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Zwangsstörungen sind verbreiteter als man meinen sollte. Wenn Sie glauben, entsprechende Symptome bei sich beobachtet zu haben oder befürchten, dass jemand, der Ihnen am Herzen liegt, unter Zwangsstörungen leidet, ist dies das richtige Buch für Sie. Es erklärt, was eine Zwangserkrankung ausmacht und welche typischen Symptome und Formen es gibt. Außerdem stellt es verschiedene Behandlungsansätze vor, darunter die Kognitive Verhaltenstherapie, Exposition mit Reaktionsmanagement und die medikamentöse Therapie. Vor allem aber zeigt es Betroffenen und Angehörigen, wie sie Unterstützung finden und ihre Situation verbessern können.
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Seitenzahl: 596
Zwänge meistern für Dummies
Mit einer Zwangsstörung zu leben, bringt Herausforderungen mit sich. Nicht zuletzt müssen die Betroffenen dafür sorgen, dass sie sich nicht als Mensch von ihrer Zwangsstörung definieren lassen. Wenn Sie mit einer Zwangsstörung leben, sollten Sie sich auch die Mühe machen, sich auch um andere gesundheitliche Bedürfnisse zu kümmern. Informationen darüber, was Zwangsstörungen sind und in welch vielfältigen Formen sie auftreten können, sind wichtig, wenn Sie Ihre Zwangsstörung überwinden wollen.
Zwangsgestörte Menschen leiden unter wiederkehrenden Zwangsgedanken – aufdringlichen Gedanken, Bildern oder Drängen, die sehr verstörend sind und starkes Unbehagen auslösen. Zusätzlich haben die Betroffenen Zwangshandlungen – Handlungen oder Worte, mit deren Hilfe sie das Unbehagen verringern, das von ihren zwanghaften Befürchtungen ausgelöst wird. Zwangshandlungen können wiederholte Gebete, Zählen, Berühren von Gegenständen auf ganz bestimmte Weise, Kontrollen oder die symmetrische Anordnung von Gegenständen sein.
Zu den weiteren Eigenschaften von Zwangsstörung gehören:
Zwangsgedanken sind ungewollt und passen im Allgemeinen nicht mit den Moralvorstellungen und Werten der Betroffenen zusammen.Zwangsstörungen beeinträchtigen das Alltagsleben ganz erheblich.Unter Zwangsstörungen leidende Menschen versuchen erfolglos, Gedanken zu unterdrücken.Die Gedanken kommen aus dem Innern der Betroffenen und werden nicht von Aliens zu ihnen übertragen. Das ist die wichtigste Abgrenzung gegenüber einer Psychose.Zwangshandlungen müssen – so fordert es die Störung – »genau richtig« ausgeführt werden, sonst müssen sie wiederholt werden.Zwangshandlungen sind im Wesentlichen sinnlos.Zwangsgestörte Menschen wissen meistens, dass ihre Zwangsgedanken und Zwangshandlungen unvernünftig sind, können sie aber nicht aufhalten.Zwangsstörungen lassen sich auf verschiedene Weise kategorisieren. In der Fachwelt besteht darüber kein Konsens. In der folgenden Liste finden Sie die am häufigsten vorkommenden Erscheinungsformen, in der diese Störung auftritt:
Verunreinigungen: Angst vor Dreck, Bakterien und verschiedenen Giften und Strahlungen. Die Angst vor Verunreinigungen führt zu übertriebener Sauberkeit und exzessivem Händewaschen.Zweifel und Kontrolle: Die Angst, die eigenen vier Wände oder andere Menschen durch Fahrlässigkeit zu schädigen. Zweifel und Kontrollen drücken sich oft in zwanghaften Überprüfungen von Schlössern, Haushaltsgeräten und der Suche nach möglichen menschlichen Opfern aus.Unangemessene Gedanken: Die Angst vor extrem unangemessenem Verhalten in Form schambesetzter Handlungen oder Gotteslästerungen. Diese Art Zwangsstörung führt oft dazu, dass die Betroffenen verschiedene Rituale durchführen, um zu verhindern, dass sie die Kontrolle über sich verlieren.Bedürfnis nach Symmetrie: Unbehagen angesichts von Asymmetrie und Unordnung. Es besteht das zwanghafte Bedürfnis, dass alles »genau richtig« angeordnet sein muss.Horten: Die Betroffenen haben Angst, sich von möglicherweise nützlichen Gegenständen zu trennen. Ihr zwanghaftes Horten führt zu ausufernden Ansammlungen, die letztlich das ganze Zuhause mit nutzlosem Kram füllen.Aberglaube: Zwanghafte Angst vor Unglückszahlen, alles in Zusammenhang mit Tod und bestimmten Wörtern. Abergläubische Zwangsstörungen führen zur Vermeidung des jeweiligen Aberglaubens oder Versuchen, die jeweiligen Auswirkungen zu neutralisieren.Manchmal überschneiden sich verschiedene Zwangsstörungstypen oder treten nebeneinander auf. Wenn Sie unter mehreren Zwangsstörungstypen leiden, heißt das nicht unbedingt, dass Sie nicht erfolgreich behandelt werden könnten.
Zwänge meistern für Dummies
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 2020
© 2020 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Original English language edition Obsessive Compulsive Disorder for Dummies © 2009 by Wiley Publishing, Inc.
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This translation published by arrangement with John Wiley and Sons, Inc.
Copyright der englischsprachigen Originalausgabe Obsessive Compulsive Disorder for Dummies © 2009 by Wiley Publishing, Inc.
Alle Rechte vorbehalten inklusive des Rechtes auf Reproduktion im Ganzen oder in Teilen und in jeglicher Form. Diese Übersetzung wird mit Genehmigung von John Wiley and Sons, Inc. publiziert.
Wiley, the Wiley logo, Für Dummies, the Dummies Man logo, and related trademarks and trade dress are trademarks or registered trademarks of John Wiley & Sons, Inc. and/or its affiliates, in the United States and other countries. Used by permission.
Wiley, die Bezeichnung »Für Dummies«, das Dummies-Mann-Logo und darauf bezogene Gestaltungen sind Marken oder eingetragene Marken von John Wiley & Sons, Inc., USA, Deutschland und in anderen Ländern.
Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Coverfoto: © Guitafotostudio / stock.adobe.comKorrektur: Petra Heubach-Erdmann, Düsseldorf
Print ISBN: 978-3-527-71644-9ePub ISBN: 978-3-527-82436-6
Dr. Charles H. Elliott ist klinischer Psychologe, Mitbegründer der Academy of Cogni-tive Therapy und Mitglied der psychologischen Fakultät am Fielding Graduate Institute. In seiner Praxis hat er sich auf die Behandlung von Heranwachsenden und Erwachsenen mit Zwangsstörungen, Ängsten, Depressionen, Wutstörungen und Persönlichkeitsstörungen spezialisiert. Dr. Elliott hat zahlreiche Bücher und Artikel über Kognitive Verhaltenstherapie verfasst. In vielen Vorträgen auf nationaler wie internationaler Bühne referierte er über neue Entwicklungen in der Beurteilung und Therapie emotionaler Störungen. Neben zahlreichen Titeln in englischer Sprache veröffentlichte er zusammen mit Dr. Laura L. Smith Depressionen überwinden für Dummies und Angstfrei leben für Dummies.
Dr. Laura L. Smith hat sich als klinische Psychologin auf die Diagnose und Behandlung von Erwachsenen und Kindern mit Zwangsstörungen, Persönlichkeitsstörungen, Depres-sionen Angststörungen, Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit Hyperaktivität (ADHS) und Lernstörungen spezialisiert. Oft berät sie Anwälte, Schulämter und Regierungsbehörden. Darüber hinaus leitet sie Workshops in den Bereichen Kognitive Verhaltenstherapie und psychische Gesundheit. Sie hat zahlreiche Artikel, Fachbücher und Bücher veröffentlicht, darunter einige zusammen mit Dr. Elliott.
Cover
Über die Autoren
Einleitung
Über dieses Buch
Eine wichtige Botschaft an unsere Leser
Konventionen in diesem Buch
Was Sie nicht lesen müssen
Törichte Annahmen
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Wie es weitergeht
Teil I: Zwangsstörungen: Die Grundlagen
Kapitel 1: Ein erster Blick auf Zwangsstörungen
Was sind Zwangsstörungen?
Was Zwangsstörungen kosten
Die Medien als Einflussfaktor
Behandlungsoptionen für Zwangsstörungen
Unter Zwängen leidenden Menschen helfen
Kapitel 2: Zwangsstörungen näher betrachtet
Zwangsstörungen: Was ist was?
Die beiden Seiten der Zwangsstörung betrachten
Verschiedene Zwangsstörungstypen
Zwangsstörungen gegen allgemein übliche Sorgen abgrenzen
Als zwangsgestört diagnostiziert werden
Kapitel 3: Verwandte und Begleiter von Zwangsstörungen kennenlernen
Verwandte Störungen
Begleiter von Zwangsstörungen erkennen
Kapitel 4: Die Rolle des Gehirns
Die Rolle des Gehirns bei Zwangsstörungen
Die Gehirnregionen unter der Lupe
Die Schaltkreise des Gehirns erkunden
Gedanken von Gehirnzelle zu Gehirnzelle übertragen
Kapitel 5: Zwangsstörungen entwickeln und verstärken
Zwangsstörungen als Kind oder Erwachsener entwickeln
Zwangsstörungen positiv und negativ verstärken
Zwangsstörungen durch schädliches Denken verschlimmern
Teil II: Auf dem Weg zur Behandlung
Kapitel 6: Behandlungshindernisse überwinden
Erkennen, dass Widerstand zwecklos ist
Widerstand als überwindbar und Veränderungen als gut erkennen
Kapitel 7: Professionelle Hilfe finden
Die Hilfe finden, die Sie brauchen
Wissen, was bei einer Therapie auf Sie zukommt
Teil III: Zwangsstörungen überwinden
Kapitel 8: Zwangsgestörtes Denken mit der Realität konfrontieren
Interpretationen mit der Wirklichkeit abgleichen
Zwangsgestörtes Denken durch neue Geschichten verdrängen
Kapitel 9: Das zwangsgestörte Gehirn in den Griff bekommen
Die Gedanken getrennt von der Person betrachten
Sich achtsame Grundhaltungen aneignen
Kapitel 10: Zwangsverhalten mit ERM bekämpfen
Grundlagen und Vorteile von ERM
Eine ERM-Therapie durchführen
Den ERM-Prozess steuern
Kapitel 11: Medikamente gegen Zwangsstörungen erwägen
Entscheiden, ob Medikamente infrage kommen
Medikamente, die bei Zwangsstörungen infrage kommen
Kapitel 12: Rückfälle bewältigen
Das Rückfallrisiko kennen
Positiv auf Rückfälle reagieren
Strategien gegen Rückfälle
Teil IV: Spezifische Zwangsstörungssymptome
Kapitel 13: Zweifel und Kontrollzwänge bewältigen
Zweifel in Kategorien einordnen
Kontrollverhalten in Kategorien einordnen
Zweifel und Kontrollverhalten in die Schranken weisen
Kapitel 14: Zwangsstörungsbedingte Scham besiegen
Überblick über schambesetzte Zwangsgedanken
Schambesetzte Zwangsgedanken behandeln
Ergänzende Behandlungsoptionen bei schambesetzten Zwangsgedanken
Kapitel 15: Ordnungszwänge durcheinanderbringen
Ständig getrieben sein, alles »genau richtig« zu machen
Ordnungszwängen entgegentreten
Kapitel 16: Zwanghaftes Horten loswerden
Was in die Kategorie zwanghaftes Horten fällt
Problematische Denkweisen aufdecken
Zwanghaftes Horten behandeln
Behalten oder Wegwerfen: Neue Strategien entwickeln
Kapitel 17: Abergläubische Zwangsstörungen entlarven
Wenn Aberglaube zur Zwangsstörung wird
Verbreitete Zwangsgedanken und Rituale bei abergläubischen Zwangsstörungen
Anders über abergläubische Zwangsgedanken denken lernen
Abergläubische Überzeugungen mit ERM entmachten
Kapitel 18: Begleiter von Zwangsstörungen erkennen
Zählen, anzählen und auszählen
Berührungen auf die Finger hauen
Kritzeleien durchstreichen
Der Langsamkeit Beine machen
Kapitel 19: Impulskontrollstörungen bewältigen
Impulskontrollstörungen durch Verhaltensänderungen verringern
Impulskontrollstörungen durch Veränderungen des Denkens eindämmen
Impulskontrollstörungen mit ERM bewältigen
Impulskontrollstörungen mit Medikamenten behandeln
Teil V: Zwangsgestörten Menschen helfen
Kapitel 20: Zwangsstörungen bei Kindern
Zwangsstörungen bei Kindern verstehen
Die Auswirkungen von Zwangsstörungen beobachten
Die richtige Hilfe für das Kind finden
Kapitel 21: Kindern helfen, Zwangsstörungen zu überwinden
Ihr Kind von seiner Zwangsstörung getrennt betrachten
Ihrem Kind helfen und mit dem Therapeuten zusammenarbeiten
Zwangsstörungen anderen erklären
Teil VI: Top-Ten-Teil
Kapitel 22: Zehn schnelle Hilfen bei Zwangsstörungen
Besser atmen
Verzögerungen einbauen
Sich ablenken
Unbehagen akzeptieren
Jede Konfrontation zählen
Sich bewusst machen, dass es Ihre Zwangsstörung ist und nicht Sie
Merksätze aufschreiben
Sich einer Selbsthilfegruppe anschließen
Meditieren
Ein heißes Bad nehmen
Kapitel 23: Zehn Dinge, die Sie tun können, wenn es Ihnen besser geht
Sich selbst verzeihen
Nach Sinn suchen
Familienbande stärken
Freunde finden
Auf andere zwangsgestörte Menschen zugehen
Anderen helfen
Sport treiben
Etwas Neues lernen
Hobbys ausüben
Gesunden Spaß finden
Teil VII: Anhänge
A
Weitere Quellen
Bücher über Zwangsstörungen für jedermann
Bücher über Zwangsstörungen für Experten
Bücher zu Depressionen und Angststörungen
Vertrauenswürdige Websites zu Zwangsstörungen und anderen Problemen
B
Übungsvordrucke
Kosten-Nutzen-Analyse
Selbstbehinderungen überwachen
Gestufte Exposition
Ihre ERM-Fortschritte protokollieren
Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
Kapitel 2
Abbildung 2.1: Pauls zwangsgestörter Angstzyklus
Kapitel 4
Abbildung 4.1: Die vier größeren Hirnregionen im Sagittalschnitt (Längsschnitt mitten durch das Gehirn)
Abbildung 4.2: Die zellulare Methode einer Unterhaltung
Kapitel 8
Abbildung 8.1: Olaf glaubt, dass er für den Tod einer Patientin verantwortlich ist.
Abbildung 8.2: Olafs Kreisdiagramm zeigt, dass seine Verantwortung für den Tod der Patientin im Vergle...
Kapitel 10
Abbildung 10.1: Björns Expositionstreppe
Abbildung 10.2: Olafs Expositionstreppe
Kapitel 13
Abbildung 13.1: Brunos Expositionstreppe
Kapitel 15
Abbildung 15.1: Eine Expositionstreppe für Ordnungszwänge vom Typ »Anordnen und Symmetrie«
Kapitel 16
Abbildung 16.1: Messie-Syndrom Expositionstreppe: Der Anhäufung widerstehen
Kapitel 2
Tabelle 2.1: Könnten Sie eine Zwangsstörung haben?
Kapitel 3
Tabelle 3.1: Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Hypochondrie und Zwangsstörungen
Tabelle 3.2: Abgrenzung von Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gegenüber Wahnvorstellungen ...
Tabelle 3.3: Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Trichotillomanie und Zwangsstörungen
Tabelle 3.4: Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Tics und Gille-de-la-Tourette-Syndrom u...
Tabelle 3.5: Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Hautzupfen und Nägelkauen und Zwangsstö...
Tabelle 3.6: Ähnlichkeiten zwischen Essstörungen und Zwangsstörungen
Tabelle 3.7: Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Impulskontrollstörungen und Zwangsstöru...
Kapitel 6
Tabelle 6.1: Stefans Selbstbehinderungsprotokoll
Tabelle 6.2: Kosten-Nutzen-Analyse von Rainers Überzeugung, unzulänglich zu sein
Kapitel 8
Tabelle 8.1: Unterschiede zwischen Tanjas und Lauras Zweifeln
Kapitel 10
Tabelle 10.1: Björns Liste mit Zwangsstörungsauslösern und Angstfaktor-Werten
Tabelle 10.2: Björns ERM-Protokoll-Formular
Kapitel 16
Tabelle 16.1: Olivers Kosten-Nutzen-Analyse
Tabelle 16.2: Musterkategorien für Ihre Besitztümer
Kapitel 19
Tabelle 19.1: Beispiele für Impulskontrollstörungen und mögliche konkurrierende Reaktionen
Kapitel 21
Tabelle 21.1: Schlechter Coach/Guter Coach
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Früher dachte man, dass Menschen nur sehr selten von Zwangsstörungen betroffen würden. Heute schätzt man, dass zwischen einem und drei Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens unter Zwangsstörungen – oder kurz, Zwängen – leiden. Damit nimmt die Zwangsstörung den vierten Platz in der Rangfolge der häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland ein. Darüber hinaus ist die Zahl der diagnostizierten Zwangsstörungen bei Kindern in den letzten Jahrzehnten dramatisch gestiegen.
Woher kommt dieser augenscheinliche Anstieg von Zwangsstörungen? Zum Teil ist er darauf zurückzuführen, dass wir Fortschritte in der Diagnostik gemacht haben. Ein weiterer Grund dafür, dass Zwangsstörungen mehr in die Öffentlichkeit dringen, ist die steigende Bereitschaft in der Bevölkerung, Probleme zuzugeben. Aber auch andere Faktoren können eine Rolle spielen, etwa der mit unserer modernen Lebensweise verbundene Stress. Vielleicht hat auch die Werbung damit zu tun, wie wir gleich erläutern werden.
Wenn sich beispielsweise Ihr Flug um ein paar Stunden verzögert, stehen Sie vor der Herausforderung, die Zeit irgendwie totzuschlagen. Vielleicht haben Sie vorgesorgt und haben ein Buch, ein Magazin oder einen Film im Gepäck, um sich Wartezeiten zu verkürzen. Aber was machen Sie, wenn Sie damit durch sind?
Es könnte sein, dass Sie so verzweifelt sind, dass Sie einen dieser Kataloge mit cleveren Geräten, Erfindungen und Geschenken durchblättern, die überall herumliegen, wo Leute scheinbar endlose Wartezeiten verbringen müssen. Greifen Sie sich das nächste Mal einen dieser Kataloge und schauen Sie sich die Angebote für Reinigungs- und Desinfektionsgeräte an. Viele dieser Gerätschaften arbeiten mit UV-Licht und werden als praktische Hilfsmittel angepriesen, die man überallhin mitnehmen und mit denen man alle möglichen Oberflächen desinfizieren kann – seien es Besuchertheken, Tastaturen, Handys, Geländer, Toilettensitze, Zahnbürsten, Tischflächen, Türgriffe und gar die Armlehnen im Flugzeug. Man fährt angeblich einfach mit einem solchen Desinfektionsstab darüber und tötet damit in etwa zehn Sekunden 99,9 Prozent aller Bakterien, Viren und Schimmelbakterien ab – einschließlich E. Coli, SARS und Salmonellen.
Stellen Sie sich eine Welt vor, in der jeder einen solchen Desinfektionsstab mit sich herumträgt. Stellen Sie sich vor, wie Millionen Menschen ihre gesamte Umwelt ableuchten, um eventuell verborgene schädliche Mikroben zu vernichten. Würde die Welt dadurch sicherer, sauberer oder geringer durch Gifte belastet? Und wenn wir dazu noch Desinfektionssprays, mikrobakterielle Handreiniger und Atemschutzmasken verwenden würden? Vielleicht hätten wir ein paar Erkältungen oder grippale Infekte weniger. Auf der anderen Seite belegen Studien, dass eine keimfreie Umgebung dazu führt, dass unser Immunsystem nicht die notwendigen Antikörper entwickelt, um uns gegen Krankheiten zu schützen. Vielleicht ist es deshalb gar nicht so erstrebenswert, alles um uns herum zu desinfizieren.
Trotzdem fühlt man sich immer ein wenig unwohl, wenn man zu viel über Krankheitserreger, Mikroben und Bakterien liest – besonders wenn man in einem Flugzeug sitzt, ein bisschen schwitzt, den Mundgeruch des Sitznachbarn riecht und von überall her Husten, Niesen und andere unerquickliche Geräusche hört. Wir wollen damit keineswegs behaupten, dass die mit Reisen verbundenen Unannehmlichkeiten Zwangsstörungen verursachen oder dass Werbung Zwangsstörungen verschlimmert. Aber die werbewirksame Darstellung von Schmutz und Bakterien fördert vor allem den Verkauf zahlreicher entsprechender Produkte und ist Wasser auf die Mühlen von Zwängen geplagter Menschen.
Im Mittelpunkt dieses Buches stehen Zwangsstörungen. Wir wollen Ihnen mit diesem Buch helfen, Zwangsstörungen zu verstehen, und Ihnen Wege aufzeigen, wie Sie Unterstützung finden und Ihre Situation verbessern können. Wir sagen Ihnen auch, wie Sie einem unter Zwangsstörungen leidenden Kind oder Ihnen nahestehenden Menschen helfen können. Wir beschreiben die Symptome anderer Erkrankungen, unter anderem Ängste und Depressionen, die parallel zu Zwangsstörungen auftreten können. Und schließlich grenzen wir Zwangsstörungen gegen verwandte Störungen ab. Dabei weisen wir immer darauf hin, wann Sie erwägen sollten, sich von einem Therapeuten helfen zu lassen. Wir klären Sie darüber auf, wie Sie die richtige Person finden, die Sie auf dem Weg der Besserung begleitet.
Wir beschäftigen uns in diesem Buch mit den wichtigsten Behandlungsmethoden, die bei Zwangsstörungen Erfolg versprechend angewandt werden, darunter die Kognitive Verhaltenstherapie, die Exposition mit Reaktionsmanagement und die medikamentöse Therapie. Alle Informationen diesbezüglich basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Forschungen.
Das ist unser fünftes Buch in der … für Dummies-Reihe. Wie bei den anderen Büchern ist uns vor allem daran gelegen, Sie aktuell und genau über Zwangsstörungen zu informieren und in die Lage zu versetzen, mit Ihren Symptomen möglichst gut zurechtzukommen.
Wir wollen aber auch Ihr Interesse wecken und Sie ein wenig unterhalten, und haben deshalb versucht, hier und da eine Prise Humor einzustreuen. Manchmal müssen wir darüber lachen, was wir schreiben. Wir hoffen, dass es Ihnen genauso geht. Wir sind uns dabei aber stets der Tatsache bewusst, dass Zwangsstörungen eine ernste und quälende Erkrankung sind. Wir möchten nur, dass Sie auch mal lachen.
Wir werden unsere Ausführungen immer wieder durch Fallbeispiele veranschaulichen. Diese Beispiele basieren auf Symptomen, Gedanken und Gefühlen realer von Zwangsstörungen betroffener Menschen. Die einzelnen Fallgeschichten setzen sich jedoch aus den Erfahrungen mehrerer Betroffener zusammen und sind nicht einzelnen Personen zuzuordnen. Bestimmte Einzelheiten haben wir verändert oder weggelassen, damit die Privatsphäre und Vertraulichkeit gewahrt bleibt.
Darüber hinaus halten wir uns an die folgenden Konventionen:
Fett
gedruckte Passagen markieren die Handlungsanweisungen nummerierter Anweisungen und die Schlüsselwörter in Listen.
Wenn wir Abkürzungen verwenden, erklären wir Ihnen beim ersten Auftauchen in einem Kapitel, was sie bedeuten. Sollten wir das einmal vergessen haben, beschweren Sie sich bitte bei den Lektoren – das ist nun wirklich deren Verantwortung!
Webadressen erscheinen immer in
monofont
.
Beim Satz des Buches kann es passieren, dass Webadressen in die folgende Zeile umbrochen werden müssen. Sie können davon ausgehen, dass wir keine zusätzlichen Zeichen (etwa Trennstriche) eingefügt haben, um diesen Umbruch kenntlich zu machen. Geben Sie einfach genau das in die Adresszeile Ihres Browsers ein, was Sie im Buch sehen, als wäre der Umbruch gar nicht da.
Dieses Buch steckt voller Informationen, die es alle wert sind, gelesen (und an Familie und Freunde weiterempfohlen) zu werden. Trotzdem müssen Sie nicht jedes Wort, jeden Satz oder jedes Kapitel lesen, um davon profitieren zu können. Schauen Sie sich das Inhaltsverzeichnis oder den Index am Ende des Buches an und entscheiden Sie, was Sie wissen wollen. Die Kapitel sind unabhängig voneinander und können in jeder beliebigen Reihenfolge gelesen werden. Gelegentlich sagen wir Ihnen, in welchen Kapiteln oder Abschnitten Sie mehr Informationen zu einem bestimmten Aspekt finden, aber Sie müssen dieser Empfehlung nicht folgen.
Die über das Buch verteilten grau unterlegten Kästen bieten Ihnen aus unserer Sicht interessante Informationen an. Sie können diese Kästen links liegen lassen, wenn Sie gerade nicht viel Zeit haben. Genauso können Sie mit den technischen Informationen verfahren, die neben dem Techniker-Symbol zu finden sind. Dort werden bestimmte Zusammenhänge eingehender erläutert. Fühlen Sie sich bitte nicht gezwungen, diese Passagen alle zu lesen.
Wenn Sie diesen Abschnitt lesen, nehmen wir an, dass Sie dieses Buch in Ihren Händen halten (das war eine messerscharfe Schlussfolgerung). Vielleicht interessieren Sie sich für Zwangsstörungen, weil Sie entsprechende Symptome bei sich glauben beobachtet zu haben. Oder Sie befürchten, dass jemand, der Ihnen am Herzen liegt, unter Zwangsstörungen leidet. Vielleicht sind Sie aber auch neugierig, mehr über diese interessante Erkrankung zu erfahren, unter Umständen, weil Sie in einem Film oder im Fernsehen darauf gestoßen sind.
Wir könnten uns auch vorstellen, dass Sie im Gesundheitswesen arbeiten und mehr über spezifische Behandlungsoptionen herausfinden wollen oder auf der Suche nach Büchern sind, die für Ihre Klienten interessant sein könnten. Oder Sie wollen sich im Rahmen eines Studiums oder Aufbaustudiums ein klareres Bild von diesem komplexen Problem verschaffen.
Welchen Grund Sie auch immer haben mögen, dieses Buch in die Hand zu nehmen, wir versprechen Ihnen eine umfassende Darstellung all dessen, was Sie über Zwangsstörungen wissen müssen.
Wir haben Zwänge meistern für Dummies in sieben Teile, 23 Kapitel und zwei Anhänge unterteilt. Im Folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über die Inhalte der einzelnen Teile.
Im ersten Teil beschreiben wir, wie Zwangsstörungen aussehen. Wir stellen verschiedene Arten von Zwängen und einige verbreitete und weniger verbreitete Symptome vor. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit anderen Störungen, die nach Ansicht einiger Experten mit Zwangsstörungen zusammenhängen. Wir nennen die entsprechenden Störungen und erläutern, warum sie dem sogenannten Zwangsstörungs-Spektrum zugeordnet werden. Die spezifischen Ursachen von Zwangsstörungen liegen noch im Dunkeln, aber vieles spricht dafür, dass sowohl biologische als auch psychische Faktoren eine Rolle spielen.
Kapitel 6 legt dar, warum so viele Leute Hilfe haben möchten, aber irgendwie nicht die Initiative ergreifen zu können scheinen. In der Gesundheitsbranche nennt man das innere Widerstände – die Betroffenen treten angesichts drohender Veränderungen auf die Bremse. Manche Leute haben Angst vor Veränderungen, während andere der Meinung sind, nichts verändern zu können. Wir helfen Ihnen, die Motivation zu finden, den ersten Schritt zu wagen und Zwänge zu bekämpfen.
Kapitel 7 klärt Sie darüber auf, welche Personengruppen mit der Behandlung von Zwangsstörungen zu tun haben. Wir erläutern, womit Sie rechnen können und müssen, wenn Sie sich entscheiden, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus helfen wir Ihnen dabei zu entscheiden, wo Sie diese professionelle Hilfe am besten finden.
Dieser Teil konzentriert sich auf die verschiedenen Behandlungsansätze, die bei Zwängen als aussichtsreich gelten. Wir beschäftigen uns eingehend mit den Methoden, die allgemein als Kognitive Verhaltenstherapie bezeichnet werden. Kognitiv bezieht sich auf das Denken und wie es zu Zwangsstörungen beitragen kann. Wie sich Ihr Denken auf Sie auswirkt und wie Sie es ändern können, beschreiben wir in Kapitel 8. Kapitel 9 dreht sich um die Frage, wie Achtsamkeit – das bewusste Erleben des Augenblicks – dazu beitragen kann, die Symptome von Zwangsstörungen abzumildern. Der Kern der Behandlung von Zwängen, die Exposition mit Reaktionsmanagement ist der Teil der Kognitiven Verhaltenstherapie, der auf das Verhalten abzielt. Worum es dabei geht und wie man es praktisch umsetzt, beschreiben wir in Kapitel 10.
Kapitel 11 geht näher auf die verschiedenen Medikamente ein, die häufig bei Zwangsstörungen verschrieben werden. Und Kapitel 12 klärt Sie darüber auf, worauf Sie achten müssen, wenn Sie einen Rückfall haben, und wie Sie am besten damit umgehen.
Die sieben Kapitel dieses Teils gehen näher auf die verschiedenen Zwangsstörungstypen und die jeweils verfügbaren Behandlungsoptionen ein. Wir präsentieren Ihnen Beispiele für Behandlungspläne für ganz unterschiedliche Probleme wie das starke Bedürfnis nach Symmetrie, Zählen, Zweifeln und Überprüfen, Horten und magisches Denken. Im letzten Kapitel dieses Teils geht es um Behandlungsoptionen verwandter Störungen, etwa der Dermatillomanie, bei der die Betroffenen ihre Haut durch Zupfen oder Kratzen schädigen, und der Trichotillomanie, bei der sich die Betroffenen immer wieder Haare ausreißen.
Zwangsstörungen beginnen oft schon in der Kindheit. Das erste Kapitel dieses Teils hilft Ihnen festzustellen, ob Ihr Kind Symptome zeigt, die auf eine Zwangsstörung hinweisen. Wir helfen Ihnen darüber hinaus, einen guten Experten zu finden, der Ihr Kind diagnostizieren und behandeln kann. Kapitel 21 beschäftigt sich mit der Frage, wie Eltern oder betroffene Familienmitglieder unter Zwangsstörungen leidenden Kindern helfen können. Ungeachtet unserer Empfehlung, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, können Eltern sehr viel tun, um eine Therapie zu unterstützen und ihrem Kind zu helfen.
Diese kurzen Kapitel sind ein wenig unterhaltsamer gestrickt. Hier finden Sie schnelle Lö-sungen und erfahren, wie Sie Zwangsstörungen hinter sich lassen können.
In Anhang A haben wir wichtige weiterführende Quellen zum Thema Zwangsstörungen für Sie zusammengestellt, darunter einige interessante Bücher und Websites. Anhang B stellt Ihnen ein paar Formulare zur Verfügung, mit deren Hilfe Sie die in verschiedenen Kapiteln beschriebenen Übungen durchführen können. Am besten machen Sie sich einfach Kopien davon, bevor Sie loslegen.
Dieses Symbol weist auf besondere Strategien oder Hilfsmittel hin, die dabei helfen können, Zwangsstörungen zu überwinden, oder auf Ideen, die Ihnen Zeit und Mühe ersparen.
Achten Sie auf dieses Symbol. Es macht auf Informationen aufmerksam, die Sie vor ernsten Konsequenzen schützen.
Dieses Symbol steht neben Informationen, die Sie sich unbedingt merken sollten. Darüber hinaus nutzen wir es dazu, Sie an wichtige Informationen zu erinnern, die an anderen Stellen im Buch erscheinen.
Dieses Symbol weist auf Informationen hin, die zwar ausgesprochen interessant, aber nicht unbedingt notwendig sind, um die grundlegenden Zusammenhänge zu verstehen.
Dieses Symbol weist auf Listen hin, die Sie zum Aufbau gestufter Reizkonfrontationen verwenden können. Diese Methode wird in Kapitel 10 vorgestellt und taucht in einigen Kapiteln auf, in denen es um bestimmte Formen von Zwangsstörungen geht.
Wir gehen davon aus, dass Sie dieses Buch umfassend über Zwangsstörungen und verwandte Störungen informiert. Wir beschreiben darin die wichtigsten Behandlungsstrategien für Zwänge. Wir hoffen, dass Sie den Inhalt interessant finden. Und wenn Sie noch mehr über Zwangsstörungen erfahren wollen, finden Sie unter www.fuer-dummies.de zwei Bonuskapitel zum Buch.
Wenn Sie dieses Buch lesen, um Ihre Zwangsstörungen besser überwinden zu können, empfehlen wir Ihnen, sich ein Notizbuch anzuschaffen, regelmäßig Notizen zu machen und über Ihre Bemühungen nachzudenken.
Sofern Sie dieses Buch nicht nur deshalb lesen, weil Sie das Thema interessiert oder Sie sich weiterbilden wollen (sondern, weil Sie unter Zwängen leiden), ist es sicher auch sinnvoll, einen Psychologen oder Psychiater zurate zu ziehen. Wir sind ziemlich sicher, dass die meisten Fachexperten gerne die Gelegenheit ergreifen werden, Sie auf den hier beschriebenen Behandlungswegen zu begleiten.
Teil I
IN DIESEM TEIL …
In diesem Teil verschaffen wir Ihnen einen Überblick über die Symptome und Arten von Zwangsstörungen und stellen Ihnen die wichtigsten und wirksamsten Behandlungsoptionen vor. Sie erfahren auch etwas über andere Belastungen, die mit Zwangsstörungen einhergehen können. Und schließlich geht es um die verschiedenen biologischen und psychischen Ursachen von Zwangsstörungen.
Kapitel 1
IN DIESEM KAPITEL
Zwangsstörungen kennenlernen
Wissen, wie die Medien Zwangsstörungen beeinflussen können
Verfügbare Behandlungsmöglichkeiten sichten
Anderen helfen, die unter Zwangsstörungen leiden
Je nachdem, wie man die Begriffe definiert, hat jeder Mensch ein paar obsessive oder zwanghafte Züge an sich. Umgangssprachlich verwenden wir Ausdrücke wie »von etwas besessen sein« oder »auf etwas fixiert sein«, um auszudrücken, dass jemand ein intensives Interesse an etwas oder jemandem zeigt. Ein Mann, der einer Schauspielerin auf Schritt und Tritt folgt, ist völlig von ihr besessen. Eine Frau, die Stunden vor dem Spiegel verbringt, bis ihr Make-up und ihre Haare perfekt sind, ist auf ihr Aussehen fixiert. Besessenheit kann sich aber auch auf das intensive Interesse an einer Sportart, einem Hobby oder der beruflichen Karriere beziehen. Das Attribut »zwanghaft« wird oft auf starre Verhaltensmuster bezogen, etwa wenn man sagt, dass jemand »zwanghaft seine Wohnung sauber hält« oder »zwanghaft jede kleinste Ausgabe in ein Haushaltsbuch einträgt«.
Die Fachleute im Gesundheitswesen definieren diese Begriffe ganz anders. Für Psychologen und Psychiater äußert sich eine Zwangsstörung durch unerwünschte Gedanken, Bilder oder Impulse, die häufig auftauchen und bei der betroffenen Person Belastung und Leid hervorrufen. Zwangshandlungen (Kompulsionen) sind Handlungen oder Rituale, die eine Person ausführt, um das durch ihre »Besessenheit« (also obsessive Gedanken) verursachte Leiden zu mindern.
Beispiele für Besessenheit und Zwänge findet man fast überall. Viele Sportler halten sich an glücksbringende Rituale, die durchaus merkwürdige Züge annehmen können. Manche müssen vor jedem Auftritt dieselbe Musik hören, während andere immer dasselbe essen. Vielleicht haben Sie schon einmal beobachtet, was der Weltfußballer Cristiano Ronaldo alles vor und nach einem Freistoß oder Elfmeter anstellt. Der Schweizer Torwart Roman Bürki tut alles, um während der Durchführung der Seitenwahl kurz den Ball in die Hände zu bekommen. Viele andere Sportler haben ihre Maskottchen, Glücksbringer oder bestimmte Handlungen, die ihnen helfen sollen, Bestleistungen zu bringen.
Die meisten Leute haben irgendetwas, von dem sie »besessen« sind oder das sie »zwanghaft« durchführen. Aber solange diese Besessenheit und Zwänge nicht ausgesprochen zeitraubend sind, die Lebensqualität der Betreffenden beträchtlich einschränken und Leid verursachen, spricht man nicht von einer Zwangsstörung.
Zwangsstörungen haben viele verschiedene Ausprägungsformen. Millionen Menschen sind in den merkwürdigen Gedanken und Gefühlen dieser Störungen gefangen. Die meisten unter Zwängen leidenden Menschen sind klug und intelligent. Dennoch müssen sie wehrlos zusehen, wie ihr ansonsten normales, logisches Denken von Zweifeln, Unbehagen und Angst überwältigt wird.
Ob Sie unter Zwangsstörungen leiden oder nicht, Sie können sich sicher an eine Situation erinnern, in der Sie unmittelbare Angst verspürten. Stellen Sie sich vor, Sie stehen an der offenen Tür eines Flugzeugs für Fallschirmspringer und sind kurz davor, abzuspringen. Sie spüren den Wind, Ihr Magen ist in Aufruhr, Sie atmen schwer. Plötzlich schreit der Pilot: »Halt! Nicht springen! Der Fallschirm ist nicht in Ordnung!«
Sie stehen mit zitternden Beinen am Abgrund, zu Tode erschreckt, und lassen sich zurück ins Flugzeug fallen. So fühlen sich viele unter Zwangsstörungen leidende Menschen jeden Tag. Manche haben Angst, dass sie den Herd nicht ausgemacht haben und ihr Haus abbrennt. Andere haben höllische Angst davor, mit irgendwelchen unbekannten Bakterien infiziert zu werden. Zwangsstörungen sorgen dafür, dass gutmütige, umgängliche Menschen glauben, sie könnten plötzlich einem Kind etwas Furchtbares antun, einen alten Menschen über den Haufen fahren oder mitten in der Fußgängerzone eine Schlägerei anfangen. Wer unter Zwängen leidet, hat fast immer mit zwei großen Problemen zu kämpfen: Scham und Angst. Das resultiert in dem dringenden Wunsch, allen Risiken aus dem Weg zu gehen.
Weil die Gedanken und Verhaltensweisen der von Zwangsstörungen betroffenen Menschen so ungewöhnlich oder gesellschaftlich unakzeptabel sind, empfinden sie oft tiefe Scham. Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch Ihre Kirche und haben plötzlich den Gedanken, dass eine dort stehende Heiligenfigur irgendwie sexuell anziehend auf Sie wirkt. Dieser Gedanke schießt Ihnen durch den Kopf, während Sie an der Figur vorbeigehen. Oder überlegen Sie einmal, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie an einem Fußgängerüberweg warten und plötzlich bildlich vor sich sehen, wie Sie einen neben Ihnen wartenden Passanten vor ein heranfahrendes Auto stoßen.
Dabei haben solche erschreckenden und verstörenden Gedanken nichts mit der Realität zu tun. Unter Zwängen leidende Menschen haben diese Gedanken, weil ihre an einer Zwangsstörung leidenden Gehirne sie produzieren, und nicht etwa, weil sie schlecht oder bösartig sind. Nur sehr selten kommt es vor, dass diese Menschen etwas tun, wofür sie sich wirklich schämen müssten.
Wir schreiben in diesem Buch hin und wieder vom »zwangsgestörten Gehirn« anstatt von Ihnen oder einer Ihnen nahestehenden betroffenen Person. Das machen wir, um hervorzuheben, dass Sie nicht Ihre Zwangsstörung sind. Sie haben diese Gedanken, dringenden Impulse und Rituale aufgrund von Störungen in Abläufen Ihres Gehirns. Die Zwangsstörung ist nicht Ihre Schuld.
Das zwangsgestörte Gehirn versucht ständig, alle möglichen Risiken zu vermeiden. Deshalb verbringen beispielsweise von einem Reinigungszwang betroffene Menschen Stunden damit, ihr gesamtes Umfeld zu säubern, zu schrubben und zu desinfizieren. Von Aberglauben gefärbte Zwangsstörungen zwingen die Betroffenen zu Ritualen, die Sicherheit versprechen. Interessanterweise konzentriert sich das Risikomanagement der Betroffenen überwiegend auf thematisch eng begrenzte Bereiche, etwa Verunreinigungen, Sicherheit im Haushalt, die Sicherheit nahestehender Personen oder Gotteslästerung. Wer Angst vor Verunreinigungen hat, macht sich dabei nicht unbedingt auch Sorgen, nach seinem Tod in der Hölle zu landen. Und wer ständig zweifelt, ob der Herd auch wirklich aus ist, macht sich gewöhnlich keine Gedanken wegen Bakterien und Keimen.
Das Leben ist voller Risiken. Wir kennen niemanden, der dem letzten Risiko ein Schnippchen geschlagen hätte – dem Tod. Niemand weiß, wann sein letztes Stündchen schlägt. Die folgenden berühmten Figuren lebten ihr Leben im Rahmen ganz normaler Vorsichtsmaßnahmen und starben im Rahmen zufälliger, unerwarteter Zwischenfälle:
Felix Faure:
Der französische Staatspräsident starb 1899 beim Sex an einem Schlaganfall.
Isadora Duncan:
Die Tänzerin wurde zu Tode gewürgt, als sich ihr Schal während der Fahrt in einem Rad des Automobils verfing, in dem sie gerade saß.
Sherwood Anderson:
Der berühmte Autor starb, als er während einer Party versehentlich einen Zahnstocher verschluckte.
Tennessee Williams:
Der Dramatiker erstickte an der Verschlusskappe seines Nasensprays.
Vic Morrow:
Der Schauspieler wurde während der Dreharbeiten zu einem Film enthauptet, als ein Helikopter außer Kontrolle geriet und abstürzte.
Wenn man sich die Szenarien in dieser Aufzählung anschaut, kann man sich nur schwer vorstellen, wie zwanghafte Rituale und Verhaltensweisen ähnliche Zwischenfälle vorausahnen und vermeiden könnten. Das zwangsgestörte Gehirn versucht trotz alledem, die Illusion heraufzubeschwören, dass sich fast alle Risiken vorausahnen und vermeiden lassen.
In Wirklichkeit bieten Zwangsstörungen trotz außergewöhnlicher Bemühungen um eine Risikominimierung keinen nennenswerten Schutz. In den kommenden Kapiteln werden wir Ihnen vermitteln, wie Sie lernen können, ein gewisses Maß an Risiken zu akzeptieren, damit Sie Ihr Leben umfassend genießen können, egal wie lang oder kurz es auch sein mag.
Zwangsstörungen bringen einen großen Leidensdruck mit sich. Dazu kommt, dass die Betroffenen statistisch häufiger von anderen psychischen Störungen, etwa Depressionen und Ängsten, betroffen sind. Scham sorgt dafür, dass sie ihre Symptome oft jahrelang geheim halten und damit auf eine Behandlung verzichten. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 60 Prozent der weltweit an Zwangsstörungen leidenden Menschen nie Unterstützung bekommen.
Zu dem aus Zwangsstörungen erwachsenden Leid gesellt sich Einsamkeit. Zwänge zerstören Beziehungen. Die Betroffenen gehen weniger häufig eheliche Beziehungen ein und sind, wenn sie es doch wagen, häufiger von Scheidungen betroffen. Diejenigen, die bei ihren Familien bleiben, müssen vermehrt mit Konflikten leben.
Zwangsstörungen kosten auch Geld. Eine in den 1990er-Jahre durchgeführte Studie ergab geschätzte Kosten von über acht Milliarden Dollar alleine in den USA. Eingerechnet sind darin die Behandlungskosten sowie Produktivitätseinbußen und Fehltage im Berufsleben. Trotz der verbesserten Behandlungsoptionen können diese Kosten angesichts wachsender Bevölkerungszahlen und steigender Gesundheitskosten nur wachsen.
Zwänge sind gewiss nichts Neues. Dennoch kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass die Sensationslust der Medien die Sorgen der Betroffenen zusätzlich nährt. Vor Kurzem haben wir eine Sendung gesehen, die von Leuten berichtete, die gebrauchte Matratzen kauften. Die Reporter rückten mit speziellen Lampen an und machten Abstriche, um alle möglichen schrecklichen Dinge (Milben, Spuren von Fäkalien und Körperflüssigkeiten) nachzuweisen, die noch an den angeblich gereinigten Matratzen hingen.
In einer anderen Sendung stürmten eifrige Reporter mit Petrischalen und Schwarzlicht bewaffnet in Hotelzimmer, um nach Dreck und Schmutz auf den im Raum verbliebenen Gläsern sowie auf den Teppichen und Bettabdeckungen zu suchen. Die Medien warnen auch häufig vor Gefahren wie dem Einatmen von Benzindämpfen an Tankstellen oder der Gefährdung von malenden Kindern durch Lösungsmitteldämpfe in Filz- und Markierstiften.
Gleichzeitig ist der Absatz von Reinigungsmitteln, Desinfektionsmitteln, Körperhygieneprodukten und Mundspülungen in den letzten Jahren stark gestiegen. Antibakterielle Wirkstoffe finden sich in Produkten zur Reinigung von Kühlschränken, Böden, Toiletten und sogar Duschgels. Zunehmend werden auch antivirale Wirkstoffe nachgefragt.
Auf der anderen Seite findet man kaum belastbare Fakten über Todesfälle, die auf gebrauchte Matratzen, schlecht gereinigte Hotelzimmer, die vorübergehende Einatmung schädlicher Dämpfe oder die Reinigung von Wohnräumen mit nicht antibakteriellen Putzmitteln zurückzuführen wären. Ganz im Gegenteil. Im Rahmen einer Studie statteten Forscher der Columbia University in Manhattan Haushalte mit kostenlosen Reinigungsmitteln, Waschmitteln und Handwasch-Lotionen aus. Die Hälfte der Teilnehmer erhielt antibakterielle Mittel, die andere nicht-antibakterielle. Die Forscher verfolgten fast ein Jahr lang das Auftreten von Krankheitssymptomen (laufende Nasen, Erkältungen, eitrige Geschwüre, Husten, Fieber, Halsinfektionen, Erbrechen, Durchfall) in den Haushalten und fanden dabei keine Unterschiede zwischen den Haushalten, die antibakterielle Reinigungsmittel verwendeten, und denen mit »normalen« Reinigungsmitteln.
Wenn Sie mit großem Aufwand und antibakteriellen Desinfektionsmitteln dafür sorgen, dass Ihre Umgebung möglichst keimfrei ist, können Sie sich damit mehr schaden als Gutes tun! Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass ein übertrieben sauberes Lebensumfeld zu mehr Allergien und Asthma führt. Dar-über hinaus begünstigt der übertriebene Einsatz von Antibiotika die Entwicklung neuer, resistenter Bakterien.
Wir möchten keinesfalls dazu aufrufen, dass sich niemand mehr die Hände wäscht – schon gar nicht in Krankenhäusern! Wir sind uns auch der Gefährdungen bewusst, die vom langfristigen Kontakt mit verschmutzter Luft, Insektiziden und giftigen Chemikalien ausgehen. Und wir sind sicher genauso angewidert von schmutzigen Hotelzimmern wie alle anderen auch. Auf der anderen Seite sind die Medien und Werbetreibenden in beunruhigender Weise von allem regelrecht »besessen«, was mit übertriebener Reinlichkeit und der weitgehenden Beseitigung geringfügiger Risiken zu tun hat.
Manche von Zwangsstörungen Betroffenen gehen stundenlang mit dem Staubsauger durch ihre Wohnungen und hoffen, damit Staub und Schmutz den Garaus zu machen. Dr. Charles Gerba von der University of Arizona kam jedoch im Rahmen seiner Forschungen zu dem Ergebnis, dass Haushaltsstaubsauger nicht nur Bakterien im ganzen Haus verteilen, sondern den Bakterien auch einen sicheren Zufluchtsort bieten, an dem sie sich ungestört vermehren können. An Staubsaugerbürsten finden sich offensichtlich Fäkal-, Schimmel- und sogar Kolibakterien. Was kann man da tun? Eine Empfehlung lautete, die Staubsaugerbürsten nach jeder Verwendung mit einem antibakteriellen Spray zu desinfizieren. Eine andere Lösung ist, eine neue Art Staubsauger anzuschaffen, der angeblich Bakterien und Keime mit ultravioletter Bestrahlung abtötet.
Andere Forscher haben Bakterien und Fäkalienreste in Eismaschinen und Menükarten von Restaurants gefunden. Zu den Lösungsvorschlägen zählen der Verzicht auf Eismaschinen, das Fernhalten von Menükarten von Tellern und sorgfältiges Händewaschen nach der Menüauswahl von einer infizierten Karte.
Das Problem bei diesen Studien und den daraus resultierenden Empfehlungen ist, dass sie sich nicht darum kümmern, ob eine der erwähnten Keimquellen zu nennenswerten Erkrankungen geführt hat. Sicher ist es immer eine gute Idee, vernünftige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, aber man kann mit dem Desinfizieren anfangen, ohne je zu einem Ende zu kommen. Bakterien und Keime sind überall. Man kann sie nicht alle beseitigen und dennoch dabei eine Menge Zeit und Geld verbrauchen.
Wenn Sie im Mittelalter unter Zwangsstörungen gelitten hätten, wären Sie sehr wahrscheinlich einem Priester übergeben worden, der dann versucht hätte, Ihnen den Teufel auszutreiben. Damals war man überzeugt davon, dass bizarre, gewaltsame, sexuelle oder gotteslästerliche Gedanken und Verhaltensweisen nur auf das Einwirken des Teufels zurückzuführen waren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hätte man Ihnen möglicherweise eine Psychoanalyse nach Freud nahegelegt, um ungelöste und unbewusste Konflikte aus der Kindheit zu verarbeiten. Bei einer Zwangsstörung, die mit sexuellen Obsessionen oder Zwängen einherging, wäre man davon ausgegangen, dass Sie sich unbewusst sexuell zu Ihrer Mutter oder Ihrem Vater hingezogen fühlten. Die Bezeichnung »anal fixiert« für jemanden, der sich übertrieben strikt, kontrolliert und verklemmt verhält, geht auf die Freud'sche Vorstellung zurück, dass ein striktes Toilettentraining in der frühen Kindheit dazu führte, dass sich die Kinder übertrieben stark auf Ordnung und Regeln konzentrierten.
Allerdings war den Zwangsstörungen weder durch Teufelsaustreibungen noch durch Psychoanalyse beizukommen. Erst in den letzten 40 Jahren konnten wirksame Therapien für die Störung entwickelt werden. Einige dieser Behandlungsformen sind noch gar nicht so lange allgemein zugänglich.
In den folgenden Abschnitten geben wir Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Behandlungsoptionen bei Zwangsstörungen, die sich in wissenschaftlichen Studien als Erfolg versprechend herausgestellt haben. Um das Ganze für Sie klarer zu gestalten, haben wir diese Therapien in die Kategorien Kognitive Verhaltenstherapie, Achtsamkeit, ERM (Exposition mit Reaktionsmanagement) sowie medikamentöse Therapie unterteilt. In der Praxis wird nur äußerst selten eine dieser Therapien isoliert zur Behandlung von Zwangsstörungen eingesetzt.
Kognitive Verhaltenstherapie ist der allgemeine Begriff für verschiedene Methoden, die darauf abzielen, durch Veränderungen des Denkens und Verhaltens eine Verbesserung des Wohlbefindens zu erreichen. Wir arbeiten quer durch das Buch mit diesem Oberbegriff. (Kapitel 8 geht umfassend auf die Kognitive Verhaltenstherapie ein.) Gelegentlich müssen wir in der Gesundheitsbranche jedoch ein bisschen pedantischer sein. Wenn Sie es auch genauer wissen wollen, bieten wir Ihnen hier ein paar Informationen mehr, als die meisten Leser wirklich brauchen.
Der Begriff Kognitive Therapie beschreibt Methoden, die vor allem darauf ausgerichtet sind, das Denken zu verändern. Die Verhaltenstherapie konzentriert sich dagegen auf verschiedene Änderungen des Verhaltens. ERM (siehe Kapitel 10) ist eine spezifische Ausprägung der Verhaltenstherapie. Und bevor wir es vergessen: Achtsamkeit wird oft als eine Variante oder ein Ableger der Kognitiven Verhaltenstherapie betrachtet. Fast jede Behandlung von Zwangsstörungen wird wenigstens einen kleinen Anteil ERM oder andere Methoden der Kognitiven Verhaltenstherapie umfassen, auch wenn nur das Etikett ERM oder Kognitive Therapie darauf klebt.
Die Kognitive Therapie wurde in den frühen 1960er-Jahren vom US-amerikanischen Psychiater Aaron Beck entwickelt und ist ein Hauptbestandteil der übergreifenden Kognitiven Verhaltenstheorie. Ursprünglich wurde diese Therapieform zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Die Kognitive Therapie gründet auf der Vorstellung, dass unser Wohlbefinden weitgehend davon abhängt, wie wir denken und die Ereignisse um uns herum interpretieren. Es geht deshalb bei der Behandlung darum, dass man lernt herauszufinden, wann das eigene Denken Verzerrungen oder Fehler aufweist, die Leiden verursachen. Wenn man diese Verzerrungen identifiziert hat, kann man lernen, angemessener zu denken. Schon bald nach der Einführung zur Behandlung von Depressionen wurde die Kognitive Therapie recht erfolgreich bei Angststörungen und schließlich auch bei einer ganzen Reihe anderer psychischer Störungen angewendet, darunter Essstörungen, Störungen des Sozialverhaltens und sogar Schizophrenie.
In den ersten Jahren wurde die Kognitive Therapie nicht bei Zwangsstörungen angewendet, was möglicherweise auf den Erfolg von Exposition mit Risikomanagement zurückzuführen ist (mehr dazu im Abschnitt Verhalten durch ERM verändern). Mittlerweile hat sich die kognitive Komponente der Kognitiven Verhaltenstherapie bei der Behandlung von Zwangsstörungen bewährt. In der Regel umfasst die Therapie dabei wenigstens einige ERM-Elemente. Manche Therapeuten sind der Meinung, dass eine vorherige Anwendung kognitiver Strategien dafür sorgt, dass die Betroffenen ERM besser akzeptieren und sich wohler damit fühlen. In den Kapiteln 8, 9 und 10 können Sie mehr über die verschiedenen Unterarten der Kognitiven Verhaltenstherapie nachlesen.
Das zwangsgestörte Gehirn konzentriert sich auf mögliche zukünftige Katastrophen. Seine Prognosen stellen sich fast immer als falsch heraus. Trotzdem lassen die Zwangsgedanken nicht nach und fordern die Aufmerksamkeit der Betroffenen.
Ich habe Angst, dass ich laute obszöne Äußerungen von mir gebe. Es könnte sein, dass ich irgendwann in der Kirche die Kontrolle über mich verliere und loswettere.
Meine Gedanken über den Tod könnten jemandem Schaden zufügen, den ich liebe.
Wenn ich diesen Türgriff berühre, könnte ich krank werden.
Wenn es nicht gerade über die Zukunft nachdenkt, ist das zwangsgestörte Gehirn mit der Vergangenheit beschäftigt. Alles Denken dreht sich darum, was vielleicht passiert ist.
Vielleicht habe ich den Ofen angelassen.
Vielleicht habe ich diese Person mit dem Auto überfahren.
Vielleicht habe ich mich mit diesem Thunfischauflauf vergiftet.
Als wäre das noch nicht genug, fällt das zwangsgestörte Gehirn harsche Urteile über andere Menschen, die Welt und sogar die Zwangsstörung selbst.
Etwas Schlechtes denken ist dasselbe, wie etwas Schlechtes tun.
Dass ich Zwangsstörungen habe, bedeutet, dass ich verrückt bin.
Weil ich diese Gedanken habe, bin ich ein schwacher Mensch.
An diese Stelle kommt Achtsamkeit ins Spiel. Achtsamkeit zielt darauf ab, den gegenwärtigen Augenblick zu erleben, ohne ein Urteil darüber zu fällen oder harsche Bewertungen abzugeben. Wenn Sie lernen, Ihren Zwangsstörungen achtsam zu begegnen, werden Sie verstehen, dass Gedanken nicht mehr sind als das: Gedanken. Gedanken machen niemanden zu einem guten oder bösen Menschen. In Kapitel 9 können Sie mehr darüber erfahren, wie Sie Achtsamkeit auf Ihr Leben insgesamt und Ihre Zwangsstörungen anwenden. Sie werden dabei lernen, sich selbst mehr Akzeptanz entgegenzubringen und Ihr zwangsgestörtes Gehirn in die Schranken zu weisen.
Zu einem echten Durchbruch bei der Behandlung von Zwangsstörungen kam es Mitte der 1960er-Jahre, als Victor Meyer bei zwei Patienten mit schweren Zwangsstörungen eine Behandlung mit dem Namen Exposure and Response Prevention (Exposition und Reaktionsverhinderung; heute spricht man eher von Exposition mit Reaktionsmanagement), abgekürzt ERM, ausprobierte. Diese Patienten hatten weder auf Schocktherapie noch auf stützende Psychotherapie oder Medikamente positiv angesprochen. Es wurde sogar ein operativer Eingriff am Gehirn in Erwägung gezogen. Eine Patientin litt unter einem Reinigungszwang. Dr. Meyer und eine Schwester konfrontierten sie mit Schmutz und erlaubten ihr nicht, den Schmutz zu beseitigen (deshalb die Bezeichnung »Exposition und Reaktionsverhinderung«). Diese radikale Behandlung konnte zum ersten Mal dazu beitragen, die Symptome der Patientin abzuschwächen. Die andere Patientin litt unter gotteslästerlichen Zwangsgedanken. Sie wurde aufgefordert, diese Gedanken gezielt zu üben, ohne die Rituale durchzuführen, mit deren Hilfe sie bis dahin versucht hatte, ihrem Zwang entgegenzuwirken. Wie bei der ersten Patientin führte auch hier ERM nach Jahren erfolgloser Therapiebemühungen zu einer merklichen Linderung.
ERM konnte die Zwangsstörungen bei beiden Patientinnen deutlich eindämmen. Die Gesundheitsbranche merkte auf, denn bis dahin hatte die Behandlung von Zwangsstörungen kaum zu Verbesserungen bei den Betroffenen geführt. Plötzlich drehte sich die Prognose bei Zwangsstörungen von aussichtslos zu durchaus hoffnungsvoll.
Allerdings verlangte die Therapie von den Patienten (und manchmal auch von den Therapeuten), dass sie sich die Hände schmutzig machen mussten – im wahrsten Sinne des Wortes. Sie wurden aufgefordert:
Nicht nachzuschauen, ob die Tür abgeschlossen ist
Nicht zu putzen
Gotteslästerliche Gedanken immer wieder zu wiederholen
Die Zahl »13« immer wieder auszusprechen
Hände zu schütteln
Den Inhalt ihrer Schränke nicht in einer bestimmten Weise zu sortieren
Verschmutzte Oberflächen zu berühren
Sie fragen sich vielleicht, ob die Durchführung von ERM nicht auch Leiden verursacht. Das ist in der Tat so. Vielleicht hat es deshalb eine Weile gedauert, bis dieser Ansatz von einer größeren Zahl Therapeuten aufgegriffen wurde. Es lohnt sich jedoch, diese Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen, weil ERM sehr wirksam ist. Alles Wissenswerte darüber können Sie in Kapitel 10 lesen.
Medikamente zeigten bei Zwangsstörungen fast keine Wirkung, bis im Jahre 1966 Anafranil (Clopramin) auf den Markt kam, etwa zur gleichen Zeit, als die ersten Tests mit ERM durchgeführt wurden. Das heißt, vor 1966 war die einzige bekannte Behandlungsmethode bei Zwangsstörungen die Psychochirurgie – ein ziemlich radikaler Eingriff, bei dem bestimmte Verbindungen im Gehirn durchtrennt wurden. Solche Operationen waren für die Patienten manchmal mit schrecklichen Nebenwirkungen verbunden, etwa dem Verlust normaler Körperfunktionen. Natürlich war die Psychochirurgie nur eine Option für die Patienten mit den am schwersten ausgeprägten Problemen. Alle anderen mussten selbst sehen, wie sie zurechtkamen.
Heute helfen einige bei Depressionen verwendete Medikamente (insbesondere Serotonin-Wiederaufnahmehemmer oder SSRIs) häufig auch bei Zwangsstörungen. Bei Patienten, die nicht auf SSRIs ansprechen und keine Besserung durch Psychotherapie erfahren konnten, besteht die Möglichkeit einer wirksamen Behandlung mit Antipsychotika der zweiten Generation.
Die Elektrokonvulsions-Therapie wurde zur Behandlung sehr schwerer Depressionen eingesetzt. Solche Behandlungen scheinen bei Zwangsstörungen nicht wesentlich zu helfen. Vielversprechend ist allerdings eine Behandlung, bei der Elektroden gezielt tief in das Gehirn eingesetzt werden, die sogenannte tiefe Hirnstimulation. Sie wird bei nicht auf andere Therapie ansprechenden Zwangsstörungen, Depressionen, der Parkinson-Krankheit und anderen neurologischen Störungen angewandt.
Diese sogenannte tiefe Hirnstimulation – umgangssprachlich »Hirnschrittmacher« genannt – wird seit gut 15 Jahren weltweit im Rahmen klinischer Studien auf ihre Wirksamkeit bei der Behandlung von Zwangsstörungen untersucht. Durch die elektrische Stimulation soll die Nervenaktivität normalisiert und so die Symptome der Zwangsstörung gelindert werden. Die Behandlung hilft jedoch nicht allen Betroffenen. Bei etwa zwei von drei behandelten Patienten konnte durch die tiefe Hirnstimulation die Intensität der Zwangssymptome um mindestens 25 Prozent reduziert werden. Voraussetzung für den Einsatz der tiefen Hirnstimulation bei Patienten mit Zwangsstörung ist, dass alle anderen anerkannten Therapien keine Wirkung gezeigt haben. Die tiefe Hirnstimula-tion kann modifiziert und rückgängig gemacht werden.
Angesichts der noch dürftigen wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse muss man die tiefe Hirnstimulation wohl noch als experimentelle Therapie bezeichnen, die jedoch bei bisher therapieresistenten Patienten eine vielversprechende Option darstellt. Neben der Erleichterung der Symptome kann meist auch eine Verringerung der Dosierung von Medikamenten und eine bessere Ansprechbarkeit für die Kognitive Verhaltenstherapie erreicht werden. Geben Sie den Forschern noch ein paar Jahre – es laufen zurzeit zahlreiche Studien.
Weniger erfreulich ist, dass Medikamente allein bei einem nicht unwesentlichen Anteil der Betroffenen keine nennenswerte Wirkung zu zeigen scheinen. Und dort, wo sie wirken, kommt es schnell zu Rückfällen, sobald die Medikamente nicht mehr eingenommen werden. Dazu kommt, dass die Nebenwirkungen beträchtlich sein können. Mehr Informationen über die Vor- und Nachteile von Medikamenten gegen Zwangsstörungen finden Sie in Kapitel 11.
Wenn Sie dieses Buch lesen, weil Ihr Kind, ein Familienmitglied oder ein enger Freund unter Zwangsstörungen leidet, können wir Ihnen mitteilen, dass Sie viel tun können, der betreffenden Person zu helfen. Wenn Sie Gutes tun und möglichst keinen Schaden anrichten wollen, schauen Sie sich die folgenden Punkte aufmerksam an:
Versuchen Sie sich nicht als Therapeut.
Wir empfehlen generell jedem, der unter Zwangsstörungen leidet, sich von einem Psychotherapeuten beraten zu lassen. Bei sehr schwach ausgeprägten Fällen können die Betroffenen versuchen, mit den in diesem Buch beschriebenen Methoden selbst eine Besserung herbeizuführen. Ein Behandlungsplan sollte jedoch von einem Psychotherapeuten oder Psychiater und von der betroffenen Person selbst erstellt werden. Sie können Vorschläge machen, sollten aber nicht darüber hinausgehen. Auch wenn Sie selbst als Therapeut arbeiten, sollten Sie diese Rolle nicht bei einem Freund oder Familienmitglied übernehmen.
Informieren Sie sich über Zwangsstörungen.
Auch wenn Sie nicht die Rolle eines Therapeuten übernehmen, ist es sehr hilfreich, wenn Sie möglichst viel über diese Störung wissen. Wenn Sie die Zusammenhänge verstehen, können Sie dem Ihnen nahestehenden Menschen mit mehr Mitgefühl und Akzeptanz begegnen. Darüber hin-aus wissen Sie dann auch, dass Ihr Familienmitglied, Kind oder Freund nicht darum gebeten hat, Zwangsstörungen zu haben. Niemand will sich mit diesem Problem herumschlagen.
Ermutigen statt beruhigen.
Ermutigen Sie die Person, um die Sie sich sorgen, eine Behandlung zu beginnen. Dabei sollten Sie jedoch auf etwas verzichten, was im ersten Augenblick ganz natürlich erscheint – dem Betroffenen versichern, dass alles wieder gut wird.
Lassen Sie sich nicht in Rituale und Zwänge hereinziehen.
Unter Zwängen leidende Menschen versuchen oft, andere dazu zu bringen, ihnen bei ihren Ritualen und Zwängen zu helfen, beispielsweise, indem sie Sie bitten, nachzuschauen, ob die Tür abgeschlossen oder der Herd abgeschaltet ist. Es mag auf den ersten Blick fürsorglich erscheinen, diesen Bitten nachzukommen, aber faktisch verschlimmern Sie damit die Situation.
Kapitel 2
IN DIESEM KAPITEL
Auf Zwangsgedanken hören
Zwangshandlungen näher betrachtet
Was alles dazugehört
Herausfinden, ob Sie Symptome einer Zwangsstörung zeigen
Zwangsstörungen äußern sich, wie der Plural schon andeutet, in vielerlei Gestalt. Die Erscheinungsformen reichen von verschrobenen Verhaltensweisen und übertriebenen Ängsten bis hin zu schwer gestörtem Denken. So kann die Diagnose Zwangsstörung beispielsweise bei jemandem gestellt werden, der die merkwürdige Angewohnheit hat, seine Kleider im Schrank genau 2,8 Zentimeter auseinander aufzuhängen, aber genauso bei jemandem, der sich übertriebene Sorgen wegen Bakterien und Keimen macht und sich ständig die Hände wäscht. Eine Zwangsstörung kann aber auch jemanden dazu bringen, endlos viele Katzen zu adoptieren und sein Leben in deren Dreck und Fäkalien zu verbringen.
Es wird Sie vielleicht überraschen, dass jeder Mensch gelegentlich Anzeichen einer zwanghaften Störung zeigt. Manche Symptome von Zwangsstörungen sind sogar ganz normal. Sie können sich durchaus besorgt fragen, ob Sie die Kaffeemaschine ausgeschaltet, den Boardingpass in Ihre Brieftasche gesteckt oder das Licht angelassen haben, als Sie die Wohnung hektisch verlassen haben, um Ihren Flug nicht zu verpassen. Und schon taucht der Gedanke auf, anzuhalten, umzudrehen und schnell nach Hause zu fahren, um nachzusehen. In der Regel tun Sie das jedoch nicht, weil Sie sich klar darüber sind, dass die Chancen gut stehen, dass alles in Ordnung ist und Sie sich unnötige Sorgen machen.
Ebenso normal ist es, wenn Sie den Drang verspüren, Ihre Schritte zu zählen, auf Holz zu klopfen oder Gegenstände auf Ihrem Nachttisch in einer bestimmten Weise anzuordnen. So etwas mag zwar möglicherweise unerwünscht oder etwas merkwürdig sein, kommt aber häufig vor. Nur weil Sie eines oder mehrere Symptome einer Zwangsstörung zeigen, heißt das nicht, dass Sie zwangsgestört sind.
In diesem Kapitel erläutern wir Zwangsstörungen mit einfachen Worten und geben klare Beispiele für die dazugehörigen Symptome. Dabei machen wir deutlich, was normal ist und was man als Zwangsstörung bezeichnen muss. Zwangsstörungen haben zwei Komponenten – Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Wir werden zunächst die Zwangsgedanken beschreiben und uns danach den Zwangshandlungen zuwenden. Erst danach werfen wir einen Blick auf die ganze Vielfalt der Zwangsstörungen und beschreiben kurz die einzelnen Erscheinungsformen.
Zwangsstörungen können den Betroffenen den Verstand rauben und ihr Leben völlig aus dem Gleis bringen. Wir nehmen das Thema Diagnose und Behandlung von Zwangsstörungen deshalb sehr ernst und gehen respektvoll damit um. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass zwangsgestörte Gehirne gelegentlich wilde Gedanken und groteske Handlungen produzieren. Auch wenn diese Gedanken und Verhaltensweisen völlig bizarr und gelegentlich komisch wirken, können wir Ihnen versichern, dass sie real und ernst zu nehmen sind. Wir nehmen uns gelegentlich selbst auf die Schippe und betrachten Zwangsstörungen mit einem Augenzwinkern. Dabei machen wir uns jedoch nie über diejenigen lustig, die unter dieser schweren Erkrankung leiden.
Von Zwangsstörungen betroffene Menschen leiden unter Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen. Das hätten Sie jetzt nicht gedacht, oder? Diese Zwangsgedanken und Zwangshandlungen können mit der Zeit in ihrer Intensität und inhaltlich variieren. So kann beispielsweise jemand damit geschlagen sein, sich jeden Tag zwei Stunden lang die Hände waschen zu müssen, und nach ein oder zwei Jahren hört das Händewaschen auf und wird von übertriebenem Putzen und millimetergenauer Ausrichtung der Möbel abgelöst.
Zwangsstörungen sind mit den Angststörungen (dazu gehören etwa die generalisierte Angststörung, Phobien, die posttraumatische Belastungsstörung und die Panikstörung) eingruppiert worden, weil unter Zwängen leidende Personen gewöhnlich darüber klagen, sich ängstlich, unruhig oder verzweifelt zu fühlen. Diese Gefühle werden oft durch zwanghafte Ängste, Gedanken oder Bilder ausgelöst. Mehr über Angststörungen können Sie in einem unserer früheren Bücher, Angstfrei leben für Dummies (Wiley-VCH), erfahren. Zwangsstörungen bestehen jedoch nicht nur aus Angst. Sie sind darüber hinaus mit verzerrtem Denken und wiederkehrenden Drangepisoden und Impulsen verbunden. Deshalb sind einige Experten der Meinung, dass Zwangsstörungen getrennt von den Angststörungen kategorisiert werden sollten.
Bei einem Zwang kann ein Zwangsgedanke, ein Drang oder ein Bild aus dem Nichts auftauchen oder aber durch ein Ereignis ausgelöst werden, zum Beispiel wenn in der Nähe jemand niest. Das Niesen führt dazu, dass die zwanghafte Besorgnis in Bezug auf Bakterien und Keime in das Bewusstsein der betroffenen Person drängt und das Risiko oder die Bedrohung durch diese Besorgnis plötzlich überlebensgroß erscheint. Die aufsteigende Angst lässt die betroffene Person verzweifelt nach einer Möglichkeit suchen, ihr Leiden zu lindern. Das zwangsgestörte Gehirn bietet als Lösung eine Zwangshandlung an, zum Beispiel ein Viren abtötendes Gel in die Nase zu sprühen, damit die Angst vor den Keimen nachlässt. Die Ausführung der Zwangshandlung bringt vorübergehende Erleichterung, was wiederum dazu führt, dass die Zwangshandlung mit größerer Wahrscheinlichkeit wieder ausgeführt wird. Das folgende Beispiel soll diesen zwangsgestörten Angstzyklus veranschaulichen.
Paul arbeitet als Buchhalter und ist extrem besorgt, dass er sich mit Aids infizieren könnte, wenn er Gegenstände berührt, die von anderen Leuten angefasst worden sein könnten. Deshalb meidet er Türgriffe, Händeschütteln und öffentliche Toiletten. Er arbeitet von zu Hause aus, um jedem überflüssigen Kontakt mit Bakterien und Keimen aus dem Weg zu gehen. Er hat immer und überall ein Handdesinfektionsgel und Desinfektionsmittel dabei. Selbst zu Hause desinfiziert er Tisch- und Schrankoberflächen und das Telefon mehrmals am Tag. Er macht sich Sorgen, dass Bakterien durch die Luft schweben und in seine Wohnung gelangen.
Immer wenn ein Zwangsgedanke in Bezug auf eine bakterielle Belastung in sein Bewusstsein drängt, ist Paul überzeugt, dass er ein hohes Risiko trägt, sich mit Aids oder einer anderen schweren Krankheit anzustecken. Diese übertriebene Risikoeinschätzung löst bei Paul starke Angst und eine immense Furcht aus. Dieses Leiden bringt ihn dazu, sofort seine Hände mit Desinfektionsgel zu waschen und seine Computertastatur, die Küchenarbeitsplatten und das Telefon zu desinfizieren. Sobald er »genug« desinfiziert hat, fühlt er sich sehr erleichtert, wenn auch nur für kurze Zeit. Die Macht dieser Erleichterung hält den Zyklus am Leben. Seine Zwangsgedanken drängen schon bald wieder in den Vordergrund.
Pauls Zyklus ist für Zwangsstörungen typisch. Wir haben ihn in Abbildung 2.1 grafisch dargestellt.
Abbildung 2.1: Pauls zwangsgestörter Angstzyklus
Dieser Zyklus macht deutlich, warum Zwangsstörungen in der Regel den Angststörungen zugerechnet werden. Zwangsgedanken