Zuckerkrankheit Alzheimer - Kurt Mosetter - E-Book
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Kurt Mosetter

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Beschreibung

Richtig essen gegen das Vergessen

In 100 Jahren hat sich die Alzheimer-Krankheit von einem Randphänomen zu einem weltweiten Gesellschaftsproblem entwickelt. Seit Mediziner versuchen, die Erkrankung zu behandeln, erleben sie eine Enttäuschung nach der anderen. Heute sind sich Wissenschaftler einig, dass die Krankheit schon lange vor den ersten Symptomen beginnt. Dr. Kurt Mosetter zeigt, dass Alzheimer als Resultat einer Störung des Insulinsystems zu sehen ist – ein Diabetes mellitus Typ 3. Diese Stoffwechselentgleisung lässt sich durch die richtige Ernährung und andere einfache Maßnahmen positiv beeinflussen, sodass ein Krankheitsausbruch verzögert oder sogar verhindert werden kann.

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Autor

Dr. med. Kurt Mosetter ist Arzt und Heilpraktiker. Er ist der Begründer der Myoreflextherapie mit integriertem KiD-Bewegungsprogramm. Zu seinen medizinischen Schwerpunkten gehören Schmerztherapie, neuromuskuläre Traumatherapie, die Behandlung von neurologischen und neurodegenerativen Erkrankungen sowie Stoffwechsel- und Ernährungsmedizin (Neurobiochemie). Kurt Mosetter ist Leiter des ZiT-Zentrums für interdisziplinäre Therapien mit Standorten in Konstanz, Gutach und Herrenberg. Zahlreiche Lehr- und Vortragstätigkeiten.

Anna Cavelius ist studierte Philosophin und arbeitet seit 20 Jahren als Autorin, Ghostwriterin und Redakteurin für Medizin- und Lifestylethemen. Sie veröffentlichte zahlreiche Ratgeber und Sachbücher, darunter mehrere Bestseller. So war sie unter anderem Co-Autorin der Bestseller-Reihe »Schlank im Schlaf« und schrieb mit Dr. med. Detlef Pape den Erfolgstitel »Die Fructose-Falle«. Sie lebt mit ihren Söhnen in Oberbayern am Ammersee.

DR. MED KURT MOSETTER & ANNA CAVELIUS

ZUCKERKRANKHEIT ALZHEIMER

Warum Zucker dement macht und was gegen das Vergessen hilft

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

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1. Auflage

Originalausgabe

® Verlagsgruppe Random House

Copyright © 2016 Riemann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Lektorat: Ralf Lay

Umschlaggestaltung: Martina Baldauf, herzblut02, München

Satz und eBook-Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-18030-0V001

www.riemann-verlag.de

Inhalt

Ein Wort zuvor

Die Vergessenskrankheit

Wie alles begann

Ein Blick ins Gehirn

Demenz – woran man sie erkennt

Verlauf der Demenz

Verschiedene Formen von Demenz

Warum das Licht im Kopf ausgeht

Alzheimer-Ursache: Zuckerkrankheit

Alzheimer-Ursache: (Zell-)Stress

Weitere Ursachen

Licht im Kopf – Was ich für mich tun kann

Richtige Ernährung hilft bei der Vorbeugung

Der große Fettirrtum

Kohlenhydrate und ihre Folgen

Das unterschätzte Eiweiß

Sekundäre Pflanzenstoffe auf einen Blick

Vitalstoffe mit Power

Hilfreiche Pflanzen

Genügend trinken

Was sollen wir essen? – Die wichtigsten Tipps im Überblick

Ernährungsumstellung? So geht’s!

Rezepte

Wie Bewegung das Gedächtnis stark macht

Das Training – praktische Anleitungen

Besser schlafen, das Gehirn schützen

Entstressen

Gehirntraining

Anhang: Infos aus der Neuro-Biochemie

Maßnahmen, die den körpereigenen Schutz und die Reparatursysteme aktivieren

Störfaktoren Ammoniak & Co.

Die Rolle der Astrozyten

Entgleisungen des Energiehaushaltes in der PECM

Anmerkungen

Register

Ein Wort zuvor

Sie raubt das kostbarste Gut des Menschen: die Fähigkeit nachzudenken, zu lernen und die Welt in ihren vielen Facetten so zusammenzusetzen, dass man sie versteht – sie höhlt einen aus, bis vom Selbst nichts mehr übrig ist außer einem funktionierenden Körper. Die Rede ist von Demenz, einer Krankheit, die jeden von uns etwas angeht, selbst wenn man nicht davon betroffen sein sollte. Es wird in den nächsten Jahren kaum jemanden geben, in dessen familiärem und Freundesumfeld diese Störung keine Rolle spielt. Zu den Alzheimer-Erkrankten, die jeder kennt, zählen der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan, die frühere englische Premierministerin Margaret Thatcher, der deutsche Literaturwissenschaftler Walter Jens, der SPD-Politiker Herbert Wehner, Niedersachsens ehemaliger Ministerpräsident Ernst Albrecht, der frühere Nationalspieler Gerd Müller und der Industriellenerbe Gunter Sachs, der sich angesichts der Erkrankung entschied, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden.

Wir sitzen, was die voraussichtliche Entwicklung der Demenz weltweit anbelangt, auf einer Zeitbombe. Und kaum ein anderes Gesundheitsthema macht den Menschen so Angst. Die Zahl der von der Alzheimer-Demenz Betroffenen nimmt weltweit stark zu. Sieht man sich nur die Situation in Deutschland an, so leben hier aktuell 1,4 Millionen Demenzkranke. Davon leiden zwei Drittel an der Alzheimer-Variante. Nimmt man Patienten mit leichten kognitiven Störungen (sogenanntem Mild Cognitive Impairment [MCI], eine Alzheimer-Vorstufe) hinzu und setzt noch eine gewisse Dunkelziffer voraus, so kann man von einer weiteren Million Betroffenen ausgehen. Seit Anfang des Jahres 2012 hat die Zahl der Alzheimer-Erkrankungen um 30 Prozent zugenommen. Mit 300000 Neuerkrankungen pro Jahr werden bis 2050 mindestens vier von hundert Menschen betroffen sein.1 Mit steigender Lebenserwartung drohen 30 Prozent der 85-Jährigen an dieser Demenz zu erkranken. Schlimmer noch: Immer häufiger sind jüngere Menschen betroffen. Auch in Afrika und Asien kann man in den nächsten Jahrzehnten mit einer Vervierfachung der Erkrankungen rechnen. Demenz wird damit zu einer der größten Herausforderungen der Gesellschaften auf der ganzen Welt sowie ihrer Gesundheitssysteme. Außerdem reißt die Alzheimer-Demenz ein immer größeres Loch in die Arbeitskraft in den Industrieländern, da Millionen von Familienmitgliedern und Helfern Milliarden von Arbeitsstunden für die Pflege von Erkrankten aufwenden. Schätzungsweise 60 Prozent der Leistungen werden von (Ehe-)Partnern und erwachsenen Kindern erbracht. Das kostet sie nicht nur Geld, sie sind auch emotional hochgradig belastet.

Als Ursachen für die Erkrankung führten Forscher noch bis in die Neunzigerjahre an, dass sie erblich bedingt sei und man daher nur wenig vorbeugend tun könne. Diese Behauptung ist dank der wissenschaftlichen Arbeiten der letzten zehn Jahre gründlich entkräftet. Auch der Verdacht, dass die symptomatischen, herdförmigen Plaques im Gehirn beziehungsweise die Eiweiße darin – Amyloid-beta (Abeta) – die Hauptverursacher seien sowie chemische Veränderungen darin, blieb nur ein Verdacht. Denn dieses Amyloid findet sich nicht nur bei Alzheimer-Kranken, sondern auch bei älteren nicht dementen Menschen. Es müssen zum Amyloid also offenbar noch andere Krankheitsfaktoren hinzukommen. Nach wie vor wird nach einer Ursache dafür gesucht, dass die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen nachlassen, er mit der Zeit alles vergisst und sein Selbst verliert. In die Erforschung von Medikamenten stecken Forscher und Pharmaunternehmen viele Milliarden Euro, bislang ohne nennenswerte Erfolge.

Sehr viele Forschungs- und Arbeitsgruppen konnten indessen zeigen, dass zahlreichen neurodegenerativen Erkrankungen ein gestörter Energiestoffwechsel, eine verminderte Glukoseverwertung und gestörte Insulinresistenzverhältnisse im Gehirn vorgeschaltet sind. So konnte belegt werden, dass die daraus resultierende Mangelversorgung der Nervenzellen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Alzheimer-Demenz spielt. Demenz geht demnach mit derselben Stoffwechselstörung in den Zellen einher wie ein Typ-2-Diabetes: Das Hormon Insulin ist aufgrund eines latenten Zucker- und Insulinüberschusses im Blut unwirksam.

Besonders für das Verständnis frühester Entgleisungen bei der Alzheimer-Erkrankung sind die Mechanismen der Insulinresistenz grundlegend. Neben den bisherigen Theorien zur Alzheimer-Erkrankung wird dieses Krankheitsbild deshalb in neueren Publikationen als Typ-3-Diabetes beschrieben, worauf wir auch in diesem Buch eingehen werden. In Abgrenzung zu einem Typ-2-Diabetes ist bei einem Typ-3-Diabetes allein das Zentralnervensystem betroffen und hat keine Auswirkung auf den Blutzucker. Gemeinsam ist beiden Formen der Zuckerkrankheit, dass eine Insulinresistenz vorliegt. Bei einem Typ-3-Diabetes können die Gehirnzellen aufgrund dessen nicht adäquat mit Energie in Form von Glukose versorgt werden, da diese infolge der Unwirksamkeit des Insulins nicht in die Zellen eingeschleust werden kann. Struktur und Funktion der Zellen, der Bau- und der Energiestoffwechsel in unserer Steuerzentrale im Kopf nehmen dabei massiven Schaden. Erst am Ende der verminderten Insulinfunktion entsteht das für die Alzheimer-Erkrankung toxische Abeta.

Diese Erkenntnis ist insofern so aufsehenerregend, als sie die bisherige Alzheimer-Forschung ad absurdum führt. Alzheimer ist also kein Schicksal, das einen zwangsläufig im Laufe eines langen Lebens ereilt, Alzheimer ist Folge eines für die westliche Welt heute üblichen Lebensstils. Der ist geprägt von zu wenig körperlicher Aktivität, einer zu zucker- und stärkereichen Ernährung, Alkohol- und Zigarettenkonsum, zu viel Stress, dem Fehlen bestimmter essenzieller sozialer und seelischer Komponenten sowie posttraumatischer Belastungsstörungen. All diese Aspekte haben eine Gemeinsamkeit: Sie lassen sich nicht medikamentös behandeln.

Die gute Botschaft lautet daher: Wir können zwar nicht verhindern, dass unser Körper und damit auch unser Gehirn altern. Aber eine Vorbeugung der Alzheimer-Demenz und ihrer Vorstufen ist möglich – und sogar eine potenzielle Altersdemenz lässt sich hinauszögern, dafür gibt es zahlreiche Wege. Dies bestätigen aktuelle Studien wie etwa an der Universität von Kalifornien in Los Angeles durch den Neurologen Dale Bredesen oder die FINGER-Studie (siehe hierzu auch Textkasten Die FINGER-Studie), die erst im März 2015 in dem Wissenschaftsmagazin The Lancet publiziert wurde. Sie zeigen, dass schon mit wenigen Maßnahmen (Ernährung, Bewegung und Hirntraining) die Entwicklung und das Fortschreiten der Gedächtnisstörung aufgehalten werden können.

Denn unser Gehirn und insbesondere der Hippocampus, das Areal, in dem unsere persönlichen Erinnerungen aufbewahrt werden, verfügt über enorme Selbstheilungskräfte (allerdings nur, solange ausschließlich der Hippocampus befallen ist). So mag unser Gehirn das, was beispielsweise auch dem Herzen guttut: Bewegung und Training – in körperlicher wie geistiger Hinsicht. Dann können wir viel für unsere grauen Zellen tun, indem wir das Richtige essen und trinken, auf unsere Schlafqualität achten und ein anregendes Leben führen mit liebevollen Sozialkontakten und einer beständigen, vielfältigen Forderung unseres Denkorgans. All dies bringt gute Resultate. Ergänzend helfen bestimmte Superfoods, das Insulinsystem im Gehirn wieder zu stabilisieren und die Krankheit aufzuhalten. In der Summe können diese einfach umzusetzenden und das Leben im Hier und Jetzt bereichernden Maßnahmen, die wir Ihnen in diesem Buch vorstellen, die Angst vor dem Gespenst der Vergessenskrankheit nehmen!

So ließ selbst das Bundesministerium für Gesundheit im August 2013 verlauten: »Auch wenn die Ursachen der Alzheimer-Demenz noch nicht im Detail bekannt sind, lässt sich aus epidemiologischen Daten ableiten, dass zum Beispiel durch körperliche Bewegung und gesunde Ernährung, geistige Aktivität und soziale Teilhabe das Risiko, im späteren Leben an Demenz zu erkranken, verringert werden kann. Da der neurobiologische Krankheitsprozess bereits 15 bis 30 Jahre vor dem Auftreten der klinischen Symptome beginnt, ist die Prävention vor allem für die Altersgruppe ab 40 Jahren relevant.«2

Die Vergessenskrankheit

Ich wollte doch gerade irgendetwas sagen? Wie heißt noch mal der Schauspieler aus dem Film vom Samstag? Weißt du, wohin ich meinen Schlüssel gelegt habe? Was sollte ich jetzt noch mal einkaufen? Die Adresse von Tante Marie? Mir fällt das Wort nicht ein ...

Diese Fragen kommen Ihnen vielleicht bekannt vor. Und auch wenn Sie diese hin und wieder stellen, heißt das vielleicht nur, dass Sie momentan etwas unter Stress stehen, schlecht geschlafen haben oder unterzuckert sind, oder dass Ihr Gedächtnis ein bisschen nachlässt. Es heißt jedoch nicht, dass Sie eine beginnende Alzheimer-Demenz haben. Wichtig ist allerdings, dass Sie Gedächtnisstörungen nicht verdrängen, sondern ihnen im Zweifelsfall nachspüren sollten. Denn es lässt sich einiges für die grauen Zellen tun.

Wie alles begann

Die Alzheimer-Krankheit ist nach dem deutschen Neurologen Alois Alzheimer (1864–1915) benannt, der die Krankheit erstmals im Jahr 1906 wissenschaftlich beschrieben hat. Er zeichnete den Fall der 51-jährigen Auguste Deter aus Frankfurt am Main auf. Die Frau zeigte bei ihrer Einlieferung in eine »Irrenanstalt« Symptome der bislang für eher ältere Menschen typischen Kombination aus Misstrauen und Vergesslichkeit. Sie konnte sich nur noch an ihren Namen erinnern, aber keinem Gespräch folgen, da sie die Fragen sofort vergaß. Zwischendurch hatte sie immer wieder klare Momente und schilderte ihrem Arzt ihr Erleben: »Ich habe mich sozusagen selbst verloren.« Frau Deters Zustand verschlechterte sich rapide, und sie starb fünf Jahre später an Auszehrung.

Nach ihrem Tod obduzierte Alzheimer die Patientin und fand in dem geöffneten Schädel eine gelbliche Masse, die sich um das Gehirn und degenerierte Nervenzellen lagerte – die für die Erkrankung typischen Plaques. Diese werden erst seit etwa dreißig Jahren erforscht. George Glenner und Caine Wong von der University of California in San Diego beschrieben als Erste den Bestandteil dieser Plaques: Amyloid-Eiweiß. Fast zeitgleich entdeckte der deutsche Molekularbiologe Konrad Beyreuther von der Universität Köln das Protein. Gemeinsam mit dem australischen Forscher Colin Masters beschäftigte er sich mit der nach wie vor ungeklärten Frage, ob die Amyloid-Plaques dem Absterben der Nervenzellen vorangingen oder auf diese folgten. Auch spekulierten die Wissenschaftler darüber, ob die Erkrankung ähnlich wie die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK/Rinderwahn) infektiös sei. So argumentiert der britische Nobelpreisträger Stanley Prusiner schon seit Längerem, dass zahlreiche neurodegenerative Erkrankungen infektiöse sogenannte Prionenerkrankungen seien. Andere Forscher wie Mathias Juncker, Alzheimer-Experte am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung an der Universität Tübingen, gehen davon aus, dass Alzheimer nicht zu dieser Krankheitsform gehört, sich aber ähnlich entwickelt. So könnte ein Kern fehlgefalteter Eiweiße lange vor Manifestation der Erkrankung entstehen, die wie bei einer Prionenerkrankung wachsen. Fakt ist, dass die Rolle der Amyloid-Klumpen bis heute ungeklärt ist und es keine wirksame medikamentöse Therapie gegen Alzheimer gibt.

Bei den für die Alzheimer-Erkrankung typischen Ablagerungen handelt es sich zum einen um sogenannte senile Plaques. Sie bestehen aus Eiweißbruchstücken (Beta-Amyloid-Peptiden). Die anderen sind faserförmige Ablagerungen, sogenannte Neurofibrillenbündel aus abnormem, verklumptem Eiweiß (Tau-Protein mit zu viel angehängten Phosphatgruppen).

In der grauen Gehirnsubstanz von Alzheimer-Patienten finden sich nach der Autopsie Plaques in besonders hoher Dichte. Die Ablagerungen bestehen aus einem zentralen Amyloid-Kern. Er wird umgeben von krankhaft veränderten Nervenzellfortsätzen, verminderten Synapsen (das sind spezielle Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen) und aktivierten Astrozyten (der häufigste Zelltyp im Gehirn). Bei vielen Patienten lagert sich das Amyloid auch in der Wand kleiner Blutgefäße ab. Dadurch kann sich deren Durchlässigkeit verschlechtern, was die Sauerstoff- und Energieversorgung des Gehirns beeinträchtigt.

Warum es zu der krankhaften Anhäufung des Beta-Amyloids kommt, ist ungeklärt. Denn das Eiweiß wird bei jedem Menschen ständig und ein Leben lang hergestellt. Die höchsten Konzentrationen finden sich dabei in den Nervenzellen, wo das Beta-Amyloid als Nebenprodukt eines normalen Stoffwechselprozesses anfällt. Im Lauf des Alterungsprozesses, so die Vermutung der Wissenschaftler, wird in der grauen Substanz zwischen den Nervenzellen vermehrt Amyloid abgelagert.

Diese »normalen« senilen Plaques sind aber wesentlich seltener, als das bei Alzheimer-Demenz der Fall ist. Typisch für die Alzheimer-Krankheit ist auch, dass es zum Verlust von Synapsen und im weiteren Verlauf zum Absterben von Nervenzellen kommt. Dies ist mit der Bildung von abnorm verändertem Eiweiß (Tau-Protein) vergesellschaftet, das sich in Form von Fäserchen (Fibrillen) im Gehirn ablagert. Dabei handelt es sich um die bereits von Alois Alzheimer beschriebenen Neurofibrillenbündel. Diese in vielen Nervenzellen nachweisbaren Knäuel bestehen aus dem sogenannten Tau-Protein, einem normalen Zellbestandteil. Bei der Alzheimer-Krankheit wird das Tau-Protein jedoch übermäßig mit Phosphatgruppen beladen. Dadurch können in der Zelle Stabilisierungs- und Transportprozesse gestört werden, was letzten Endes zu ihrem Untergang führt.

Bei »Stromausfall« entstehen Eiweißablagerungen: Eiweiße werden falsch verarbeitet. Sie verklumpen und verkleben und können so von der körpereigenen Müllabfuhr nicht mehr entsorgt werden.

Proteine sind als Signalträger und -empfänger, Wächter, Trafostation, Arbeitstiere für alle Funktionen des Körpers von essenzieller Bedeutung. Für ihre jeweiligen Aufgabenbereiche müssen sie richtig »gefaltet« und in eine dreidimensionale Form gebracht werden. Fehlerhaft gefaltete Proteine und Ablagerungen verursachen einen Rückstau und aktivieren mehrere Notfallpläne der Zellen, um des Stresses Herr zu werden. Entzündungsbotenstoffe, Mikroglia, Astrozyten und viele weitere Sondereinheiten des Immunsystems mit einer Serie von Notfallproteinen werden ins Feld geschickt. Reparatur- und Kontrollsysteme werden hochgefahren – so lange, bis die Katastrophe überwunden erscheint.

Der entscheidende Moment liegt in der Genialität einer ökonomischen Faltung von Proteinen: Hier spielt eine spezialisierte Glykoprotein-Familie, die Chaparone, eine wichtige Rolle. Sie verhindern nicht nur, dass die Proteine verklumpen, sondern auch, dass sie den Faltungsprozess dramatisch beschleunigen.3

Auf diese Weise kann ein pathologischer Rückstau mit Verklebungen und Ablagerungen verhindert werden. Proteine können auf diese Weise schneller gefaltet als synthetisiert werden. Dies eröffnet genügend Spielraum für physiologisch notwendige Reparaturmaßnahmen.

Zwischendurch eine »Preisfrage«

Was schätzen Sie? Wie viele Schädigungen, mit der entsprechenden Anzahl an Reparaturen, muss eine Zelle pro Tag bewältigen? 5, 100, 1500, 50000 oder 1000000?

Die richtige Antwort haben die Nobelpreisträger 2015 im Fachbereich Chemie herausgefunden. Als Biochemiker haben alle drei die Prozesse dieser Reparatur schon seit den Siebzigerjahren erforscht. In der Tat schafft es der Körper, eine Million Schädigungen pro Zelle und Tag erfolgreich zu reparieren. Unsere Gesundheit hängt damit grundsätzlich von den körpereigenen Reparaturwerkstätten in und zwischen unseren Zellen ab.

Den Super-GAU für Proteine, für deren regelrechte Faltung und ihren planmäßigen Abbau bieten ein Blick in Ihr Blut und ein einfaches, Beispiel aus Ihrer Küche: Wenn Milch im Kochtopf anbrennt, reagieren der Zucker und das Eiweiß der Milch miteinander, indem die Verbindung karamellisiert, um dann verkohlend im Topf festzubrennen. Dieser Prozess wird »Glykierung« genannt und heißt »Maillard-Reaktion«. Wenn die Proteine in Ihrem Organismus mit zu viel Zucker anbrennen, finden genau diese »Glykierungsreaktionen« in den Zellen statt. Am besten bekannt ist der verklebende, verzuckernde Prozess der Glykierung im Zusammenhang mit dem HbA1c, dem Langzeitmessparameter des Blutzuckerspiegels. Je höher der Wert, umso mehr Proteine sind im Körper angebrannt, funktionsunfähig; sie verklumpen und rufen den Katastrophenalarm in den Zellen aus.

Sicher wissen wir heute, dass toxische Verklumpungen und Ablagerungen nicht vom Himmel fallen. Überfälle und Katastrophen aus der Umwelt richten Schaden an und führen zu biologischen Reaktionen und Abwehrmechanismen. So sollten Ablagerungen und Aggregationen verschiedener Art bei den allermeisten zuckerassoziierten Zivilisationserkrankungen zu finden sein. Genau dies ist tatsächlich der Fall: Toxische Aggregationen, Einschlusskörperchen, Überlastungen der körpereigenen Müllabfuhr sind neben der Alzheimer-Demenz geradezu typisch auch für die Parkinson-Erkrankung, die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und Chorea Huntington (älterer Name: »Veitstanz«).

Die hoffnungsvolle Botschaft lautet: Sehr viele präventive Hebel liegen in unserer eigenen Hand. Mehr noch: Es gibt einfache körpereigene Instanzen und Substanzen, die einen regelrechten Proteinstoffwechsel fördern; die sogar helfen können, bestehende Ablagerungen einer gelingenden Entsorgung zuzuführen.4

Charakteristisch für die Alzheimer-Demenz ist auch die veränderte Konzentration von bestimmten Botenstoffen (Neurotransmittern) im Gehirn. Dazu gehören vor allem Acetylcholin und Glutamat. Beide Stoffe sind für die normale Funktion der Nervenzellen und die Signalübertragung wichtig. Da Neuronen in verschiedenen Gehirnarealen absterben, führt dies einerseits dazu, dass es zu einem Acetylcholin-Mangel kommt. Andererseits wird übermäßig viel Glutamat gebildet.

Neurotransmitter

In unserem Gehirn kommunizieren ständig hundert Milliarden Nervenzellen miteinander im Dienste eines größeren Netzwerks mit anderen Zellarten im Körper. Das geschieht entweder durch elektrische Impulse oder über verschiedene biochemische Moleküle. Diese Überträgersubstanzen nennt man Neurotransmitter. Sie übertragen Informationen zwischen den Neuronen an den Synapsen. Alle körperlichen Funktionen wie auch unser Denken, Fühlen und Handeln werden von ihnen maßgeblich beeinflusst. Gerät das komplexe System beispielsweise durch Hormonstörungen, Stoffwechselprobleme oder neurodegenerative Erkrankungen wie etwa die Alzheimer-Krankheit aus dem Lot, hat dies schwerwiegende Folgen.

Der wichtigste Neurotransmitter des peripheren Nervensystems ist Acetylcholin. Der Botenstoff vermittelt die Übertragung von Nervenimpulsen zur Muskulatur. Zudem spielt Acetylcholin eine wichtige Rolle im vegetativen Nervensystem, das Atmung, Herzschlag und Stoffwechsel kontrolliert.

Glutamat ist im Gehirn von zentraler Bedeutung. Es ist an fast allen Hirnfunktionen beteiligt und insbesondere für die Bewegungssteuerung, Sinneswahrnehmung wie auch das Lernen und die Gedächtnisbildung unabdingbar. Bei Alzheimer-Patienten ist die Freisetzung und Aufnahme von Glutamat beeinträchtigt. Auch dürfte der Botenstoff an der Entstehung epileptischer Anfälle beteiligt sein.

GABA (Gamma-Amino-Buttersäure) ist ein hemmender Neurotransmitter im Gehirn, quasi ein körpereigenes Beruhigungsmittel. Dockt er an den Rezeptor an, so setzt er die Erregbarkeit der Nervenzellen herab. Somit ist GABA gewissermaßen der Gegenspieler von Glutamat.

Aufmerksamkeit, Lernfähigkeit, motorische Aktivität – für all diese Funktionen braucht unser Hirn Dopamin. Bei Parkinson-Patienten führt ein Dopaminmangel dazu, dass Bewegungsimpulse nicht mehr richtig weitergegeben werden. Gleichzeitig führt ein Überschuss an Acetylcholin und Glutamat zu Zittern und der Muskelsteifheit.

Lange Zeit »vergessene« Pioniere auf dem richtigen Weg: Der Heidelberger Neurowissenschaftler und Spezialist auf dem Gebiet, der Neuropathologe Prof. Dr. Siegfried Hoyer, entdeckte schon 1987, dass das Gehirn von Patienten mit der Alzheimer-Erkrankung durch eine Störung des Energiestoffwechsels geprägt wird. Als erfahrener Chef der Neuropathologie vermutete Hoyer, dass die bis dato im Alzheimer-Krimi Hauptverdächtigen, nämlich die Beta-Amyloid-Ablagerungen sowie die falsch verknoteten Tau-Proteine, nicht Ursache, sondern Folge einer tiefer liegenden Energiehaushaltsstörung sein müssten.5

Die Zusammenhänge dieser Energiekrise im Gehirn und die tatsächlich ursächlich nur noch verminderte Verwertungsmöglichkeit der Nervenzellen, Glukose aufzunehmen, konnte in Hoyers Heidelberger Abteilung erstmals nachgewiesen werden. In diesem Rahmen entwickelte Hoyer ein wegweisendes und heute mehr denn je wichtiges, etabliertes Tiermodell zur Alzheimer-Demenz.

Wie konnte das gelingen? Die Universitätsmedizin Heidelberg konnte unter Hoyers Regie zuvor schon zeigen, wie sich die Diabetes-Typ-2-Erkrankung zentral auf Insulinresistenz, Hyperinsulinämie und eine Zuckerverwertungsstörung zurückführen lässt. In einem Tiermodell konnten Hoyer und Kollegen mit dem Giftstoff Streptozotocin die Insulinbindestellen blockieren (ausknocken) – und damit augenblicklich einen Diabetes Typ 2 auslösen. Zu hohe Zuckerspiegel im Blut, mangelnde/keine Glukose in der Zelle und generalisierter Energiemangel waren die klassischen Folgen.

Über den brillanten Einfall, dass Insulin und seine Bindestellen auch im Gehirn eine existenzielle Rolle spielen müssten, wurde das Zellgift für Insulinrezeptoren Streptozotocin nun auch in das Gehirn von Tieren injiziert. Und tatsächlich, alle behandelten Tiere entwickelten das vollständige Bild einer Alzheimer-Erkrankung. Klinische Testverfahren, Orientierungstests, Gedächtnis und Fehlverhalten konnten wissenschaftlich ebenso einwandfreie Ergebnisse bestätigen wie die spezifischen pathologischen Detailuntersuchungen im Gehirn der toten Tiere. Der Begriff »Diabetes Typ 3« wurde vor diesem Hintergrund in Heidelberg vor drei Jahrzehnten eingeläutet.

Mehr noch: Erstmals konnten die biologischen Ausläufer der zentralen Insulinresistenz-Signal-Kaskade im Rahmen der Alzheimer-Demenz eindrücklich entschlüsselt werden. So konnten die Zusammenhänge, wie die geschädigten Insulinrezeptoren und die Insulinresistenzbedingungen sich auswirken, aufgezeigt werden. Sie führen zu:

•stoffwechselbedingten Entzündungen,

•eskalierendem oxidativem Stress,

•fehlerhaften Enzymaktivitäten,

•einem Abbaustopp des Amyloid-Vorläufers,

•Amyloid-Ablagerungen,

•der Anhäufung von verklebten und verklumpten Tau-Eiweißen,

•überforderten »Müllentsorgungsmaschinerien« und schließlich

•zu verzweifelten entzündlichen Veränderungen mit Nervenzelltod.

Beta-Amyloid und verklumpte Eiweiße sind also tatsächlich Folgen, zum Teil auch Ausdruck verzweifelter Reparaturmaßnahmen und nicht Ursachen der Alzheimer-Störung.

Mit einem Beispiel können Sie sich dies einfacher vor Augen führen. Stellen Sie sich vor, jemand zündelt mit Streichholz und Papier. Eine Flamme sticht hoch, es beginnt zu brennen, das kleine Feuer greift auf das Zimmer und das ganze Haus über, die Feuerwehr tritt ein und löscht, am Ende bleibt verkohltes Holz und ein größerer Wasserschaden im Fundament und Gemäuer des Hauses bestehen. Sicher sind wir uns einig, dass weder das verkohlte Holz noch der sichtbare Wasserschaden und auch nicht die Feuerwehr als Übeltäter verfolgt werden oder als schuldig verurteilt werden sollten.

Ein grundlegendes und heute weltweit genutztes Tiermodell zur Alzheimer-Demenz war geboren. Exzellente Mitarbeiter der Heidelberger Gruppe verfolgten diese Forschung konsequent weiter. Eine Schülerin von Hoyer, Prof. Dr. Melita Salkovic-Petrisic (heute Chefin des Nationalen Hirnforschungszentrums in Zagreb und gleichzeitig Direktorin der Universität für Neuropathologie), etablierte diese Pionierarbeiten gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Peter Riederer am Universitätsklinikum Würzburg.6 Leider zeigte die medizinische Fachwelt in jenen Jahren kein Interesse mehr an dieser Stoffwechselforschung.

Prof. Dr. Hartmut Heine von der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin schrieb bereits 2001: »Das hohe Potenzial struktureller Diversität der Kohlenhydrate macht Zuckerpolymere zu unübertroffen effizienten Trägern von Information … Zuckermoleküle stellen daher neben Nukleinsäuren und Proteinen ein eigenes Alphabet des Lebens dar, das entschlüsselt werden muss, wenn man die Lebensvorgänge umfassender als bisher verstehen will. Das scheint in der allgemeinen Euphorie der Entzifferung des Genoms vergessen worden zu sein.«7 Von ihm haben wir ebenfalls wertvolle Anregungen erhalten.

Wohl auch mit dem Blick auf lukrative Märkte verrutschte das Interesse der Pharmaforschung in Richtung Antidementiva und »Impfungen« gegen Alzheimer. – Fatal: Wie schon vor etwa dreißig Jahren vorhergesagt, mussten diese Ansätze nicht nur scheitern, sondern richteten nur zusätzlichen Schaden an. Kritische Wissenschaftler und Autoren wie Peter Gotzsche8 und Ben Goldacre9 zeigen eindrücklich und fundiert auf, wie ungünstige Studienergebnisse verfälscht und zurückgehalten werden. Wie Medikamente auf den Markt gedrückt werden, die den Betroffenen Schaden zufügen.

Prof. Hoyer offenbarte sich mir und unserer Alzheimer-Forschungsarbeitsgruppe über die Fakten dieser »ver-rückten« Hintergründe schon viele Jahre zuvor als »außer sich vor Wut«. Die Begegnung mit ihm sollte sich 2001 als ein einschneidendes Jahr für den Verlauf weiterer Forschungen entpuppen.

Gemeinsam mit dem Direktor der Abteilung für Molekularbiologie und Biochemie an der Charité Berlin, Prof. Dr. med. Werner Reutter, und der schon erwähnten Prof. Dr. Melita Salkovic-Petrisic in Zagreb wurde in Konstanz eine Fortsetzung der Heidelberger Forschung eingeleitet. Die sehr gut dokumentierten Konzepte der bisherigen Tiermodelle und Ergebnisse wurden übernommen und mit einem bis dato neuen diätetischen Therapieansatz kombiniert.

Der darüber hinausführende revolutionäre Ansatz lautete: Die für Alzheimer typischen Diabetes-Typ-3-Veränderungen müssten als Ausdruck einer Stoffwechselentgleisung reversibel sein. Die Regulation und Stärkung des Energiestoffwechsels sollten neuroregenerative Prozesse und zelluläre Reparatur ermöglichen.

Dazu Prof. Dr. Melita Salkovic-Petrisic, kurz vor Beginn unserer gemeinsamen Experimente zu meiner Hypothese, im März 2003 in Zagreb: »Glaubst du wirklich daran? Du weißt, dass das sehr kühne Gedanken sind? Es wäre so bahnbrechend, dass ich die aufwendigen Untersuchungen durchführen werde, auch wenn ich noch nicht daran zu glauben wage.«

Aufgrund mehrerer sehr guter klinischer Verbesserungen von Patienten mit der Alzheimer- und Parkinson-Erkrankung, die wir im Konstanzer Zentrum reproduzierbar empirisch erleben konnten, und des persönlichen Erlebens mit Bezeugung dieser Resultate durch Prof. Dr. med. Werner Reutter waren wir davon überzeugt, diese Ergebnisse über die Verwendung des etablierten Tiermodells reproduzieren, besser verstehen, im Detail erforschen und grundsätzlich beweisen zu können.10 Die Forschungsresultate und Ergebnisse nach höchsten wissenschaftlichen Gütekriterien, auch in fünfmaliger Wiederholung, bestätigten und belegten unsere Arbeitshypothesen eindeutig.

Trotz einwandfreier Vorgehensweisen erlangten diese Erkenntnisse, wie uns auch von Prof. Hoyer vorhergesagt, keine Beachtung in der Fachwelt.

Auch andere Forschungsgruppen sind auf derselben Spur. Allen voran die Vorreiterin in den USA, Prof. Dr. med. Suzanne de la Monte, und Prof. Dr. med. Jack R. Wands,11 auf die wir noch mehrmals zurückkommen werden. Die sich heute abzeichnenden Potenziale in Richtung Therapie und Prävention sind sehr vielversprechend.

Lange gingen Wissenschaftler davon aus, dass es bei Alzheimer-Patienten zu einem Absterben der Nervenzellen kommt. Erst 2007 haben Göttinger Forscher herausgefunden, dass die Nervenzellen nicht untergehen, sondern in ihrer Funktion gestört werden. Der Grund sind Eiweißablagerungen an den Synapsen, welche die Signalübermittlung zwischen den Nervenzellen hemmen und den Energiefluss stören. In der Folge verkümmert die Empfängerseite von Signalen in den Synapsen, und die Knospen der Nervenzellfortsätze ziehen sich zurück. Die Nervenzellen selbst überleben aber zunächst. Nach und nach geht das Hirngewebe im Verlauf der Erkrankung zurück (Atrophie), und je nach geschädigtem Hirnareal lassen die dort befindlichen Funktionen und Fähigkeiten nach.

Wenn die Energiekraftwerke der Zellen aus dem Takt geraten, »geht das Licht aus«. Über viele Jahre, ja, tatsächlich bis heute, werden Experten mit dem Schwerpunktbereich Mitochondrien gern in die Ecke der »Alternativmedizin« abgeschoben. Seit circa zwei Jahren erleben die Mitochondrien und der Energiestoffwechsel der Zellen neue Aufmerksamkeit in der Welt der Wissenschaft.

So konnten Forscher um Prof. Dr. Iris Tatjana Kolassa an der Universität in Ulm zeigen, dass »Mitochondrien auf Notstrom« eine wichtige Rolle für das Verständnis psychiatrischer Erkrankungen spielen. Speziell bei Patienten mit der Diagnose Depression konnten verminderte und gestörte Mitochondrienaktivitäten mit entsprechendem Energie-ATP-Mangel, nachgewiesen werden.12

Dr. Peizhong Mao und Dr. P. Hemachandra Reddy (Labor für Neurogenetics an der Oregon Health & Science University) sowie Prof. Dr. Lukas Haider vom Universitätsklinikum Wien konnten mit ihren Arbeiten 2014 und 2015 die zentrale Rolle der Mitochondrien im Prozess der komplexen Maschinerie zum Nervenzellsterben sehr detailliert herausarbeiten.13 Mit einfachen Worten: »Ohne Energie nix los!«

Ja, es gibt ein großes Potenzial für die erfolgreiche Therapie einer Vielzahl von neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Morbus Parkinson.

Ein Meilenstein des nicht mehr aufzuhaltenden Paradigmenwechsels basiert darauf, nicht die letzten biologischen Ausläufer und Folgen der Energiehaushaltskrise zu bekämpfen, sondern ganz vorn in der Kaskade, bei den Ursachen, die Mitochondrien und den Energiehaushalt zu stärken.

»Stromausfall« ...

Ein »Stromausfall« wirkt schwer. Tiefgreifende Folgen von funktionellen mitochondrialen Dysfunktionen:

•belasten die schnellen Kommunikationswege innerhalb der Zellen,

•beeinträchtigen die mitochondrialen Enzyme,

•reduzieren die mitochondrialen DNA-Reparaturmechanismen,

•lösen Übersetzungsfehler in der Gentranslation und

•dem epigenetischen posttranslationalen Feinschliff von Genen aus,

•verursachen über den vermehrten oxidativen Stress Gegenreaktionen, welche

•die Weichen auf Entzündung stellen,

•verursachen Kurzschlüsse im Proteinstoffwechsel und

•erhöhen die Zahl falsch gefalteter Proteine,

•leiten den Kollaps der Proteasomen-Müllabfuhr ein,

•läuten erhöhte Spiegel von toxischem Calcium ein,

•lösen Eisen aus seinen Verbindungen aus dem Myelin heraus und

•hebeln die Kontrollmechanismen der physiologischen Entsorgung alter Mitochondrien, die sogenannte Mitophagie, aus,

•belasten die kollabierte Mitophagie neben den Proteasomen, die Lysosomen und die Endosomen;

•schließlich leiten weitere Ablagerungen und toxische Aggregationen den letzten Schritt der Eskalation ein: das Absterben der Nervenzellen und den Untergang ganzer Nervenzellnetzwerke.

Ein kleines Beispiel soll die Situation anschaulich machen: Stromausfall in der Stadt. Das Licht geht aus, die Waschmaschine lässt sich ebenso wenig einschalten wie der Fernseher oder die Stereoanlage. Kaffeemaschine und Backofen streiken genauso wie Ihre Heizung, der Warmwasserboiler und die Ladegeräte Ihres Laptops und Ihrer Mobiltelefone. Die Akkus erhalten ihre Kommunikationsoptionen eine Weile aufrecht, dann sind sie vom Netz abgeschnitten. Ihr Elektromobil lässt sich nicht mehr einschalten. Stillstand.

Ein Tag – kein Problem. Über längere Zeit ergeben sich zahllose Schwierigkeiten. Wir spinnen den Gedanken weiter: Mit gut gemeinter Absicht stellen sich mehrere Spezialisten für mögliche Reparaturen der vielfältigen Probleme in Ihrem Haus bei Ihnen ein. Dummerweise haben Sie noch nie etwas von einem Stromausfall gehört. Um den Fehler zu finden, zerlegen sie alle Ihre Geräte in entsprechende Einzelteile ... Erfolglos gehen Sie schlafen.

In der Nacht kommen weitere Spezialisten zu Hilfe. Auch sie haben von einem Stromausfall noch nichts gehört und wissen nichts von den zuvor angetretenen Spezialisten. Sie finden ein unübersichtliches Chaos von kleinen sinnlosen Einzelteilchen vor. Die schnelle Analyse erscheint offensichtlich: alles kaputt! Sofort abräumen, ausräumen, entsorgen und vernichten.

Die Moral von der Geschichte: Vorsicht! Ohne das zentrale Wissen um die Hintergründe des Stromausfalls kommen wir nicht weiter. Falsche Schlussfolgerungen und nicht durchdachte Hilfsaktionen verursachen neben den Problemen der Energiehaushaltskrise bleibende tiefer greifende strukturelle Schäden.

Vom »Eingang« zur »Direktion«

Ein weiterer Vergleich: Alle Nährstoffe und Stresssignale werden vom Äußeren der Zelle über Bindestellen wie den Insulinrezeptor ins Zellinnere übersetzt. Nach dem »Öffnen der Tür« über diese Insulinbindestelle existiert im Zellinneren ein großes Sekretariat (das Insulinrezeptorsubstrat, IRS), welches diese Informationen zielgerichtet in unterschiedliche Richtungen weitervermittelt. Ein wichtiger Weg (für die langfristige Kalkulation der Zelle) entscheidet durch die »Geschäftsführung« der MAPK (Mitogen aktivierende Proteinkinase), welche Gene im Zellkern den Bedarfsbedingungen angepasst abgelesen werden. Der zweite große Informationsfluss führt über die »höhere Verwaltungsebene« (mit der Regulation von oxidativem Stress) PI3K zum »Direktor des Tagesgeschäftes«, der GSK-3 (Glykogen Synthase Kinase 3) alpha und beta. Erst an dieser Stelle kann, unter Bedingungen des regelrechten, reibungslosen und schnellen Informationstransfers, über die Anlage und Mobilisierung von Energiespeichern entschieden werden. Dies entspricht der Glykogensynthese und Mobilisierung. An dieser Stelle entscheidet sich auch, ob wichtige Nervenzellwachstumsfaktoren (BDNF/GDNF) für die Entwicklung und Regeneration in Gang gesetzt werden – oder eben nicht.

Nach physiologischen Informationsübersetzungswegen (Insulinsignal-Transduktionskaskade) kann die »Direktion des Tagesgeschäftes« über die Feinabstimmung regelrechter neuronaler Reife und Entwicklung entscheiden. Zytoskelett, Zelladhäsionsmoleküle, Transmembranproteine, genregulatorische Proteine und Proteasen werden im Dienste regelrechter Entwicklung über die »Direktion des Tagesgeschäftes« GSK 3 und Beta-Catenin orchestriert.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die größten und ursächlichen Wirkungen für regenerative Wege an der Schnittstelle des Insulinrezeptors liegen – und eben nicht in sehr weit nachgeschalteten fehlgesteuerten Schlüsselenzymen. Damit entpuppen sich einfache Ernährungsstrategien, Bewegung und stressregulative Maßnahmen als äußerst wirksam – bis hinein in die zelluläre Strukturentwicklung des Organismus.

Auch im Jahr 2016 ist die genaue Ursache für die Alzheimer-Erkrankung nicht bekannt. Und es sind nur wenige Medikamente zur Behandlung zugelassen; diese können den Krankheitsverlauf jedoch weder stoppen noch ihn umkehren. Man weiß aber, dass bestimmte Änderungen des Lebensstils, je frühzeitiger sie stattfinden, die Erkrankung verhindern, ihren Beginn hinauszögern oder ihren Verlauf mildern können.

Vorbeugende Maßnahmen

Vorbeugend gegen Alzheimer-Demenz wirken vor allem die folgenden Maßnahmen:

•mit dem Rauchen aufhören,

•den Blutdruck im Auge behalten,

•regelmäßig tägliche körperliche Aktivität,

•eine gesündere Ernährungsweise (viel Ballaststoffe, Gemüse, nicht zu süßes Obst, gesunde Fette, Eiweiß, wenig Fleisch),

•ausreichend Schlaf,

•sinnstiftende Tätigkeiten,

•soziales Miteinander und

•Anti-Stress-Maßnahmen.

Mehr dazu erfahren Sie im Kapitel Licht im Kopf – was ich für mich tun kann.

Doch auch wenn die Forschung bei der Ursachenfindung nach wie vor im Dunkeln tappt, so weiß man doch bereits viel über die Krankheit. Unser Gehirn, in dem unzählige chemische Reaktionen im Dienste des Informationsnetzwerks im Körper stattfinden, ist einem fein abgestimmten Gleichgewicht von Botenstoffen und Überträgersubstanzen unterworfen. Gerät dieses aus dem Ruder, weil eine oder mehrere Substanzen zu wenig oder zu viel produziert werden, so können das Gehirn und andere zentrale Organe des Körpers Schaden nehmen.

Einer der Stoffe, die hier als besonders schädlich identifiziert wurden, ist das Schlüsselhormon Insulin, das sowohl in der Bauchspeicheldrüse als auch im Gehirn produziert wird. Vor knapp zehn Jahren beschrieb die Wissenschaftlerin Dr. Suzanne de la Monte von der Brown University erstmals die Alzheimer-Erkrankung als Typ-3-Diabetes. Sie bezog sich dabei auf eine der bekanntesten Anzeichen der Krankheit: Insulinmangel und Insulinresistenz im Gehirn. Dazu muss man wissen, dass alle Zellen Glukose (Traubenzucker) als Treibstoff bevorzugen, das Gehirn ist sogar darauf angewiesen. Damit die Glukose aus dem Blut in die Zellen geschleust werden kann, braucht es einen Schlüssel. Insulin. Funktioniert dieser nicht mehr richtig, stört dies den Zellstoffwechsel. Zellen können sich nicht mehr regenerieren, es kommt zu Fehlfunktionen und zum Zelltod. Dieser Prozess setzt bereits Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome der Alzheimer-Erkrankung ein.

Ein Blick ins Gehirn

Was bedeutet Alzheimer-Demenz? Das Wort leitet sich vom lateinischen dementia ab, das man wortwörtlich als »ohne Sinn, ohne Verstand« übersetzen kann. Dabei ist der Begriff im Grunde irreführend, denn ein demenzkranker Mensch ist absolut im Vollbesitz seiner Sinne. Er fühlt und nimmt alles um sich herum wahr, allerdings kann er Signale und Sinneseindrücke von außen nicht mehr angemessen bearbeiten.

Insofern handelt es sich bei einer Alzheimer-Demenz eher um eine kognitive Störung, bei der die Übertragungswege nicht mehr funktionieren. »Kognitiv« bedeutet, dass alles, was mit unserem Geist zu tun hat, von dieser Störung betroffen ist. Dazu gehören das klare Denken, eine verständliche Zusammensetzung der Sinneseindrücke von außen (»Das ist so, weil ...«), die Fähigkeit, Sinneseindrücke aufgrund von Erlebtem und Erinnertem richtig einordnen zu können, das Nachvollziehen von Gedanken oder das Zur-Handlung-werden-Lassen eines Gedanken (also das zu tun, wofür wir uns entschieden haben).

Man kann die Alzheimer-Krankheit auch als Umkehrung der menschlichen kognitiven Entwicklung verstanden sehen. So ergab eine im Jahr 1996 von einer amerikanischen Arbeitsgruppe um die Wissenschaftler M.A. Matteson und M.J. Lichtenstein durchgeführte Untersuchung an Alzheimer-Patienten, dass die intellektuellen Beeinträchtigungen exakt entlang der von dem Schweizer Entwicklungspsychologen Jean Piaget definierten Stufen der intellektuellen Entwicklung eines Kindes verlaufen, allerdings in umgekehrter Richtung.

Spezielle Folterknechte

Die englische Bestsellerautorin Joanne K. Rowling, deren Mutter an der neurodegenerativen Erkrankung multiple Sklerose verstarb, beschreibt in ihrem »Harry-Potter«-Roman Der Gefangene von Askaban das Phänomen Demenz sehr eingängig anhand der Gestalt von speziellen Folterknechten, genannt »Dementoren«. Vor diesen bösartigen, weil durch und durch fühllosen magischen Wesen hat die ganze Zauberergesellschaft große Angst. Diese saugen ihren Opfern die Seele und den Verstand aus dem Leib, wobei die Persönlichkeit schwindet. Zurück bleibt ein noch funktionsfähiger Körper: »Du kannst ohne deine Seele existieren, solange dein Gehirn und Herz noch arbeiten. Aber du wirst kein Selbstgefühl mehr haben, keine Erinnerungen, kein … nichts.« Dieser Prozess lässt sich aber aufhalten, indem man sich schützt. Im Buch ist es eine Ressource, aus der man schöpft: Liebe und die Erinnerung an Glücksmomente. Auch im richtigen Leben spielen diese Ressourcen neben anderen Maßnahmen, die man Tag für Tag praktizieren kann, eine wichtige Rolle bei der Demenzvorbeugung und -behandlung.

Bei einer Demenz sind die empfindlichsten Teile unserer Steuerzentrale im Kopf betroffen, nämlich die, die für unser Gedächtnis und die Fähigkeit zu denken zuständig sind. Andere Teile, wie etwa das Atemzentrum im Hirnstamm, bleiben bei einer Demenz wie auch bei einem gesunden Menschen völlig intakt. Diese Areale sorgen für unser Überleben. Aus biologischer Sicht mag es Sinn machen, dass wir weiteratmen, uns aber nicht mehr an eine Telefonnummer oder einen Namen erinnern können. Das Dramatische der Erkrankung ist, dass sich die Betroffenen absolut gewahr darüber sind, was mit ihnen geschieht. Sie erleben die Veränderung Schritt für Schritt mit, haben Angst und fühlen sich zunehmend hilflos, denn die Demenz verläuft nicht nur schleichend, sondern kontinuierlich.

Das Gehirn als hochkomplexe Steuerzentrale für alle Lebensfunktionen ist eines der Merkmale, die uns mit den Primaten verbinden. Dieser Teil des Zentralnervensystems (ZNS) verarbeitet Sinneseindrücke, koordiniert komplexe Verhaltensweisen und ist der Ort, in dem alle überlebenswichtigen Informationen für den Organismus zusammentreffen und verarbeitet werden.

Vereinfachend kann man das Gehirn in das entwicklungsgeschichtlich jüngere Großhirn, das Kleinhirn und den älteren Hirnstamm unterteilen. Als Hirnstamm oder Stammhirn bezeichnet man alle Strukturen zwischen Großhirn und Rückenmark, also das Zwischenhirn, das Mittelhirn, die Hirnbrücke und das verlängerte Mark. Das Großhirn macht mit 85 Prozent der gesamten Hirnmasse den größten Teil aus und ist der am weitesten entwickelte Bereich. Die Hirnrinde (Cortex) ist zwischen 3 und 4 Millimeter dick und besteht aus grauer Gehirnsubstanz, die die innere weiße Gehirnsubstanz umhüllt. In der grauen Substanz liegen die Nervenzellen; Bereiche, in denen markhaltige Nervenfasern verlaufen, heißen weiße Substanz. Im Großhirn befindet sich das Zentrum für Informationsverarbeitung und den Entwurf von Bewegungsabläufen (motorische Programme). Außerdem sind hier das Gedächtnis, die Fähigkeit zu assoziativem Denken, das Bewusstsein und der Intellekt verortet.

Durch eine Furche wird das Großhirn in eine rechte und linkeHemisphäre geteilt. Diese überdecken die darunter liegenden Gehirnabschnitte bis zum Kleinhirn. Verbunden sind die Hälften durch einen dicken Strang aus weißen Nervenfasern, den Gehirnbalken (Corpus callosum). Er dient dem Informationsaustausch der beiden Hemisphären, die jeweils hoch spezialisiert sind. So liegen in der linken Hälfte die sprachlichen, arithmetischen und begrifflichen Hirnfunktionen, in der rechten das räumliche Vorstellungsvermögen und das Verständnis für Musik. Diese unterschiedlichen Funktionen bilden sich bei jedem Menschen im Lauf seiner Entwicklung unterschiedlich aus. Wird eine Gehirnhälfte durch einen Unfall, eine Verletzung oder eine Erkrankung geschädigt, führt dies zum Ausfall aller sensorischen und motorischen Funktionen auf der gegenüberliegenden Körperseite. Ist zum Beispiel ein Teil des linken Schläfenlappens geschädigt, so ist das Sprachverständnis beeinträchtigt. Bei einem beschädigten rechten Schläfenlappen kann man keine Gegenstände mehr erkennen oder räumlich wahrnehmen.

In jeder Hemisphäre lassen sich fünf durch Furchen getrennte Lappen unterscheiden: Stirn-, Scheitel-, Schläfen- und Hinterhauptlappen sowie die Insel, die sich im Inneren des Gehirns befindet. Die Großhirnrinde ist durch Nervenfasern eng vernetzt. Trotzdem lassen sich einzelne Funktionsfelder unterscheiden.

Im Stirnhirn(präfrontaler Cortex) befinden sich die Funktionen von Intelligenz, Sprache, die Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen sowie die Bewegungssteuerung. Zugleich hat der präfrontale Cortex auch eine Verbindung zum limbischen System und empfängt von hier aus alle Emotionen, die er auswertet. Auf deren Grundlage werden Handlungen und soziales Verhalten geplant. Das Stirnhirn sorgt durch das Zusammenspiel mit dem limbischen System für angemessene motorische und/oder emotionale Reaktionen.

Im Scheitellappen sitzen die Hörrinde und das Sprachverständnis. Hier erfassen wir abstrakte mathematische Probleme und Musik. Der Schläfenlappen ist wichtig für das Gedächtnis und Emotionen, auch ein Teil des visuellen Arbeitsgedächtnisses befindet sich hier, wo vermutlich visuelle Eindrücke entstehen.

Im hinteren Teil des Großhirns(Okzitipallappen) liegt die Sehrinde, wo visuelle Reize wahrgenommen, gespeichert und sinnvoll zugeordnet werden. Hier sitzt auch unsere räumliche Aufmerksamkeit sowie das räumliche Denken.

Die Insel (Insula) liegt verborgen in einer tiefen Furche oberhalb des Schläfenlappens. Hier machen wir uns ein Bild unseres Selbst: Alle Daten aus dem Körper werden hier registriert, und daraus wird unsere Befindlichkeit bestimmt. Sobald diese Körperdaten im limbischen System verarbeitet und an den Cortex für die bewusste Wahrnehmung weitergeleitet werden, empfinden wir die entsprechenden Gefühle.

Das Stammhirn besteht aus drei Teilen: dem Zwischenhirn mit Pallidum, Thalamus, Hypothalamus, der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) und der Zirbeldrüse (Epiphyse), dem Mittelhirn und dem Rautenhirn mit Kleinhirn, Brücke und verlängertem Mark.

Der Hirnstamm ist zuständig für die Selbsterhaltung und evolutionsgeschichtlich der älteste Gehirnabschnitt, weshalb er auch »Reptiliengehirn« genannt wird. Es ist für alle Grundfunktionen des Lebens zuständig (zum Beispiel Bewegung, Fortpflanzung, Nahrungsbeschaffung). Die Arbeitsweise dieses Gehirnteils läuft unbewusst, also ohne Kontrolle des Verstandes, ab. Der Thalamus liegt genau zwischen den Hemisphären und ist die Zentrale des vegetativen Nervensystems wie auch eine wichtige Schaltstelle für eingehende Sinnesinformationen und motorische Signale. Darunter befindet sich der Hypothalamus, der zusammen mit der Hypophyse die Zentrale des Hormonsystems bildet. Der Hypothalamus steuert viele Körperfunktionen und dient als Triebkraft bei vitalen Bedürfnissen wie Essen, Trinken, Schlafen oder Sexualität. Die Epiphyse (Zirbeldrüse) ist für die biologische Uhr und damit für unseren Schlaf-Wach-Rhythmus zuständig. In der Hypophyse werden Hormone und Hormonvorstufen ausgeschüttet, sie ist gemeinsam mit dem Zwischenhirn die Schnittstelle zu allen hormonaktiven Körperorganen (zum Beispiel Eierstöcke, Nebennieren, Hoden oder die Schilddrüse).

Das Kleinhirn im hinteren Teil des Schädels unter dem Großhirn ist das zentrale Areal für die Koordination von Bewegungen. Es steuert den Muskeltonus als die Grundspannung des Körpers. Jeder Schritt, jedes Armheben oder das Tippen auf einer Computertastatur werden vom Kleinhirn geregelt. Es ist mit der Koordination von Sinneseindrücken befasst und dient vermutlich als Assistent für die übrigen Gehirnareale.

Der sogenannte limbische Lappen wird gebildet aus Teilen des Cortex und sogenannten subkortikalen Strukturen in der Mitte der Hemisphären. Das limbische System ist besonders eng mit dem Hypothalamus verbunden und beeinflusst über diesen auch das Hormonsystem. Weitere wichtige Teile sind der Hippocampus sowie die Amygdalae (Mandelkern), durch die alle von außen eintreffenden Informationen affektiv eingefärbt und bewertet werden. Der hufeisenförmige Hippocampus zählt zu den ältesten Gehirnstrukturen. Hier fließen die Informationen unterschiedlicher Sinnessysteme zusammen, werden verarbeitet und dann an den Cortex zurückgeschickt. Der Hippocampus ist wichtig für die Übertragung von Gedächtnisinhalten und Erinnerungen aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis, für Bewusstsein und Aufmerksamkeit sowie für das Lernen. Der Hippocampus koordiniert auch die verschiedenen Gedächtnisinhalte. In diesem Hirnareal konnte nachgewiesen werden, dass sich durch den Erwerb neuer Gedächtnisinhalte oder Lernerfahrungen noch im erwachsenen Gehirn neue Verbindungen zwischen Nervenzellen bilden können.