Die Schwäne der stillen Gewalt - Thomas Klinger - E-Book

Die Schwäne der stillen Gewalt E-Book

Thomas Klinger

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Beschreibung

In diesem umfangreichen Werk wird an der humanistischen Philosophie und Psychologie das Thema des Mobbing kontrastiert und besonders die Täter des Mobbing vielfältig betrachtet. Ein Referenzwerk für Betroffene, Angehörige und Interessierte, die dieses unsägliche Geschehen aus einer menschlichen Perspektive einzuordnen suchen. Dass die Menschheit schon lange an dem Problem der Gewalt haftet, ist keine moderne Erscheinung. Doch dass sie zukünftig nicht Geisel bleiben muss, wird in diesem Buch deutlich.

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Die Schwäne der stillen Gewalt

Bücher von Thomas Klinger

Im Mensaion Verlag:

Von den Dingen und dem Sinn Kommentare zu Leben, Mensch, Natur und Klima

Die vielen Gesichter der ReligionEine sinnvolle Differenzierung

Über die TragödienUnd die Notwendigkeit eines friedvollen Lächelns

MenschentiefenGedichte

170 AspekteÜber die Moderne und ihre heilige Kuh

Im Werner Kristkeitz Verlag:

Zazen ∙ Gedichte

Thomas KlingerDieSchwäne derstillen GewaltÜber die Psychologieder Mobber

Mensaion Verlag

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragungdurch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziertoder unter Verwendung elektronischer Systemeverarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Originalausgabe – im Mensaion Verlag© 2023 by Thomas KlingerISBN-978-3-757569-74-7 (print)ISBN-978-3-757569-75-4 (E-Book)Satz: LaTeX, ebgaramond and TeX4ebook, European Computer ModernHerstellung: epubli, ein Service der neopubli GmbH, BerlinUmschlaggestaltung: © by Mensaion Verlaghttps://www.mensaion.de/Umschlagbild: © by Symmetric World Art®https://symmetric-world-art.de/Besuchen Sie uns im Internet

Keiner hat das Recht einen Menschenaus der Menschen-Gemeinschaft zu werfen.Mobbing tut genau dies.Immer tut Mobbing dies mit falschen Überzeugungen,die mit Lüge unterfüttert werden.(Thomkrates, 2019)

Wer von euch ohne Sünde ist,der werfe den ersten Stein.(Bibel, Johannes 8,7)

Und sie verschütteten die Milch,die sie nicht trinken konnten,denn sie war ihnen zu sauer,weil sie das Saure machtenund es anderen zu trinken gaben.(Thomkrates, 2015)

Nenne mich bei meinem Namen,obwohl ich das nicht will,ich bin Verbrechen, nicht Erbarmenund kaum bald wirklich still.(Thomkrates, 2016)

Wo du nicht weißt, was Leiden ist,

wirst du anderen Leid erzeugen,

denn du bedienst dich einer List,

mit der du andere willst beugen.

Wo du nicht weißt, was Liebe ist,

wirst du andere nicht lieben,

dir bleibt Sie dann vermisst

und du wirst anderen zu Dieben.

Du wirst ein Verbrechen tun,

denn du kennst nicht dein Leiden,

du lässt andere nicht ruhen

und auch dir blühen harte Zeiten.

Drum wisse, was Leiden ist,

damit du wirklich lieben wirst,

wisse auch, das(s) Du bist,

dir der Frieden sonst zerbirst.

Wo du dich dann nicht verlierst

im Leiden und in der Liebe,

dort ist es, dass du gebierst,

was Ewig uns dann allen bliebe.

Doch, wenn du wissend Leiden zeugst,

dann bist du ein Verbrecher,

du dich nicht hohem Gesetze beugst,

denn du bist nur ein Erstecher.

CoverEinleitendes Vorwort1 Das alltägliche Bild des Mobbing2 Die gestörte (Un-)Persönlichkeit3 Ein Vorschlag für das pathologische Profil4 Wenn die Schwäne Masken tragen5 Der Narzissmus der Schwäne des Mobbing6 Zynismus als Abwehr und Angriff7 Perverse Kommunikation als taktische Befriedigung8 Der Schwan als Sadist9 Das anti-demokratische Verhalten und Denken10 Der Faschist mit den Schwanenfedern11 Schein-Moral als Pseudo-Wissen über vermeintlich (ge-)rechtes Verhalten12 Heuchelei als bewusste Technik einer verkrüppelten Seele13 Die unerkannte Krankheit14 Machtmissbrauch als ausgelebte Wiederholung15 Stalking als Variation und Charakter16 Das Verbrechen17 Die Wiederholung des dunklen Mittelalters18 Über die mögliche Mitverantwortung mancher Betroffenen19 Amokläufe als Folge von Mobbing20 Unbewusste Angst und Gewaltnotwendigkeit21 Irrtümer und Möglichkeiten ihrer VermeidungNachwortAnmerkungen und VerweiseNamenregisterLiteraturImpressum

Einleitendes Vorwort

Obwohl es in unseren Welten zahlreiche Lichtblicke und Persönlichkeiten gibt, denen wir begründet vertrauen können, wenn man sucht und schaut und prüft, so entgeht einem sensiblen Menschen doch auch nicht das, was sich in diesen Welten immer wieder zeigen will und was wir fürchten: den dunklen und kompromisslosen, verschworenen und heimtückischen Raum innerhalb unserer lichten und annehmbaren Welten.

In unserem Kulturkreis leben wir heute (2023) in einer demokratischen Gemeinschaftsform, die nach der rücksichtslosen und brutalen Zeit der Diktaturen, nun auch gerade wieder von solchen Tendenzen herausgefordert und geprüft wird. Doch der gesellschaftliche Alltag weißt in seinen unbeobachteten Ecken, nicht nur damals und heute, doch schon Jahrhunderte lang, immer wieder auch das nur scheinbar unschuldige Tagesgeschehen auf, das der Friedfertigkeit und Toleranz entgegen gesetzt ist und eine Brutalität und Verwerflichkeit aufweist, die Empörung, Unverständnis, Schmerz und Verzweiflung, je nach Nähe und Faktizität dieser Tendenzen, immer wieder aufkommen lassen können.

Die Hilflosigkeit im Angesicht der damit verbundenen Gewalt für den Einzelnen, lässt zudem die Tendenz zur Resignation aufkommen, sowie des Hasses und Gegenhasses, was wir gemeinsam in diesem Buch entmutigen wollen und etwas anderes dagegen setzen werden, das von unmittelbarem Wert erscheint.

Dass es daher, trotz dieses morbiden Geschehens der Gewalt und des Hasses, dennoch Hoffnung gibt, wird in diesem Buch deutlich werden, denn die zu beobachtenden, nicht eigentlich wenigen, vorhandenen und tätigen Lichtgestalten und Persönlichkeiten der Vergangenheit und Gegenwart, werden hier nicht müde, uns über das Gegenläufige, das dem Dunklen und Morbiden widerstrebende und entgegen gesetzte, zu lehren. Die begründende Aufklärung sowohl über das Übel (durch ein sinnstiftendes Verstehen dieses Übels) als auch über die Vermittlung von Erkenntnis seines Gegensatzes (des Guten, Wahren, Schönen) wird in diesem Buch versucht werden.

Die angenehme Strahlkraft der Deutlichkeit ethischer Begründungen, soll dabei unterstützen, einen sinnvollen und frohen Tag besser finden, erkennen und spüren zu können und eine schmerzliche, starre, unglückliche Nacht, besser sehen, gehen, nehmen und bewältigen zu können. Damit sei der Ausblick genannt —

Hermann Hesse (1877 – 1962) hat in seiner Erzählung Demian, unter anderem, beschrieben, was Mobbing sein kann und was es tun kann und warum es geschehen kann. Und dass eine Person, der Demian, notwendig ist, um diesem Verbrechen Einhalt zu gebieten. Er erzählt die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend und wie er von einem etwas älteren Schüler, dem Franz Kromer, erpresst und schikaniert wird, weil dieser auf ein Geheimnis von Emil gestoßen war. Emil Sinclair hatte sich in einer Sturm-und-Drang-Reaktion unachtsam und töricht verhalten und der Franz Kromer sah nun eine Möglichkeit über ihn Macht zu erlangen. Hermann Hesse beschreibt die Unnachgiebigkeit des Franz Kromers und dessen Sadismus und zeigt gleichsam die Seelenqual des Emil Sinclair, der aus dem dadurch für ihn entstandenen persönlichen und moralischen Dilemma nicht allein herauskommen kann. Die Lüge und das Geheimnis spielen dabei für Hesse die ursächliche Basis, die durch Verbot und Widerspruch, sowie der moralischen Forderung die Wahrheit zu sagen und aufrichtig zu sein, zu diesem Dilemma und der Möglichkeit zur Erpressung durch den Franz Kromer führen. Hermann Hesse stellt allerdings klar, was er von dieser Erpressung und diesem Mobbing des Franz Kromer hält, indem er die etwas ältere Jugendfigur des Demian sagen lässt:

„Ich möchte dir nur eins nochmal sagen, weil wir schon soweit sind – du solltest diesen Kerl loswerden! Wenn es gar nicht anders geht, dann schlage ihn tot! Es würde mir imponieren und gefallen, wenn du es tätest. Ich würde dir auch helfen.“1

Im weiteren Verlauf der Erzählung, wird klar, dass Demian mit dem Franz Kromer gesprochen und sich ihn vorgeknöpft haben muss, er hat ihm anscheinend deutlich Grenzen gesetzt und muss ihn derart beeinflusst haben, dass dieser vom Terror gegen Emil Sinclair abließ.

Natürlich ist es eine nur vage Schlussfolgerung, zu glauben, es würde ein Gespräch genügen, um einen Mobber von seinem Tun abzubringen. Aber ich denke, hier lässt die Erzählung Hesses auch eine übertragene Interpretation zu: Die Geschichte selbst – wird die Täter zum kleinlauten und gefügigen Protagonisten einer Vergangenheit machen, die ihm seinen ebenbürtigen Platz geben wird, nämlich den des verbrecherischen Täters, der nichts mehr zu melden und der Zukunft nichts mehr zu sagen hat, es sei denn als ein Beispiel herzuhalten, wie ein Leben nicht gelebt werden sollte und was nicht tolerabel ist, und zwar aus dem Blickwinkel der kumulierten Geschichte. Und das heißt: aus dem Blickwinkel von Generationen von Menschen, die sich vernünftig und im stillschweigenden und verbalen Übereinkommen dessen, was für gut und gangbar gefunden wird, darüber verständigt haben, was ein gutes und annehmbares Leben ist und was ein solches Leben nicht ist.

Wir können auch schon mit Epikur (341 – 270 v.u.Z.) gehen, wenn es darum geht die geheimen Taten des Mobbing aufzudecken und dabei den Tätern des Mobbing gleichsam eine Warnung mitgeben. Er schreibt:

„Wer heimlich gegen die [unausgesprochene] Abmachung verstößt, einander keinen Schaden zuzufügen und voneinander nicht geschädigt zu werden, der darf nicht darauf rechnen, dass er der Strafe entgeht, selbst wenn er für den Augenblick tausendmal unentdeckt bleibt. Denn es ist durchaus ungewiss, ob seine Tat [oder seine und ihre Taten] bis zu seinem [oder ihrem] Tode [und danach] im verborgenen bleibt [oder bleiben].“2 [Ergänzungen von mir]

Die Täter sehen sich freilich in einer Gewissheit, dass sie als Sieger davon gehen werden, auch wenn sie angeklagt werden sollten, denn sie wissen, um ihr Versteckspiel und die Schwierigkeit objektive Beweise, für ihre Absicht Schaden anzurichten, beizubringen. Denn, so wie sie sich in ihren Angriffen verschleiert halten, werden sie bei Gefahr ihrer Entdeckung die Verschleierung ihrer Absicht zu Schaden weiter ausleben und sich dadurch der gerechtfertigten Beschuldigung zu entziehen suchen. Sie versuchen dabei obendrein die Anrüchigkeit der Beschuldigung zu erzeugen, um den berechtigten Ankläger so mit seinen eigenen Waffen und Taten zu schlagen, sodass Recht nicht Recht erlangt und das Unrecht, das sie begangen haben, nicht glaubwürdig erscheint und damit der Betroffene, den sie faktisch schikaniert und terrorisiert haben, selbst nicht glaubwürdig wird und damit schuldig und ungerecht, anrüchig und gemein erscheint. Was die gehässige Strategie des morbiden Mobbings ist, wie wir noch sehen werden.

Aber – die Geschichte selbst hat hier immer die Möglichkeit, durch ihre aufrichtigen und gesunden Persönlichkeiten, klar zu stellen und nachzuweisen, darzulegen und mit Abstand und Neutralität zu bewerten. Eine Gesellschaft und Welt, die sich anschickt die Würde des Menschen zu verwirklichen, die Menschenrechte allen Menschen zur Verfügung zu stellen und den Frieden und die gesunden Freiheiten allen Menschen zu ermöglichen, kann diesen Traum des menschlichen Lebens und Wirkens auf dieser Erde verwirklichen.

Ich möchte dies den Demian-Effekt nennen. Demian ist damit gleichsam das Bild der reifen und ethisch wertvollen Geschichte der Menschheit und jeder langen Tradition, die sich selbst im Laufe von Jahrhunderten im Denken und Handeln veredeln wird und weiter von Untaten und Bösem trennen wird, Gut und Böse in ihrem Verlauf aussortieren wird und damit dem Hellen, der Barmherzigkeit und dem echten Verzeihen den Vorzug vor dem Dunklen und Niederträchtigen geben wird, um leben und überleben zu können. Denn die Logik des Überlebens kann nur mit dem Guten und dem Frieden vollendet werden, denn wer den Abwärtsbewegungen des Bösen gehorcht, wird am Niedergang der Menschheit arbeiten. Nur ein friedlicher Ansatz, eine friedliche Intention und eine friedliebende Einstellung, die sich Sinne ergründet, den Dialog übt und die Dinge hinterfragt, wird Lebenswelten schaffen können, in denen die Einzelnen, die Gruppen, die Mehrheiten und Minderheiten aus der Vielfalt des Menschlichen je ihren eigenen Platz finden werden und sich in kooperativem und konstruktivem Austausch mit dem Ganzen und seinen Teilen in Verbindung und Berührung bringen können.

Das Böse, das zerstören will und nicht das Ganze des Lebendigen und Erblühenden im Blick hat, wird nicht den Verheißungen der tiefen Religionen, Philosophien und Psychologie entsprechend streben und nicht dem erblühenden Ganzen dienen. Es steht damit nicht – in der Rührung mit dem natürlichen Blühen und Verdorren des Lebendigen und will das Lebendige, vor seiner reifen Zeit, vom Baum des Lebens knicken, brechen, schneiden, abreißen. Es dient nicht dem Leben, sondern der Absonderung davon, dem absichtsvoll hervorrufenden Tod. Dass Mobbing böse ist und warum, dies wird in diesem Buch deutlich werden.

Der frühere Mobbingbetroffene und Psychotherapeut Holger Wyrwa schreibt hierzu:

„Vielmehr spricht einiges dafür, diejenigen böse zu nennen, die mit latenter Unterstützung gesellschaftlicher Strukturen ihrem Unwesen nachgehen. Deren Zerstörungsdrang vor keinem Menschen Halt macht, gekoppelt mit einem gnadenlosen Willen zur Macht, dem skrupellosen Einsatz der Lüge, einem mehr oder weniger vollständigen Mangel an Empathie und der grundlegenden Unfähigkeit, die eigenen Taten aus einer sozialen Perspektive zu reflektieren. Dieses Quintett des Bösen kennzeichnet den Mobber und jeden auf ähnliche Weise Denkenden und Handelnden.“3

Die gesellschaftlichen Strukturen sind auch als Folge der Sensibilität bzw. Unsensibilität der Individuen der Gesellschaft im Gesamten zu finden, Gewalt als solche zu erkennen und zu spüren, nicht zu erkennen oder nicht zu spüren, verwirrt zu sein und unschlüssig darüber, was zu tun ist, wenn solches einem Menschen begegnet. Die Sensibilitäten entscheiden somit auch darüber, wann die offenen und subtilen Gewaltakte im Alltag ein Maß der Impertinenz erreichen, die nicht mehr akzeptiert und toleriert werden kann und wann der Einzelne dagegen protestiert, sich einmischt, Stellung bezieht und sich engagiert, dass sein Umfeld menschlich bleibt oder wieder wird. Diese gesellschaftlichen Strukturen sind Folge psychologischer Strukturen der Reife bzw. Unreife der Persönlichkeit und abhängig von der Güte oder Dunkelheit der Erziehung, die erhalten wurde, sowie vom angeborenen und gewordenen Charakter und Wesen eines Menschen. Sie hängen davon ab, wie sicher sich Menschen bewegen und fühlen können und inwieweit Abhängigkeiten sie in korrumpierende Situationen drängen können und inwieweit die Betroffenen und das Umfeld der Gewalt und subtilen Gewalt entlarvend entgegen stehen können.

Wer sich selbst spüren kann und konnte, durch ein gesundes Körpergefühl und eine gesunde Beziehung zum eigenen Körper, der wird auch den Schmerz der subtilen Gewalt des Alltages klarer verspüren und orten können und sensibler sein darauf aufmerksam zu machen und sich einmischen können und wollen, als Menschen, die ihren Körper vernachlässigen oder sich durch einen hartherzigen Geist von ihm trennten und sich so allmählich, über Jahre, unempfindlich machten.

Ich hätte eigentlich kein Buch über Mobbing geschrieben, wenn ich nicht selbst davon betroffen gewesen wäre. Doch in der Bewältigung und Beschäftigung mit diesem Thema, wurde mir klar, dass ich zu dieser Widerwärtigkeit in unserer wohl-verwöhnten Moderne, etwas sagen muss, eben weil ich erkannte, dass es kein reines Zeitphänomen der Moderne ist, sondern schon lange in der Menschenwelt schwelt. Ich wollte aus meiner Sicht klarstellen und hindeuten, um was es sich dabei handelt und habe daher den Blick auf die Täter des Mobbing fokussiert, um sie ausführlich zu beleuchten und ihre Schatten zu lichten. Zudem konsultierte ich gegenwärtig verfügbare Bücher über Mobbing und musste feststellen, dass es gute Bücher zu diesem Thema bereits gibt, die mir aber dennoch immer etwas offen ließen, einen gewissen Klartext in der Stellung zur Motivation des Mobbers und zu seiner Psychologie. Es schien mir zu viel Aufmerksamkeit darauf gelegt, was bei den Opfern geschieht und wie es ihnen geschieht, also, was die Täter tun, um sie zu terrorisieren. Es kam mir das, was ich in diesem Buch zu sagen versuche, zu kurz, weshalb ich beschloss selbst einige Worte darüber zu verlieren. Und ich begegnete auch Büchern, die ich als Lehrer in der Schule mit der Note 5 bewerten würde, da nicht wirklich etwas Substanzielles darin gesagt wurde. Ich war auch nicht sonderlich erstaunt, als mir ein Buch in die Hände fiel, in dem mehrfach Täterpsychologie und Tätersprache klar erkennbar waren. Für mich, der sich seit zwanzig Jahren in selbst-reflektierender Sprache, über tausend Bücher lesend, Tagebuch schreibend, mit dem Menschsein und seinem Glanz, aber auch seinen Schattenseiten beschäftigt, war dann doch recht schnell klar, hier meinen persönlichen Beitrag zu diesem Thema zu gestalten und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Besonders wollte ich einen Beitrag schreiben, der es Mobbing-Betroffenen ermöglicht, sich verbalen Beistand zu holen und der ihnen Rückendeckung bietet, sodass die ohnehin schon vorhandenen Gegenwinde für das Mobbing-Opfer eine Gegenkraft erfahren, die es dem Betroffenen ermöglicht, gedanklich und emotional besser damit umzugehen und die Tortour des Mobbing besser zu bewältigen. Betroffene sollten Gelegenheit haben, die Täter zu beleuchten und deren Armseligkeit im Lichte der humanistischen Philosophie und Psychologie zu sehen. Eine solche Kontrastierung ermöglicht, fundiert zu sagen, dass Mobbing falsch ist, weil es, unter anderem, keine Gewalt in verteidigender Weise darstellt, sondern einen einseitigen und offensiven Krieg. Der Text begründet dies rational aus der Tradition der humanistischen Psychologie und Philosophie und den tiefen Essenzen der Weltreligionen.

Damit ist die weltanschauliche Rückendeckung für die Betroffenen genannt und damit das Rüstzeug, um klar, sachlich, vernünftig und weise der Gewalt und subtilen Gewalt zu begegnen. Vernünftige Argumente werden die Gewalttätigen nicht direkt überzeugen können davon abzulassen, aber das Grundsätzliche, die Vernunft, kann erreichen, dass sich Allianzen bilden, die breitenwirksame Sensibilitäten verwirklichen, allmählich, und das muss nicht unbedingt in konkreter Form von Gemeinschaftsbildungen geschehen, obwohl es dies auch gibt. Es genügt auch einfach vernünftige Beschäftigung und Aufklärung zu betreiben, sich nicht einfach nur zu informieren, doch in wirklich lebendigem Interesse für das Thema der Gewalt und des Friedens, der Verwirklichung und Selbstentwicklung, der seelischen Gesundung und des psychologischen Verständnisses willen, sich einzulassen und empathisch damit auseinanderzusetzen. Damit wäre und bliebe die Macht nicht einfach allein beim Volk und der breiten Masse, sondern beim sensibilisierten Volk und der aufgeklärten Masse, also bei der erwachsenen und weiter erwachsenden Gesellschaft und öffentlichen Meinung, der reifen Überzeugung. So wäre Macht in den richtigen Händen und die Wahrscheinlichkeit, dass sie missbraucht wird, wäre geringer, da die Wahrscheinlichkeit für ein Verstehen und Durchdringen der Geschehen in der Gesellschaft des Alltages höher wäre. Dies ist nicht einfach Zweckoptimismus, sondern resultiert aus der Erfahrung.

Dieses Buch spricht über die Mobber, über ihren Charakter und ihre Denkweise, über ihre Motive und ihre Verheimlichungen, über ihre Taktiken und ihre Hinterlist, über ihre Angst und ihre Lügen, und über ihr verbrecherisches Unterfangen. Das Buch beleuchtet dabei auch die Gründe, warum der Mobber sein Opfer quält und es in den Suizid zu treiben versucht, es beschreibt einen Versuch, den Mobber aus seiner eigenen Geschichte heraus zu verstehen; es beschreibt zusätzlich aus einem inneren Wissen über diese Leute, um was es sich bei einem Mobber handelt, psychologisch, rational und mit Anleihen und Vergleichen aus der verfügbaren philosophischen und psychologischen Literatur. Es beschreibt den Mobber aus der Sicht eines Betroffenen, der gespürt hat, was der Mobber denkt und warum, der erfahren hat, was der Mobber tut und warum, der dessen Niedertracht im eigenen Munde schmecken konnte und genau weiß, um was es sich dabei handelt: um einen Verbrechertypen. Der Mobber entspricht einem Typus von Verbrecher, dessen psychologischer Querschnitt in diesem Buch beleuchtet werden wird. Das Buch beschreibt also den Menschen Mobber, den Typus des Franz Kromer, aus einer Sicht der Beschreibung seiner Taten und Absichten und zeigt seine Widersprüchlichkeiten auf. Es ist ein Hilfsmittel für alle, die mehr aus erster Hand eines Betroffenen über die Täter des Mobbing erfahren wollen, ein Hilfsmittel das unterstützend wirken kann bei der Arbeit mit potenziellen Tätern, um die wirklichen Mobber zu überführen und den Mobbingfall eventuell den Gerichten zu übergeben. Hierbei kann der Prozess der Überführung und Entlarvung dazu dienen, genug Material zu sammeln, um vor Gericht verwertbar zu sein. Die Experten für Mobbing müssen daher gut ausgebildet, geschult und erfahren sein, selbstbewusst im Leben stehen, die sich kein X für ein U vormachen lassen, doch die schon zu Weisheit fähig sein müssen, jenes klare, freie und ruhige Schauen dessen, was Wahrheit ist und was nicht und inwiefern.

Wir brauchen in Fragen der Bewältigung von Gewalt, Menschen, die erfahren darin sind, ihre eigene Geschichte der erlittenen Demütigungen, besonders aus den Kindertagen, bewältigt zu haben oder die daran arbeiten, sie stetig emotional und geistig durchzugehen und die bereit sind, ihre Erfahrungen in den Dienst an der Gemeinschaft zu stellen und hier eine fundierte, empathische, aber so sachlich, wie möglich gelingende Erste-Hand-Aufklärung zu betreiben.

Der Wahrheit auf den Grund zu gehen, heißt, auch der Vielfalt der Gründe für Gewalt und deren Entstehungszusammenhänge auf den Grund zu gehen. Pablo Picasso (1881 – 1973) hat hier einen schönen Satz ins Leben gebracht. Er sagte:

„Gäbe es nur eine Wahrheit, könnte man nicht hundert Bilder zum gleichen Thema malen.“4

Gerade die vielfältigen Perspektiven und Erfahrungen in der Bewältigung von Gewalt und Leid, können uns von der zu beobachtenden Reaktion darauf, die ebenso gewalttätig ist, weil sie aus der Empörung sich einen Krieg auf die eigenen Fahnen schreibt, etwas befreien und uns Raum und Zeit spenden, in denen wir uns besinnen können und uns finden können. Gerade die Vorstellung der einen Wahrheit ist es gerade, die alle Gewalt ins Leben ruft, denn wenn eine Wahrheit im Bewusstseins eines Menschen die einzige ist und keine weiteren Perspektiven sichtbar sind für ihn, wird bei Hinterfragung und Infragestellung, bei Kritik und gar Widerlegung, bei Verlust derselben oder bei Erläuterung alternativer und ebenso plausibler Denkwahrheiten, die Angst bei ihm umgehen und der entsprechende Mensch mit Gewalt diese seine eine Wahrheit im Leben zu halten versuchen, er wird sie zuweilen verbissen verteidigen und hartnäckig dafür kämpfen. Es werden Menschen sich den Kampf erwählen, um dieser einen Wahrheit willen. Wir sehen dies ebenso in gesellschaftlichen, politischen und religiösen Zusammenhängen. Und die Täter des Mobbing, wie wir sehen werden, gehören in die Mentalität dieser Kategorie von engem, einseitigen Denken. Wo wir aber eine Vielfalt an Perspektiven in die Welt bringen, die lebendig und erfahren, bewältigend und besinnend, mitgeteilt werden, können wir Verstehen und Verständnis finden und damit Vertrauen schaffen, was natürlich die Gewalt entmutigt. Denn Vertrauen ist ein Feind der Gewalt, da die Gewalt von Misstrauen zersetzt und befüllt ist.

Die Psychologie ist in ihrer heutigen Verbreitung, Differenzierung und Spezialisierung, eine junge Disziplin, die uns Erkenntnisse und Methoden bietet, hier erhellend wirken zu können und Zusammenhänge und Hintergründe zu beleuchten, die ansonsten unter der Oberfläche bleiben würden, unbeachtet der schwelenden Gewaltbereitschaft der Täter des Mobbing und deren uneingestandenem und unverarbeitetem Selbsthass und Hass auf die Welt, das Leben und andere.

Andererseits gab es zu Zeiten der griechisch-römischen Philosophie bereits psychologische Erkenntnisse, durch Schriften und Theaterspiele zum Ausdruck gebracht, die, wenn nicht das Christentum5 den römischen Staat abgelöst hätte, wahrscheinlich die europäische Menschheit rascher gefunden hätten. So schreibt Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v.u.Z.) bereits zu einer Zeit wenige Jahrzehnte vor Jesus von Nazareth:

„Und doch, wie kann es begreiflich oder denkbar sein, dass es ein Lebewesen gebe, das sich selbst hasste? Widersprechende Dinge träfen da zusammen. Denn wenn jener Trieb der Seele etwas absichtlich an sich heranzuziehen anfinge, das ihm schadete [oder schaden könnte, weil er anderen schadet], weil er feindlich gegen sich selbst wäre [und gegen andere], so würde er, da er das doch um seinetwillen tut [weil er sich selbst morbide glaubt befriedigen zu müssen], sich ja zugleich hassen und lieben, was doch unmöglich ist. Denn wenn einer sich selbst feind ist [oder andere sich zum Feind erklärt], so muss er das, was ein Gut ist, für ein Übel halten, und dagegen für gut, was übel ist, und was zu begehren ist, muss er fliehen, und was zu fliehen ist, begehren; und unzweifelhaft wäre das eine Zerstörung des Lebens.“6 [Ergänzungen von mir]

Hier sehen wir bereits logische Zusammenhänge, die bei der Psychologie der Persönlichkeiten der Täter des Mobbing eine Rolle spielen. Und wir werden es ausführlich darlegen und die menschlich-tragische Problematik auf Seiten der Täter des Mobbing beleuchten, um damit den Betroffenen klar zu machen, dass sie sich hier im Grunde nicht wirklich in dem Maße verantwortlich7 fühlen müssen, wie dies durch die Vehemenz und Wucht der Angriffe der Täter des Mobbing schmerzlich suggeriert wird.

Das Buch ist damit auch eine Stellungnahme eines Betroffenen, für die Belange und Notwendigkeiten anderer Betroffener, denn diese sind meist allein gelassen oder stoßen auf uninformierte und nicht sensibilisierte Angehörige und Dritte, die hier die Bedrohung nicht erkennen und daher für den Betroffenen nicht rechtzeitig lindernd und schützend einschreiten können. Die Betroffenen bedürfen daher um so mehr klarer und deutlicher Positionierungen ihrer näheren Umgebung für das, was im Mobbing geschieht und was die Mobber eigentlich tun – und ein Betroffener braucht Beistand, gerade in der aufkommenden Frage, ob er selbst noch richtig ist oder wer hier eigentlich etwas Falsches tut. Denn die Gewalt jeder Art erzeugt im von Gewalt Betroffenen eine Schuld, diese ist nicht schon vorhanden, sondern wird erst durch den Akt der Gewalt, ob offen und direkt oder geheim und indirekt, ob körperlich oder psychisch-verbal, induziert und eingegeben. Der Selbstzweifel, der dadurch entsteht, destabilisiert die innere Haltung zu sich selbst und soll den Menschen zum Kollabieren bringen. Dem Selbstzweifel ist nicht nachzugeben, höchstens in einer starken, selbst-reflektierenden Weise, die sich von der Schuld befreit und erkennt, wo sie zu finden ist, bei den Emittenten der Gewalt und nirgends sonst. Das Umfeld muss Solidarität und Zugewandtheit, Empathie und Positionierung deutlich machen, sodass die eigentlichen Täter bereits von Anfang an keine Chance haben, Schuld weiterzugeben. Es muss klar sein, was richtig ist und was nicht. Es muss klar sein, dass Frieden, Verständnis, Vertrauen und Aufrichtigkeit wichtig und richtig sind, und dass Gewalt, Hinterlist, Verschlagenheit und Angriffe falsch sind, besonders, wenn sie absichtlich ausgeübt und nicht einer etwaigen, legitimen Verteidigung dienen.

Das Buch spricht deutlich aus, dass Mobbing falsch ist, und von dem oder denjenigen, von denen es ausgeht, ist nicht mehr zu erwarten, als von einem Verbrecher, der sich nicht an die Gesetze hält und dem es gleichgültig ist, wie viel Schaden er bei anderen anrichtet. Dies ist besonders zu beachten bei den Fällen, wo Mobbing zu einem Amoklauf des Opfers führt, denn die eigentlichen Täter, die hier Vorarbeit geleistet haben, sind hier gleichgültig den weiteren Opfern, die das durch Mobbing gemachte Opfer dabei mit in den Tod nimmt –, wichtig für die eigentlichen Täter ist, dass ihr eigenes Opfer zu Tode kommt.

Das Buch ist daher auch ein persönlicher Beitrag zu diesem Themenkomplex, das aber gerade daher dem Thema Mobbing eine authentische Note verleiht, weil es aus einer inneren Erfahrungswelt heraus geschrieben ist und damit aus erster Hand berichtet, was im Mobbing geschieht und geschehen kann. Es ist bei weitem nicht „subjektiv“ gefärbt, in der Weise, wie es gerne von dogmatischen Objektivisten abgewertet wird, die gerne aller inneren Erfahrung die Wirklichkeit zu nehmen und abzusprechen versuchen und dabei nicht erkennen, wie sie selbst, mit ihrer eigenen, von Vorurteilen belasteten Subjektivität, sich selbst die angeblich unvoreingenommene Objektivität nehmen und beschneiden.

Das Buch ist also darüber hinaus eine authentische Beschreibung der erfahrenen, inneren Welten der Täter des Mobbing, die in Kontakt mit dem Verletzt-Werden und Berührt-Werden mit einem Opfer gar nicht anders können, als sich kundzutun und zu verraten. Wer andere verletzt, verrät sich selbst mit seiner Motivation dem Opfer gegenüber, und das Opfer, das verletzt wird, spürt und sieht, was und warum es geschieht; im Opfer wird Gerechtigkeit ersichtlich und das Bedürfnis für Gerechtigkeit spürbar und daher auch die Ungerechtigkeit, in ihren vorhandenen, dunklen Aspekten, sichtbar und spürbar.

Wer hier zweifelt, hatte vielleicht noch nicht Erfahrungen von absurder Gewalt in seinem Leben, von Gewalt, die ohne Vorankündigung, unbegründet, wiederholt, voreingenommen, unnachgiebig und kompromisslos auf ihn eingewirkt hat. Und die sich durch Lügen und Verleumdungen sucht ungerechte Vorteile und Einfluss zu sichern. Das Buch spricht nicht nur aus, was der Autor erfahren hat, sondern kontrastiert das Geschehen an der humanistischen Philosophie und Psychologie, und es bleibt dem Interessierten und Betroffenen überlassen, hier für sich selbst zu verifizieren und zu falsifizieren und die eigene Erfahrung damit zu prüfen, die dargelegte Erfahrung zu ergänzen, zu korrigieren oder manches davon zu verwerfen oder aber: unangetastet stehen zu lassen. Denn gerade für letzteres gilt das berühmte (seinen Tractatus abschließende) Wort des Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889 – 1951):

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen.“8

Denn im anderen Falle, wird sich Geschwätz und damit weitere Ungerechtigkeit ergeben können. Dennoch sollte beachtet werden, dass, wovon man nicht sprechen kann, nicht unbedingt das Wittgensteinsche Schweigegebot die erste Wahl sein muss, sondern vielmehr auch die Anschauung, die Besinnung, die Befragung, das Hindeuten, das Nachspüren, das Einfühlen, das Offenhalten und die Demut vor dem Unsagbaren oder vor dem, wovon (noch) nicht gesprochen werden kann, vor dem (noch) Ungesagten (um das Neue eintreten zu lassen und offen zu sein für das Lebendige und Neue). – (Doch die Logik, dass von dem, von dem absolut nicht gesprochen werden kann, weil es absolut dem menschlichen Bewusstsein nicht zugänglich ist und sich niemals ihm zeigen wird, von dem wird geschwiegen werden müssen, weil es dort ist, wo das menschliche Bewusstsein, dann zu diesem Zeitpunkt, nicht hingelangen und von ihm kein Signal und Nachricht empfangen kann.9 Das wäre dann aber eine Offensichtlichkeit. Ein Beispiel wäre die ausgestaltete Zukunft der Menschheit: Sie ist offen und von ihr kann nur spekulativ und fiktional gesprochen werden, hypothetisch, munkelnd.)

Doch, was ich, mit Ludwig Wittgenstein, hier sagen möchte, ist: Was ein Mensch nicht selbst (so oder ähnlich) erfahren hat, kann er nur schwer verifizieren, falsifizieren und, ja, glauben und nachvollziehen, zustimmen oder ablehnen, kritisieren oder ergänzen. Aber das Nicht-Erfahrene einfach in Abrede zu stellen, wäre unlauter und daher in einer aufrichtigen Auseinandersetzung und Anteilnahme (im Wittgensteinschen Sinne des Schweigegebotes) nicht zulässig und zu unterlassen, es wäre über die Erfahrung eines anderen zu schweigen, einer Aburteilung, einer Abwertung sich entziehend. Der Unglaube, gegenüber den Akten der subtilen Gewalt, wie im Mobbing, die nicht nachvollzogen werden könnten, weil die persönliche Erfahrung oder das Vermögen nicht vorhanden ist, die Erfahrung eines anderen nachzuvollziehen oder sich einzufühlen, muss sich im Schweigen üben – oder: im Befragen und im Besinnen, im Einfühlen und im Nachvollziehen üben.

Es gibt keinen einzigen Grund, der es als gerechtfertigt erscheinen lassen würde, einen anderen Menschen zu mobben, sprich: ihn wiederholt und nachdrücklich, ihn langatmig und nachtragend – offen oder versteckt zu tyrannisieren, direkt oder indirekt zu verletzen, augenfällig oder beiläufig zu demütigen, begründet oder unbegründet zu beschuldigen, jammernd oder rational zu beklagen, allein oder vor anderen zu erniedrigen, ignorierend oder abfällig zu schmähen, sein Wesen und seinen Charakter mit Hohn zu belegen und ihn persönlich, körperlich zu verletzen und geistig und psychisch krank zu machen – wiederholt und nachdrücklich, langatmig und nachtragend, immer wieder und immer wieder, über Wochen, Monate und sogar Jahre. Dafür gibt es keinen Grund, der mit höherer Moral verbunden wäre. Freilich, nur die niedere Moral der Täter des Mobbing, lässt dies hier als zulässig und gangbar erscheinen.

Denn wenn es einen Grund gäbe, dies alles tun zu dürfen, dann wären die Gründe derart vielfältig und gleichzeitig willkürlich zu nennen, dass jede Art Moral, die ein gutes Gemeinschaftsleben erstrebt, von vornherein mit der Erlaubnis definiert sein würde, untergraben werden zu können. Und jeder Krieg wäre jedem Menschen aus jedem Grunde erlaubt. Dies entspricht nicht den Gesetzen einer höheren Moral, die jede Hochkultur sich im Laufe der Jahrtausende erworben hat. Und genau aus diesem Grunde ist Mobbing, in unserer heutigen Zeit, ein Verbrechen und sind die Mobber Verbrechertypen, weil sie gegen die höhere, echte Moral einer seit Jahrtausenden gewachsenen und aus sich selbst heraus lernenden und aus seinen Bedingtheiten sich selbst lehrenden echten tiefen Hochkultur verstoßen.

Seien es das anonyme Anprangern im Internet oder das verdeckte Gerede in der Firma, seien es die kleinlich-perfiden Machtspiele von menschlich überforderten Machtmenschen oder das mit Vorurteilen beladene Gerede der Nachbarn über den Nachbar, sei es das absichtlich getarnte Verletzen und Verspotten eines anderen, mit dem Ziel ihn zu lähmen, zu erniedrigen, krank zu machen und in Verzweiflung zu stürzen. Mobbing ist ein Verbrechen, das seine Gründe hat, aber dem kein Grund zusteht ausgeführt zu werden. Und Mobber sind Verbrechertypen, die planvoll und strategisch Verletzung und Erniedrigung an einem anderen verüben und die Absicht haben zu vernichten.

Es ist die noch niedere Persönlichkeit und der noch unreife Charakter,10 der sich in charakterlich wild gewordenen Horden zusammenschließt und einzelne und vermeintlich dadurch Schwächere, aufgrund erfundener und narzisstisch zurecht interpretierter Gründe,11 an den Pranger stellt und immer das Ziel verfolgt der Ausmerzung aus dem sozialen Gefüge, in dem der Einzelne sich mit den Horden noch befindet. Und es ist meist nicht nur der Versuch der Ausgrenzung und der Isolierung, sondern der Versuch der Vernichtung des vermeintlich Schwächeren mit Mobbing verbunden, was Mobbing heute – und schon immer und für immer – zu einem Verbrechen des niederen Mob und Pöbel an einem anderen Menschen macht. Daher auch gerade ist Mobbing in unserer heutigen Zeit ein Verbrechen, dem besondere Aufmerksamkeit gebührt, weil es das moderne Mittel ist, den inneren Frieden der Gesellschaft zu gefährden, und es ist ein perfides Mittel, einzelne, unliebsame Menschen straflos zu neutralisieren und unschädlich zu machen, es ist das Mittel und der Versuch eine Macht durchzusetzen, die nicht das Leben schützt und fördert, doch die das Leben anderer zu vernichten beabsichtigt – und das inmitten einer Gesellschaft, die sich dem demokratischen Prinzip der Würde des Menschen verschrieben hat. Daher ist Mobbing eine Gefahr für die freie und natürlich-gutartige Entfaltung von Demokratie und jedes gutartigen, demokratisch friedlichen Zusammenlebens.12

Mobbing ist daher kein Kavaliersdelikt, das den Mobbenden zu verzeihen sein sollte, ohne streng belehrend oder gar strafend sein zu wollen oder das gar Verständnis oder Rechtfertigung finden sollte. Die meisten Erklärungen, die dazu herangezogen würden, die Täter nicht als Täter sondern selbst als Opfer zu sehen, gehen fehl darin, die wahren Ursachen für Mobbing auf den Tisch zu legen, weil sie vorschnell sich auf die Seite der Täter stellen, die in ihrer kalten Rhetorik und Unschuldsmiene sie zu täuschen verstehen. Die Täter sind verantwortlich für das, was sie tun, und wenn ein Opfer sich für den Amoklauf entscheidet und dahin getrieben wurde, dann sind die Täter hier mitverantwortlich und zur Rechenschaft zu ziehen.13 Denn die wahren Ursachen von Mobbing liegen in den Tätern begründet und nur dort. Wer sich hier zu einer Verwischung und Vermischung der Wechselbeziehungen von Tätern und Opfern im Vorfeld der ersten Mobbinghandlungen hinreisen ließe und nicht klar zu differenzieren im Stande wäre, hätte die psychologische Dynamik der Täter und ihrer Gewalt und ihre hinterhältige Heuchelei noch nicht verstanden und geschaut,14 er verwechselte schlicht Ursache und Wirkung der Dynamik des Geschehens. Denn es gibt die bösen Menschen, die bereit sind andere Menschen rücksichtslos zu verletzen und sich dennoch als die Guten zu präsentieren. Wir werden in diesem Buch nach und nach besser verstehen, was sie dazu treibt und wie es dazu kommen kann, bei aller Unwägbarkeit und Ungenauigkeit der Sprache und der Realität. Es gibt die Menschen, die absichtsvoll Gewalt ausüben, unbegründet, absurd, abstrus, und wer Mobbing am eigenen Leib und Leben erfahren hat, weiß auch, wer sie sind, er kennt die Namen, er weiß, wie sie denken, warum sie so ärmlich fühlen und wozu sie sich dem Mobbing verschreiben.

Natürlich gibt es ein Wechselspiel der innerpsychischen Verwicklung zwischen Täter und Opfer, das die innerpsychische Dynamik zeigt, und die Psychologie, wie wir sehen werden, kann hier wertvolle und erhellende Erkenntnisse dazu beitragen. Aber die treibende Kraft hinter dieser gewalttätigen Kontinuität des Mobbing, geht anfänglich immer von den Tätern aus, denn das Opfer ist meist ahnungslos über das, was sich über ihm zusammenbraut. Das Opfer ist wie ein Schmetterling, den die Täter fangen wollen, um ihn genüsslich, auf das seidene Tablett, an der Wand ihrer Trophäen, aufspießen zu können.

Mobbing ist ein Verbrechen und Mobber sind Verbrechertypen, und die Gesellschaft der Menschen guten Willens und feinen Charakters muss aufgeklärt werden über diese faschistoid zu nennende Unart, die nicht erst heute aus der Mitte der Gesellschaft erwächst. Der Boden jedes Faschismus nährt sich aus einem Charakter, der auch für das Mobbing in unserer Moderne verantwortlich ist.15 Mobbing ist ein Ausdruck des modernen Bildes von Faschismus, der in einer relativ stabilen Demokratie, wie der in Deutschland, wohl keine staatliche Legitimation erfährt oder seinen Ausdruck in den Regierenden der Gesellschaft findet.

Doch der psychologische Charakter des Faschismus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland und Italien, findet sich nun in einer mittleren Schicht der Gesellschaft, die es geschafft hat mit modernen Mitteln zu Einfluss zu gelangen, nun nicht auf staatlicher Ebene, doch auf der privaten und beruflichen Ebene der Betätigung und auf der Ebene der modernen Technologien.

Es scheint fast, als wäre die Büchse des Faschismus, der eigentlich 1945 in Europa sein staatliches Ende gefunden haben sollte, wieder auf der privaten und beruflichen Ebene aufgemacht worden und der Geist des Bösen, der stets verneint, sei erneut in die Welt hinein ausgetreten. Es mag den einen vielleicht noch verwundern, dass hier der Faschismus und sein psychologisch-nekrotischer Charakter (wie ihn der Psychologe Erich Fromm (1900 – 1980) als Gegenstück zum biophilen Charakter, der Liebe zum Leben, vorgestellt hat) herangezogen wird, um zu erklären, was Mobbing ist und wie es psychologisch zu Mobbing kommt, welche Mechanismen darin wirken und welche Wahrheiten damit verbunden sind. Doch ist es augenfällig, dass solches Wundern wohl noch in einer der Täterpsychologie unwissenden Gesinnung stattfindet und dadurch für Täter-Heuchelei und Beschwichtigung zugänglichen Verdrehung der Tatsachen und Wirklichkeiten empfänglichen, schwächlichen und durch Täter-Denken weichgekochten Voreingenommenheit begründet liegt.

Dieses Buch dient hierbei nun der Aufklärung und Information für alle, die sich für den Menschen, sein Streben und Irren und besonders seine Abgründe und Widersprüchlichkeiten, seine Krankheiten und fehlgeleiteten Entwicklungen interessiert, für alle Menschen, die sich dem Menschsein in seiner Fehlbarkeit nicht einfach in klagender und verurteilender Weise widmen wollen, sondern die sich dem echten Wissen verpflichtet fühlen, das rational begründet und beschreibt, was sich irrational und auch pseudo-rational äußert.

Ich versuche dabei Hinweise zu geben, wie ein Betroffener sich dabei helfen kann, bei sich zu bleiben oder wieder zu sich zu kommen, und ich möchte Möglichkeiten für uns Menschen besprechen, in Richtung einer besseren Welt und eines erfüllteren Lebens. Denn gerade diese Möglichkeiten haben Menschen, die sich für das Mobbing entscheiden und andere demütigen, noch nicht begriffen, sie haben die Möglichkeit noch nicht erfasst, dass es andere Möglichkeiten gibt als das Mobbing, um in einem Gemeinschaftsleben Befriedigung und Frieden für sich zu erlangen. Aber das ist auch eben gar nicht die Motivation der Täter des Mobbing, sie wollen nicht einfach nur Befriedigung ihrer inneren Unruhe erlangen, sie wollen die Vernichtung und den Tod eines anderen erlangen, das heißt, sie üben sich in strategischer, ziviler Kriegsführung.

Wir werden einige Gründe beschreiben, warum ein echter Frieden den Mobbenden noch nicht gelingt und werden sie hier in die Pflicht nehmen, sich mit sich selbst und dem Leben gründlich auseinander zu setzen, was voraussetzt, mindestens zu bereuen, was man Übles getan hat. Dass dies keine erste oder zweite Forderung an die Mobber sein kann, wird klar werden, denn ihre Uneinsichtigkeit und Impertinenz, verhindern hier aufrichtige Selbsterkenntnis und eine Änderung des Selbstwillens sowie der Richtung ihrer Intention. Aber es ist eine Forderung, die Gesellschaft und Geschichte der Menschheit über Generationen und Epochen bereits, durch Wellen der Agonie, Zerstörung und Verzweiflung hindurch, dennoch weiter gegeben haben: Dass die Menschheit es schaffen muss, in Frieden miteinander zu leben und Anstrengungen unternehmen muss, hier eine generationen- und epochenübergreifende Entwicklung zu fördern, die befreiend, befriedend und liebend wirkt und agiert. Der Demian-Effekt16 ist hier friedliebende Leuchtspur und menschliches Verwirklichungslicht, in einer als dunkel erscheinenden Welt.

Wie in jenem Bericht auf der Spiegel Onlineausgabe vom 26. Juni 2012, indem beschrieben wird, wie die brasilianische Regierung beschlossen hatte, dass die Haftzeit von Gefangenen verkürzt werden kann, durch das Lesen von Büchern aus der Wissenschaftsliteratur, Philosophie und Belletristik und der Ausarbeitung eines leserlichen Aufsatzes hierzu. So können die Haftinsassen sich in den nächsten Jahren mit Lesen beschäftigen, begleitet von der Bearbeitung selbst erstellter Texte hierzu, für diese an Bildung Unterversorgten, um sie von einer besseren Welt, als der aus der sie kommen und die sie sich eingebrockt haben zu überzeugen, sie an die Hand zu nehmen und das, was sie im Grunde nicht wollen, sie selbst sein, ihnen frei als Möglichkeit zu eröffnen und ihnen den Dialog zu eröffnen diese Welt und dieses Leben, ihre Welt und ihr Leben, die Geschichte der Menschheit und ihre Geschichte besser begreifen und verstehen zu können, eben damit sie ihren je eigenen, erfüllten Weg in diesem Leben finden und um sie zu dem heranzuführen, was jede Hochkultur sich durch die großen Weisen und Heiligen auf die Fahnen schreibt: ein vernünftiger Mensch zu werden, der den Krieg nicht mehr notwendig hat. „Erlösung durch Lesen“ nannte das die brasilianische Regierung, vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis.17

Denn nur, wer selbst im Rahmen seiner in ihm angelegten Möglichkeiten, zu einer ganz eigenen Erfüllung und Sicht gelangt, wird sofort erkennen, dass Mobbing und Krieg nicht Möglichkeiten sind, die zur Wahl stehen. Denn Mobbing ist nicht der Weisheit letzter Schluss, genauso wenig, wie es der Krieg sein kann. Das mag für manchen logisch, zweifellos und folgerichtig sein, aber eben für jene, die sich noch für das Mobbing hinreisen lassen, fehlt diese Einsicht, und diese Einsicht auch wollen wir hier in diesem Buch spenden.

Wer Mobbing nicht selbst erlebt hat als jemand, der gemobbt wurde, der kann sich schwerlich folgendes vorstellen: Jede Feindschaft in der Welt, die offen ausgelebt wird und zu der offen gestanden wird, ist noch humaner, als die Feindschaft, die durch die hinterhältigen, niederträchtigen, geheimen und feigen Methoden des Mobbing ausgelebt wird. Daher ist Mobbing das größte (strategisch geplante) Verbrechen der sogenannten zivilisierten – der zivilen – Welt – einer Nation, die sich offiziell gerade nicht in einem Bürgerkrieg befindet, – weil sie die Gewalttätigkeit des Alltags-Menschen im Geheimen belässt, im Verschleierten, im Getarnten, in der Täuschung und sie dennoch auslebt, und eben auf eine Weise, die es für manchen Betroffenen unter Umständen schwer macht einen Feind zu sehen.

Fast wie in dem Roman 1984 von George Orwell (1903 – 1950), in der für die Hauptfigur in einem Gespräch die Frage aufkommt, ob der »Große Bruder« überhaupt existiert und seine Existenz unbestimmt bleibt, aber seine Bedrohung allgegenwärtig ist und er erst bei maximaler Gewaltausübung und perfider Erpressung, an einem bestimmten Punkt, in die Knie gezwungen wird und in einem Prozess der Entpersönlichung und Unterwerfung schließlich doch den »Großen Bruder« „liebt“.18 Was hier mit Liebe ausgedrückt wird, ist nicht Liebe, die gesund ist, sondern eine durch Gewalt hervorgerufene Vergewaltigung der Psyche eines Menschen zum Zwecke seiner Unterwerfung.

Die „gewöhnliche“ Feindschaft in der Welt des Menschen, steht im offenen Bekenntnis da und steht zu seiner Feindschaft zu diesem oder jenem, zu diesen oder jenen. Aber ein Täter des Mobbing steht nicht zu seiner Feindschaft, leugnet sie, verharmlost sie, täuscht andere, wirkt posenhaft zynisch in seiner Aufführung, stellt sie in Abrede, wobei er gleichzeitig dies als seine Taktik und seine Strategie benutzt, um zu seinem Ziel der Feindschaft, der Zerstörung eines anderen, zu gelangen. Mobbing ist daher ein noch unerkanntes Verbrechen und ein noch nicht spezifisch in die Gesetzesbücher eingeschriebenes Verbrechen, das aber mit Mitteln der psychologischen Erkenntnis und Überführung von Mobbern immer mehr und feiner erkannt werden wird und muss. Denn jedes Verbrechen hat seine eigene Strategie und damit nur eine begrenzt ausführbare Methode und daher eine Methode, der auf die Schliche gekommen werden kann und deren Ausführenden überführt und entlarvt werden können. Und jedem Verbrechen liegt eine Psychologie zugrunde, die beleuchtet und durchschaut werden kann.

Wir werden einen Teil dieser Erkenntnisse, im Laufe des Buches, auf das Problem des Mobbing und die Persönlichkeit des Mobbers anwenden. Wir müssen versuchen, mit diesen Erkenntnissen immer mehr in die Lage zu kommen, Gewalt, besonders die subtile Gewalt des Alltages und der Erziehung, zu erkennen. Und wir müssen die Friedfertigkeit wieder mehr achten und schätzen lernen, die Stillen in unserer Mitte wieder mehr beachten und ihren Fragen und Antworten zuhören, sie ansprechen, wenn sie uns zu still erscheinen und diese vermeintlich Schwachen, die sie vielleicht gar nicht sind, zu Wort kommen lassen. Wir werden so über uns selbst wieder mehr lernen, denn mit jedem Ausgeschlossenen, schließen wir einen Teil von uns selbst aus und zeigen damit zugleich das Vorhandensein als auch das Schaffen einer Grundlage der Spaltung und Verdrängung, die für die Gewalt verantwortlich ist.

Die Psychologie wird sich derart weiter entwickeln, dass sie diesen Mobbing-Methoden auf die Spur kommen wird und sie entlarven wird, sie wird starke Persönlichkeiten hervorbringen, die den Mobbern Auge in Auge gegenübersitzen werden und sie durchschauen werden und sie in ihren Verdrehungen und Verzerrungen entlarven werden. Sie werden den Demian-Effekt19 verwirklichen und die Mobber zur Umkehr bewegen und zur Abwendung von ihrer Gewalttätigkeit. Viele gute Bücher über Mobbing sind bereits geschrieben worden, die klar darlegen, was Mobbing ist und was dort warum geschieht. Es sind auch schlechte Bücher geschrieben worden, aber diese werden ausgesiebt werden, durch natürliche Auslese im wissenschaftlich-seriösen Prozess der Wahrheitsfindung von Verifikation und Falsifikation, von Erfahrung und Theorie, von Praxis und Erkenntnis.

Dieses Buch scheint aber nicht nur ein Buch von vielen zu sein, die bereits geschrieben wurden und die noch geschrieben werden, um dem Unrecht und dem Verbrechen unter der sogenannten zivilisierten Menschheit, vielleicht nicht ein Ende, aber eine beträchtliche Reduktion zu bereiten. Dieses Buch ist darüber hinaus ein grundlegender Beitrag zu diesem Thema, dass die Emittenten der nachdrücklichen und kompromisslosen Gewalt unter die Lupe nimmt und zwar mit einer klaren Schärfe der Entschiedenheit, gegen die es sehr schwer bis unmöglich sein wird sie zu entmutigen.

Wo es ein wenig Leid abfangen kann und etwas Mut schenken, ist damit auch schon erste Genüge getan. Und wo es Hinweise und Inspiration zum Weitergehen geben kann, ein Weitergehen auf dem je eigenen Weg eines jeden Einzelnen, wäre ein weiterer, sinnvoller Schritt getan. Denn es muss verhindert werden, dass die Intention der Täter des Mobbing aufgeht, es muss verhindert werden, dass Krankheit sich festsetzen kann und dass Suizide oder Amokläufe erfolgen. Dies ist und bleibt die Intention der Täter und stellt als Folgen ihrer Handlungen, die brutale Realität der Gewalt und psychischen Gewalt dar, wie sie sich im Mobbing zeigt. Wie der Philosoph Baruch de Spinoza (1632 – 1677) in seiner Ethik schreibt:

„Niemand, behaupte ich, verschmäht die Nahrung oder nimmt sich das Leben aus Notwendigkeit seiner Natur, sondern allein aus dem Zwang äußerer Ursachen.“20

Wo die Mobber die äußere Ursache darstellen, die einen anderen zu bedrängen und zu verletzen suchen, ist auch indirekt hier ein Hinweis gegeben, dass die „Notwendigkeit der Natur“ hier ein Überleben und Leben wollen impliziert, ein Erhalten und Vervollkommnen ihres Wesens erstrebt,

„dass Menschen, die von der Vernunft geleitet werden, …nichts für sich verlangen, was sie nicht auch für die übrigen Menschen fordern, d.h. also gerecht, treu und ehrenhaft zu sein.“21

Dass der Mobber kein Mensch der Vernunft ist und auch nicht ehrenhaft, und dass er nur seiner (besonders psychischen) Gewalt gegenüber dem Betroffenen treu ist, wird im Weiteren noch klarer werden.

Wenn ich hier in diesem Buch den Anspruch habe, die Philosophie, Psychologie und Religion in ihren edelsten und vernünftigsten Argumenten zu verwenden, um das Thema der Gewalt und des Mobbing zu beschreiben und zu kontrastieren, möchte ich auch gleichsam indirekt eine Wertung vornehmen, nämlich auf eine Rangordnung der Werte hindeuten. Wie Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) schrieb:

„Alle Wissenschaften haben nunmehr der Zukunfts-Aufgabe des Philosophen vorzuarbeiten: diese Aufgabe dahin verstanden, dass der Philosoph das Problem vom Werte zu lösen hat, dass er die Rangordnung der Werte zu bestimmen hat.“22 [Hervorhebungen Friedrich Nietzsche]

Die Argumente in diesem Buch dienen dazu dem Frieden und der Liebe einen höheren Wert beizumessen, als dem Hass und der Gewalt (nicht nur des Mobbing). Dadurch errichte ich eine Rangordnung der Edlen, die in der Lage sind weitgehend derart zu leben und die Argumente zu verwirklichen und die (moralisch, ethisch, menschlich) über – dem Rang der Täter und Mobber zu stehen kommen. Ich begründe also gleichsam eine natürliche Hierarchie, die keine Hierarchie der Unterdrückung ist, wie sie durch jeden Mobber zu verwirklichen versucht wird, sondern eine Befreiungshierarchie, die uns in unseren Unvollkommenheiten annimmt, doch gleichsam damit auffordert an unserer Vervollkommnung zu arbeiten, Leiden zu lindern, zu verhindern und zu heilen.

Dass diese Befreiungshierarchie nur ein Oben und ein Unten kennt, ist zwar der Hinweis auf eine einfache, kritisch gesehen, zu einfache Hierarchie. Aber diese Hierarchie ist die Vorbedingung, damit weitere, differenziertere Hierarchien daraus möglich werden. Denn wenn diese Befreiungshierarchie nicht beachtet wird, wird die natürliche Ordnung des Überlebens und Weiterlebens auf den Kopf gestellt, da die Gewalt dann zu einem Selbstläufer wird, der das Vernichten sich als ersten Sinn setzt. Und das dient nicht dem Leben und damit nicht dem Leben des Menschen und nicht dem Leben auf dieser Erde als Ganzem.

Ich sage (im Gegensatz zu dem, was bei Friedrich Nietzsche stellenweise zu finden ist oder wie man ihn leicht deuten kann): Der Starke ist nicht der Zerstörer und Vernichter, nicht der Verachtende und Hassende. Der Starke kann sehr wohl solche Gefühle aufkommen sehen, wenn er angegriffen wurde oder danach. Aber der Starke, der in der natürlichen Hierarchie des Menschlichen weit oben steht, wird die Gegenreaktion auf Angriffe des Feindes aus unmittelbarer Verteidigung erwirken wollen und im Gesamten eher in ein Verständnis und Verstehen, ein Erbarmen und Verzeihen bringen wollen und können, als es der Feind, Täter und Mobber planmäßig zu tun gedenkt, nämlich strategisch an der Denunziation, Entmachtung, Erniedrigung, Beschmutzung und Demütigung eines anderen zu arbeiten. Der Starke wird Argumente und Dialog üben und nicht nachdrücklich und langatmig hinterhältige Angriffe weiter führen. Der Starke sucht eine Befreiung – auch für den Feind – zu erreichen, wogegen der Feind und Mobber eine Niederwerfung und Unterdrückung als aller Erstes intendiert. Der Starke ist sich allerdings bewusst, dass er im Notfall auch in der Lage sein muss sich aufs äußerste zu verteidigen. Wer unterhalb dieses Starken zu stehen kommt, intendiert den Tod als Beginn und Ziel seines Handelns, er intendiert die Ausgrenzung und inszeniert die Abgrenzung und ist völlig fern irgendeiner Not, der zu entgehen seine Notwehr sein müsste. Daher ist der Starke stark, weil er erst in einer klaren Not zum Äußersten greifen würde, er aber in seiner Grundtendenz und Grundintention die dialogisch-wissenschaftliche Besprechung, die religiöse-friedliche Hingabe und Versenkung, sowie die rationale Vertrauensbildung sucht – und seltener bis gar nicht den Angriff oder die Verletzung. Wir werden sehen, dass es eine Not ist, der die Täter des Mobbing ausgesetzt sind, da sie innerpsychisch an Not leiden und dies projiziert an anderen, Zufälligen, glauben ausleben zu müssen.

Die Rangordnung ist also gegeben: Derjenige steht oben auf der achtenswerten Position – über dem Mobber, Täter und Vernichter –, der diesem dieselben Möglichkeiten der Entwicklung und Verwirklichung anbietet, wie jedem anderen auch, der in der Gemeinschaft der Menschen leben will. Und derjenige steht unterhalb des Ersteren, ist moralisch niederwertiger als dieser, der eine Niederwerfung zum Zwecke der persönlichen Bereicherung, des Amüsements und aus dem privaten Willen einen anderen zu beherrschen und zu schikanieren intendiert. Der moralisch-ethisch-menschliche Wert für das Soziale, die Gemeinschaft und die gutartige Gesamtentwicklung der Menschheit, ist klar bei Ersterem zu finden, da seine Reichweite des Nutzens für andere größer ist als für die letztere, die niedriger stehende Mobber-Moral, die A-Moral und Pseudo-Moral ist. – Dass dies überhaupt formuliert werden muss, dass Gewalttätigkeit zum Zwecke der Vernichtung, einer niedrigeren moralisch-ethischen Stufe entstammt, als Gewalttätigkeit, die Gewalt beenden will, um Leben zu schützen und zu fördern – und nicht vielmehr selbstverständlich gelebt wird –, ist die Tragik weiter Teile der Menschheit und ist der Irrtum, der noch nicht Allgemeingut geworden ist, noch nicht verstanden ist und nicht gesehen wird und daher nicht umgangen werden kann.

Dies ist aber auch die Folge der Freiheit der Möglichkeiten, Intentionen und Ansichten, der Überzeugungen, des Irrsinns der ungeordneten Vielfalt der Meinungen und der noch nicht garen und klaren Sichten und Überzeugungen in der menschlichen Welt. Wo wir eine Freiheit zur Vernunft, zum Frieden und zur Liebe haben, werden wir auch deren Vereitelungen finden. Der oben stehende Erstere sucht diese Vereitelungen der Vernunft, des Friedens und der Liebe zu umgehen und zu verhindern zu suchen, das heißt: seine Vernunft will den Frieden und die Liebe weitgehend zu verwirklichen suchen und sie will nicht nur sich selbst, sondern auch anderen und vielen dienen. Der unten in der Hierarchie der Werte stehende Täter des Mobbing (und jeder andere Verbrecher) sucht die Vernunft, den Frieden und die Liebe zu vereiteln, das heißt: zu verhindern, zu behindern und zu zerstören und will dabei nur sich selber und seinesgleichen befriedigen. Er dient nicht, er will herrschen und beherrschen; er sucht nicht durch aufrichtige Fragen nach Sichten, die klären und vermitteln könnten, er will unterdrücken, ausgrenzen und letztlich vernichten.

Dieser Einleitung nun zum Schluss, dem ganzen Thema nicht nur als Trost mitgegeben, doch auch als Ansage an die Mobber gerichtet, um deren verbrecherisches Tun zu deklassieren und zu ihnen eine humanistische Position einzunehmen, sei hier ein altes Zitat aus der griechischen Philosophie des Sokrates (470 – 399 v.u.Z.) gewidmet. Platon (427 – 347 v.u.Z.) lässt ihn, im Dialog Gorgias, sagen:

„Von den beiden Übeln, dem Unrechttun und dem Unrechtleiden, ist, wie ich behaupte, das größere das Unrechttun, das geringere das Unrechtleiden.“23

In diesem Sinne steht das Recht auf der Seite der Betroffenen und Opfer und das Unrecht auf der Seite der Mobber und Täter, weil das Unrechttun das größere Übel ist. Es wird nicht genügen, dass das Recht sich weiter entwickelt und dieses Verbrechen bald spezifisch in seinen Strafkatalog übernimmt. Zusammen mit den gelehrten und weisen Psychologen, die selbst nicht mehr an sich selber leiden, müssen mehr und mehr Lehre und Belehrung über den Gegenstand der Gewalt erfolgen und nicht nur in die Bildung der Menschenmassen investiert werden, es muss auch alltäglich, empathisch und selbst-reflektierend, kontinuierlich, aufrichtig, hinterfragend, sinnend, schweigend und beredt, interessiert und angesprochen von den großen Fragen der Menschheit um Leben und Tod, Beachtung geschenkt werden, – um so nicht nur die Unwahrheiten, Unaufrichtigkeiten, Lügen und Heucheleien zu erkennen, die Mobbing mit sich bringt, sondern auch, um wirklich generationen- und epochenübergreifend zu begreifen und zu verinnerlichen, zu was wir hier auf dieser Erde sind, was Sinn und was Unsinn ist und inwiefern. Dass Mobbing nicht nur Unsinn ist, sondern auch ein Verbrechen, versuche ich in diesem Buch zu zeigen. Und dies alles ist auch nicht nur eine Frage der rechten Empathie, sondern des selbst bereits transzendierten Leidens und der psychologisch bewältigten Gewalt aus, aber nicht nur, den eigenen Kindertagen.

Und so schreibt auch Marc Aurel (121 – 180) über das Unrecht, das nicht erst seit heute im Mobbing geschieht:

„Wer Unrecht tut, frevelt. Denn die Allnatur hat die vernunftbegabten Lebewesen aufeinander angelegt, dass sie sich gegenseitig nach Gebühr helfen, in keiner Weise aber schaden sollen; wer ihr Gebot übertritt, frevelt offenbar gegen die älteste Gottheit, die es gibt.“24

Das Mobbing ist durch Absichtlichkeit geprägt, die Gewalt wird intendiert und spezifisch auf einen bestimmten Menschen abgeladen. Wir sehen es aus der Natürlichkeit des Alltages, dass eine helfende, gegenseitige Unterstützung uns Wohlbefinden und Sicherheit vermitteln, die Aufforderung selbst andere zu unterstützen, ihnen freundlich gesinnt zu sein und nicht per se von Beginn an ungesundes Misstrauen und hämischen Argwohn zu äußern. Dies sind natürliche Empfindungen und Intentionen, die aus unserem Körper-Geist-Gefühl erwachsen, wenn wir angenehm und klar durch das Leben gehen. Die Gottheit des Alltages sucht sich darin das Recht und hat damit schon eine Grenze zum Unrecht gesetzt, das in den Empfindungen der diesem gegensätzlich gerichteten Intentionen zu finden ist. Die Franz Kromers sind hier die Frevler, die Unrecht tun und das natürliche, alltägliche Recht auf angenehmen Austausch und Wechselbeziehung, Dienen und Vertrauen, torpedieren und unterminieren, indem sie nachtragend, nachhaltig und langatmig einem anderen Unrecht zuzufügen beabsichtigen.

Wo wir die Franz Kromers aber erkennen werden, werden wir der Geschichte der Menschheit durch Erzählung, Lehre und Belehrung, durch weise Unterredung und kluge Aufklärung, den Unterschied beibringen können, zwischen Hell und Dunkel und zwischen Liebe und Hass, zwischen Empathie und Erstarrung, und zwischen Authentizität und Pose, zwischen echter Freude und Affektiertheit, zwischen Aufrichtigkeit und Vermeidungstaktik, zwischen echtem Lebensinteresse und eitlem Selbstinteresse, zwischen echter Zärtlichkeit und unterschwelligem Sadismus25, zwischen berührter Ernsthaftigkeit und vorgetragenem Zynismus.26 –

Und wir werden zwischen diesen zahlreichen Polen differenzieren können. Wir werden, mit dem weitergetragenen Humanismus der letzten zwei Dutzend Jahrhunderte, eine weitere Tradition fortführen können, vertiefen und ausweiten, die es ermöglicht, affektiv daran zu arbeiten, die erlittenen Demütigungen aus den individuellen Geschichten des Einzelnen und der Gemeinschaft, zu befreien und zu erlösen von alten Lasten und Bedingtheiten. Die Philosophie und Anthropologie des Humanismus sind dabei zu lehren und die vielfältigen Methoden der Auflösung von bedingten Leiden sind weise, empathisch und in geschützter Weise anzuwenden und zu üben.

Und für die Betroffenen gilt daher das folgende Wort des Marcus Tullius Cicero, das uns motivieren und entschieden sein lassen sollte:

„Denn bewahrt kann die Gerechtigkeit nur von einem mutigen Manne [und einer mutigen Frau], nur von einem [und einer] Weisen werden.“27 [Ergänzungen von mir]

Denn gerade dies ist der Grund unserer Ethik und Menschlichkeit, dass wir weise und mutig sie ergründen, um ihrer selbst willen, weil wir wissen, dass es uns allen hilft gemeinsam in Frieden zu leben und Erfüllung und Glück zu erlangen. Wer, wie die Täter des Mobbing, sich gegen den Frieden entscheidet, wird die aufrichtigen, auch gerade anfänglichen Versuche sich den ethischen Fragen der Menschheit zu widmen, im Keime ersticken, torpedieren und madig zu machen versuchen, und es ist Mut erforderlich, dabei zu bleiben und die Ungerechtigkeit mit dem Blick der ergründenden Gerechtigkeit in Augenschein zu nehmen. Diesen Mut möchte ich in diesem Buch ein wenig schenken und Hinweise geben, wo und wie Betroffene wirken können, um der Gerechtigkeit zur Beachtung zu verhelfen. Nicht weil ein Betroffener sich rächen wollte oder sollte, sondern weil die Gerechtigkeit um ihrer selbst willen dem Gemeinwesen nützt.

Und die Menschheit wird nur dann würdevoll überleben können, wenn sie sich immer wieder von Neuem für das Helle und die Liebe entscheiden wird, für die Aufrichtigkeit und echte Freude, für die Empathie und Authentizität, für echtes Lebensinteresse und berührte Ernsthaftigkeit, für echte Zärtlichkeit und eine reife, freie Sexualität. Denn die Einstellung zu Letzterem ist nicht unwesentlicher Bestandteil von dem, was auch als Freiheit und Wahrhaftigkeit empfunden wird, was als dem Leben dienend und es erfüllend erfahren werden kann. Aber was von dunkler Erziehung als schmutzig und falsch verstanden wird. Dass die konservative, institutionalisierte Religion hierbei eine jahrhundertealte und daher auch überalterte Einstellung pflegt, ist in aufgeklärten, humanistischen Kreisen bekannt. Aber es ist auch in jüngster Zeit bekannt, dass eine ungesunde, verdrängende und unterdrückende Einstellung zur Sexualität Gewalt erst hervorbringt, und dies nicht nur im Zusammenhang mit Mobbing, wie wir von den jahrzehntelang schwelenden Missbrauchsfällen an Kindern in sogenannten religiösen Einrichtungen her, erschreckend wissen.

Die Franz Kromers der Welt werden sich immer Masken zulegen, sodass man ihre wahren Absichten und Abgründe kaum erkennen kann. Sie werden stellenweise als Schwäne28 gesehen und bewundert und akzeptiert, sie haben sich gewisse Macht und Einflussbereiche gesichert und erworben, denn ihre Maskerade ist erfolgreich, nicht unbedingt, weil sie so schlau, vielmehr, weil sie so gerissen sind, und auch weil ihre Umgebung durch die gewalttätige Attitüde eingeschüchtert ist und sie walten lässt, aus unterschwelliger Furcht selbst in ihre Fänge zu geraten, einerseits und aus halluziniertem Erlösungswahn, der damit verbunden ist, andererseits. Und weil sie ein Doppelspiel spielen, öffentlich ein Schwan, der bewundert wird und werden will, und privat und in der Absicht der psychischen Gewaltanwendung, ein Unmensch.

Von dem, was den Menschen in seinem Wesen ausmacht, ist dieses Bild der Maskerade des Schwanes aufschlussreich. Denn es sind nicht die Schwäne, die Masken tragen, es ist der Schwan selbst, der eine Maske ist. Es ist gar kein Schwan vorhanden, das ist nur das unreife und verblendete Bild, das andere von ihnen haben und das man von ihnen erzählt und an dem sie gearbeitet haben, um so zu erscheinen. Ihr Wesen aber, vielmehr ihr Charakter, ist schizoid (das heißt gespalten ähnlich), nicht nur, weil sie spaltend und trennend wirken in Bezug auf ihr Hassobjekt; sie sind in ihrem Fühlen und Handeln gespalten und ohne eine konsistente Richtung: Öffentlich die Schwäne, privat immer mal wieder die hassenden Verfolger, mit dem Ziel zu erniedrigen, zu demütigen, zu verletzen, auszuschließen, zu verdrängen und rücksichtslos in den Suizid zu treiben.

Diese falschen Schwäne zu erkennen, ist die Aufgabe jeder couragierten, humanistischen Demokratie und jeder intellektuellen Zivilcourage, jeder Institution, in der es Menschen gibt, die miteinander in Konflikt geraten können, in der es Stimmen gibt, wie die von Betroffenen, die sagen, dass sie unter starker Gewalteinwirkung zu leiden haben und die erleben und bezeugen können, wie mit ziviler Kriegsführung, mitten in einer scheinbar friedlichen Gesellschaft, agiert wird. Diese Zeugen kennen die Schwäne, die falschen Schwäne, und wir müssen lernen diesen Zeugen zu glauben und ihre Aussagen anhand gut gegründeter und begründeter Menschenkenntnis zu prüfen, sodass wir mehr und mehr dahin kommen, den Schwänen ihre Maske als das zu präsentieren, was sie ist: Ein innerpsychischer Konflikt, der nicht nur aus frühkindlicher Fehlentwicklung, durch Einwirkung von Gewalt und psychischer Manipulation, entstanden ist, sondern auch aus einer charakterlich gewordenen Ignoranz gegenüber einer verantwortungsbewussten Auseinandersetzung mit den Fragen des Lebens und der Welt, in der wir zu leben und uns zu entwickeln aufgefordert sind.

Wir werden damit, in Richtung einer Vermeidung von Gewalt, nach vorheriger Auflösung oder Verminderung der leidenden Last des Konflikts, arbeiten müssen, und wir müssen deutlich machen, dass es andere Wege gibt und geben kann, um Befriedigung im Leben zu finden. Die morbide Befriedigung der Schwäne ist krank und sozial schädigend, sie zeugt Kranke und kostet Milliarden an Gesundheitsfürsorge für die Betroffenen. Daher ist Mobbing nicht zu dulden, Mobbinghandlungen sind zu ächten. Und psychische Gewalt ist zu erkennen, wo sie bereits wirkt, oder wo sie entstehen könnte, ist ein mutiges und wachsames Auge darauf zu werfen, zu beobachten und zu prüfen, bis die subjektiven Beweise der inneren Schau der unmenschlichen Absicht der betreffenden Schwäne des Mobbing erkannt ist.

Wo wir in einer Welt leben, die sich vorwiegend betroffen zeigt an kruder, offenkundiger und himmelschreiender Gewalt, müssen wir zudem acht geben, nicht den Blick wegzuwenden von den subtilen Gewaltäußerungen des Alltags und der geheimen Wege, durch die sie sich zeigen können. Denn wo wir uns am Kruden und Offenkundigen sicher glauben Wertung vornehmen und Stellung beziehen zu können dagegen, ist dies in den feinen, subtilen und verborgenen Gewaltäußerungen des Mobbing nicht so offenkundig und nicht so offenbar selbstverständlich.

Wie Marcus Tullius Cicero allerdings hierzu schrieb:

„So ist auch die Unredlichkeit, wenn sie in eines Menschen Herz sich eingenistet hat, allein schon durch ihr Dasein verwirrend: wenn sie aber einmal etwas ins Werk gesetzt hat, wie geheim sie’s auch ausführte, sie wird sich doch nimmermehr darauf verlassen können, dass dies immer verborgen bleiben werde.“29

Und er meint die Taten der „Bösewichte“, die im Geheimen geschehen müssen, weil deren offensichtliche Unredlichkeit und Ungerechtigkeit und die Absicht Schaden anzurichten auch für diese allzu deutlich ist, dass dies ihnen bewusst ist und sie auf Verdunkelung und Wege im Verborgenen achten, um nicht in ihrem unmoralischen Treiben erkannt zu werden. Im Mobbing geschieht dieses Verborgene auch in tarnender Weise und zuweilen öffentlich,30 indem die Sprache der Doppel- und Mehrdeutigkeiten herhalten muss, um Demütigungen zu transportieren.

Daher sind wir bei dem Thema Mobbing in zweifacher Weise aufgefordert uns empathisch hinein zu fühlen, um zum Einen der Feinheit der Gewalt eine neue Dimension der Wahrnehmungsfähigkeit für uns selbst und andere entgegensetzen zu können und zum Anderen, um unseren Alltag feinsinniger und respektvoller gestalten zu können. Denn mit der Feinheit der Wahrnehmung erscheint eine differenziertere Wechselbeziehung des Menschlichen und Mitmenschlichen. Wir werden den Frieden um so mehr schätzen lernen und vertiefen, festigen und begründen können, und wir werden feinere Argumente haben, die uns den Humanismus lebenswert und verwirklichbar erscheinen lassen. Damit werden die christlichen Werte und Essenzen und die Werte und Essenzen anderer Religionen grundlegender verstanden, erkannt und gelebt werden können. Die Betonung liegt auf den Essenzen, im Sinne des Wesentlichen, Grundlegenden, Erprobten und Bewährten – nicht auf Überkommenem, Irrationalem, Unbegründetem, im Sinne eines nicht weiter hinterfragbaren oder nicht weiter zu ergründenden Zusammenhangs. Wo uns das Fragen nicht erlaubt werden sollte, verboten würde, madig gemacht würde, zynisch kommentiert oder mit Schein-Fragen bloßgestellt werden sollte, müssen wir aufwachen und uns dies entschieden nicht verbieten lassen. Wir müssen die Lügen, die man uns und anderen belassen will (oder denen man uns ungerechterweise bezichtigt), selbst-verantwortlich und selbst-bewusst, selbst-erkennend und selbst-erfahrend beschauen und bewältigen.

Auf was wir dabei nicht verzichten wollen, sind die lebendig-geistigen Konsequenzen der auf Immanuel Kant (1724 – 1804) zurückgehenden Worte seiner Definition der Aufklärung. Er schreibt bekanntlich:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leistung eines anderen zu bedienen. …Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“31

Dass dies eine hohe Anforderung und Herausforderung ist, ist dem klar, der sich nicht in erster Linie auf das Gesagte Dritter verlassen will, sondern nach einem eigenen Gewissen sucht und eigener Erkenntnis. Wer aber das Gesagte Dritter einzuordnen weiß und sich darauf bezieht, kann eher im Sinne Kants aus seiner Unmündigkeit ausgehen, als jemand, der das Gesagte Dritter einfach nur wiederholt, ohne weiter zu denken oder es in verschiedene Zusammenhänge zu stellen und nach Anwendung zu suchen, das heißt, es lebendig zu interpretieren und einzuordnen. Wem es an lebendigem Verständnis mangelt, wird weniger, im Sinne dieser kantschen Auffassung, seiner Unmündigkeit entgehen.

Dass wir meist Menschen aus zweiter Hand sind, worauf auch Jiddu Krishnamurti (1896 – 1986) aufmerksam gemacht hat, die auch immer wieder nur auf das zurück- und zugreifen, was vergangen ist oder gegenwärtig verfügbar, dass wir Wissen annehmen, weil es uns gefällt und dabei der Gefahr ausgesetzt sind, bruchstückhaft im Denken zu bleiben und weiterhin zu werden, und dass wir das von anderen Aufgenommene auf einer Grundlage aufzusetzen tendieren, die bereits in sich verbogen, verzerrt, also unreif und unmündig ist, ist eine Frage, die an anderer Stelle ausführlicher behandelt werden muss. Doch ist dieser Hinweis zu beachten, weil wir, durch die Zeit und Erinnerungsfähigkeit bedingt, auch zu einem gewissen Maße „Papageien“ sind, die das in sie hinein gesprochene, stupide und albern und daher unverstanden wiederholen. Dass damit unser Zusammenleben bedeutungslos wird und keine sinnhaften neuen Bedeutungen uns die Frische des Lebens und Geistes vermitteln, ist eigentlich ersichtlich.

Die Fragen im Folgenden, sollen daher in diesem Buch mitschwingen, sie werden nicht in Gänze darin detailliert behandelt, aber wir sollten sie im Blick haben.

Es sind dies die Fragen: Was ist der freie Mensch? Und was der Unfreie? Wie gestalten sich die Strukturen dazwischen? Wie wird er also mündig und immer mündiger? Welches sind seine selbst verschuldeten „Sünden“? Was ist seine Unmündigkeit? Seine Unreife? Seine Kindlichkeit? Sein Nicht-erwachsen-sein? Seine Kleinheit? Ja, was ist seine Krankheit? Und wie ist dies zu verstehen? Wie zu lindern und zu heilen? Wie ist die Krankheit der Gewalt zu verzeihen? Wie können wir in die Mündigkeit führen? Wie können wir uns zur Reife bringen? Wie ist die Reife, das Gesunde erwachsen und gedeihen zu lassen? Wie ist Größe und Kleinheit zu verstehen? Und wie können wir als Menschen wirklich Menschen werden, die hohe Ideale verwirklichen, ohne uns in die sich wiederholenden Irrtümer der Vergangenheit zu verfangen? Wieso glauben wir Menschen immer wieder, dass unser Überleben letztlich nur mit Gewalt gesichert werden kann? Und wann halluziniert sich der Mensch die Gründe für seine Gewalttätigkeit – und scheitert damit an sich selbst, an seiner Mündigkeit und Vernunft, am Frieden und an der Liebe?

Und das Thema Mobbing ist hier natürlich verwoben, weil seine Protagonisten, die Täter, beträchtlichen Anteil daran haben, Fehler zu begehen und sich nicht in die Reflexion der Erkenntnismöglichkeiten stellen, was ihre Verantwortung wäre, nicht nur als Täter, sondern auch als Menschen, denen eigentlich am Gemeinsinn und Gemeinwohl gelegen sein sollte. Hier ist Aufklärung zu betreiben, das kantsche Wort des Sinnes von Aufklärung ist ein Mündig-Werden, Erwachsen-Werden, und die Täter des Mobbing sind hierin mindestens zu belehren.

Dass wir hier an einem Anfang stehen, mit beträchtlichem Potenzial an Erkenntnis- aber auch Möglichkeiten zum Irrtum, ist dem klar, der sich schon ein wenig auf den Weg gemacht hat. Und wie der Enzyklopädist der Zeit der Aufklärung Paul Henri Thiry d’Holbach (1723 – 1789) geschrieben hat: