegt sie nach London zurück. Doch Rik reist ihr nach ...
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Seitenzahl: 198
IMPRESSUM
Zärtliche Eroberung in Paris erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2005 by Carole Mortimer Originaltitel: „Prince’s Love-Child“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1675 - 2007 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Iris Pompesius
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733777975
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Rik? Rik Prince? Bist du es?“
Er blieb wie angewurzelt stehen. Beim Klang dieser sinnlichen Stimme mit dem rauchigen Timbre erstarrte jeder Muskel seines Körpers. Die Atmung setzte aus. Aber das Herz pochte rebellisch, als wollte es sich gegen den Andrang quälender Erinnerungen wehren.
Diese Stimme!
Wie gut er sie kannte. Wie oft hatte sie in seinen Träumen zu ihm gesprochen! So eindringlich, dass er am Tage versucht gewesen war, zum Hörer zu greifen, um ihren warmen, verführerischen Farbton wenigstens durchs Telefon zu hören. Doch er hatte sich immer bezwungen und nicht angerufen.
Eigenartig. An die Frau, der diese Stimme gehörte, hatte er seit Monaten nicht mehr gedacht. Das wurde ihm plötzlich bewusst. Und er spürte auch keinen Kummer, keinen Schmerz mehr. Die Trauer war zu Ende. Hatte er seine unglückliche Liebe überwunden?
„Rik?“ Die Stimme mit dem deutlich englischen Akzent war jetzt ganz nah. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Die Berührung traf ihn wie ein Schlag. Wie sollte er jetzt reagieren? Was tun? Was sagen bei diesem Wiedersehen nach so langer Zeit?
Er wusste es nicht. Er fühlte sich schachmatt gesetzt.
Atme doch endlich, du Idiot, ermahnte er sich. Und tatsächlich gehorchte ihm sein Körper, und er konnte wieder Luft holen. Jetzt dreh dich um! Dreh dich um und schau sie an! Das kann doch nicht so schwer sein, sprach er sich gut zu. Nicht schwerer als die Trennung vor fünf Jahren.
Sie war womöglich noch schöner geworden. Groß, blond und goldbraun gebrannt stand sie vor ihm und strahlte ihn mit unglaublich grünen Augen an. Diamond McCall! Wie perfekt dieser Name zu ihr passte. Sie machte ihm alle Ehre, so umwerfend, wie sie aussah.
Selbst in dem knappen roten T-Shirt und Jeans wirkte sie sensationell. Und sie war es auch. Nämlich die höchstbezahlte Schauspielerin Hollywoods. Trotz oder wegen ihres englischen Akzents spielte sie eine Hauptrolle nach der anderen, und die Leute rannten ihretwegen ins Kino.
„Du bist es tatsächlich!“, rief sie erfreut. „Wie schön!“ Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm. „Ich habe davon gehört, dass du dich stundenlang auf den Champs-Élysées bei ‚Fouquet’s‘ aufhältst, sodass dich keiner, der nach Paris kommt, verpassen kann. Aber so richtig geglaubt habe ich es nicht.“ Sie schüttelte den Kopf, ihr langes honigfarbenes Haar streifte seine Schulter.
Er war zu keinem Gedanken fähig, sondern schaute ihr nur in die grünen Augen. Was tat er hier eigentlich? Was war geschehen?
„Rik?“ Dee sah ihn prüfend an. „Du bist mir doch nicht immer noch böse?“, gurrte sie.
Böse mit ihr? War er denn jemals böse auf Dee gewesen? Nein, sein Zorn hatte sich gegen ihre Stiefmutter und ihre Stiefschwester gerichtet. Denn die beiden waren es gewesen, die sie zu der Ehe mit dem schwerreichen Jerome Powers gedrängt hatten, einem mächtigen Mann in der Medien- und Unterhaltungsindustrie. Aber Dee, dieser bezaubernden jungen Frau, hatte er nie etwas übel nehmen können.
Sie zog einen Schmollmund. „Sag doch endlich etwas, Rik, Darling.“
Seine Zunge schien am Gaumen zu kleben, er fühlte sich gehemmt wie ein Pennäler. Ein erbärmlicher Zustand für einen fünfunddreißigjährigen Mann und erfolgreichen Drehbuchautor. Gut, dass seine Brüder Nik und Zak, mit denen er gemeinsam eine Filmproduktionsfirma besaß, ihn jetzt nicht sehen konnten.
Für sein stoffeliges Benehmen gab es nur einen Grund: Er war auf ein Wiedersehen mit Dee nicht vorbereitet gewesen.
Der Tag hatte wie jeder andere während seines zweimonatigen Paris-Aufenthalts begonnen. Vor acht Uhr war er aufgestanden, um entlang der Seine zu joggen. Danach hatte er im Hotel gefrühstückt und dabei gründlich die Zeitungen gelesen. Zeit spielte ab heute keine Rolle mehr, denn das Drehbuch lag bereits beim Produzenten. Trotzdem war er wie in den Wochen zuvor gegen Mittag zu „Fouquet’s“ gegangen. Er hatte nach einem freien Tisch gesucht, um einen Imbiss zu nehmen. Nicht im Traum hatte er damit gerechnet, dass sein entspannter Tagesrhythmus durch ein Wiedersehen mit Dee McCall durcheinandergeraten könnte.
Er musste nun antworten. Irgendetwas. Er durfte sie nicht länger wie ein sprachloser Trottel anstarren.
„Du siehst gut aus, Dee“, brachte er schließlich hervor, und sein amerikanischer Akzent klang geradezu schroff gegen ihren weichen englischen.
„Du aber auch, Rik.“ Sie sah ihn unter langen braunen Wimpern hervor an und begann loszureden, als hätten sie sich gestern zuletzt gesehen. Das erleichterte ihn. Es gab ihm Zeit, sich zu sammeln.
Er hatte lange nicht mehr an Dee gedacht. Monate wahrscheinlich, vielleicht sogar Jahre. Steif und irgendwie unbeteiligt ließ er ihren Wortschwall über sich ergehen. Und sie plapperte drauflos, als wären sie gute Bekannte. Dabei waren sie einmal unsterblich verliebt ineinander gewesen.
Dee lächelte ihn an. „Bist du allein oder in Begleitung hier in Paris?“
Er schüttelte den Kopf. „Das wollte ich dich auch gerade fragen. Bist du mit deinem Mann hier?“ Sie hatte vor fünf Jahren Jerome geheiratet. Trotz Riks Bitten und Flehen, bei ihm zu bleiben. Seinen Stolz hatte er für sie über Bord geworfen, so vernarrt war er einmal in Dee McCall gewesen.
Das war alles lange her. Heute liebte er sie nicht mehr. Die Zeit hatte seine Wunden geheilt. Nur die Erinnerung an die aufregende Zeit war in ihm lebendig geblieben.
Damals war Dee erst zwanzig gewesen und hatte ganz am Anfang ihrer Karriere gestanden. Weil der damals schon vierzigjährige Jerome Powers mehr Einfluss in der Unterhaltungsindustrie besaß als die drei Prince-Brüder, hatten Stiefmutter und Stiefschwester sie zur Verlobung mit ihm genötigt.
Rik hatte dagegen sagen können, was er wollte. Dee war standhaft geblieben und hatte ihn unter Tränen um Verständnis gebeten, denn sie hielt die Ehe mit Jerome für die einzige Möglichkeit, der herrschsüchtigen Stiefmutter und berechnenden Stiefschwester zu entkommen. Riks Versprechen, sie vor den beiden Frauen zu beschützen, hatte sie ebenso tränenreich wie entschieden abgelehnt.
Nein, er liebte Dee nicht mehr. Aber auf ihre Stiefmutter und ihre Stiefschwester war er immer noch nicht gut zu sprechen.
„Dee-Dee, du musst dir unbedingt diese hübsche Geldbörse anschauen. Auch ein dazu passendes Notizbuch haben wir gefunden“, unterbrach sie eine tiefe Männerstimme.
Auch ohne sich umzuschauen, wusste Rik, wer es war. Es gab nur einen Menschen, der Diamond McCall Dee-Dee nannte, und das war Jerome Powers, ihr Ehemann.
„Hallo! Das ist ja Rik. Rik Prince!“ Jerome klang erfreut. Rik wandte sich um.
„Was treibt Sie denn nach Paris, Rik?“ Jerome lächelte ihn gutmütig an und legte besitzergreifend den Arm um seine Frau.
Irgendwie mochte Rik diesen Mann mit dem warmherzigen Charme, dem grau melierten Haar und den feinen Gesichtszügen. Auch Frauen konnten sich seiner Ausstrahlung nicht entziehen, wie er aus leidvoller Erfahrung wusste. Und trotzdem fand Rik ihn sympathisch.
„Die Arbeit“, sagt er. „Ich habe gestern mein letztes Drehbuch beendet. Und nun mache ich noch ein paar Tage Urlaub, bevor ich in die Staaten zurückfliege.“
Jerome nickte. „Wie geht es Nik und Zak? Ich habe gehört, dass die beiden vor Kurzem geheiratet haben. Damit wären Sie der einzige noch frei herumlaufende Prince.“ Er zwinkerte ihm zu.
Es fiel Rik nicht leicht, diese Bemerkung mit einem Lächeln zu quittieren. Vor fünf Jahren hatte es so ausgesehen, als wäre er der Erste der Prince-Brüder, der heiratete. Aber stattdessen hatte die Frau, die er damals liebte, diesen Mann hier gewählt.
„Meinen Brüdern geht es gut“, sagte Rik. „Sie machen sogar einen glücklichen Eindruck.“ Auch das war ein Grund, länger als nötig in Paris zu bleiben. Nicht, weil er seinen älteren Brüdern ihr Glück missgönnte. Im Gegenteil. Er war froh darüber, dass sie wundervolle Frauen gefunden hatten. Aber wenn er die Paare traf, spürte er doch die Einsamkeit seines Junggesellendaseins umso stärker.
Auch das Zusammentreffen mit Dee und ihrem Mann zeigte ihm wieder, wie allein er doch war.
„Na prima“, sagte Jerome. „Dee-Dee, du solltest einen Blick auf das Portemonnaie und das Notizbuch werfen. Wenn es dir gefällt …“ Jerome schüttelte den Kopf. „Wo sind nur meine Manieren geblieben? Entschuldigung! Ich habe vergessen, Sie mit Sapphie bekannt zu machen.“ Er wandte sich um.
Bis jetzt hatte Rik die zierliche Frau nicht einmal wahrgenommen. So sehr war er von der großen Blonden gefangen gewesen.
Als sie vortrat, fiel die Sonne auf ihr schulterlanges kastanienbraunes Haar. Ihre bernsteinfarbenen Augen glühten wie die einer Katze und schauten Rik herausfordernd an.
Ihm wich die letzte Farbe aus dem Gesicht.
Was war das heute für ein Tag! Er versetzte ihm einen Schock nach dem anderen. Erst das Wiedersehen mit Dee. Dann die Erkenntnis, dass er sie nicht mehr liebte. Und nun dies. Er fühlte sich wie in einem Albtraum.
Denn er kannte diese Frau.
Auch sie hatte er fünf Jahre lang nicht gesehen. Er war ihr nur kurz, sehr kurz begegnet. Aber diese Begegnung war umso heftiger gewesen.
Rik Prince hatte sie erkannt, stellte Sapphie erschrocken fest. Er hörte gar nicht mehr auf, sie ungläubig anzustarren.
Sie versuchte, gleichmütig zu wirken. Er sollte nicht merken, wie sehr es sie aufwühlte, ihn wiederzusehen. Die Erinnerungen drohten sie zu überwältigen. Eine einzige Liebesnacht hatte sie mit diesem Mann verbracht, und die hatte ihr ganzes Leben erschüttert. Damals war sie überzeugt gewesen, ihm nie wieder zu begegnen.
Mit all dem Schmerz, ihm nach so langer Zeit nun doch gegenüberzustehen, wäre sie fertig geworden, wenn Rik sie einfach vergessen hätte. Aber er erinnerte sich offenbar …
Als sie ihm zur Begrüßung die Hand entgegenstreckte, hob sie angriffslustig das kleine, energische Kinn. „Sapphie Benedict, Mr Prince“, stellte sie sich vor. Ihre Stimme klang scharf. Der Tonfall war eine Warnung an Rik Prince. Abgesehen davon, dass sie glaubte, er würde Dee noch immer bis zum Wahnsinn lieben, hielt sie ihn für taktvoll und klug genug, sie zu verstehen.
Doch Rik schien ihre Hand nicht zu bemerken. Wie gelähmt starrte er sie an.
Mit Blicken forderte sie ihn auf, sich endlich zusammenzureißen und jetzt etwas zu sagen. Irgendetwas. Damit sein Verhalten dem Ehepaar nicht auffiel und für unangenehme Kommentare sorgte.
„Miss Benedict“, sagte er schließlich heiser und gepresst, nachdem er kurz ihre Hand gedrückt hatte. „Oder Mrs Benedict?“
„Miss ist richtig.“ Unauffällig knetete sie die Finger ihrer Rechten, um das Kribbeln loszuwerden, das seine Berührung ausgelöst hatte.
Unglaublich! Dieser Mann hatte immer noch diese Wirkung auf sie. Fünf Jahre war das Ganze doch schon her. Sie hätte längst darüber hinweg sein müssen.
„Warum so formell?“, mischte Jerome sich ungezwungen und fröhlich ein. „Rik und Sapphie klingt entschieden freundlicher.“
Eben! Doch Sapphie verspürte keinerlei Bedürfnis nach freundlichem Umgang mit Rik Prince. Das musste sie diesem Mann bei nächster Gelegenheit deutlich zu verstehen geben. Und für diese Gelegenheit wollte sie sofort sorgen.
„Willst du Dee nicht die Accessoires zeigen? Sie sucht doch schon so lange danach“, schlug sie Jerome vor. „Mr Prince und ich könnten derweil Kaffee für uns vier bestellen. Bis ihr zurück seid, haben wir uns bestimmt daran gewöhnt, einander beim Vornamen zu nennen.“
„Hast du denn Zeit, mit uns Kaffee zu trinken?“, fragte Dee.
Rik schaute sie länger als nötig an und bejahte schließlich.
Ja, fehlte diesem Mann denn jedes Gespür? Er nahm die Einladung doch nicht ernsthaft an?
Jerome schien sich nichts dabei zu denken. Er lächelte seine Frau an. „Gut. Dann komm mit, Schatz. Ich möchte dir zu unserem Jubiläum einen Wunsch erfüllen und etwas Hübsches schenken.“
Nachdem das Ehepaar zum Einkaufen gegangen war, herrschte drückendes Schweigen.
Aber wie anders hätte Sapphie vorgehen sollen? Natürlich verspürte sie keinerlei Lust, mit Rik Prince allein zu sein. Sie wollte nur sicherstellen, dass er auch weiterhin den Fremden spielte, der ihr eben erst vorgestellt worden war. Auf keinen Fall durfte er aus der Rolle fallen.
„Haben Dee und Jerome nicht im September geheiratet?“, fragte er, nachdem die beiden außer Sichtweite waren.
„Ja“, seufzte Sapphie und setzte sich an den Tisch, an dem Dees Kaffee inzwischen kalt geworden war. Rik rührte sich immer noch nicht. „Bitte setzen Sie sich doch“, forderte sie ihn auf.
Den Ausdruck auf seinem Gesicht kannte sie zur Genüge. So sahen alle Männer aus, wenn sie Dee angeschaut hatten. In diesem Fall konnte Sapphie sich darüber aber nicht amüsieren.
Riks Geistesabwesenheit erlaubte ihr immerhin, ihn unbemerkt zu betrachten.
Er sah tatsächlich noch so gut aus, wie sie ihn in Erinnerung behalten hatte. Vielleicht war er sogar noch schlanker geworden. Die Jeans und das kurzärmlige Polohemd ließen einen durchtrainierten Körper ahnen. Seine Arme jedenfalls wirkten muskulös. Auch das dunkle Haar trug er immer noch lässig aus der Stirn gestrichen. Seine auffallend blauen Augen blickten nachdenklich. Und seine regelmäßigen Züge sprachen von innerem Ernst.
Endlich kam Bewegung in ihn. Mit wenigen federnden Schritten trat er an den Tisch und setzte sich ihr gegenüber. Er hatte sich offenbar zur Räson gerufen und schaute sie abwartend an.
Sapphie litt unter seinem Schweigen. Jerome war die intime Atmosphäre zwischen Dee und Rik offenbar entgangen. Ihr aber nicht. Und sie fragte sich nun, ob das Zusammentreffen der beiden wirklich zufällig gewesen war. Niemand wusste besser als sie, wie sehr Rik die Hochzeit von Dee und Jerome verstört haben musste. Er hatte diese wunderschöne Frau damals bis zum Wahnsinn geliebt, und Sapphie ging davon aus, dass sich daran nichts geändert hatte.
„Die beiden haben sich heute vor sechs Jahren kennengelernt“, klärte ihn Sapphie vorsichtig auf.
„Aha.“ Sein Gesicht blieb ausdruckslos.
Sapphie hätte ihm am liebsten einen heilsamen Schlag versetzt. Das Ende seiner Beziehung zu Dee war doch schon so lange her. Er sollte allmählich darüber hinweg sein, oder?
Jeder, der Jerome und Dee ansah, spürte, dass die beiden glücklich verheiratet waren. Natürlich hatten sie auch die eine oder andere Auseinandersetzung, wie jedes normale Ehepaar. Obwohl sie sich in Kreisen bewegten, in denen Scheidungen auf der Tagesordnung standen, machten sie den Eindruck, als schafften sie es, zusammenzubleiben.
Plötzlich begannen Rik und Sapphie, gleichzeitig zu sprechen, hielten gleichzeitig wieder inne und sahen einander forschend an.
„Bitte“, sagte Sapphie. Doch da kam der Kellner an ihren Tisch, und sie mussten die Bestellung aufgeben. Nachdem der Ober gegangen war, schaute Rik sie wieder mit brütendem Schweigen an.
„Sie wollten doch etwas sagen“, forderte sie ihn auf und hoffte, dass er endlich aufhörte, sie zu mustern.
Schließlich setzte er sich sehr aufrecht hin. „Ich wollte sagen, dass ich nicht damit gerechnet habe, Sie nach all den Jahren wiederzusehen.“
Ein amüsiertes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Sie meinen wohl, dass Sie hofften, mich nicht wiederzusehen.“
Er runzelte die Stirn. „Wenn es so wäre, hätte ich mich anders ausgedrückt.“
„Natürlich.“ Sapphie tat seinen Einwand mit einer Handbewegung ab. „Seien Sie versichert, dass es mir genauso ergeht.“ Und das stimmte. Nie hatte sie ihn wiedersehen wollen. Nie auch nur das Bedürfnis verspürt, etwas von ihm zu hören. Am liebsten hätte sie die Erinnerung an ihn vollkommen aus ihrem Gedächtnis gelöscht.
Und nun musste sie feststellen, wie lieb und vertraut sein Anblick ihr war. Seine feinen Gesichtszüge, seine durchdringend blickenden blauen Augen. Viel zu lieb und vertraut …
Rik lachte bitter auf. „Wie ehrlich Sie sein können.“
„Ja, das kann ich, obwohl diese Eigenschaft heutzutage kaum noch geschätzt wird. Und um weiterhin ehrlich zu sein: Ich habe die Gelegenheit, mit Ihnen allein zu sein, nur gesucht, um Sie zu bitten, über unsere frühere Bekanntschaft zu schweigen. Ich möchte unter keinen Umständen, dass Dee und Jerome erfahren, dass wir uns schon einmal begegnet sind.“ Sie schaute ihn drohend an.
Darauf erwiderte er nicht gleich etwas, sondern musterte sie wieder mit gerunzelter Stirn. Schließlich blitzten seine Augen spöttisch auf. „Mit Bekanntschaft meinen Sie doch wohl …“
„Ich meine damit“, unterbrach sie ihn, „dass Dee und Jerome denken sollen, wir hätten uns eben erst kennengelernt.“
Er nickte zustimmend. Was immer ihn bisher bedrückt und irritiert haben mochte, war plötzlich verschwunden. Entspannt lehnte er sich zurück und sah sie amüsiert an.
Wenn er der Situation etwas Belustigendes abgewann, nun gut. Sie vermochte es nicht.
„Wie passt denn das zu der Ehrlichkeit, die Sie eben erwähnt haben?“, fragte er höhnisch.
„Ach, seien Sie doch nicht so begriffsstutzig“, erwiderte sie ungeduldig. „Manches erfordert Ehrlichkeit, anderes …“
„Eher Unehrlichkeit?“, spottete er.
„Tun Sie nicht so scheinheilig! Sie möchten doch genauso wenig wie ich, dass Dee und Jerome erfahren, wie wir ihre Hochzeitsnacht miteinander verbracht haben.“ Die Dinge beim Namen zu nennen war ihr nicht leichtgefallen, und sie atmete tief durch, nachdem es gesagt war.
Trotz ihres Ärgers und ihrer Ungeduld konnte sie die Erinnerungen an jene Nacht nicht verdrängen. Schweigend waren sie aufeinander zugegangen, wie magnetisch voneinander angezogen. Vom ersten Augenblick an hatte es zwischen ihnen geknistert, hatten die Funken rasch eine ungestüme Leidenschaft entfacht. Mehr als ihre Namen erfuhren sie damals kaum voneinander. Sapphie dämmerte zwar bald, dass sie durch Zufall an den Mann geraten war, der die Braut liebte, aber da war es schon zu spät gewesen, sich gegen ihre Gefühle zu wehren, so heftig war das Verlangen, das sie einander in die Arme trieb und Erfüllung forderte.
An jede Liebkosung, an jeden Kuss meinte Sapphie, sich noch heute zu erinnern. Obwohl die Begierde wild und unaufhaltsam gewesen war, schienen sie beide schon damals gewusst und akzeptiert zu haben, dass sich am nächsten Morgen ihre Wege trennen und sie sich niemals wiedersehen würden.
Und so sollte es auch in Zukunft bleiben. Jedenfalls, wenn es nach ihr ginge.
„Sie waren damals wohl ziemlich durcheinander“, stieß sie ärgerlich hervor. „Schließlich heiratete die Frau, die sie liebten, an diesem Tag einen anderen.“
Seine Augen verdunkelten sich. „Und wenn es so gewesen wäre?“, erwiderte er kühl. „Welche Entschuldigung können Sie für sich vorbringen?“
Sie wollte ihn nicht schonen, keine Ausreden erfinden oder Ausflüchte machen. Die Wahrheit, oder zumindest der Teil, den sie bereit war, Rik zu enthüllen, würde ihrem Gespräch ein rasches Ende setzen. „Ich“, sagte sie verächtlich, „hatte kaum ein anderes Motiv als Sie. Ich versuchte zu verkraften, dass der Mann, den ich damals liebte, eine andere zur Frau nahm.“ Unerschrocken begegnete sie Riks Blick. Niemals durfte Rik erfahren, was das wirklich einschneidende Erlebnis an Dees und Jeromes Hochzeitstag für sie gewesen war.
Mit der Überzeugung, Jerome immer noch zu lieben, war sie zu seiner und Dees Hochzeit gegangen und hatte sich elend gefühlt. Als sie irgendwann Rik unter den Gästen entdeckte, begann sich für sie die Welt zu verändern.
Bis zu dem Moment hatte Sapphie nicht an Liebe auf den ersten Blick geglaubt. Zumindest war sie überzeugt gewesen, dass ihr so etwas niemals passieren könnte. Und noch bevor sie neben Rik eingeschlafen war, hatte sie mit morgendlicher Ernüchterung gerechnet. Der Mann war schließlich ein Wildfremder für sie. Spätestens wenn sie neben ihm aufwachte, würde sie begreifen, dass nicht Liebe, sondern Lust sie in diese Situation getrieben hatte.
Doch als sie am Morgen nach Dees und Jeromes Hochzeit die Augen aufschlug und Rik, einen Arm um sie geschlungen, ruhig atmend neben ihr lag, hatte sie ihn lange betrachtet und ihre Gefühle noch einmal geprüft. Sie liebte und begehrte diesen Mann noch immer.
Und das, obwohl er kein Geheimnis daraus gemacht hatte, wie unglücklich er in Dee verliebt war.
Jerome?
Meinte Sapphie Benedict etwa Jerome Powers?
War diese Frau mit den faszinierenden bernsteinfarbenen Augen und der wilden Entschlossenheit, ihre erste und – bislang – einzige Begegnung einfach so abzutun, damals vor fünf Jahren ebenso unglücklich gewesen wie er? Liebte sie den Bräutigam der Frau, die er damals liebte? Hatte sie mit Rik getanzt und dann die Nacht mit ihm verbracht, nur weil sie Vergessen suchte?
Oje!
Aber hatte er nicht gerade eben noch zugegeben, dass es ihm ganz genauso ergangen war wie ihr? Hatte er diese gemeinsame Nacht nicht auch in sich verschlossen und in die tiefste Schicht seines Bewusstseins verbannt?
Ja, so war es gewesen. Bis eben zumindest. Diese Nacht hatte Schuldgefühle hinterlassen. Sapphie gegenüber. Eigentlich hatte er sie nur gebraucht, um sich mit ihren leidenschaftlichen Zärtlichkeiten zu betäuben, sich mit ihr über sein Unglück hinwegzutrösten. Nun erfuhr er, dass sie ihn ebenfalls benutzt hatte. Und das erfüllte ihn mit Zorn. Der war zwar unberechtigt, aber deswegen nicht weniger heftig.
„Lieben Sie Powers immer noch?“, fragte er verächtlich. „Verbringen Sie deshalb Ihre Zeit mit dem Ehepaar, um rasch Dees Stelle einzunehmen, sobald sich eine Gelegenheit dazu bietet?“
Sapphie wurde blass. „Wie können Sie es wagen, einen solch bösartigen Verdacht zu äußern“, fuhr sie ihn an. „Zu Ihrer Information, Mr Prince: Ich bin beruflich in Paris, ich muss hier recherchieren. Dee und Jerome wollten mich gerne treffen. Deshalb haben sie auf dem Weg nach London, wo Dees letzter Film demnächst Premiere hat, einen Zwischenstopp in Paris eingelegt.“
„Wie praktisch für Sie.“
Er hatte keinerlei Versuche unternommen, Dee nach ihrer Hochzeit wiederzusehen, während diese Frau offen die Freundschaft mit dem Paar suchte. Für ihn grenzte das an Masochismus.
„Es ist keineswegs praktisch“, widersprach Sapphie heftig. „Und was meinen Ehrgeiz angeht, Dee als Geliebte und Ehefrau zu ersetzen, so haben Sie mir nicht zugehört, Mr Prince. Ich habe in der Vergangenheitsform über meine Gefühle für Jerome gesprochen. Ich liebe ihn schon lange nicht mehr.“ Sie funkelte ihn böse an.
Wer sich so wehrte, hatte etwas zu verbergen, fand Rik. Er wusste nicht, ob er ihr glauben sollte. Außerdem bezweifelte er, dass Sapphie überhaupt etwas daran lag.
Als ihre Augen jetzt herausfordernd blitzten, ihre Wangen sich röteten und sie die vollen Lippen aufeinanderpresste, bezweifelte er sogar seine Erinnerungen an die gemeinsame Nacht. Hatte er diese widerspenstige Frau wirklich in den Armen gehalten? Ihren zierlichen Körper erforscht? Ihr volles kastanienbraunes Haar gestreichelt? Jeden Zentimeter ihrer Haut liebkost? Diesen verführerischen Mund geküsst?
Sapphie, die seinen forschenden Blick bemerkte und seine Gedanken erriet, bereitete ihren nächsten Angriff vor. „Ich möchte eines klarstellen, Mr Prince …“
„Sollten wir uns nicht Rik und Sapphie nennen?“, erinnerte er sie und nickte dem Kellner zu, der den Kaffee brachte.
„Mr Prince“, wiederholte Sapphie unbeirrt, als sie wieder allein waren, „ich kenne Sie nicht. Und ich will Sie nicht kennenlernen. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?“
Sie ist eine schöne Frau, stellte er leicht benommen fest. Vor fünf Jahren, als er sich mit ihr getröstet hatte, war sie ihm auch nicht gerade unattraktiv vorgekommen. Aber wie schön Sapphie Benedict wirklich war, fiel ihm erst jetzt so richtig auf.
Schöner als Dee? Nun, eigentlich konnte man die beiden Frauen nicht miteinander vergleichen. Dee glich in ihrer Schönheit einer kostbaren Statue, während Sapphie voller Leben war. Sie versprühte Feuer und Licht. Wenn die Sonnenstrahlen darauf fielen, leuchtete ihr Haar rötlich auf, und ihre Augen funkelten glutvoll.
Trotz seiner Verliebtheit vor fünf Jahren hatte er Dee nur einige Male heimlich geküsst. Wohingegen ihn mit Sapphie die Fülle der Intimitäten verband, die ein Mann mit einer Frau nur austauschen konnte.
„Überaus deutlich, Sapphie“, beantwortete er schließlich ihre Frage. „Aber wenn wir uns wirklich nicht kennen, woher kenne ich dann das Muttermal auf Ihrem …“
Sie beugte sich vor. „Schweigen Sie“, fuhr sie ihn an. „Dee und Jerome kommen jetzt zurück.“ Während sie über seine Schulter hinweg die beiden im Auge behielt, flüsterte sie: „Was mich angeht, so betrachte ich dieses Gespräch als beendet.“