12,99 €
Was unterscheidet einen Bahnhof von einem Haltepunkt? Das älteste erhaltene Empfangsgebäude Deutschlands steht wo? Was ist ein Inselbahnhof, was ein Kopfbahnhof? Die und viele weitere Fragen beantwortet dieses gleichermaßen unterhaltsame wie informative Buch zu allem Wichtigen aus Geschichte und Gegenwart. Dabei kommen Rekorde und Kuriositäten nicht zu kurz. – 101 Aha-Erlebnisse für Eisenbahnfans und Zugreisende gleichermaßen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 148
Michael Dörflinger
die man überBahnhöfewissen muss
Vorwort
1Definition der Bahnhöfe 1 | Nach der Lage im Netz
2Definition der Bahnhöfe 2 | Die verschiedenen Bahnhofsformen
3Definition der Bahnhöfe 3 | Unterscheidung nach Aufgaben
4Bahnhofsarchitektur | Vom Historismus zur Moderne
5Die Bahnsteighalle | Trockenen Fußes zum Zug
6Der Wartesaal | Auch hier gab es mehrere Klassen
7Bahnhofsrestaurants | Gourmetküche und Fastfood
8Bahnhof und Kommerz | Geschäftspassagen der großen Bahnhöfe
9Aushängeschild und Ballast | Das Ende der Empfangsgebäude?
10Die Bahnhofsmission | 125 Jahre Hilfe für die Menschen
11Ticketverkauf | Schalter – Automat – Online
12Die Bahnsteigkarten | Heute sind sie fast vergessen
13Brücke zu den Gleisen | Über die Züge zum richtigen Gleis
14Auf dem Bahnsteig | Sicherheit bei hohem Passagieraufkommen
15Der Bahnhofsvorplatz | Umstiegspunkt und Aufenthalt
16Die Zukunftsbahnhöfe | Ein besonderes Projekt der Deutschen Bahn
17Bahnhofsgleise | Ein Weichenparadies
18Stellwerke | Für einen reibungslosen Verkehr
19Die Dampflok am Bahnhof | Wasser, Kohle und Sand nachfassen
20Die Güterabfertigung | Warenlieferung per Zug
21Güter- und Rangierbahnhöfe | Riesige Umschlagplätze auf freiem Feld
22Der Rangierbahnhof Maschen | … gleich bei der Autobahn
23Rangierbahnhof Limmattal | Der größte Schweizer Rangierbahnhof
24Putz- und Flickstunde | Betriebs- und Ausbesserungswerke
25Der älteste deutsche Bahnhof | Augsburger Eisenbahndenkmäler
26Der älteste Grenzbahnhof | Erste deutsche Auslandsverbindung
27Auf dem Zugspitzplatt | Deutschlands höchster Bahnhof
28Europas höchster Bahnhof | Auf dem Schweizer Jungfraujoch
29Der höchste Bahnhof der Welt | Dieser Rekord geht nach China
30Peking Westbahnhof | Ein neuer Bahnhof mit viel Potenzial
31Der Bahnhof Peking | Der Bahnhof im Zentrum der Stadt
32Der Bahnhof in Schanghai | Asiens flächengrößter Bahnhof
33Bahnhof Shinjuku in Tokio | Der betriebsamste Bahnhof der Welt
34Victoria Terminus Mumbai | Sogar UNESCO-Weltkulturerbe
35U-Bahnhöfe als Kunstwerk | Palastarchitektur in St. Petersburg
36Wie in einem Schloss | Die Moskauer U-Bahnhöfe
37Moskauer Bahnhöfe | Von der Hauptstadt in die Provinzen
38Der tiefste Bahnhof der Welt | U-Bahn-Station Arsenalna in Kiew
39Stockholm | Eine der größten Kunstgalerien der Welt
40Baujuwel in Amsterdam | Bahnhof im Stil der Neorenaissance
41Der neue Bahnhof von Lüttich | Die »Kathedrale der modernen Zeit«
42Antwerpens Kunstwerk | Die Centraal Station ist ein Palast
43Auf den Nordseeinseln | Bahnhöfe der besonderen Art
44Der Hauptbahnhof von Kiel | Immer wieder Umbauarbeiten
45Bremens Hauptbahnhof | Märchenbau und Augenschmaus
46Hamburg Hauptbahnhof | Der betriebsamste Bahnhof Deutschlands
47Berlin Ostbahnhof | Er hatte schon viele Namen
48Berlin Bahnhof Zoo | Ein Film machte ihn berühmt
49Der Hauptstadtbahnhof | Berlins neues Aushängeschild
50Der Kölner Hauptbahnhof | Zwischen Dom und Hohenzollernbrücke
51Frankfurt am Main | Deutschlands Nummer zwei
52Leipzigs Verkehrspalast | Der größte Kopfbahnhof Europas
53Dresdens Tor zur Welt | Unter Norman Fosters Dach
54Kassel-Wilhelmshöhe | Ein neuer Bahnhof für den ICE
55Wien Hauptbahnhof | Ein anderer Neubau setzt Akzente
56Nürnberg Hauptbahnhof | An der Wiege der deutschen Eisenbahn
57München Hauptbahnhof | Der Bahnhof mit zwei Flügeln
58Stuttgart 21 | Ein Großprojekt der Deutschen Bahn
59Insel-Bahnhof Lindau | Einzigartige Lage im Bodensee
60Rekorde | Wichtigste Fernbahnhöfe in Deutschland
61Ein Berg, zwei Bahnen | Konkurrenz auf der Rigi
62Luzern | Nur das Portal blieb vom alten Bahnhof
63Der Zürcher Hauptbahnhof | Der größte Bahnhof der Schweiz
64Die Gornergratbahn | Die Bergstation mit Blick aufs Matterhorn
65Die Metro Alpin von Saas-Fee | Der höchste U-Bahnhof der Welt
66Innsbruck Hauptbahnhof | Ein Bahnhof mit langer Geschichte
67Jugendstilbahnhöfe in Wien | Glanzvolle Architektur der Stadtbahn
68Paris Gare du Nord | Europas betriebsamster Bahnhof
69Paris Gare de l'Est | Das Tor in den Osten
701895: Gare Montparnasse | Der kurioseste Eisenbahnunfall
71Châtelet – Les Halles | Der größte U-Bahnhof der Welt?
72Gare do Oriente, Lissabon | Spektakuläre Dachkonstruktion
73Barcelona | Bahnhöfe mit Tradition und Neubauten
74Der Bahnhof von Brescello | Don Camillos kleine Welt
75Die ältesten U-Bahnhöfe | London war der Pionier
76Sicher gegen deutsche Bomben | U-Bahnhöfe als Bunker
77Aus Zwei mach Eins | Victoria Station
78St Pancras International | Der berühmte Londoner Bahnhof
79Waterloo Station | Londons wichtigster Bahnhof
80Melbourne Southern Cross | Bahnhof mit Dunstabzug
81Chicago Union Station | Architektur und Film
82Die meisten U-Bahnhöfe | Immer noch trotzt New York den Chinesen
83Pennsylvania Station | Tunnelbahnhof in Manhattan
84Washington Union Station | Hauptstadtbahnhof der USA
85Der größte Bahnhof der Welt | Die Grand Central Station in New York
86U-Bahnhof Bekleidungshaus | Broadway Beach Pneumatic Transit
87Der Bahnhof als Museum | Sehenswerte Ziele an der Strecke
88Bahnhofsgeschichte live | North Yorkshire Moors Railway
89Ferien auf dem Bahnhof | Eisenbahnfans lieben es
90Die Eisenbahnzeit | Auf dem Weg zur einheitlichen Uhrzeit
91Bahnhöfe im Lied | Fernweh und Heimkehr
92Der längste Bahnhofsname | Ein Rekord, der Touristen anlockt
93Harry Potters Bahnhof | Das legendäre Gleis 9 ¾
94Eisenbahn in der Malerei | Vom Impressionismus zur Moderne
95Schiele, der Eisenbahnersohn | Aufgewachsen in einem Bahnhof
96Der Kulturbahnhof | Kunst und Eisenbahn finden zusammen
97Zuganzeigen und Durchsagen | Entwicklung von analog zu digital
98Das Rauchverbot | Dem Qualmen werden Grenzen gesetzt
99Fahrräder am Bahnhof | Ein schier unlösbares Problem
100Barrierefreie Bahnhöfe | Umbauten für einen Zugang für alle
101Abschiede am Bahnsteig | Romantik, Sehnsucht und Melancholie
Impressum
Viele Eisenbahnfreunde interessieren sich vor allem für Lokomotiven. Doch wie interessant und oft überraschend die Beschäftigung mit Bahnhöfen sein kann, soll dieser kleine Band der 101er-Reihe zeigen.
Am Anfang stehen die verschiedenen Typen von Bahnhöfen und wie sie charakterisiert sind. Die oft als Kathedralen des Verkehrs bezeichneten Hauptbahnhöfe sind ebenso präsent wie die kleinen auf dem Land. Die verschiedenen Bestandteile des Bahnhofs und ihre Aufgaben werden gezeigt. Es folgen Porträts wichtiger Bahnhöfe aus aller Welt, eine Reise zu den größten, höchsten oder schönsten Bahnhöfen, die sich lohnt.
Bahnhöfe haben Geschichte und sie haben ihre Geschichten. Einige davon werden auf den folgenden Seiten erzählt. Übrigens werden hier nicht nur die Bahnhöfe der »klassischen« Eisenbahn berücksichtigt, sondern auch U-Bahn-Stationen, denn die gehören ebenfalls zu den 101 Dingen, die man über Bahnhöfe wissen sollte.
Am Ende ist ein Buch mit vielen Facetten herausgekommen, bei dessen Lektüre ich allen Lesern viel Freude wünsche!
Augsburg im Sommer 2022
Michael Dörflinger
Ich möchte das Buch meiner Mutter und meinem Onkel Charly widmen, die uns innerhalb eines Jahres für immer verlassen haben und die ich nie vergessen werde.
Für die meisten Menschen ist ein Bahnhof das, worunter der Eisenbahner das Empfangsgebäude versteht. Dazu kommen vielleicht noch die Bahnsteige – fertig. Doch wenn man den Begriff »Bahnhof« sauber definiert, dann gibt es eine Reihe von Kriterien, mit denen wir uns in den ersten Kapiteln dieses Bandes beschäftigen wollen. Zu Beginn betrachten wir die verschiedenen Arten von Bahnhöfen im Hinblick auf ihre Lage im Schienennetz. Dabei ist es durchaus auch möglich, dass auf einen Bahnhof mehrere Aspekte zutreffen.
Der älteste Bahnhof nach der Lage im Netz ist der Endbahnhof. An diesem Bahnhof starten und enden Züge. Bis zum Endbahnhof auf der anderen Seite der Strecke findet man die Zwischenbahnhöfe, die oft auch nur Haltepunkte sind (siehe Kasten). Mit der Verdichtung des Schienennetzes war man natürlich darauf bedacht, zwischen verschiedenen Strecken Verbindungen zu schaffen. So entstand der Anschlussbahnhof. Hier trifft in der Regel eine Nebenstrecke auf eine Hauptstrecke und die Fahrgäste können umsteigen. Normalerweise gibt es keinen Zugübergang. Im Unterschied dazu ist es bei einem Trennungsbahnhof so, dass sich dort Züge in verschiedene Richtungen verzweigen, es aber so ist, dass Züge von einer Strecke in die andere übergehen. Dabei ist der Unterschied zum Anschlussbahnhof manchmal nicht klar gefasst.
Blick auf die ausgedehnte Bahnanlage des neuen Wiener Hauptbahnhofs, der 2014 eröffnet wurde. Der Knotenbahnhof, an dem sich Züge aus allen Richtungen treffen, wurde als moderner Durchgangsbahnhof konzipiert und bietet heute rund 30.000 Menschen einen Arbeitsplatz – bei den ÖBB oder in den etwa 90 Lokalen und Geschäften. Bild: ÖBB/Immobilienmanagement GmbH
Ein Zwischenhahnhof wird nur von einem Zug einer einzigen Bahnstrecke bedient. Das ist die einfachste Form eines Bahnhofs nach der Lage im Schienennetz. Bild: Pavel Bortel/Fotolia.de
Eine andere Art ist der Berührungsbahnhof. Hier treffen zwei oder mehrere Strecken aufeinander, ohne dass sich deren Gleise kreuzen. Der Fahrgast kann hier nur umsteigen. Das ist zum Beispiel die Regel, wenn sich Strecken unterschiedlicher Spurweiten treffen. Wenn sich die beiden Strecken jedoch berühren und ein Übergang von einer Strecke auf die andere möglich wird, spricht man von einem Kreuzungsbahnhof.
Der bedeutendste Bahnhof hinsichtlich seiner Lage im Streckennetz ist der Knotenbahnhof. Hier treffen mehrere Strecken aufeinander und es sind auch Übergänge möglich. Es kann aber auch sein, dass sich eine Strecke mit den anderen nur berührt. Der Hauptbahnhof einer Stadt ist meistens auch ein Knotenbahnhof.
Wussten Sie schon?
Von Haltepunkt und nicht von einem Bahnhof spricht man streng genommen, wenn ein kleiner Ort eine Bahnstation besitzt, die nur eingleisig ist oder zwei parallele Gleise hat. Im allgemeinen Sprachgebrauch – und in diesem Buch – machen allerdings die wenigsten diese Unterscheidung. Und »Bahnhof« klingt ja auch wirklich besser.
Neben der Definition aus dem ersten Kapitel nach der Lage im Netz definiert man Bahnhöfe auch nach der Form, also der Architektur und dem Grundriss der Gleisanlagen. Dabei unterscheidet man zwei grundlegende Konzepte: Durchgangsbahnhof und Kopfbahnhof. Der letztere ist der klassische Endbahnhof und älteste Form eines Bahnhofs, in dem die Gleise an Prellböcken enden. Die Ein- und Ausfahrt erfolgt in die gleiche Richtung. Bei der Verwendung von Dampfloks mit Schlepptender war es dann nötig, eine andere Lok ans andere Ende des Zuges zu kuppeln, denn beim Neustart wird ein Fahrtrichtungswechsel vorgenommen. Mit Tenderloks, Steuerwagen wie etwa beim InterCity oder mit Wendezügen hatte man es später geschafft, diesen Aufwand zu vermeiden.
Anders beim Durchgangsbahnhof. Hier fährt der Zug in die gleiche Richtung weiter. Dieser Betriebsablauf spart Zeit und ermöglicht es, kürzere Aufenthaltszeiten im Bahnhof zu erreichen. Ist bei einem Durchgangsbahnhof der Endhalt erreicht, erfüllt ein Gleis dieselbe Funktion wie das eines Kopfbahnhofs. Es kann aber auch bei Durchgangsbahnhöfen stumpfe Gleise geben, die in einem Prellbock enden. Überhaupt können sich die Formen je nach betrieblicher Situation durchaus mischen.
Der Hauptbahnhof von Halle an der Saale ist als Inselbahnhof angelegt. Diese alte Ansicht wurde um 1900 fotografisch festgehalten. Bild: Sammlung Michael Dörflinger
Eine einfache Form des Durchgangsbahnhofs ist Eisfelder Talmühle. Hinsichtlich der Lage im Netz ist er ein Trennungsbahnhof (Harzquerbahn und Selketalbahn). Bild: Jens Rasch
Neben diesen beiden Formen sind weitere zu nennen, die sich durch ihre besondere Architektur auszeichnen. An erster Stelle sei hier der Inselbahnhof genannt. Damit sind nicht etwa Bahnhöfe gemeint, die sich auf Inseln befinden (siehe Kapitel 43). Vielmehr werden jene Bahnhöfe so genannt, bei denen sich das Empfangsgebäude zwischen den Gleisen von mindestens zwei Strecken befindet. Vor und hinter dem Bahnhof müssen die Gleise allerdings miteinander verbunden sein, denn sonst spricht man von einem Keilbahnhof. Inselbahnhöfe entstehen oft dadurch, dass der Platz für einen Ausbau der Anlagen auf der einen Seite des Geländes nicht zur Verfügung steht und man deshalb auf der anderen Seite des Empfangsgebäudes bauen muss. Da der Weg zum Empfangsgebäude immer einen Tunnel unter dem Gleis oder eine Brücke erfordert, ist der bauliche Aufwand entsprechend groß und der Zugang mitunter erschwert. So wurden immer wieder Inselbahnhöfe umgebaut. Ein bekanntes Beispiel für den Inselbahnhof ist der Hauptbahnhof von Halle an der Saale, der 1890 eröffnet wurde und bei dem diese Bauform auch daran lag, dass verschiedene Bahngesellschaften unter einen Hut gebracht werden mussten.
Der Hamburger Hauptbahnhof ist ein Reiterbahnhof. Das Empfangsgebäude steht quer über den Gleisen. Hier ein Blick auf die Nordfassade des Baus. Bild: kameraauge/Fotolia.de
Eine weitere Sonderform ist der Reiterbahnhof. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass sich das Empfangsgebäude quer über den Gleisen befindet. Die Passagiere erreichen ihre Bahnsteige, indem sie sich auf Treppen oder mit Aufzügen ein Stockwerk tiefer begeben. Das prominenteste Beispiel für diese Form ist sicher der Hamburger Hauptbahnhof.
Das Gegenteil des Reiterbahnhofs ist der Tunnelbahnhof, bei dem sich die Bahnanlagen unter der Erde befinden. Diese Form findet man vor allem bei S- und U-Bahnen, doch gibt es auch Beispiele bei der »großen« Eisenbahn. Allerdings handelt es sich dabei meist um Mischformen.
Die letzte Sonderform, von der hier gesprochen werden soll, ist der Turmbahnhof. Bei ihm handelt es sich um ein Bauwerk, bei dem mindestens zwei Gleise übereinander liegen und wo der Fahrgast über Rolltreppen, Treppen oder Aufzüge das andere Niveau erreicht. Wenn dieser Bahnhof auch einen S- oder U-Bahn-Anschluss besitzt, dann befindet sich ein Teil des Turmbahnhofs unter der Erde, ähnlich einem Tunnelbahnhof. Ein Übergang der Gleise wird in der Regel über eigens gebaute Verbindungsgleise möglich. Das bekannteste Beispiel für einen Turmbahnhof ist der 2006 eröffnete Hauptbahnhof der deutschen Hauptstadt Berlin. Er ist zugleich der größte Turmbahnhof Europas. Überhaupt ist Berlin eine Stadt mit recht vielen Turmbahnhöfen. Das liegt daran, dass auf diese Weise eine Platz sparende Verbindung von S-, U- und Eisenbahn geschaffen werden kann. Ebenfalls beliebt ist der Turmbahnhof in Japan, wo sich mehrere Bahnlinien an einem Ort begegnen.
Wie man schon bei einigen der gegebenen Beispiele gesehen hat, existieren viele Bahnhöfe, bei denen sich die verschiedenen Formen mischen. So wird einmal mehr deutlich, dass Definitionen nur beschreibende Erklärungen sind, mit denen der Mensch versucht, Struktur in ein Phänomen zu bringen. Dennoch ist eine Definition hilfreich, denn dank ihr bekommt man ein genaueres Bild vor dem inneren Auge.
Zuletzt sei noch eine Form des Bahnhofs erwähnt, der wir in Kapitel 57 noch einmal begegnen werden: Der Flügelbahnhof. Das ist ein betrieblich abgetrennter, aber sich auf dem Areal des Hauptbahnhofs oder in unmittelbarer Nähe befindlicher Bahnhof. Manchmal ist er historisch bedingt, wenn verschiedene Bahngesellschaften ihre eigenen Bahnhöfe direkt nebeneinander eingerichtet haben.
Der Berliner Hauptbahnhof wurde in den 2000er-Jahren als Turmbahnhof angelegt. Die Gleise befinden sich auf verschiedenen Ebenen. Bild: Hannelore Dörflinger
Wenn man die Bahnhöfe nach ihren Aufgaben definiert, dann unterscheidet man drei Gruppen: Bahnhöfe mit Verkehrsaufgaben, Bahnhöfe ohne Verkehrsaufgaben und solche mit Sonderaufgaben. Zur ersten Gruppe gehören die Personenbahnhöfe, die bei den meisten Menschen als der Bahnhof schlechthin gelten. Außerdem gehören dazu die Güterbahnhöfe und solche, die beide Aufgaben gleichzeitig erfüllen.
Bahnhöfe, die keine Verkehrsaufgaben erfüllen, werden nur zur korrekten Abwicklung des Eisenbahnbetriebs gebraucht. Das sind etwa Kreuzungsbahnhöfe – bei eingleisigen Strecken wenn mehrere Züge verkehren unabdingbar–, Überholungsbahnhöfe oder Betriebsbahnhöfe, zu denen Rangierbahnhöfe oder Abstellbahnhöfe zählen.
Zur letzten Gruppe zählen alle anderen Bahnhöfe, die besondere Aufgaben zu erfüllen haben. Hier gibt es spezielle Formen, etwa den Grenz- und den Transitbahnhof beim Verkehr über Landesgrenzen hinweg, Übergabebahnhöfe, wo Züge einer anderen Bahngesellschaft übergeben werden, oder eine Sonderform des Grenzbahnhofs: den Gemeinschaftsbahnhof. Bei ihm betreiben die Bahngesellschaften der beiden benachbarten Länder den Bahnhof zusammen. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist der Bahnhof Bayerisch Eisenstein/Železná Ruda-Alžbětín an der deutschtschechischen Grenze. Beim Grenzübergang oder bei Übergängen zu anderen Gesellschaften können Systemwechselbahnhöfe nötig werden. Ein solcher ist etwa der Bahnhof Brenner, wo die unterschiedlichen Stromsysteme von Österreich und Italien einen Lokwechsel erforderlich machen. Manchmal gibt es an einem Bahnhof verschiedene Spurweiten. Beim Übergang in eine andere Spurweite wird auf dem Spurwechselbahnhof ein Systemhalt notwendig. Der Fährbahnhof ist dazu da, den Übergang eines Zuges auf eine Fähre zu gewährleisten. Hingegen gehört ein Hafenbahnhof zu der Gruppe der Güterbahnhöfe, denn hier werden Güter umgeschlagen. Museumsbahnhöfe werden in Kapitel 87 genauer besprochen.
Bei kleineren Bahnhöfen findet man die Güterabfertigung häufig unmittelbar neben dem Empfangsgebäude. Früher waren die Züge oft kombiniert. Bild: Tyler Olson/Fotolia.de
Der Rangierbahnhof Maschen ist der größte seiner Art in Europa. Er wurde 1977 eröffnet und bis 2014 modernisiert. Bild: volkerr/Fotolia.de
Wussten Sie schon?
Im Zweiten Weltkrieg wurde auf freiem Feld ein Scheinbahnhof errichtet, der den alliierten Bombern den Stuttgarter Hauptbahnhof vortäuschen sollte und sie dazu brachte, ihre tödliche Last hier abzuwerfen.
Bahnhöfe wurden nicht nur als Start- und Endpunkt einer Bahnlinie verstanden. Die Empfangsgebäude wurden immer mehr zum Aushängeschild der Gemeinde oder Stadt. Und sie sind auch ein Ort, wo es etwas zu Essen oder zu Kaufen gibt. Die Architektur der »Kathedralen des Verkehrs« hat sich im Laufe der Jahre stark verändert. Die folgenden Seiten bieten einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Bahnhofsbaukunst.
Die ersten Bahnhöfe waren meist aus Holz gefertigt und waren nichts anderes als Provisorien. Doch schon früh hatten die Bahngesellschaften den Ehrgeiz, repräsentative Bauten zu errichten, die den Menschen zeigen sollten, dass die Eisenbahn ein Erfolgsmodell ist. Für die Städte wurden die Empfangsgebäude zu Wahrzeichen, denn die Reisenden setzten hier zum ersten Mal einen Fuß auf den Boden. Sehr schnell wichen die Holzgebäude solchen aus Stein, die meist großzügig gehalten waren und nicht nur Wartesäle für die verschiedenen Klassen boten, sondern auch die Möglichkeit boten, Speisen einzunehmen – und natürlich Fahrkarten zu kaufen. Auf dem Land wurden die Bahnstationen in der Regel im Stil der Region errichtet. In den Städten hingegen entstanden meist Gebäude im Stil des Spätklassizismus, dem in diesen Jahren dominierenden Baustil.
Der Bahnhof der pommerschen Kleinstadt Kalisz Pomorski (früher Kallies) aus dem späten 19. Jahrhundert war bis 1945 deutsch. Bild: Maciej Wienszczak/Fotolia.de
Der erste Bahnhof von Zürich um 1847 war ein schlichter Bau im klassizistischen Stil. Er musste 1871 einem prächtigen Neubau weichen. Bild: Johann Baptist Isenring