11 Liebesgeschichten Weihnachten 2022 - Ela Bertold - E-Book

11 Liebesgeschichten Weihnachten 2022 E-Book

Ela Bertold

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Geschichten Schlosshotel Schwarzenburg (Sandy Palmer) Eine italienische Romanze (Sandy Palmer) Sag mir nur drei kleine Worte (Sandy Palmer) Der Mann aus dem Urlaubsparadies (Sandy Palmer) Liebeswirren am Nordseestrand (Sandy Palmer) Das Glück wohnt am anderen Ende der Welt (Sandy Palmer) Denn das Glück lässt sich nicht kaufen (Sandy Palmer) Die Insel der lustvollen Träume (Sandy Palmer) Das war unsere Zeit (Sandy Palmer) Tanzen macht auch Sportmuffeln Spaß (Eva Joachimsen) Erfolg lässt sich nicht erzwingen (Ela Bertold) Palmen, Traumstrände, kristallklares Wasser, in dem sich bunte Fische tummeln - und ein Mann, der Ellen von der ersten Sekunde an fasziniert. Dabei hatte sie sich geschworen, sich nach der Pleite mit Jo nicht so rasch wieder zu verlieben. Aber Bernhard Beck war genau der Typ, der sie schnell alle guten Vorsätze vergessen ließ...

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Ela Bertold, Sandy Palmer, Eva Joachimsen

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Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

11 Liebesgeschichten Weihnachten 2022

Copyright

Schlosshotel Schwarzenburg

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

Eine italienische Romanze

1

2

3

4

5

6

7

Sag mir nur drei kleine Worte

1

2

3

4

Der Mann aus dem Urlaubsparadies

1

2

3

4

Liebeswirren am Nordseestrand

Das Glück wohnt am anderen Ende der Welt

1

2

3

4

5

6

Denn das Glück lässt sich nicht kaufen

1

2

3

4

5

6

7

8

Die Insel der lustvollen Träume

1

2

3

4

5

6

7

8

Das war unsere Zeit

Der Regentanz bringt die Liebe

Tanzen macht auch Sportmuffeln Spaß!

Erfolg lässt sich nicht erzwingen

11 Liebesgeschichten Weihnachten 2022

Ela Bertold, Sandy Palmer, Eva Joachimsen

Dieses Buch enthält folgende Geschichten

Schlosshotel Schwarzenburg (Sandy Palmer)

Eine italienische Romanze (Sandy Palmer)

Sag mir nur drei kleine Worte (Sandy Palmer)

Der Mann aus dem Urlaubsparadies (Sandy Palmer)

Liebeswirren am Nordseestrand (Sandy Palmer)

Das Glück wohnt am anderen Ende der Welt (Sandy Palmer)

Denn das Glück lässt sich nicht kaufen (Sandy Palmer)

Die Insel der lustvollen Träume (Sandy Palmer)

Das war unsere Zeit (Sandy Palmer)

Tanzen macht auch Sportmuffeln Spaß (Sandy Palmer)

Erfolg lässt sich nicht erzwingen (Sandy Palmer)

Palmen, Traumstrände, kristallklares Wasser, in dem sich bunte Fische tummeln - und ein Mann, der Ellen von der ersten Sekunde an fasziniert. Dabei hatte sie sich geschworen, sich nach der Pleite mit Jo nicht so rasch wieder zu verlieben. Aber Bernhard Beck war genau der Typ, der sie schnell alle guten Vorsätze vergessen ließ...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

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© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Schlosshotel Schwarzenburg

Ein Traumschloss am Bodensee, das ist das Erbe von Sabrina von Bergdorff nach dem überraschenden Tod ihrer Eltern. Und während ihr Bruder mit seiner Familie auf dem Stammschloss wohnen bleibt, siedelt Sabrina um an den Bodensee. Sie ist der Erfüllung ihres größten Traums ein Stück näher gekommen – ein eigenes Hotel will sie haben. Und auf Schwarzenburg soll es entstehen. Ein mutiger, gewagter – und schicksalhafter Entschluss...

1

“Mach’s gut, Kleine. Und wenn du Schwierigkeiten hast, dann ruf mich an.” Joachim Graf von Bergdorff umarmte seine Schwester kurz.

“Es wird schon schief gehen”, lächelte Sabrina und warf einen letzten, ein bisschen wehmütigen Blick zurück auf das trutzige Stammschloss ihrer Familie. Am Portal stand Elaine, ihre Schwägerin. Wie immer in ein Business-Kostüm gekleidet und das platinblonde Haar exakt frisiert. Das helle Haar harmonierte hervorragend zu dem dunklen Kostüm, das Elaine trug. Seit dem plötzlichen Tod der Schwiegereltern kleidete sie sich entweder in Schwarz oder dezentes Grau – wissend, dass es ihr hervorragend stand. Obwohl die Entfernung viel zu groß war, glaubte Sabrina ihr hochmütiges Gesicht zu sehen.

Das machte die Abreise noch leichter! Sie hob ein letztes Mal die Hand, dann schwang sie sich hinter das Lenkrad ihres alten VW-Cabrios und fuhr vom Schlosshof.

Die Allee führte ins nahegelegene Dorf, und noch einmal kamen in der jungen Komtess Kindheitserinnerungen hoch. Da war die Schule, in die sie vier Jahre lang gegangen war, da, neben der Kirche, lag der Friedhof...

Sie bremste und ging noch einmal ans Grab ihrer Eltern. Die Familiengruft lag direkt neben dem Eingang und war sogar jetzt noch, drei Wochen nach der Beisetzung, über und über mit Kränzen bedeckt. Sie welkten schon, für übermorgen hatte Joachim einen Gärtner abgestellt, die Grabstätte in Ordnung zu bringen.

Sabrina trat ans Grab ihrer Eltern, die bei einem tragischen Flugzeugunglück gestorben waren. “Adieu, Paps”, flüsterte sie, “und dir danke ich besonders, Mutsch. Ohne dich hätte ich jetzt nicht das kleine Schlösschen Schwarzenburg – und kein neues Zuhause.”

Sie wischte sich eine Träne ab und ging entschlossen zu ihrem Wagen zurück. Dann startete sie durch – in ein neues Leben.

Je weiter sie nach Süden kam, um so besser wurde das Wetter. Das hob Sabrinas Laune noch zusätzlich. Sie freute sich auf ihr neues Zuhause – und auf die neue Aufgabe, die auf sie wartete.

Schloss Schwarzenburg lag nur fünf Autominuten von Überlingen entfernt auf einem kleinen Berg. Etwas mehr als hundert Jahre alt das Haupthaus, die beiden kleinen Nebengebäude waren erst in den fünfziger Jahren entstanden und dienten schon lange nicht mehr als Geräteschuppen, sondern beherbergten nichts als altes Gerümpel.

Das Schloss selbst war auch nicht mehr im besten Zustand, das wurde Sabrina bewusst, als sie die kiesbestreute Einfahrt hinauffuhr. Aber sie war voller Elan und wollte ihren Plan in kürzester Zeit verwirklichen: Aus dem efeuüberwucherten Schlösschen, das wie verwunschen vor ihr lag, sollte ein Luxushotel werden!

“Ich hab nicht umsonst eine Ausbildung als Hotelfachfrau”, murmelte Sabrina vor sich hin. Sie hatte sich diesen Beruf regelrecht ertrotzt. Ihre Familie war gar nicht damit einverstanden gewesen, dass die einzige Tochter auf eine Hotelfachschule in der Schweiz gewesen war statt in einem vornehmen Internat für höhere Töchter.

Zufrieden sah die Sabrina, dass ein dunkler Sportwagen vor dem Eingang parkte. Daneben lehnte ein Mann, der jetzt langsam auf das alte VW-Cabrio zukam.

“Hallo, Sie sind ja superpünktlich!” Er öffnete die Tür und reichte Sabrina die Hand. “Ich bin Karsten Mangold und stehe ganz zu Ihrer Verfügung!”

Irritiert sah sie in dunkle Samtaugen. “Sie sind Dr. Mangold?”, vergewisserte sie sich.

Der Mann lachte. “Ich weiß, Sie haben meinen Vater erwartet, nicht wahr?”

“Den Testamentsvollstrecker und langjährigen Vermögensverwalter des Schlosses, jawohl.”

“Das ist mein Vater. Leider ist er erkrankt und hat mich als Vertretung geschickt.” Er verneigte sich leicht, es wirkte ein ganz klein wenig ironisch, was Sabrina wütend machte. “Dr. jur. Karsten Mangold. Rechtsanwalt und Notar. Und bereit, all Ihre Wünsche zu erfüllen.”

“Wenn Sie sich da nur nicht zu viel vorgenommen haben”, konterte Sabrina. Irgendwie ging ihr die Art des Mannes auf die Nerven. Er wirkte so verflixt überheblich – und sah dazu auch noch unverschämt gut aus. Sie musste ihr Herz in beide Hände nehmen...

“Ich bin hart im Nehmen”, konterte er da und trat an den alten Wagen, um Sabrinas Koffer hochzuwuchten. “Aber erst mal sollten Sie hereinkommen. Ich hab uns einen Imbiss bestellt. Noch gibt’s ja außer dem alten Gärtner Petersen kein Personal. Die zwei Frauen aus dem Dorf, die regelmäßig sauber machen, kommen nur alle vierzehn Tage mal.”

Das hatte sie nicht gewusst! Sie gestand sich ein, dass sie sich darauf verlassen hatte, dass auf Schloss Schwarzenburg alles so gut organisiert war wie daheim auf dem Stammsitz der Familie.

Doch schon als sie die Halle mit den altersdunklen Gemälden betrat, war sie begeistert. So großzügig geschnitten war dieser Raum... Sabrina sah schon im Geist an der rechten Seite die Rezeption, daneben das Info-Center. Und gegenüber eine kleine Bar, von Grünpflanzen ein wenig abgeschottet vom Tagesgeschehen...

„Kommen Sie mit, links ist ein Büro, da können wir uns unterhalten.“ Karsten hielt ihr die Tür auf, die so kunstvoll in die Vertäfelung eingelassen war, dass man sie auf den ersten Blick übersehen konnte.

„Schön, dass wenigstens Sie sich auskennen“, bemerkte sie spitz. „Darf ich fragen, wieso?“ Sie ärgerte sich, dass sie selbst als Erbin dieses Haus erst einmal betreten hatte, und das war schon mehr als zehn Jahre her.

„Ich hab mich kundig gemacht – Ihr Einverständnis vorausgesetzt.“ Der junge Rechtsanwalt schien durch nichts aus der Ruhe zu bringen sein. Er blieb freundlich, wirkte souverän, und Sabrina musste ihm zugestehen, dass er sich wirklich gut vorbereitete hatte. Er wusste, wo die Schwachstellen lagen, was gemacht werden musste, er konnte Firmen nennen, hatte sogar schon ein paar Angebote der Handwerker vorliegen.

„Das ist alles ganz unverbindlich“, erklärte er. „Aber mein Vater war sich sicher, dass Sie unser Engagement zu schätzen wüssten.“

Sabrina lächelte. „Da hat er recht gehabt, Ihr Herr Vater. Schade, dass ich nicht mit ihm zusammenarbeiten kann. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.“

Karsten schluckte die Bosheit ohne mit der Wimper zu zucken. Du kleines Biest, dachte er und verbiss sich ein Grinsen. Willst du wirklich deine Krallen ausfahren? Oder bist du zu unsicher, um ganz cool zu bleiben in dieser Situation?

Sabrina kannte sich selbst nicht mehr. Doch auf alles, was Karsten Mangold sagte, reagierte sie erst einmal mit Ablehnung. Und musste dann doch erkennen, dass er recht mit seinen Vorschlägen und Einschätzungen hatte.

Sie verabredeten, dass sie sich am übernächsten Tag mit den ersten Handwerkern vor Ort treffen würden.

„Ich möchte auch einen Gartenarchitekten kommen lassen“, sagte Sabrina. „Der Park ist einfach wunderschön, man kann ihn herrlich nutzen – und noch einen Tennisplatz anlegen, eine Schwimmhalle bauen... man maß da die Ideen von Fachleuten hören.“

„Der alte Petersen hat einen Neffen, der hat Gartenarchitektur studiert. Wenn Sie wollen...“

Sabrina streifte ihn mit einem kühlen Blick. „Mich wundert, dass Sie das nicht auch schon arrangiert haben“, meinte sie.

Er lächelte und beugte sich ein wenig vor. „Sie überschätzen mich“, meinte er. „Ich bin nicht so ehrgeizig, dass ich alles allein machen will. Außerdem sind Sie nicht die einzige Klientin, die ich zu betreuen habe, Frau von Bergdorff.“

Pah, das saß! Sabrina biss sich auf die Lippen, und da sie ein paar Sekunden brauchte, um sich zu fangen, trat sie an die hohe Flügeltür des Büros, die auf eine Bruchsteinterrasse führte.

„Achtung, die Platten sind ziemlich uneben“, sagte Karsten – aber da war es schon passiert. Sabrina stolperte und wäre wohl gestürzt, wenn er sie nicht rasch aufgefangen hätte.

Sekundenlang lag sie in seinen Armen. Sie hörte seinen Herzschlag, fühlte die Wärme seiner Haut, roch sein Rasierwasser, das dezent nach Sandelholz duftete – und gestattete sich einen kleinen Moment der Schwäche. Sie schloss die Augen und genoss die Nähe des Mannes.

Doch die Zeit der Nähe ging rasch vorbei. Sabrina machte sich frei und strich sich rasch eine Locke ihres blonden Haares aus dem Gesicht. „Auch hier muss einiges gemacht werden“, sagte sie und seufzte. „Hoffentlich reicht mein Geld für die ganzen Renovierungen.“ Sie wandte sich in den Garten, der sich zweihundert Meter weit erstreckte und dann in den Park überging. „Die beiden Nebengebäude sind intakt?“, fragte sie Karsten.

„Soweit ich weiß, ja.“

„Ich hab mir überlegt, dass man in dem einen Gebäude eine Beautyfarm einrichten könnte. Und einen Wellness-Bereich.“

„Aber das ist unpraktisch“, meinte er. „Keiner der Gäste möchte gern im Bademantel über den Hof laufen.“

Sie nickte. „Stimmt. Da haben Sie recht.“ Nachdenklich rieb sie sich die kleine Nase – eine Geste, die sie seit der Kinderzeit beibehalten hatte.

Karsten beobachtete sie fasziniert. Sie war einfach bezaubernd!

„Sie könnten einen Tunnel bauen lassen“, schlug er vor. „Aber das ist teuer. Vielleicht lassen sich aber auch ein paar Kellerräume umgestalten. Ich denke, der Architekt hat da konkrete Vorschläge.“

So war es in der Tat, und die kommenden Monate vergingen für Sabrina wie im Flug. Sie war von Handwerkerlärm umgeben, sie plante, verwarf, diskutierte mit den Leuten, stellte das erste Personal ein – und war insgeheim froh, in Karsten einen seriösen und selbstlosen Berater zur Seite zu haben. Auch sein Vater, Notar Bernhard Monheim, half ihr nach besten Kräften, als er wieder gesund war.

Der alte Gärtner Petersen, der in einem Zimmer unterm Dach wohnte, meinte eines Tages: „Wenn das Ihre Großeltern noch erlebt hätten, Sabrina... sie wären stolz auf Sie gewesen!“ Dann biss er sich auf die Lippen. „Entschuldigung, Komtess, es wird nicht wieder vorkommen.“

Lächelnd schüttelte Sabrina den Kopf. „Nicht doch, Herr Petersen. Sie können gern Sabrina zu mir sagen – so wie früher.“

„Sie können sich noch erinnern?“, fragte der weißhaarige Gärtner überrascht.

Sabrina schüttelte den Kopf. „Nein, ehrlich gesagt nicht mehr. Aber ich weiß noch, dass meine Mutter oft und gern von ihrem Zuhause erzählt hat. Sie hatte immer Sehnsucht nach dem Bodensee. Leider waren die geschäftlichen Aktivitäten und ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen so umfangreich, dass sie kaum einmal herkommen konnte. Und ich...“ Sie zuckte mit den Schultern, „ich hatte auch so viel zu tun. Die Schule, die Ausbildung...“

„...und die vielen Verehrer“, fügte Hannes Petersen augenzwinkernd hinzu.

„Verehrer gibt’s keine“, erklärte Sabrina brüsk. „Die meisten jungen Leute wollen doch nur irgendwelche Partys feiern. Aber das ist nichts für mich. Was soll ich in Cannes, auf Sylt oder Ibiza, wenn ich hier eine richtige Aufgabe habe?“ Sie sah sich stolz um, und der alte Gärtner nickte.

„Schön ist es schon geworden“, meinte er. „Und mein Neffe Armin ist ein Künstler, nicht wahr? Dieses Rosenbeet dort ist eine Augenweide.“

„Stimmt. Und das er es gewagt hat, den Bach zu stauen und einen kleinen Teich anzulegen... einfach genial!“

Der alte Mann nickte stolz. „Ja, er ist ein echter Künstler, der Bub.“

Bub... Sabrina musste lächelnd. Armin Petersen war ein Mann von einsneunzig. Groß, kräftig, braun gebrannt. Sein blondes Haar, das immer etwas spröde vom Kopf abstand, schimmerte in der Sonne und ließ an einen Wikinger denken.

Außerdem hatte Armin eine nette Art. Er flirtete nicht direkt mit ihr, doch sie merkte an tausend Kleinigkeiten, dass sie ihm gefiel.

Es war, als hätten ihre Gedanken ihn herbeigerufen, denn in diesem Moment fuhr der kleine Lastwagen des Landschaftsgärtners vor. Armin stieg aus und wuchtete eine Kiste von der Ladefläche.

„Was haben Sie denn da?“ Neugierig trat Sabrina näher.

„Sehen Sie selbst...“ Armin Petersen hob den Deckel der Kiste an, und Sabrina wurde von einem Schwan böse angefaucht. „Ich hab mir gedacht, dass ein weißes Schwanenpaar unbedingt auf den See gehört.“ Er wandte sich an seinen Onkel. „Du könntest den Tieren ein kleines Haus basteln – ich bin sicher, dass Schwäne und Enten auch jüngere Familien anlocken werden.“

„Das ist eine wunderbare Idee!“ Sabrina strahlte. „Tiere gehören zu einem solchen Besitz unbedingt dazu. „Wenn sich alles gut anlässt, könnte ich mir sogar vorstellen, ein paar Pferde zu halten. Aber das ist noch Zukunftsmusik.“ Sie wandte sich um, als sie bemerkte, dass der alte Dr. Monheim auf sie zu kam. Er stützte sich auf einen Stock und wirkte heute ziemlich elend.

„Warten Sie, ich komme zu Ihnen!“, rief Sabrina und verabschiedete sich mit einer knappen Handbewegung von Armin.

„Wenn sie diesen Nadelstreifen-Heini sieht, bin ich vergessen“, stieß der junge Gärtner hervor.

„Sowas darfst du nicht sagen. Ohne Notar Petersen und seinen Sohn wäre sie noch lange nicht so weit. Und wir wüssten nicht, wie es weitergehen soll.“ Hannes Petersen legte dem Neffen besänftigend die Hand auf den Arm. „Sei froh über diesen Riesenauftrag, Junge, und verrenn dich nicht in Dinge, die doch keine Zukunft haben.“

Armin machte eine unwillige Geste. „Was weißt du denn schon“, knurrte er.

„Mehr, als dir lieb sein kann“, gab sein Onkel leise zurück, dann ging er zum Lkw und hob die nächste Kiste heraus. In ihr hockten drei Entenpaare, die so schnell wie möglich dem Wasser zustrebten, als er sie endlich aus ihrem Gefängnis befreit hatte.

„Dr. Monheim! Was ist passiert?“ Sabrina nahm den Notar beim Arm. „Sie sehen aus, als sei Ihnen ein Gespenst begegnet.“

„Sowas ähnliches“, presste der Anwalt hervor. „Gerade sind die Bauarbeiter im Keller auf ein altes Mosaik gestoßen. Es sieht so aus, als sei es aus der Römerzeit.“

Sabrina runzelte die Stirn. „Die Römer? Hier? Das kann nicht sein.“

„Es muss noch alles genau geklärt werden. Jedenfalls müssen die Bauarbeiten ruhen, bis ein Archäologe hier war und alles begutachtet hat.“

„Aber das geht doch nicht!“ Sabrina schüttelte den Kopf. „Der Wellness-Bereich muss doch in Angriff genommen werden, sonst ist unser ganzer Zeitplan hinfällig.“

„Wem sagen Sie das!“ Dr. Monheim ließ sich auf eine Bank sinken. „Der Architekt telefoniert schon seit einer halben Stunde wie wild in der Gegend herum.“

„Ich gehe zu ihm. Danke, dass Sie hergekommen sind.“

Dr. Petersen nickte nur. Er fühlte sich gar nicht gut heute, doch als er Sabrina nachschaute, glitt ein kleines Lächeln über sein Gesicht. Sie war bezaubernd, die junge Komtess, da konnte er seinem Sohn nur zustimmen. Aber ob Karsten jemals Chancen bei Sabrina von Bergdorff hatte?

Im Büro, das zwar erst provisorisch, doch schon recht gut eingerichtet war, saß der Architekt Reinhold Ehlers am Telefon und redete aufgeregt auf den Gesprächsteilnehmer am anderen Ende der Leitung ein. Als er Sabrina bemerkte, unterbrach er nicht, hob aber die rechte Hand und machte das V-Zeichen.

Sabrina atmete auf, es sah also gar nicht so schlecht aus!

Sie ging durch die Halle, die schon fertig war, ebenso wie die zwanzig Zimmer. Alle Räume waren hell und elegant eingerichtet. Sanfte Gelbtöne dominierten, in den Bädern war schwarzer oder heller Marmor verarbeitet worden.

Nur das Turmzimmer, in dem die Hochzeits- oder Präsidentensuite eingerichtet werden sollte, war noch nicht alles fertig. Von hier aus hatte man einen wunderschönen Blick bis zum Bodensee.

Sabrina wollte sich eine kleine Auszeit gönnen und klomm die Wendeltreppe zur Turmsuite hinauf. Überrascht hielt sie inne, als sie bemerkte, dass sie nicht allein war.

„Sie?“

„Das klingt, als sei ich der Teufel persönlich.“ Karsten Monheim stand auf dem Balkon und sah weiter nach draußen, statt sich Sabrina zuzuwenden.

„Ich hatte Sie hier nicht erwartet.“

„Ich liebe eben Überraschungen“, meinte er. „Und ich hab eine ganz besondere für Sie!“ Er griff in seine Tasche und zog zwei Karten daraus hervor.

„Karten für die Bregenzer Festspiele!“ Sabrinas Herz schlug schneller. „Darum hab ich mich vergeblich bemüht. Alles ausverkauft.“

„Gehen Sie mit mir hin?“ Endlich drehte er sich zu ihr um.

„Wann?“

„Übermorgen. Ich hole Sie am späten Nachmittag ab.“

„Einverstanden. Und – danke!“ Spontan hob sie sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

Doch noch ehe er fester zufassen und sie an sich ziehen konnte, hatte sie sich auch schon umgedreht und eilte aus dem Turmzimmer.

2

Der Architekt durchquerte die Halle und trat zu Sabrina von Bergdorff, die gerade einen Lieferanten verabschiedet hatte. “Das gefundene Mosaik ist eine Arbeit von 1870, nichts von kultureller Bedeutung.”

“Gott sei Dank!” Sabrina atmete auf, sie hatte schon befürchtet, dass die Eröffnung des Hotels verschoben werden müsste. Im Geist hatte sie schon Archäologen auf ihrem Grundstück herumgraben sehen, und was das bedeutete, war klar: Für Monate, wenn nicht gar Jahre wäre an einen Renovierung ihres Schlosses nicht zu denken gewesen! “Dann können wir also gleich den Marmor für die Bäder ansehen, ja?”

Reinhold Ehlers nickte. “Nehmen wir meinen Wagen?”

“Ich fahre hinter Ihnen her”, lehnte sie ab. “Um 17 Uhr muss ich zurück sein, ich habe abends noch was vor.”

Dankbar dachte sie an Karsten Monheim, der noch zwei der begehrten Karten für die Bregenzer Festspiele ergattert hatte.

Karsten... ein Mann voller Widersprüche. Mal gab er sich freundlich, liebenswert und charmant – und wenige Augenblicke später hatte Sabrina das Gefühl, in seiner Nähe zu erfrieren. Es war ein Wechselbad der Gefühle, das er ihr vermittelte, und das war etwas, das die energische Sabrina nicht gut ertragen konnte.

In den nächsten zwei Stunden hatte die junge Frau jedoch keine Zeit, an Karsten zu denken. Es galt, Marmor für die Bäder auszusuchen, entsprechende Armaturen, Bodenfliesen, Dekomaterial. Bis ins kleinste Detail musste alles bedacht sein, und das war eine Aufgabe, die nicht leicht zu bewältigen war.

“Warum hab ich dafür keinen Innenarchitekten genommen?”, seufzte Sabrina schließlich völlig geschafft.

“Weil der noch mehr Geld gekostet hätte. Und Sie haben schließlich selbst einen exzellenten Geschmack. Kompliment.” Der Architekt spendete dieses Lob aus ehrlichem Herzen.

“Danke.” Sabrina warf einen diskreten Blick zur Uhr. “Wenn Sie mich jetzt nicht mehr benötigen, würde ich gern zum Hotel zurückfahren.”

“Kein Problem. Ich lasse nur noch die Aufstellungen machen, dann ist für heute Schluss.”

“Dann sehen wir uns morgen wieder. Bis dann.” Ein rascher Händedruck, und Sabrina eilte zu ihrem Wagen.

3

Es blieben ihr nur noch knapp anderthalb Stunden, um sich für den Konzertbesuch umzuziehen. Hoffentlich saß das champagnerfarbene Kleid noch. Sie hatte es länger als ein Jahr nicht getragen...

Doch das Problem stellte sich zum Glück nicht, das elegante Kleid saß perfekt, und Sabrina war froh, dass sie sich in den letzten Tagen häufiger im Freien aufgehalten hatte, ihre Haut war leicht gebräunt, was zu dem hellen Stoff ausgesprochen apart aussah.

Das Haar wurde nur mehrmals gebürstet, bis es in weichen, schimmernden Wellen auf die Schultern fiel. Das Make-up durfte ruhig ein wenig üppiger ausfallen, beschloss die junge Komtess, denn am Abend war das erlaubt.

Sie sah mädchenhaft zart und doch elegant aus, als sie dann die Treppe hinunterstieg. Karsten, der in der Halle gewartet hatte und sich die Zeit damit vertrieben hatte, eine Lieferantenrechnung zu kontrollieren, stand auf und sah sie bewundernd an.

“Ich werde der meistbeneidete Mann des Abends sein”, sagte er und führte Sabrina zum Wagen.

Sie lächelte nur zu dem Kompliment, das sie eigentlich hätte zurückgeben können, denn Karsten machte im mitternachtsblauen Smoking eine ausgezeichnete Figur.

Bregenz war in ein Lichtermeer getaucht, der Weg zur Seebühne war ausgeschildert, und Sabrina war froh, einen männlichen Begleiter zu haben, denn sie hatte keine Vorstellung davon gehabt, wie riesig die Zuschauermenge sein würde. Über 100 000 Menschen erleben Jahr für Jahr die weltbekannten Festspiele, und es herrschte das übliche Gedränge, bis sie endlich ihren Platz gefunden hatten.

“Sie müssen über hervorragende Beziehungen verfügen”, stellte Sabrina fest, denn Karsten hatte die besten Plätze bekommen.

“Freut mich, dass Sie zufrieden sind”, gab er zurück und zog ihre Hand für einen Moment an die Lippen. Es war nur eine kurze, fast flüchtige Berührung, doch sie hatte ungeheure Wirkung. Es schien, als höre die Welt auf sich zu drehen – so jedenfalls kam es der jungen Komtess vor, und auch Karsten verlor eine gehörige Portion seines Selbstbewusstseins.

Und dann, endlich, setzte die Musik ein. Puccinis “La Bohème war das richtige Werk für die herrliche Kulisse. Sabrina liebte und litt mit der unglücklichen Mimi, und sie war in ungewöhnlich weicher Stimmung, als sie weit nach Mitternacht ins Schlosshotel zurückfuhren.

“Danke für den herrlichen Abend.” Sie gab Karsten die Hand. “Es war ein Erlebnis.”

“Für mich auch.” Er hielt ihre Hand fest – und beide wären wohl noch eine Weile selbstversunken so stehen geblieben, wenn nicht auf einmal eine dunkle Stimme gesagt hätte:

“Endlich kommt mal eine Menschenseele. Ich hab schon gedacht, das hier ist ein Geisterschloss.” Aus der Dämmerung trat ein kleiner Mann von etwa sechzig Jahren. Er war stark übergewichtig, trug eine Brille und einen Reitdress. “Tut mir Leid, dass ich stören muss, doch dürfte ich mal bei Ihnen telefonieren?”

“Natürlich.” Sabrina war aus ihrer Versunkenheit erwacht. Ein wenig skeptisch sah sie den Fremden an.

“Wissen Sie, ich bin zu Besuch bei meinem Neffen, Heiko von Amstätten, und heute bin ich zum ersten Mal allein ausgeritten. Prompt ging der Gaul mit mir durch – und jetzt lahmt er auch noch. Er steht auf der Wiese hinterm Haus. Ich selbst habe es mir auf der Terrasse gemütlich gemacht. Bin wohl eingeschlafen.”

“Dann koche ich erst mal Tee, während Sie Ihren Neffen verständigen. Sie müssen ganz durchfroren sein.”

“Ich kann Herrn von Amstätten auch heimbringen”, bot Karsten an.

“Das Hotel ist wohl noch nicht eröffnet?” Der alte Herr zwinkerte Sabrina zu. “Ich hätte nichts dagegen, heute Ihr erster Gast zu sein. Vielleicht bringe ich Ihnen ja Glück?”

“Meinetwegen können Sie gern hier schlafen. Allerdings müssen Sie sich ein wenig bescheiden, es ist noch nichts perfekt hier. Und Sie sollten daheim anrufen, damit sich niemand Sorgen macht. Zwei Zimmer sind schon fertig, bis auf Gardinen und ein paar Kleinigkeiten. Aber ich werde Ihnen alles besorgen, was Sie für die Nacht benötigen.”

Man sah Karsten Monheim an, dass ihm die ganze Angelegenheit gegen den Strich ging, doch Sabrina mochte den alten Herrn instinktiv, und an gutnachbarlichen Beziehungen war ihr auch gelegen. Sie hatte das große Gut, dem ein Gestüt angegliedert war, noch nie gesehen, aber schon davon gehört, dass den Amstättens das meiste Land ringsum gehörte.

Schnell war ein Zimmer hergerichtet, und Sabrina war viel zu müde, um sich noch lange darüber zu wundern, dass ihr Gast Karstens Angebot, ihn heimzubringen, nicht angenommen hatte.

Am nächsten Morgen frühstückte sie zusammen mit dem alten Herrn, der zunächst nicht zu wissen schien, wie er hierher gekommen war.

Doch als Sabrina ihn an die Geschehnisse erinnerte, meinte er lächelnd: “Stimmt ja, Kindchen, das hatte ich fast vergessen. Werde eben alt.”

“Sie sind doch noch nicht alt”, wehrte sie ab und schenkte ihm Kaffee nach. Dann wunderte sie sich allerdings, dass er die zweite Tasse nicht trank, sondern ein wenig gedankenverloren aus dem Fenster in den Schlosspark hinaus sah.

Eine halbe Stunde später erschien ein Reiter – ein gut aussehender, schlanker Mann mit dunkelblondem Haar.

“Heiko von Amstätten”, stellte er sich vor. “Mein Onkel ist bei Ihnen?”

“Ja, sein Pferd lahmte, und ich glaube, er hatte keine Lust mehr, so spät noch heimzufahren.”

Heiko biss sich auf die Lippen. “Ich danke Ihnen, dass Sie sich um ihn gekümmert haben. Es ist ein wenig schade, dass wir uns unter diesen Umständen kennen lernen.” Er zögerte, dann fuhr er fort: “Mein Onkel... er leidet immer stärker an Demenz. Oft verläuft er sich, und ich glaube auch nicht, dass das Pferd lahmt. Er merkt manchmal, dass er einen Fehler gemacht hat und lässt sich dann eine Ausrede einfallen, um von sich abzulenken. Er hat Sie doch hoffentlich nicht gestört?”

“Aber nein.” Sabrina schüttelte den Kopf. “Er war mein erster Gast – und ich hoffe, dass er sich wohlgefühlt hat.”

“Bestimmt. Ich...” Heiko von Amstätten biss sich auf die Lippen. “Darf ich Sie als Dank für all Ihre Mühe zu mir nach Hause einladen? Wir werden ja Nachbarn, und vielleicht...” Wieder brach er ab, wurde sogar ein wenig rot.

Sabrina stellte fest, dass der gut aussehende Mann ganz offensichtlich sehr schüchtern war. Sie half ihm aus der Verlegenheit und schnitt ein Thema an, das ihm ganz offensichtlich lag. “Sie züchten Pferde, nicht wahr?”, fragte sie.

“Ja. Unser Gestüt ist recht bekannt und erfolgreich.”

“Sie auch, wie ich weiß.” Sie lächelte ihn an. “Glauben Sie nicht, dass ich nur was vom Hotelfach verstehe, ich bin auch eine begeisterte Reiterin. Und deshalb ist mir der Name Heiko von Amstätten ein Begriff. Sie sind Olympiateilnehmer gewesen, nicht wahr?”

Er nickte nur. “Ja, wir hatten sehr gutes Pferdematerial, und deshalb waren wir mit der Mannschaft ausgesprochen erfolgreich.”

Sabrina gefiel seine Bescheidenheit, und insgeheim verglich sie Heiko mit dem forschen, selbstbewussten Karsten Mangold, der so genau von sich und seinem Wert wusste. Allerdings hätte sie nicht sagen können, wer von den beiden Männern ihr besser gefiel.

Sie bekam allerdings auch nicht die Zeit, lange nachzugrübeln, denn kaum hatten sich Heiko und sein Onkel verabschiedet, da trafen ein paar Leute zu Vorstellungsgesprächen ein.

Die wichtigste Person für Sabrina war zunächst die Hausdame. Sie entschied sich rasch dafür, diese wichtige Position mit Frau Schneiders zu besetzen, einer erfahrenen, etwa vierzigjährigen Frau aus dem Badischen. Sie hatten in den besten Häusern gearbeitet und wollte jetzt aber an den Bodensee zurück.

“Meine Eltern leben hier, ich möchte mehr in ihrer Nähe sein”, erklärte sie. Und weil ihre Zeugnisse exzellent waren, stellte Sabrina sie sofort ein.

Auch einen Oberkellner fand sie, dazu zwei Zimmermädchen und einen Koch. Der allerdings wirkte ein wenig exzentrisch und verlangte gleich: “Die Küche ist allein mein Reich. Ich kann es nicht ertragen, wenn mir da reingeredet wird.”

“Aber... es ist mein Hotel. Ich muss doch...”

“Mein Reich – oder wir kommen nicht zusammen.”

Nur kurz zögerte Sabrina, dann ging sie auf die Forderungen von Erwin Wollersbeck ein. Er hatte gute Referenzen, hatte schon bei einigen Sterne-Köchen gearbeitet und erklärte sehr selbstbewusst: “Wenn Sie mich lassen, mache ich aus Ihrem Haus ein Sterne-Restaurant.”

“Hoffentlich kann ich mir das leisten”, meinte Sabrina. “Ich möchte erst mal nur schwarze Zahlen schreiben mit meinem kleinen Hotel, alles andere sind ehrgeizige Pläne für später.”

Erwin Wollersbeck ersparte sich eine Antwort. Er würde diesem jungen Ding schon zeigen, was er drauf hatte. Hier bot sich ihm eine einmalige Chance – so eine junge, unerfahrene Hoteldirektorin würde er bestimmt leicht in seinem Sinn manipulieren können!

Am nächsten Tag begann er schon damit, für die Eröffnungsfeier einzukaufen, und auch der Oberkellner orderte Wein und Champagner.

“Wir können ruhig ein bisschen sparsamer mit dieser Bestellung sein”, erklärte Sabrina. “Der Weinkeller des Schlosses birgt noch einige Schätze, die sollten Sie sich ansehen.”

So kam es, dass drei Wochen später Eröffnung gefeiert werden konnte. Sabrinas Verwandte konnten nicht kommen, sie hatten unter einem fadenscheinigen Vorwand abgesagt. Die Komtess war sich jedoch sicher, dass Schwägerin Elaine keine Lust gehabt hatte, in ein kleines, unbedeutendes Hotel zu reisen. Sie bevorzugte Luxusherbergen, ein 20-Zimmer-Schlosshotel war bestimmt unter ihrem Niveau.

“Sie ärgern sich doch wohl nicht über diese Absage?”, fragte Dr. Monheim. Der alte Notar kannte Joachim von Bergdorff und schätzte ihn nicht sehr.

“Nein, ich hab eigentlich nichts anderes erwartet. Gespannt bin ich nur, ob die Gäste kommen, die schon reserviert haben.”

“Machen Sie sich da mal keine Sorgen.” Der alte Herr lächelte, dann wies er hinüber zum Eingang des Parks. “Da kommt jemand, der zwar nicht hier wohnt, aber Ihnen bestimmt nützlich sein kann.”

“Heiko!” Über Sabrinas Gesicht, das vor Anspannung ganz blass war, glitt ein Lächeln. Sie hatte sich in der Zwischenzeit mit dem Nachbarn schon dreimal zum Reiten verabredet, und sie freute sich aufrichtig, ihn zu sehen.

Heiko von Amstätten kam zur festlichen Eröffnung nicht hoch zu Ross, sondern er fuhr in einem offenen Landauer vor. Von der Bank nahm er einen Strauß zartgelber Rosen, die mit weißen Ranunkeln kombiniert waren.

“Für Sie, Sabrina. Mit meinen besten Wünschen für einen großen Erfolg.” Er lächelte sie schüchtern an, dann zog er noch ein mehrfach gefaltetes Stück Papier aus der Jackentasche. “Das ist zwar kein Geschenk... aber ich hoffe, Sie freuen sich ein wenig darüber.”

Sabrina nahm erst die Blumen, dann das Papier – und stieß im nächsten Moment einen unterdrückten Jubelruf aus. “Heiko!” Sie sah ihn strahlend an. “Das sind ja neun Reservierungen für die nächsten Monate! Und lauter bekannte Namen!”

“Ich habe mir erlaubt, ein wenig Reklame für Sie bei meinen Freunden und Bekannten zu machen. Einige sind begeisterte Pferdefreunde, konnten mich aber nie für länger besuchen, weil ich sie nicht richtig bewirten konnte – als Junggeselle.” Er zuckte leicht mit den Schultern.

“Ich danke Ihnen! Das ist unendlich lieb von Ihnen!” Spontan stellte sich Sabrina auf die Zehen und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

Heiko wurde wieder ein wenig rot, und der Mann, der gerade mit seinem Sportwagen vorfuhr und seitlich auf den reservierten Flächen parkte, biss sich wütend auf die Lippen.

Verdammt noch mal, was erlaubt sich dieser Heiko von Amstätten? Warum blieb er nicht bei seinen Pferden, wo er hingehörte?

Doch als Dr. Karsten Monheim gleich darauf zu Sabrina trat, merkte man ihm von seiner Wut nichts mehr an. Er küsste der jungen Hoteldirektorin die Hand und überreichte ihr einen wunderbaren Strauß lachsfarbener Rosen.

Sein Vater sah es mit einem verständnisvollen Lächeln, und als Karsten wenig später mit ihm zusammenstand und sie mit Champagner auf den Erfolg des Schlosshotels anstießen, sagte Notar Monheim: “Nun lass dir deine Eifersucht auf den guten Amstätten nicht gar so deutlich anmerken, Karsten. Das ist ja schon fast lächerlich.”

“Lächerlich ist dieser Reitlehrer, der so tut, als sei er hier zu Hause!”

“Er ist ein Nachbar, und hier auf dem Land pflegt man gute Nachbarschaft, wie du wissen solltest. Außerdem kann ihr der Amstätten noch sehr nützlich sein mit seinen Kontakten.”

“Deshalb muss er noch lange nicht so tun, als gehöre er fest zu Sabrina”, begehrte der junge Rechtsanwalt auf.

“Zu dir gehört sie jedenfalls auch nicht. Schau nur, da kommt sogar Oliver Sassendorf, der Fernsehschauspieler”, meinte der Ältere dann ablenkend.

“Der ist zum Glück schon über sechzig, also harmlos”, kommentierte Karsten ironisch und nahm einer jungen Bedienung ein Glas Sekt vom Silbertablett.

“Du bist unmöglich”, lachte sein Vater und prostete ihm zu. Dann beobachteten die beiden Herren weiter, wie Sabrina ihre Gäste begrüßte, charmant, selbstbewusst, strahlend schön. Und insgeheim konnte Notar Dr. Monheim verstehen, dass sein Sohn Angst hatte, jemand anders könnte ihm bei dieser bezaubernden Frau zum Konkurrenten werden.

4

„Eine sehr gelungene Eröffnungsparty! Gratulation!“ Dr. Karsten Monheim beugte sich über Sabrinas Hand. „Aber jetzt müssen Sie endlich mit mir tanzen!“

Sabrina nickte lächelnd. Und wenig später tanzten sie auf der großen Westterrasse, an deren linker Seite eine Band spielte und die geladenen Gäste aufs Beste unterhielt.

Die Stimmung war wirklich ausgezeichnet, und Sabrina atmete auf. Ihre Ängste, dass doch noch etwas bei der Hoteleröffnung schief laufen könnte, waren endgültig zerstoben, und sogar Oliver Sassendorf, der bekannte Schauspieler, amüsierte sich prächtig. Mit seiner jungen Freundin Marina Berling, die der Star einer Daily Soap war und mit Olivers Hilfe den Sprung ins ernste Fach schaffen wollte, tanzte er gerade temperamentvoll an Sabrina und ihrem Partner vorbei.

Und auch zwei texanische Millionärinnen, die zu einer Pferdeauktion bei Heiko von Amstätten wollten und mehr durch Zufall Teilnehmerinnen der Eröffnung des Schlosshotels geworden waren, amüsierten sich hervorragend.

Küche und Keller boten das Beste, und Sabrina musste sich zwingen, wenigstens an diesem einen Abend nicht an die Kosten zu denken, die ihr mit diesem Fest entstanden waren.

„Lassen Sie uns aufhören, bitte“, sagte die junge Hoteldirektorin und legte Karsten Monheim die Hand auf den Arm. „Ich muss mich wieder um die Gäste kümmern, schließlich bin ich nicht zu meinem Vergnügen hier.“

„Aber Sie dürfen ruhig mitfeiern. Denn dass der alte Kasten so ein Schmuckstück geworden ist, ist allein Ihre Verdienst, Sabrina.“

„Danke. Kommen Sie mit an die Bar, darauf trinken wir einen Schluck!“

Karsten folgte ihr nur zu gern, nicht ahnend, dass Sabrina nicht ganz absichtslos diesen Vorschlag gemacht hatte. An der Bar saß nämlich Heiko von Amstätten, Gestütsbesitzer, Turnierreiter und Sabrinas direkter Nachbar. Er war gerade für einen Moment seinen beiden amerikanischen Besucherinnen entronnen und ließ sich einen Drink geben.

„Hallo, Heiko!“ Sabrina trat zu ihm und erbat sich beim Barkeeper zwei Gläser Champagner. „Schön, Sie hier zu sehen. Gefällt Ihnen das Fest?“

„Aber natürlich! Es ist einfach wunderbar. Sie sind auch zufrieden, ja? Es läuft doch alles wie gewünscht.“ Er ging nicht darauf ein, dass Sabrina ihn auf einmal beim Vornamen nannte, aber es machte ihn unbeschreiblich glücklich.

Heiko war Frauen gegenüber stets viel zu schüchtern, er konnte nie aus sich heraus gehen, nie seine Gefühle zeigen. Nur wenn er bei seinen Pferden war, gab er sich souverän und locker.

„Ja, ich bin auch ganz glück...“ Sabrina stockte mitten im Wort, denn Vanessa Reiners, die Hotelsekretärin, tauchte an der Bar auf und winkte der Chefin unauffällig zu. Vanessa war erst seit einer Woche da, aber sie hatte sich schon hervorragend eingearbeitet, und Sabrina kam mit der Dreißigjährigen sehr gut zurecht.

„Ja, was gibt’s denn?“, fragte sie.

„Gerade ist die neue Eismaschine ausgefallen. Und der Koch behauptet, keine Gambas mehr zu haben.“

„Das ist doch nicht so schlimm. Die Getränke können wir zur Not im Teich kühlen, und statt Gambas gibt’s eben was anderes. Die Vorratsräume sind doch gefüllt bis oben hin!“ Sabrina schüttelte den Kopf. Wenn ihr Chefkoch nicht mal mit einem solchen Problem allein fertig wurde... Wieder beschlich die junge Hotelchefin ein ungutes Gefühl, wenn sie an Erwin Wollerbeck dachte. Seine Referenzen waren zwar exzellent, und er kochte auch ausgezeichnet, doch seine menschlichen Qualitäten ließen einiges vermissen.

Bevor sie noch länger diskutieren konnte, erschien der Landrat und legte ihr einen Blumenstrauß in den Arm, wünschte viel Erfolg und bat sie um den gerade gespielten Langsamen Walzer.

Gegen zehn Uhr, die Dunkelheit war hereingebrochen, wurde ein Tusch gespielt, dann der Überraschungsgast des Abends angekündigt: Ariane Paulsen, eine Opernsängerin von höchstem Rang. Sie war eine persönliche Freundin von Sabrinas Eltern gewesen und hatte sich gern bereit erklärt, dieses Fest mit ihrem Auftritt zu krönen.

Doch als sie die ersten Takte gesungen hatte, wusste Sabrina, dass etwas mit Ariane nicht in Ordnung war. Ihre sonst so klare Sopranstimme klang ein wenig rau, sie mogelte bei den hohen Tönen, und als zweites Lied sang sie nicht die Arie der Königin der Nacht, wie abgesprochen, sondern ein Operetten-Potpourri, das nicht annähernd so schwierig war.

Die Gäste applaudierten begeistert, niemand schien bemerkt zu haben, dass die Sängerin Probleme mit der Stimme hatte. Doch als Sabrina sie umarmte und ihr dankte, flüsterte Ariane: „Und jetzt bring mich bitte schnell auf mein Zimmer, ich kann nicht mehr.“

„Um Himmels willen, was ist denn los?“ Sabrina legte den Arm um die alte Freundin und führte sie rasch ins Innere des Schlosses. Hier erst sah sie, dass die Sängerin dunkle Ringe unter den Augen hatte, die auch das geschickte Make-up nicht hatte verdecken können. Schweißtropfen standen auf ihrer Stirn, dabei zitterte sie sacht.

„Du hättest gar nicht erst auftreten dürfen“, sagte Sabrina und machte sie die größten Vorwürfe, dass sie nicht schon vorher gemerkt hatte, wie schlecht die Künstlerin dran gewesen war. Doch sie hatte Ariane am Mittag nur willkommen geheißen und sich dann wieder voll und ganz den Festvorbereitungen gewidmet.

„Ich... ich hab mir diese schreckliche Grippe wohl aus San Francisco mitgebracht. Da habe ich vor zwei Wochen gastiert, und es war wie immer viel zu kalt und zu neblig in der Stadt.“ Ariane hustete. „Ich leg mich hin, ja?“

Sabrina nickte, nahm sich aber vor, später noch einmal nach der Sängerin zu schauen.

Das Fest ging weiter, wurde kurz vor Mitternacht von einem wundervollen Feuerwerk gekrönt, das alle begeistert anschauten.

Heiko von Amstätten war einer der Ersten, die sich verabschiedeten. „Ich danke Ihnen für die Einladung, Sabrina, und wünsche nochmals alles Gute und viel, viel Erfolg!“ Er wollte ihre Hand nehmen, doch Sabrina beugte sich spontan vor und küsste ihn auf die Wange.

„Ich danke Ihnen, Heiko, Sie haben so viel für mich getan!“

Er wehrte verlegen ab, doch als er heimfuhr in seiner offenen Kutsche, griff er immer wieder an die Wange, wo noch Sabrinas Lippen zu brennen schienen.

In der Nacht wachte Sabrina auf, weil das Telefon neben ihrem Bett klingelte. Verschlafen meldete sie sich.

„Sabrina, ich...“ Die Stimme von Ariane Paulsen war kaum zu verstehen.

Sabrina schlug die leichte Decke zurück. „Ich bin gleich bei Ihnen, Ariane“, sagte sie nur – und stand wenig später in dem Zimmer der Sängerin, das zum Glück nicht von innen verschlossen gewesen war.

Ariane fieberte, sie konnte nur noch krächzen und ließ es zu, dass die junge Hotelchefin einen Notarzt rief.

Zum Glück bemerkte tief in der Nacht niemand etwas vom Eintreffen des Arztes – und wenig später vom Erscheinen eines Krankenwagens, der die Sängerin in die Klinik brachte. Sie hatte eines leichte Lungenentzündung, doch auch an den Stimmbändern gab es Veränderungen.

„Diese Knötchen, die ich da entdeckt habe, haben nichts mit der Erkältung zu tun“, sagte Dr. Arnhausen zu Sabrina, bevor er zu seiner Patientin in den Krankenwagen stieg. „Frau Paulsen muss dringend zu einem Spezialisten gebracht werden.“

Sabrina nickte nur. „Ich komme morgen in die Klinik“, versprach sie, dann taumelte sie todmüde in ihr Bett zurück.

Als der Wecker kurz vor sieben klingelte, hatte Sabrina das Gefühl, nur eine halbe Stunde geschlafen zu haben. Doch sie zwang sich, aufzustehen und all ihre Gäste persönlich zum Frühstück zu begrüßen. Dann erst konnte sie in die Stadt und zur Klinik fahren.

Dort waren die Untersuchungen bereits in vollem Gang, und das, was zwei HNO-Spezialisten festgestellt hatten, bot Anlass zu großer Sorge: Die erfolgreiche Sängerin Ariane Paulsen litt mit großer Wahrscheinlichkeit an bösartigen Tumoren an der Luftröhre.

„Wir müssen noch die letzten Laboranalysen abwarten, aber ich bin mir sehr sicher, dass Sie um eine rasche Operation nicht herumkommen“, sagte Professor Niehaus, der Chef der Abteilung.

Ariane lag blass und apathisch in den Kissen, und ihre Hand tastete zu der ihrer jungen Besucherin. Es war der ausdrückliche Wunsch der Sängerin gewesen, dass Sabrina an der Unterredung mit dem Arzt teilnehmen sollte.

„Sie müssen sich operieren lassen“, sprach die junge Frau auf die Sopranistin ein. „Noch ist es nicht zu spät – nicht wahr, Herr Professor?“ Bang sah sie dem Arzt in die Augen.

Er nickte nur. „Wir haben zumindest eine sehr große Chance“, erwiderte er.

„Und – werde ich je wieder singen können?“, presste Ariane hervor.

„Das liegt allein in Gottes Hand“, antwortete der Arzt, der es sich zum Prinzip gemacht hatte, nie falsche Hoffnungen zu wecken.

Die Sängerin sah ihre Besucherin aus tränenfeuchten Augen an. „Was soll ich tun, Sabrina?“

„Du musst den Eingriff machen lassen. Sofort!“ Sabrina schlang ihre Arme um die Ältere. „Es wird bestimmt gut gehen, da bin ich ganz sicher. Und du wirst wieder auf der Bühne stehen. Denk an dein Publikum, denk daran, wie vielen Menschen du mit deinem Gesang Freude machen kannst – und wirst!“

Drei Tage später war es so weit: Der Eingriff gelang, doch ob Ariane Paulsen wieder ganz gesund werden würde, stand noch in den Sternen. Sicher war nur, dass sich bisher noch keine Metastasen in ihrem Körper ausgebreitet hatten, und das war schon sehr, sehr viel wert!

Im Schlosshotel herrschte ein reges Kommen und gehen. Die beiden Amerikanerinnen hatte einen wertvollen Zuchthengst ersteigert und auch drei wunderschöne Stuten bei Heiko von Amstätten gekauft. Diesen Geschäftsabschluss feierten sie in der gemütlichen Hotelbar, die gleich rechts von der Halle abzweigte.

Vanessa Reiners, die Hotelsekretärin, hatte angeregt, hin und wieder einen Barpianisten zu engagieren. „Der Flügel im Musikzimmer ist doch ein Prachtstück“, hatte sie gesagt, „schade wäre es, wenn man ihn nicht nutzen würde. Und hin und wieder ein Schlosskonzert – das wär’s doch, oder?“

„Darüber denke ich später nach“, hatte Sabrina erwidert, „aber erst mal könnten Sie mir helfen, einen Pianisten zu finden. Wenigstens für die Wochenenden.“

„Das ist kein Problem. In meiner Nachbarschaft lebt ein Musikpädagoge, ein ganz reizender Mensch. Ich bin sicher, dass ich ihn gewinnen kann – wenigstens fürs Erste.“

Und so spielte Gernot Dornbach an diesem Abend Werke von Strauß, Gershwin, den Beatles. Das Publikum war begeistert, und Sabrina durfte sich glücklich schätzen, dem Vorschlag ihrer Mitarbeiterin zugestimmt zu haben.

Auch Karsten Monheim war da, er saß an der Bar und diskutierte mit zwei Herren höchst angeregt. Doch immer wieder warf er einen langen Blick zu Sabrina, die an diesem Abend ein dunkelgrünes Seidenkostüm trug und ganz bezaubernd darin aussah. Leider war sie stark beschäftigt und hatte keine Zeit für ihn.

Als Heiko gemeinsam mit seinem Onkel erschien und sie eine Flasche Champagner mit den beiden Amerikanerinnen tranken, servierte die junge Hoteldirektorin die Flasche persönlich und gratulierte beiden Seiten zu dem guten Geschäft.

Es gab Karsten einen Stich, als er bemerkte, wie freundlich Sabrina zu dem jungen Gutsbesitzer war. Eifersucht stieg in ihm auf, und von diesem Moment an war es um seine Konzentration geschehen, er überlegte krampfhaft, wie er Sabrinas ungeteilte Aufmerksamkeit erringen könnte, doch leider wollte ihm nichts einfallen.

Die Stimmung blieb bis weit nach Mitternacht hervorragend, irgendwann sagte einer der Männer, die ganz in der Nähe des Flügels standen: „Schade, dass Frau Paulsen nicht mehr hier ist. Sie hätten sie begleiten können. Ihr Spiel ist so perfekt wie der Gesang dieser Künstlerin.“

Er bemerkte nicht das Zusammenzucken des Klavierspielers, sah nicht, wie sich Gernots Augen verdunkelten. Er brauchte eine Weile, ehe er fragen konnte: „Frau Paulsen war hier? Ariane Paulsen?“

„Ja, sie hat bei der Eröffnungsfeier gesungen. Leider musste sie überstürzt abreisen.“

Diese Information ließ Gernot Dornbach keine Ruhe. Alles, was er jahrelang verdrängt hatte, war wieder da – seine Liebe zu Ariane, seine Gefühle, die er ihr nie eingestanden hatte. Was war er denn schon? Ein unbedeutender Klavierspieler, der mal eine Weile als Korrepetitor an der Oper gearbeitet hatte und mit der damals noch blutjungen Sopranistin Ariane Paulsen einen Sommer voller Liebe und Glück verbracht hatte. Doch dann war Arianes erstes Engagement in München gekommen, wenig später schon eines in Mailand und London.

Da hatte er sich zurückgezogen, hatte ihrer großen Karriere nicht im Weg stehen wollen. Aber jetzt war sie ganz in seiner Nähe gewesen – und alle Gefühle, verdrängt, aber nicht vergessen, waren wieder da!

Es war schwierig, herauszufinden, wo sich die Sängerin aufhielt, aber schließlich schwatzte doch eine der Serviererinnen, die zufällig in der Nacht Dienst gehabt hatte.

5

Zwei Tage zögerte Gernot Dornbach noch, dann fuhr er in die Klinik und fragte nach dem Zimmer von Ariane Paulsen.

„Tut mir Leid, doch die Patientin darf keinen Besuch bekommen“, wurde ihm an der Pforte beschieden.

Da stand er nun mit seinen weißen Rosen, den Lieblingsblumen Arianes. Er wollte schon unverrichteter Dinge wieder gehen, als Sabrina von Bergdorff die Klinikhalle betrat.

Gernot ging auf sie zu. „Verzeihen Sie, Frau von Bergdorff, aber vielleicht können Sie mir helfen...“ Er drehte den Rosenstrauß verlegen in den Händen. „Die Blumen... ich hatte sie für Ariane besorgt, darf aber nicht zu ihr...“

„Sie kennen Ariane Paulsen persönlich?“, fragte Sabrina und sah den etwa Fünfzigjährigen mit dem schütteren Haar überrascht an.

„Seit fast fünfundzwanzig Jahren.“ Er senkte den Kopf. „Wir... ach was, ich möchte Sie nur bitten, Ariane die Blumen von mir zu geben, falls Sie zu ihr vorgelassen werden.“

Sabrina zögerte, dann nahm sie den Mann entschlossen beim Arm. „Kommen Sie mit, ich werde Ariane einfach sagen, dass ein alter Freund sie besuchen möchte.“

„Ja aber...“

„Kein Aber. Ich bin sicher, dass Ariane jetzt echte Freunde braucht.“ Sie sah den Mann ernst an. „Sie ist sehr krank, vorgestern hat man sie operiert, und ich darf Ihnen nur sagen, dass sie noch nicht richtig sprechen kann.“

„Oh mein Gott“, murmelte Gernot. „Ihre Stimme ist doch ihr höchstes Gut! Sie hat immer so darauf geachtet, sich nicht zu erkälten. Was ist passiert?“

Sabrina schüttelte den Kopf. „Das kann sie Ihnen später selbst sagen. Jetzt gehen wir erst mal zu ihr hinein.“ Behutsam klopfte sie an die Tür des Einzelzimmers, in dem die Sängerin lag.

Blass war sie, schmal und sehr verletzlich wirkte sie, doch in ihren Augen blitzte es auf, als sie Sabrina sah.

„Ich habe dir Besuch mitgebracht“, sagte die Komtess und wandte sich um. „Einen sehr, sehr alten Freund. Darf er hereinkommen?“

Ariane drehte den Kopf ein bisschen mehr, um zur Tür sehen zu können – dann schluchzte sie auf und streckte Gernot beide Hände entgegen.

Mit wenigen langen Schritten war er bei ihr, achtlos fielen die Rosen zu Boden. Die beiden Menschen merkten es nicht. Sie hielten sich umarmt, und mehr als zwanzig Jahre waren weggewischt.

Leise zog sich Sabrina zurück – sie war jetzt hier überflüssig...

6

“Schauen Sie sich die beiden an, sind sie nicht ein wunderbares Paar?” Sabrina von Bergdorff stand am Fenster ihres Büros und schaute nach draußen, wo gerade Ariane Paulsen und der Pianist Gernot Dornbach Arm in Arm durch den Park spazierten. Seit sie sich durch Zufall nach mehr als zwanzig Jahren wiedergefunden hatten, waren sie unzertrennlich. Und es war allen klar, dass die schöne Sängerin ihre schwere Krebserkrankung nur deshalb überwunden hatte, weil Gernot an ihrer Seite war.

Ein halbes Jahr war seit ihrem Wiedersehen vergangen, und jetzt verbrachten sie ein langes Wochenende im Schlosshotel Schwarzenburg, dort, wo ihre Liebe neu aufgeflammt war.

“Sie müssen bitte noch bestimmen, welche Blumen in die Suite von Frau Brightham gestellt werden sollen. Hier ist ein Vermerk, dass Sie sich persönlich um diese Dame kümmern möchten.” Vanessa Reiners, die Hotelsekretärin, sah kaum von ihren Listen auf. Und wenn sie sich insgeheim wunderte, dass Ihre junge Chefin solche Dinge wie Blumenschmuck für einen älteren Gast selbst organisieren wollte, so ließ sie sich nichts anmerken.

“Ach ja, Frau Brightham...” Sabrina lächelte. “Sie bekommt gelbe Nelken. Mindestens hundert gelbe Nelken in einem Champagnerkühler.”

“Wie bitte?”

“Ich weiß, das klingt verrückt, aber es hat alles seinen Sinn.” Sabrina lächelte. Sie freute sich auf Tatjana Brightham, die die Kinderfrau ihres verstorbenen Vaters gewesen war und die vor mehr als fünfzig Jahren nach Amerika ausgewandert war. Sie hatte einen Juden geheiratet, Erich Grünberg, und war gemeinsam mit ihm verfolgt worden. Inzwischen lebte sie mit ihrem zweiten Mann in Washington – und war auf einer Erinnerungsreise, wie Sabrina von ihrem Enkel John erfahren hatte.

Die alte Dame selbst hatte nicht die geringste Ahnung, wen sie im Schlosshotel Schwarzenburg treffen würde. Aber Sabrina wusste, dass sie gelbe Nelken sehr geliebt hatte – und dass ihr erster Mann ihr einmal diese Blumen in verschwenderischer Fülle an ihren Arbeitsplatz geschickt hatte. In Ermangelung einer passenden Vase hatte die junge Tatjana einfach einen Sektkühler ihres Dienstherrn genommen und umfunktioniert. Der Enkel hatte diese Anekdote durchgegeben, und es war Sabrina ein Bedürfnis, der alten Dame den Aufenthalt so schön wie möglich zu machen.

“Was liegt denn noch an?”, erkundigte sie sich bei Vanessa.

“Nur noch eine Mitteilung von Oliver Sassendorf. Er heiratet in einigen Wochen und will hier bei uns feiern.”

Der Schauspieler war seit der Eröffnung Stammgast im Schlosshotel, und es war selbstverständlich, dass man ihm eine Traumhochzeit ausrichten würde.

“Dann haben wir hier noch die Anfrage des Managements von Karina Vollderstett. Die junge Dame braucht eine Suite, vier Zimmer für die Bodyguards, mehrere Doppelzimmer für den Manager und Bandmitglieder ...”

“Karina Vollderstett... ist das ‚die’ Karina?”

“Stimmt genau. Hitparaden-Star, Vorbild für alle Mädchen zwischen zwölf und zwanzig, ausgeflipptes Teenager-Idol und wahrscheinlich ein höchst exzentrisches Geschöpf, das mit seinem Ruhm nicht klar kommt.”

Die junge Hoteldirektorin seufzte auf. “Wir können es uns aber nicht leisten, sie abzuweisen. Noch sind wir nicht ausgebucht...”

“Ich habe schon alles durchgerechnet und gebe dem Management unsere Konditionen durch.”

“Und ich gehe kurz in die Küche und lasse mir einen Imbiss geben”, sagte Sabrina. Doch auf dem Weg dorthin kam sie an der Bar vorbei – und bemerkte Heiko von Amstätten, der sich gerade einen Drink servieren ließ.

“Heiko!” Mit einem Lächeln trat Sabrina auf den Nachbarn zu. “Warum haben Sie nicht gesagt, dass Sie hier sind?”

“Weil ich nicht stören wollte”, erwiderte der erfolgreiche Turnierreiter bescheiden. “Sie sind immer so im Stress...”

“Sie doch auch. Was führt Sie heute her? Kann ich etwas für Sie tun?” Sie sah ihn an, und ihr Herz klopfte ein wenig schneller, als sie in seine Augen sah. Mit unverhohlener Zärtlichkeit sah der Mann sie an, und wenn er auch nicht dem Mut fand, Sabrina zu gestehen, was er für sie empfand, in seinen Augen war es deutlich zu lesen.

“Ich muss mich ablenken”, erklärte Heiko. “Gerade ist eine meiner besten Zuchtstuten vom Tierarzt getötete worden. Sie hatte sich das Bein so kompliziert gebrochen...” Er biss sich auf die Lippen, und Sabrina empfand großes Mitleid mit ihm, denn sie wusste, dass er nicht nur den Verlust eines wertvollen Tieres betrauerte. Heiko liebte seine Pferde, er tat alles für sie und sorgte sich oft mehr um die Vierbeiner als um sich selbst.

“Kommen Sie mit in meine Wohnung. Da können wir besser reden.” Sie nahm ihn am Arm und orderte im Vorbeigehen bei einem Kellner einen Imbiss und eine Kanne Tee.

Dann führte sie Heiko in ihr ganz privates Reich, das mit Möbeln aus dem alten Schloss eingerichtet war. Das Prunkstück war ein großer Schrank aus Wurzelholz, der fast vierhundert Jahre alt war und ein wahres Kunstwerk. Er harmonierte hervorragend mit dem modernen Glastisch und den vier hellen Sesseln, die in einer Zimmerecke standen.

Ansonsten waren Sabrinas drei Privaträume eher sparsam eingerichtet. Ein alter Sekretär, eine bequeme Liege, auf der sich herrlich entspannen und träumen ließ, zwei alte Bilder, die Urahnen zeigten, auf der gegenüberliegenden Wand vier moderne Gemälde, auch eine Radierung von Picasso, auf die Sabrina besonders stolz war.

“Kommen Sie, Heiko, wir setzen uns ans Fenster.” Sie öffnete weit die hohen Flügeltüren, und der Mann lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück.

“Danke, Sabrina. Sie denken wahrscheinlich, dass ich viel zu sentimental bin, aber... ich habe sehr an dieser Stute gehangen.”

Sie trat dicht neben ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter. “Ich mag es sehr, dass Sie so viel Herz zeigen”, sagte sie leise, und am liebsten hätte sie sich jetzt noch tiefer über ihn gebeugt und ihn geküsst.

Heiko von Amstätten saß jedoch ganz still. Er hielt die Augen geschlossen und genoss Sabrinas Nähe. Der Verlust der Stute war auf einmal nicht mehr so wichtig. Sabrina hatte ihn mit in ihre Privaträume genommen, sie zeigte ihm deutlich ihre Freundschaft... das war mehr, als er sich je erhofft hatte.

Sie aßen ein paar Happen, tranken Tee, und Sabrina erzählte ein paar Hotelanekdoten. Schließlich berichtete sie von der baldigen Ankunft Tatjana Brighthams. “Ich kenne sie zwar nur aus Erzählungen, aber sie muss eine sehr lebenskluge und interessante Frau sein. Mein Vater hat stets losen Kontakt zu ihr gehalten, und so hat der Enkel es geschafft, uns über den Deutschlandtrip Tatjanas zu informieren.”

“Und Sie werden die alte Dame gebührend empfangen”, lächelte Heiko.

“Ach nein, ich will sie nur ein bisschen verwöhnen. Und ich bin gespannt, was sie sagt, wenn sie die gelben Nelken sieht.”

“Welche Blumen lieben Sie denn am meisten?”, fragte Heiko.

“Das wissen Sie doch: gelbe Rosen und Maiglöckchen”, erwiderte Sabrina.

Er nickte und nahm sich vor, ihr die schönsten gelben Rosen zu schenken, die sich auftreiben ließen.

Das Beisammensein wurde vom Koch unterbrochen, der anläutete und ein angeblich unlösbares Problem vortrug. Und wieder gewann die junge Hotelchefin den Eindruck, dass Erwin Wollersbeck nicht ganz seriös war. Er kochte zwar ausgezeichnet, doch irgend etwas stimmte nicht mit dem Mann. Wenn sie nur gewusst hätte, was...

7

Drei Tage später wurde Tatjana Brightham erwartet, doch bevor sie anreiste, erschien überraschend die Schlagersängerin Karina. Nur in Begleitung eines Mannes, der ganz in schwarzes Leder gekleidet war, fuhr sie auf einem schweren Motorrad vor.

“Ich bin inkognito hier”, erklärte das Mädchen mit dem langen Blondhaar und dem hautengen Lederdress. “Karina heiße ich, und ich will mich davon überzeugen, dass Ihr Haus meinen Ansprüchen auch gerecht wird.”

“Wenn Sie inkognito hier sind... bitte, wie soll ich Sie anreden?” Sabrina von Bergdorff musste sich ein Lächeln verbeißen, denn die junge Sängerin führte sich zu affektiert auf. Sie spielt die Dame von Welt, aber sie spielt sie denkbar schlecht, ging es Sabrina durch den Kopf.

“Erst einmal brauche ich eine Erfrischung. Champagner natürlich. Kann man mir den hier servieren?”

“In der Hotelhalle? Kein Problem. Aber Ihr Inkognito...”, wandte Sabrina ein.

“Sie hat recht, Kleines.” Der Motorradfahrer, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, legte den Arm besitzergreifend um die Schlagerkönigin. “Wenn wir hier bleiben, fallen wir bestimmt irgendwann auf. Und dann kriegt dein Manager einen Herzinfarkt. Schließlich sind wir Konkurrenten!” Er wandte sich an Sabrina von Bergdorff. “Wo können wir hin?”

Die Hoteldirektorin zögerte nur einen Moment. “Wenn Sie ein wenig die Gegend hier erkunden möchten – gleich links vom Weiher ist ein kleiner Pavillon. Ich werde jemanden mit einer Erfrischung dorthin schicken.”

“Ich hab Hunger! Aber nur auf Kaviar!” Karina klimperte mit den langen Wimpern. “Der turnt an, wenn man genügend Schampus dazu trinkt.”

“Wird alles serviert.” Sabrina verzog keine Miene, doch insgeheim dachte sie: Armes Mädchen. Hast du es wirklich nötig, so dein Selbstbewusstsein aufzupolieren?

Die Schlagersängerin und ihr Freund, der in der Gunst der jungen Fans ihr ärgster Rivale war, was in den Medien immer wieder gern hochgespielt wurde, schlenderten eng umschlungen über die Terrasse zum Schlossteich hinüber – und es schien sie absolut nicht zu stören, dass viele Gäste auf der Sonnenterrasse saßen und ihnen zuschauten.

“Soviel zum Thema Diskretion”, murmelte Sabrina ironisch. Dann aber wurde ihre Aufmerksamkeit von der Ankunft des Gastes in Anspruch genommen, auf den sie sich schon so sehr freute.

Tatjana Brightham kam mit einem Taxi vorgefahren, und die junge Hotelchefin beeilte sich, zum Eingang zu kommen, um die alte Dame persönlich willkommen zu heißen. Doch nicht nur sie entstieg dem Wagen, zu Sabrinas größter Überraschung kletterte im gleichen Moment ihr Bruder aus dem Fond!

“Was denn... du hier?” Fassungslos sah sie Joachim an, der ein wenig verlegen lächelte und dann erklärte: “Da ich ja schon nicht zur Hoteleröffnung gekommen bin, wollte ich dir wenigstens einen ganz besonderen Gast persönlich bringen.” Er reichte der alten Dame galant den Arm. “Kommen Sie, meine Liebe, ich bin sicher, Sabrina hat Ihnen das schönste Zimmer reserviert.”

Die junge Hotelchefin fühlte sich überrumpelt – aber auch überglücklich, ihren Bruder endlich mal wiederzusehen. Gut sah er aus, distinguiert wie immer, doch auch außerordentlich entspannt. Das kommt wohl daher, dass er mal ohne seine arrogante Ehefrau unterwegs ist, dachte sie ein wenig bissig.

Zunächst führte Sabrina ihren Gast in das reservierte Zimmer, und die alte Dame rief unterdrückt: “Oh mein Gott! Dass ihr so was wisst!” Sie ging mit kleinen Schritten auf den Tisch zu, auf dem die hundert gelben Nelken im Champagnerkühler standen, und mit zitternden Händen zog sie einige der Blüten heraus, um an ihren zu riechen. Dabei rannen Tränen aus ihren Augen.

“Ich hoffe, Sie freuen sich ein bisschen”, sagte Sabrina leise.

“Das ist heute der schönste Tag seit vielen, vielen Jahren! Erst holt mich Joachim ab, dann stehen hier gelbe Nelken... Kinder, woher wisst ihr, was mir diese Blumen bedeuten? Mein Erich hat sie mir immer geschenkt – so lange es ihm möglich war...”, fügte sie wehmütig hinzu.

“Ich wünsche mir, dass Sie sich hier im Schlosshotel wie zu Hause fühlen”, sagte Sabrina und lächelte der alten Dame zu. “Was immer Sie haben möchten – es wird Ihnen besorgt.”

“Ich habe alles, was ich brauche.” Tatjana Brightham legte einen Arm um Sabrina, den anderen um Graf Joachim. “Es ist für mich wie eine Heimkehr. Jetzt bin ich endlich wieder mit Deutschland versöhnt!”

Ein wenig von der Wärme dieser Minuten blieb in Sabrinas Herzen, und als sie am Abend ihre Gäste im Restaurant begrüßte, sah sie voller Freude, dass ihr Bruder der alten Dame Gesellschaft leistete. Er ist ja doch ein ganz patenter Kerl, dachte sie. Wenn er nur nicht Elaine geheiratet hätte! Sie hat ihm auch die letzte Spur von Charme und Lebensfreude geraubt. Aber jetzt wirkt er fast wie früher...

Sie saßen noch lange zusammen und sprachen von vergangenen Zeiten, und es war beinahe Mitternacht, als Sabrina aufstand und erklärte: „Tut mir leid, aber ich muss jetzt ins Bett. Morgen früh um sieben ist mein Tag zu Ende.“ Sie wandte sich an ihren Bruder: „Ich habe dir die kleine Suite zurechtmachen lassen.“

„Wunderbar. Danke.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Wange, und das war etwas, das seit Jahren nicht mehr vorgekommen war.

Sabrina begann sich zu fragen, was diese neue Wesensveränderung bei Joachim hervorgerufen haben mochte, doch sie kam zu keinem Ergebnis. Gedankenverloren trat sie auf ihren Balkon, der nach Westen lag. Von hier aus konnte man im Winter ein paar der Gebäude von Gut Amstätten sehen. Jetzt aber, da die Bäume volles Laub trugen, war’s unmöglich.

Schade... Sie dachte viel zu viel an Heiko. Er war ein interessanter Mann. Leider viel zu schüchtern. So geschickt er im Umgang mit seinen Pferden war, so schwer tat er sich damit, einer Frau zu zeigen, dass er sie mochte.

Aber er mag mich, sinnierte Sabrina weiter. Das spüre ich ganz genau. Und ich lese es in seinen Augen...

Ein Geräusch über ihr ließ sie zusammenzucken. Sie lauschte, aber es blieb still. Für ein paar Minuten nur wollte Sabrina sich in den Schaukelstuhl setzen und entspannen, doch kaum hatte sie den Stuhl so zurechtgerückt, dass sie genau in die Richtung von Gut Amstätten sehen konnte, als links von ihr wieder ein seltsames Geräusch ertönte.

Die junge Frau stand auf und trat an die Terrassenbrüstung. Jetzt wurde ihr Blickfeld weiter, und sie entdeckte einen kleinen Korb, der unter ihrem Balkon stand. Etwas bewegte sich darin...

Sabrina zögerte nur sekundenlang, dann eilte sie nach draußen und ging auf den Korb zu. Eine leichte Baumwolldecke lag darüber, die sie vorsichtig hochhob.

Dunkle Knopfaugen sahen sie an, ein leises Fiepen ertönte.

„Er kann noch nicht bellen“, sagte eine dunkle Männerstimme hinter ihr. „Aber wenn er erst mal groß ist, wird er ein wunderbarer Beschützer und Wachhund sein!“

„Karsten!“ Sabrina drehte sich um. „Was machst du denn hier?“

„Ich bin gekommen, um dir was zu schenken. Wir feiern nämlich heute Jubiläum, hast du das vergessen?“

Sie runzelte die Stirn. „Was feiern wir?“

„Jubiläum. Das Hotel ist genau ein halbes Jahr in Betrieb. Und ich gratuliere dir zu deinem Erfolg!“ Er trat vor und hob den kleinen Schäferhund aus seinem Korb. „Er heißt Archibald von der Lohe. Aber du kannst ihn gern umtaufen.“

„O Karsten, das ist eine wunderbare Idee! Ich danke dir so sehr!“

„Das hier ist auch noch für dich. Und dazu wollte ich dir sagen, dass ich dich sehr...“

„Nein, nicht. Bitte.“ Sie sah die dunkelroten Rosen in seiner Hand, sah seinen zärtlichen Blick – und trat einen Schritt zurück. „Ich... ich möchte nichts hören“, stammelte sie.

„Aber Sabrina!“ Karsten Monheim biss sich auf die Lippen. Er hatte so gehofft, die Situation zu seinen Gunsten nutzen zu können. Er wusste, dass Sabrina sich einen Hund wünschte, und er hatte ihr einen wunderschönen Schäferhund aus bester Zucht besorgt. Er wusste aber auch, dass sie und Heiko von Amstätten viel zu oft zusammen waren. Es galt, dem zurückhaltenden Turnierreiter zuvor zu kommen.

Und was war besser geeignet, eine schöne Frau zu erobern als Rosen um Mitternacht, überreicht mit den passenden Worten?

Aber Sabrina sah ihn nur ein wenig traurig an, dann nahm sie das Hundebaby auf den Arm und sagte: „Für den Hund danke ich dir von ganzem Herzen. Und auch für alles, was du nicht gesagt hast. Ich weiß, du meinst es ehrlich, aber ich...“ Sie biss sich wieder auf die Lippen, dann drehte sie sich um und eilte davon.

8

Schweratmend stand Sabrina hinter der Tür ihres Appartements, den kleinen Hund fest an sich gedrückt. Sie wartete darauf, eventuell Karstens Stimme zu hören, doch er war wohl gegangen und machte keinen weiteren Versuch, ihr seine Liebe zu erklären.

Tränen standen auf einmal in Sabrinas Augen. Wie verfahren die ganze Situation war! Derjenige, der sie liebte, war ihr nur ein guter Freund, und der Mann, dem ihr Herz gehörte, besaß nicht den Mut, ihr seine Zuneigung zu gestehen. Oder, fragte sie sich gleich darauf, liebt er mich nicht so sehr wie ich ihn?

Aber nein, seine Augen redeten doch eine ganz eigene Sprache...

Sie lag noch lange wach und versuchte ihre Gefühle zu analysieren. Aber das ist nun mal eine schwierige Sache, und so schlief sie zum Glück rasch darüber ein.

Der nächste Tag begann mit der üblichen Hotelarbeit. Doch gerade, als sie den Rechnungseingang kontrollierte und feststellen musste, dass ihr Koch mal wieder viel zu teuer eingekauft hatte, wurde ihr das Eintreffen eines neuen ViP-Gastes gemeldet.

„Herr de Kraak checkt gerade ein“, meldete die Rezeptionistin, und Sabrina beeilte sich, den Top-Manager aus Holland persönlich zu begrüßen. John de Kraak war Aufsichtsratsvorsitzender mehrerer Weltfirmen, er produzierte fürs Fernsehen, besaß eine kleine, aber höchst erfolgreich arbeitende Pharma-Firma und war hierher an den Bodensee gekommen, um möglichst unbemerkt und ungestört ausruhen zu können.

„Sie wissen, dass ich gern auf meinem Zimmer essen möchte“, sagte er, nachdem ihn Sabrina willkommen geheißen hatte. „Schonkost. Und nur Diätwein. Und...“ Er seufzte und zog eine kleine Grimasse, „wenn ich anfange, nach einem Faxgerät oder Laptop zu fragen, ignorieren Sie mich bitte. Ich muss ausspannen, wenn ich nicht in einer Klinik landen will.“

Das war eine kluge Selbsterkenntnis, er sah wirklich blass und elend aus. Dunkle Schatten unter den Augen, die Mundwinkel leicht nach unten gebogen, was auf Magenbeschwerden hindeutete.

Sabrina lächelte verhalten. „Ich werde all Ihre Wünsche weitergeben. Doch wenn Sie etwas ganz Dringendes erledigen möchten, steht Ihnen mein Büro selbstverständlich zur Verfügung.“ Und da gerade Vanessa Reiners, die aparte dunkelhaarige Hotelsekretärin, durch die Halle ging, winkte sie ihr zu. „Darf ich Sie mit meiner Assistentin bekannt machen – Frau Reiners ist Ihnen sicher gern behilflich. – Vanessa, das ist Herr de Kraak, er wohnt bei uns.“

„Willkommen im Schlosshotel“, sagte Vanessa Reiners ganz routinemäßig – und stockte im nächsten Moment, denn der Mann hielt ihre Hand viel länger als üblich fest und sagte mit weicher Stimme: „Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Und ich weiß schon jetzt, dass ich mich hier sehr wohl fühlen werde.“

Vanessa erwiderte nichts, doch zum erstenmal, seit sie hier arbeitete, sah Sabrina sie leicht verlegen und unsicher.

In den nächsten beiden Tagen stellte sie fest, dass der Manager lange nicht so zurückhaltend lebte wie geplant. Er saß an der Bar, wo er allerdings nur Säfte und höchstens mal ein Diätbier trank, er las seine Zeitschriften in der Hotelhalle, ging ins Büro, ohne wirklich etwas zu wollen.

Am dritten Tag standen Blumen auf Vanessas Schreibtisch, am vierten sah man sie mit John de Kraak durch den Park spazieren. Und als sie nach der Mittagspause ins Büro zurückkehrte, lag ein zartes Leuchten auf ihrem Gesicht.

„Er ist ein sehr sympathischer Mann, dieser John de Kraak, nicht wahr?“, fragte Sabrina.

„Ja. Und...“ Vanessa zögerte, dann sagte sie: „Ach, Sie wissen es ja doch schon. Und spätestens morgen erfährt es die ganze Mannschaft: Er will sich mit mir verloben!“

„Wie bitte?“ Jetzt war Sabrina doch ernsthaft geschockt. „So schnell? Aber...“

„Ich weiß, es ist viel zu schnell, aber wir sind uns unserer Gefühle ganz sicher. Es ist...“ Sie biss sich auf die Lippen. „Eigentlich ist es so, als hätte ich immer auf einen Mann wie ihn gewartet. Und dabei ist es völlig unwichtig, ob er Geld hat oder nicht.“

„Etwas anderes hätte ich bei Ihnen auch nicht angenommen“, warf Sabrina ein, die sich schon Sorgen darüber machte, was werden würde, wenn Vanessa wirklich mit John de Kraak ging und das Schlosshotel verließ.

„Er ist leider nicht ganz gesund“, fuhr Vanessa fort. „Magenschmerzen, Herzkranzgefäß-Verengung... alles Beschwerden, die von Stress herrühren. Ich habe ihn gebeten, doch lieber in eine Klinik zu gehen, statt hier Ferien zu machen. Wissen Sie, er... er kann kaum noch essen, alles widert ihn an. Das ist doch nicht normal!“

„Nein, wirklich nicht.“ Sabrina sah ihre engste Mitarbeiterin fragend an. „Sollen wir unseren Hausarzt kommen lassen?“

Vanessa seufzte auf. “Ich hab’s John gestern Abend vorgeschlagen, als es ihm so besonders schlecht ging. Aber er will keinen Arzt. Jetzt erst recht nicht.“ Sie errötete ein wenig. „Er will die Zeit mit mir genießen.“

Sabrina lächelte. „Dann haben Sie sicher nichts dagegen, dass ich Ihnen für den Nachmittag frei gebe.“

„Das ist sehr nobel. Danke.“ Die junge Hotelsekretärin biss sich auf die Lippen. „Ich komme mir vor wie ein ganz junges Mädchen“, gestand sie. „Wenn ich nur an John denke, beginnt mein Herz schneller zu schlagen.“

„Ich verstehe Sie gut“, flüsterte Sabrina. Doch noch bevor Vanessa eine Frage stellen konnte, war sie schon aufgestanden und zur Tür gegangen. „Und jetzt frage ich mal unseren Starkoch, ob er glaubt, ich sei von Hause aus dumm. Der Kerl betrügt mich – und ich werfe ihn raus, wenn das nicht aufhört mit seiner Unverschämtheit.“

Sofort wurde die Hotelsekretärin sachlich. „Ich glaube auch, dass er manipuliert. Die letzte Lieferung von frischen Trüffeln... ein Pfund hat er geordert, davon ist aber nichts auf der Speisekarte zu sehen gewesen. Ein Vermögen verpufft da!“

„Und dieser neue Weinhändler, den er empfohlen hat... ich glaube langsam auch nicht mehr an dessen Seriosität.“

„Dann werden wir dem Herrn Wollersbeck doch mal eine Falle stellen“, meinte Vanessa. „Ich lass mir was einfallen.“ Sie zwinkerte Sabrina zu. „Wäre doch gelacht, wenn wir zwei Frauen nicht mit einem einzelnen eingebildeten Mannsbild fertig würden!“

Sabrina lachte. „Sie sind unbezahlbar, Vanessa. Danke.“

Die Sekretärin nickte nur, dann begann sie ihren Plan in die Tat umzusetzen.

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