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Dieser Band beinhaltet Gedichte um das stille Sitzen des Zazen, der Erfahrungspraxis des Zen-Buddhismus, entstanden im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung in China als Erneuerungsbewegung des Buddhismus und seit Mitte des 20. Jahrhunderts auch im Westen fest verankert. Schöne, aus der Praxis entstandene Gedichte, die uns immer wieder in die aufrechte Haltung zurückbringen und mit dem Finger des Wortes auf einen Sinn hindeuten, der unabhängig von Konfession und Glaube erfahrbar ist.
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Seitenzahl: 89
Originalausgabe. Copyright © 2019 by Werner Kristkeitz Verlag, Heidelberg. Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge und Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen jeglicher Art.
Umschlagbild: © Symmetric World Art® / symmetric-world-art.de
ISBN (gebundenes Buch) 978-3-932337-72-7
ISBN (eBook) 978-3-932337-73-4
www.kristkeitz.de
Vorwort von Doris Zölls
Zazen • Gedichte
Alphabetisches Verzeichnis
Der vorliegende Gedichtband von Thomas Klinger beinhaltet Gedichte, die alle Zazen, wie die Sitzmeditation im Zen-Buddhismus genannt wird, zum Thema haben. Wer sich einmal auf dieses nur Sitzen in Stille eingelassen hat, wird mit Freude diese Gedichte lesen. Sie spiegeln all die Erfahrungen wider, die wohl jeder immer wieder erlebt, der diese Form der Meditation jemals praktiziert. Diese Gedichte haben aber nicht nur einen Wiedererkennungswert, sie können in uns tiefe Schichten berühren, die uns oft nicht bewusst sind und die durch das Lesen der Gedichte geweckt werden. Die Gedichte rufen sowohl Erlebtes wieder hervor als auch Unbewusstes ins Bewusstsein. So kann sogar das Lesen und Rezitieren der Gedichte uns in die Haltung des Zazen führen. Es ist das Geschenk und auch das Geheimnis eines Gedichtes, dass es uns an dem Erleben des Dichters teilhaben lässt. Am besten gelingt uns dies, wenn wir Gedichte auswendig lernen. Ihre Sprache, ihr Rhythmus, ihr Reim haben auf uns eine ganz andere Wirkung als ein Prosatext. Diese Zazen-Gedichte führen uns in einen Raum der Stille, in dem sich unendlich vieles in uns selbst erkennen lässt. Der ganze Körper wird angesprochen, unsere Gedanken werden sichtbar, unsere Gefühle spürbar. Unsere Sinne werden geöffnet für die Zwischenräume, für das, was nicht ausgedrückt, nicht gesagt werden kann. Auf der einen Seite entfaltet sich alles aus dem Raum der Stille, auf der anderen Seite zieht sie uns in ihren Bann und führt uns in die Stille. Es gibt kein Warten auf etwas, alles ist bereits da, es gibt kein Hetzen hinter irgendetwas her, da es nichts zu erreichen gibt. Es ist das schlichte einfache nur Da - Sein in der Zazen-Haltung, das uns in einem Augenblick allen Sinn unseres Lebens erfahren lässt. Obwohl alle möglichen Bilder auftauchen können, schöne wie auch gespenstische, angstvolle wie beruhigende. Die Gedichte leiten uns mit ihren Bildern durch ihre Betrachtung zu uns selbst. Wie ein Gesang klingen diese Gedichte mit ihrem Rhythmus und dem Versmaß in uns und rufen uns zur Meditation.
Viele Aussagen der Meister verweisen immer wieder darauf, dass wir im Grunde nichts über Zazen aussagen können. Zazen ist ein Erleben. Wie könnte man das beschreiben? Auch die schönsten Worte bleiben hinter dem Erleben zurück. Doch so dürfen wir die Gedichte nicht verstehen, dass sie Zazen und das darin Erlebte nacherzählen wollen. Gedichte sind eben keine Prosa, ihre Form macht sie selbst zu einem Erleben. Sie selbst sind das Unbeschreibliche.
Huineng, ein alter Zen-Meister aus dem 7. Jahrhundert im Alten China, auf den unser heutiges Zen zurückgeht, schrieb einmal zu Zazen: «Wenn im Geist nichts Gedankliches mehr aufkommen kann, nennt man dies ‹Za›, einfach Sitzen, und die Einsicht auf unsere ureigene Natur heißt ‹ZEN›.»
Damit weist er unserer Übung die Richtung. Es geht um das bewusste Erleben dessen, was sich gerade ereignet, und darin unsere wahre Natur zu erkennen. Mögen diese Gedichte uns auf diese Spur setzen und uns Lust auf das Wagnis des Zazen machen und die Freude in ihnen unsere eigenen Erlebnisse widergespiegelt zu sehen. Zen hat sich immer in der Kunst ausgedrückt. Haikus, diese kurzen Gedichte, sind ursprünglich sein Metier. Mit diesem Gedichtband betritt Thomas Klinger eine noch nicht sehr verbreitete Form. Ich wünsche den Lesern die Offenheit, sich auf diese Form einzulassen und damit die Tiefe des Zazen zu erahnen.
Doris Zölls
Stiller Wald und stiller Raum, stille Zeit, Gedanken kaum, stille bald und stilles Schauen, dem erschauten Sinn vertrauen.
Nahm einen Sitz und saß, es atmend mich dann las und da-mit auch klang der Gedanken-Gesang über-all dies und das, auch weiß nicht mehr, was, weder gerettet noch gekettet, weder allein noch mit Zweien – doch daheim.
Schau, das Jucken an der Nase, den Schmerz im Knie, unbequem, dort draußen das Klirren einer Vase, du sitzt da einfach, nicht immer angenehm.
Meist ist’s ruhig und äußerst still, dein Atem atmet dich, wie das Herz, jetzt sagst du nicht: Ich will, doch du spürst einfach den Schmerz.
Gedanken ziehen, wie die Wolken, du greifst mal danach und mal nicht, die Regel ist: Stille zu befolgen, dann siehst du den Herz-Geist licht.
Komm zur Ruhe, komm zur Stille, denn dies ist der Ruhe Wille, komm zu dir und bleibe du, es geschieht uns stets im Nu, finde dich und lass dich los, weder klein ist es noch groß, weder Zeit noch zeitlos frei, es ist kein Name, der uns sei, doch Es ist Grund und Es ist Wesen, doch nicht mit dem Geist zu lesen.
Nimm den Atem, lass ihn fließen, lass dich durch den Atem sprießen, geh bedacht und lass das Denken, die Stille will sich dir schenken, warte nicht und eile nicht, sitze schlicht und gehe licht, sei dabei im Augenblick mit dem atmenden Geschick, gründe dich in diesem Sinn, sitze aufrecht mit dem Kinn.
Es geschieht, wenn du nicht denkst, wenn du es nicht erwartest, es geschieht nicht, wenn du lenkst, weil du so nur entartest – es geschieht, wenn es geschieht, und dies ist des Grundes Lied – Frag nicht, warum – es uns geschieht, es ist dieses Grundes Lied, es geschieht, weil – es geschieht, und meist ist unser Denken Dieb.
Es geschieht, wenn du nicht lenkst, wenn du es nicht erhoffst, es geschieht, wenn du dich senkst, im Angesicht des Leides Übel – es geschieht, wenn es geschieht, es dir anderswann sich nicht vermied – Frag nicht, warum – es uns geschieht, es ist dieses Grundes Lieb’, es geschieht, weil – es geschieht, und dabei auch der Grund stets blieb.
Zu erfahren doch ist dieses Eine, ein Schatten nur – im Gedachten, deren Welt ist fast die feine, doch lässt sie uns nicht schmachten – des Atem Atmen ist wohl weise, Klarsein ist des Einen Speise, Wahrsein in Erfahrung spüren, Seele sein und Frieden küren – Erfahrung aber geht vorüber, mit dem Denken wird es trüber – Doch geht ein Licht auf, spricht ein Schweigen und nennt sich dann – unser Eigen.
Üben ist nicht nur ein Wort, es ist Praxis, es ist Leben, denn an des Übens Ort wird es uns gegeben – der weite Raum, Freiheit genannt, ist in diesem Üben da, körperlich nicht ganz galant, denn das Wörtliche ist Narr – vor dem Wort und auch dahinter, ist die Weite voll nicht minder.
Wir sitzen und wir atmen frei, aufrecht Geist und Herz dabei, wir lassen sie ziehen, Gedanken, die fliehen, gewahren, was uns dabei sei.
Es sitzt sich und atmet sich so, nach Hause gekommen auch froh, es ist da und klar, wir weise – und Narr, es fließt der Augenblick loh.
Es schläft der Fuß uns ein, der Körper spürt es kaum fein, und beendet die Runde, so geht eine Kunde, wieder gehen wir müssen allein.
Wir atmen und sitzen gewiss, bis uns die Glocke entließ, froh da zu sein, in der Gruppe, allein, wir wissen nicht, was uns bewies.
Wir stöbern, wir zaudern, im Geiste wir plaudern, Stille, die waltet, Denken veraltet, Atmen ist uns ein Stern.
Wir sitzen gemeinsam-allein, durchschauen Sinn und Schein, hadern vielleicht, und Nichts erreicht, dazwischen sind wir all-ein.
Heimwärts führt uns der Weg: dieses Leuchten, wir sitzen und gehen – und Sinne uns deuchten. Wo ist das Tor der ewigen Zeit? Wo sind wir erkoren dafür bereit? Im einfachen Sitzen wir köcheln und feuchten.
Es leuchtet der Weg aus uns selber heraus, Dunkel der Steg, denn wir gehen voraus, wir tasten ins Unbekannt, und das ist uns verwandt, doch wir kommen zurück stets in unser Haus.
Das Leuchten daheim übt sich mit uns, das Leid durchdringen, im Atmen wir tun’s, ruhig wir sitzen, das ist die Kunst, Denken sucht sich im Leid den Dunst, wir werden so stetig bereit.
Bereit für das Leuchten ohne ein Licht, der Stille weder nah noch ferne nicht, durch den Atem am Leben, dem Tod sich hingeben, das Sitzen zu Hause und hier ist schlicht.
Im Atmen ist die Weite weit, ganz nah an einem Sinn soweit, wir hören das Schweigen, wo doch Worte sich zeigen und sind für die Stille bereit.
Es geschieht, wenn es geschieht, Sinn uns dann wahrlich blieb, wenn Dinge durchleuchtend sind, uns das Eigene er-find’t, am Ende das Knie sich uns rieb.
Im Atmen ist die Weite wohl, ganz nah an des Sinnes Pol, wir Schweigen im Hören, dem wir gehören, weil dies uns willig soll.
Es geschieht, weil es geschieht, und uns dann das Atmen blieb, wieder wir stehen und gehen wieder hernieder wir sehen, und das Knie sich wieder uns rieb.
Wir kommen nun wieder und sitzen zusammen, suchen die Stille, kein Denken sie find’t, wir setzen uns nieder, es ist fast Erbarmen, ein Zuhause gewiss, für manchen bestimmt – da sein und wahr sein und schauen, was ist, wir kennen das Denken, es kennt uns die List.
Wir kommen zurück zum aufrechten Sitzen, wenn eingenickt wir wieder uns fangen, Leben und Tod begegnet mit Witzen, doch zu sehr nicht in einem Bangen – dies kann uns sein, das Leben heißt Sterben, sterben der Furcht, geboren dem Werden.
Wir kommen zur Ruhe, dazwischen ist Leben, Leben in Stille, Leben mit Geist, frei unser Wille, frei unser Streben, doch das Denken ist dieses nicht meist – wir kommen nun wieder und sitzen zusammen, vor Leben und Tod ist nicht mehr zu warnen.
Wenn wir so beieinander sitzen, dann ist es leichter als allein, auch wenn wir duften und schwitzen, einsam scheint der Augenblick Schein – doch wir üben für jeden – Augenblick, ansonsten erliegt das Denken dem Trick.
Und Tick – wäre Üben und Denken gewiss, Tick-Tack wäre Zeit des gewissen Betrugs; so üben wir nicht in einem Verbiss, das stille Sitzen, sich selber erfrugs – doch auch das Fragen wird schwinden und beizeiten sich selber entbinden.
Frei – wird das Fragen, wohin wird es deuten? Es hört die Begrenzung und schaut einfach weiter, Begegnung und Nähe, Berührung und Läuten, mit Fragen wird auch die Stille uns heiter –