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Short-Story, Horror
Eine junge Frau, die auf ihrem Weg nichts Böses ahnt.
Eine unheimliche Begegnung, die eine Menge Fragen aufwirft.
Ein albtraumhafter Angriff, der sich als Vorbote des puren Grauens entpuppt.
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Der Winter hatte über Nacht alles mit einem weißen Tuch zugedeckt und präsentierte sich nochmal in all seiner Pracht. Bea fand wenig Gefallen an den kunstvollen Eiskristallen, die Bäume und Sträucher zum Glitzern brachten. Die Sechzehnjährige musste mit dem Fahrrad zum Reitstall fahren und sehnte sich nach schneefreien Wegen. Eisiger Wind kroch in die Ärmel ihrer Jacke und ließ sie frösteln. Die Fahrt auf dem unebenen Weg war beschwerlich und bot unzählige Stolperfallen.
Ein Flyer auf einem der kahlen Bäume neben dem schmalen, eisüberzogenen Radweg erregte ihre Aufmerksamkeit. Das Bild der weißen Perserdame kam ihr bekannt vor. Das war doch Johannas Katze, oder nicht?
Abgelenkt durch den Flyer bemerkte sie zu spät, dass das Vorderrad ihres Drahtesels auf der spiegelglatten Oberfläche einer unter dem Schnee verborgenen, gefrorenen Wasserpfütze wegrutschte. Um Balance ringend streckte sie beide Beine seitlich weg, um das Schlenkern des Fahrrades auszugleichen.
Es schlitterte noch ein Stückchen weiter und die unfreiwillige Rutschpartie endete im knöchelhoch mit Schnee bedeckten Kiesbett, das den Radweg säumte. Ihr Herz schlug vor Schreck wie ein Dampfhammer. Die junge Frau seufzte lautstark. Sie stellte das Rad ab und nahm den Flyer unter die Lupe. Die Haustier-Vermisstenanzeige beschrieb tatsächlich Coco, die Katze von Johanna. Wie merkwürdig, warum hatte sie das nicht auf Facebook gepostet? Bea hätte der netten Angestellten von der Zoohandlung beim Suchen geholfen. Sie schüttelte den Kopf. Darum konnte sie sich später kümmern. Jetzt war sie mit Sylvie verabredet. Die Reitstallbesitzerin wollte heute mit zwei ihrer Vierbeiner ins Gelände. Bea durfte Bobby führen. Sie freute sich schon auf den Spaziergang mit dem kleinen Mini-Shetty.
Vorsichtig setzte sie ihren Weg fort. Diesmal konzentrierte sie sich voll auf die Fahrt. Endlich kam das eingezäunte Grundstück in Sicht. Das Fahrrad konnte getrost draußen am Parkplatz an einen Baum gelehnt stehenbleiben. Sie lief die schneebedeckte Zufahrt entlang, die zum Eingangstor führte. Der angenehme, vertraute Geruch von Pferden und Heu stieg ihr in die Nase. Rasch schlüpfte sie durch das hölzerne Tor und lief weiter zum überdachten Putzplatz. Sylvie wartete schon.
»Hallo. Du bist spät dran«, bemerkte sie mit einem Lächeln. »Ist der Radweg vereist?«
»Hi. Ja. Bin ausgerutscht und fast hingefallen. Hab’s aber irgendwie geschafft, nicht auf der Nase zu landen«, antwortete Bea mit einem entschuldigenden Unterton in der Stimme. Sylvie nickte mitfühlend. Sie war bestimmt froh, die Vorzüge eines Autos genießen zu können. Die braunhaarige Mittvierzigerin striegelte ihre silbergraue Noriker-Stute Luna, die bereits ungeduldig mit den Hufen scharrte. Bea begab sich schnell in die Sattelkammer und schnappte sich Halfter, Strick und Putzkoffer für das Mini-Shetty. Da Bobbys Sachen alle so klein waren, schaffte sie es in einem Gang.
In dem großen Offenstall konnten sich alle Tiere frei bewegen. Als Bea mit den Putzsachen unterm Arm die Tür zum Freien öffnete, schritt Akil daran vorbei. Sie strich dem schwarz-weißen Irish-Tinker sanft über den Rücken.
»Na, mein Hübscher.«
Der große Wallach quittierte ihre Worte mit einem freundlichen Schnauben und zockelte gemütlich an ihr vorbei.
Es war Mittag und ein Großteil der gemischten Herde mit Fressen beschäftigt, aber die Aussicht auf einen Spaziergang trieb Bobby stets zu Bea. Und da kam der kleine Wuschelbär, angelockt durch ihre Stimme, auch schon um die Ecke. Die Eseldame, die ein Stück abseits an einer Futterraufe stand, ließ ein kraftvolles »Iiiiaaah!« hören.