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Studienarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Politik - Region: Naher Osten, Vorderer Orient, Note: 1,3, Freie Universität Berlin (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft), Veranstaltung: HS Staaten- und Nationenbildung. Herausforderungen für die Sicherheitspolitik, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Zuerst werden die Ausgangsbedingungen und Zielsetzungen des Medienaufbaus in Afghanistan nach dem Ende der Taliban-Herrschaft thematisiert. Das nächste Kapitel gibt einen Überblick über die Medienförderung in den Bereichen Print, Hörfunk und TV. Im dritten Schritt widmet sich die Arbeit den Problemen beim Medienaufbau, wobei zum einen die Grundprobleme benannt werden, zum anderen der zentrale innerstaatliche medienpolitische Konflikt verhandelt wird. Anschließend erfolgt die Untersuchung der Rolle des afghanischen Staates beim Aufbau von Kommunikationsstrukturen. Die Arbeit endet mit einem Fazit und Empfehlungen für den Medienaufbau in Afghanistan und Post-Konflikt-Staaten allgemein.
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Seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts werden zerfallende und zerfallene Staaten1verstärkt als Gefahr für die internationale Sicherheit wahrgenommen. Der Aufbau stabiler Staaten - den es von außen zu unterstützen oder in Gang zu bringen gilt - ist für viele Experten eine wichtige Option der Gegensteuerung. Medien werden gezielt im Rahmen der Wiederaufbaukonzepte der internationalen Gemeinschaft in Post-Konflikt-Staaten eingesetzt. Sie sollen kurzfristig einen Beitrag zum Stabilisierungsprozess leisten und zugleich den langfristigen Prozess der Demokratisierung unterstützen.2Die Schaffung von Kommunikationsstrukturen, also auch der Medienaufbau, ist eine wichtige Voraussetzung für die Herausbildung einer nationalen Identität im Sinne des strategischen Nation-Building.3Ein erfolgreicher Nation-Building-Prozess wird laut Hippler durch drei Elemente bestimmt und vorangetrieben: das State-Building, d.h. der Aufbau eines funktionsfähigen Staatsapparates, einer gemeinschaftsbildenden Ideologie und der Integration einer Gesellschaft aus zuvor bestehenden, lose verbundenen Gruppen. Medienaufbau ist dem dritten Bereich zuzuordnen. Nation-Building erfordert eine bestimmte Kommunikationsdichte zwischen ethnischen, religiösen und anderen Gruppen. Das setzt eine „nationale Infrastruktur“ voraus. Verkehrs- und Kommunikationswege sowie landesweite Massenmedien für die Etablierung eines nationalen politischen und kulturellen Diskurses gehören dazu.4Zugleich ist der Aufbau demokratischer Medien eng mit den anderen zwei Elementen der Nationenbildung verknüpft - etwa der Schaffung
1In zerfallenden Staaten (Failing States) ist das staatliche Gewalt- und Steuermonopol nur noch teilweise vorhanden. Teile des Staatsgebiets werden zu anomischen Räumen, also zu Landstrichen ohne Recht und Ordnung, in denen Stammes-Gruppierungen, Familien-Clans oder separatistische Bewegungen unkontrollierte Gewaltherrschaft ausüben. In anomischen Räumen breitet sich der international organisierte Drogenanbau aus. Weltweit agierende Terrorgruppen errichten getarnte Ausbildungslager. Bei zerfallenen Staaten (Failed States) handelt es sich um große anomische Räume, in denen Gewaltmonopol und Steuerhoheit nicht mehr existieren. Vgl. Seidt, Hans-Ulrich:Staatszerfall und Anomie.In: Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Hrsg.):Sicherheitspolitik in neuen Dimensionen.Hamburg u.a. 2001, S. 293-318, hier S. 300.
2Vgl. Tutakhel, Mariam:Medienpolitik in Post-Konfliktstaaten. Beiträge zum politischen Wiederaufbau am Beispiel von Afghanistan. INEF-Report 83.Duisburg 2006, S. 5, 14.
3Nation-Building wird hier verstanden als politische Zielvorstellung und als Strategie zur Erreichung konkreter Politikziele. Interne oder externe Akteure streben „die Schaffung eines nationalstaatlich verfassten politischen und sozialen Systems an, wenn dies ihren Interessen zu nützen scheint, wenn es bestimmte funktionale Erfordernisse besser erfüllt als ein zuvor bestehendes Arrangement oder wenn es ihre Macht stärkt oder ihre Gegner schwächt.“ Neben dieser normativ-strategischen Begriffsverwendung unterscheidet Hippler die analytische, deskriptive. Nation-Building ist demnach ein Prozess sozio-politischer Entwicklung, bei dem eine gemeinsame Gesellschaft mit einem zugehörigen Nationalstaat aus einem vorerst lockeren Verbund von Gemeinschaften entsteht. Vgl. Hippler, Jochen:Gewaltkonflikte, Konfliktprävention und Nationenbildung - Hintergründe eines politischen Konzepts.In: Ders. (Hrsg.):Nation-Building. Ein Schlüsselkonzept für friedliche Konfliktbearbeitung?Bonn 2004, S. 14-30, hier S. 18ff.
4Vgl. Ebd., S. 20ff.
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eines unabhängigen, wirksamen Rechtssystems im Rahmen des State-Building als Voraussetzung für gerechte Urteile zu Streitfragen der journalistischen Berichterstattung. Im Folgenden sollen die bislang üblichen Mechanismen und Strategien der internationalen Gemeinschaft zum Medienaufbau in Post-Konflikt-Staaten anhand des Fallbeispiels Afghanistan untersucht werden. Eine solche Analyse scheint besonders interessant, weil es sich beim Wiederaufbau in Afghanistan um ein aktuelles Projekt handelt, das dennoch soweit fortgeschritten ist, dass sich die bisherigen Ansätze in ihrer Wirksamkeit überprüfen lassen. Es wird sich zeigen, dass die Ziele der seit sechs Jahren anhaltenden Medienförderung bisher nicht erreicht wurden. Die Medien stehen unter dem Einfluss verschiedener, zum Teil radikaler Interessengruppen und erfüllen nicht ihren Auftrag. Zwar wurde der Medienaufbau mit dem Ziel betrieben, die nationale Identität im Sinne des Nation-Building zu unterstützen und die Zentralregierung zu stärken. Die Umsetzung des Medienaufbaus widersprach aber oft diesem Ziel. Der Mangel an rechtlichen Standards im Umgang mit Medien in Afghanistan entwickelte sich zu einem Gefahrenherd für den Friedensprozess.
In diesem Kontext rücken Probleme in den Fokus, die über den speziellen Fall hinausweisen. So stellt sich die Frage, ob Medienfreiheit uneingeschränkt ein wichtiges Element von Friedenskonsolidierung sein muss, oder ob Friedenskonsolidierung nicht vielmehr eine kontrollierende Rolle des Staates erfordert, vermittels der er sich die notwendige Unterstützung der Bevölkerung für seine Politik sichern kann. Spätestens seit in Ruanda in einem mit Hilfsgeldern geförderten Sender zum Völkermord aufgerufen wurde, ist der Blick auf unabhängige Medien für die Entwicklung einer pluralistischen Demokratie differenzierter und kritischer.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Zuerst werden die Ausgangsbedingungen und Zielsetzungen des Medienaufbaus in Afghanistan nach dem Ende der Taliban-Herrschaft thematisiert. Das nächste Kapitel gibt einen Überblick über die Medienförderung in den Bereichen Print, Hörfunk und TV. Im dritten Schritt widmet sich die Arbeit den Problemen beim Medienaufbau, wobei zum einen die Grundprobleme benannt werden, zum anderen der zentrale innerstaatliche medienpolitische Konflikt verhandelt wird. Anschließend erfolgt die Untersuchung der Rolle des afghanischen Staates beim Aufbau von Kommunikationsstrukturen. Die Arbeit endet mit einem Fazit und Empfehlungen für den Medienaufbau in Afghanistan und Post-Konflikt-Staaten allgemein.