13 Horrorgeschichten - Karlheinz Huber - E-Book

13 Horrorgeschichten E-Book

Karlheinz Huber

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Beschreibung

Welches Geschenk wird der Besuch mitbringen? Rita hat morgen Geburtstag - oder? Findet Pablo im Love-Chat eine neue Liebe? Kommen über den Wolken die Geister der Vergangenheit zurück? Wird die 13 Sahras Lieblingszahl? Wann beginnt Damiens Endspiel? Führt jede Mutprobe zwangsläufig zum Tod? Warum nur wird ihm immer diese Frage gestellt? Ist Sven wirklich im Paradies gelandet? Was macht ein Pfarrer während des Solstitiums in Alaska? Lukas Wunsch wird erfüllt. Hat er endlich sein perfektes Leben? Wird Jan sein persönliches Deja-vu überleben? Ist Dark Tourism nur für Hartgesottene? 13 gruselige Horrorstorys mit garantierter Gänsehaut.

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Für mich

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Besuch

Rita

Lovechat

Über den Wolken

13

Endspiel

Mutprobe

Warum

Paradies

Solstitium

Perfekt

Deja Vu

Dark Tourism

Nachwort

In eigener Sache

VORWORT

Auf meinem Autorenweg wollte ich auch mit dem Genre „Horror“ experimentieren.

Und nun halten Sie das Ausprobieren in Ihren Händen. Ich hoffe, es gefällt!

Und bevor Sie sich Sorgen machen: Ich muss nicht bei Licht schlafen, wie ein gewisser Stephen King. Obwohl ich zugeben muss, dass die eine oder andere Gänsehaut beim Schreiben über meinen Rücken lief.

So noch ein wichtiger Satz bevor es losgehen kann: Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.

Doch nun viel Spaß beim Gruseln.

BESUCH

„Mädels, wir werden heute Besuch bekommen.

Von wem?

Keine Ahnung.

Warum?

Hört doch auf, euch jetzt schon zu streiten. Es wird schon ein anständiger und ehrbarer Mann sein.

Hab gehört, er soll uns irgendwie helfen!

Bei was denn? Ich brauch keine Hilfe!

Ja, genau – du brauchst keine Hilfe!

Was soll das heißen? Wirfst du mir etwa vor, ich würde Hilfe benötigen - oder was?

Ruhig Mädels! Mal sehen, was er von uns will.

Vielleicht braucht er ja unsere Hilfe.

Deine Hilfe braucht doch sowieso keiner.

Wenn sich jeder an Recht und Ordnung halten würde, benötigte keiner Hilfe.

Moralapostel!

Ja, genau - und dazu stehe ich auch und werde weiterhin alle Regeln beachten. So wie es bei meinen Eltern früher war und bei deren Eltern.

Und so weiter bla, bla, bla.

Hey, woher willst du wissen, dass es ein Mann ist?

Ich vermute es.

Und ich hoffe es.

Warum?

Bis du blöd, diese Frage zu stellen? Immer noch so naiv.

Weil ich geil bin und gerne mal wieder einen Pimmel zwischen meinen Beinen hätte.

Bestimmt juckt es dort unten schon gewaltig.

Klar, schau mal: meine Nippel stehen schon auf halb acht.

Ihr seid pervers, einfach nur triebgesteuert.

Ich kann doch nichts dafür, dass du so prüde bist.

Ich bin nicht prüde!

Nein, eher total verklemmt.

Wo ist nur eure Moral geblieben, euer Anstand? Eure Erziehung hat versagt. Das musste mal gesagt werden.

Hör auf so zu reden, sonst werde ich entweder kotzen oder noch geiler, als ich jetzt schon bin.

Hast du nichts anderes in deinem Schädel?

Und schon wieder so eine unvorsichtige Frage!

Oh doch, ich habe noch andere Dinge im Kopf. Willst du sie hören?

Nein, besser nicht.

Ich sag’s dir aber trotzdem: Ich könnte ihn nackt ausziehen, ein Messer nehmen und einen tiefen Schlitz von der linken Schulter zu seiner linken Hüfte schneiden.

Hör auf, mir wird schlecht!

Mach weiter, ich will sie kotzen sehen!

Dann den nächsten sauberen Schnitt von der rechten Schulter bis zur rechten Hüfte. Danach einen letzten feinen sauberen Schnitt von Schulter zu Schulter. Und jetzt kommt‘s: Denn danach würde ich ihm die Haut mit einem Ruck abziehen, mit meinen blutigen Fingernägeln anschließend sein Herz herausreißen - und wenn es noch schlägt, genüsslich verspeisen!

Du brauchst unbedingt Hilfe!

Vielleicht kommt er ja wegen dir zu uns.

Nie im Leben! Eher wegen deinen tausend Neurosen und dem „früher war alles besser“.

Ganz unrecht hat sie ja nicht mit dem „früher“.

Ihr seid doch beide dämlich. Ihr vergesst zu leben und euren Trieben freien Lauf zu lassen.

Das kannst du von uns am allerbesten!

Oh ja, das kann sie wirklich!

Dann hört mal zu, was ich nachher mit dem Kerl anfangen werde, als Alternative zu meinem vorhergehenden Vorschlag sozusagen.

Und wenn ihr mir mithelft, könnt ihr eure abstoßend langweilige Art problemlos überwinden und euch dabei zusätzlich von euren Ängsten befreien - als Bonus sozusagen. Ich höre!

Ich nicht!

Also: Wenn er reinkommt, werfen wir ihn gemeinsam auf den Boden. Ihr haltet ihn fest, während ich seinen Pimmel zum Stehen bringe. Dann drückt ihr ihm die Kehle zu und ich beginne, seinen Schwanz zu bearbeiten. Wir schauen dann, was zuerst passiert: tot oder Ejakulation.

Unglaublich, deine Gedanken!

Ich tippe auf beides gleichzeitig.

Ich würde mit meinen Schuldgefühlen nie mehr wieder schlafen können!

Ach was, das geht vorbei, ich spreche aus Erfahrung.

Hoffentlich hört uns keiner zu!

Warum? Hast du Angst? Ach ja, ich vergaß: Du bist ja unsere Oberhosenscheißerin.

Ich versuche wenigstens nach den Traditionen und nach meiner Erziehung zu leben, wozu ihr beide nicht in der Lage seid.

Hast du vergessen, dass dein Vater dich geschlagen hat?

Das stimmt nicht!

Stimmt doch! Und uns hast du immer etwas von Vorbereitung gesagt.

Ja, genau! Die Vorbereitung auf das harte Leben, das vor dir liegt, waren deine Worte, und dass es gut für dich ist.

Apropos hart! Ich werde schon wieder spitz wie Nachbars Lumpi.

Dann schaut euch doch mal in der Außenwelt um. Vielleicht könnt ihr dann verstehen, warum Regeln so wichtig sind!

Das war die Ausrede deiner Mutter. Stimmt‘s?

Die Schlampe hat Gras geraucht, während sie mit dir schwanger war.

Und ständig gevögelt hat sie auch, bis kurz vor deiner Geburt.

Ihre Fruchtblase ist von einem Pimmel zum Platzen gebracht worden.

Hört auf, ich will das nicht hören!

Ja, klar! Die Wahrheit willst du nicht hören! Dann lieber alles ins Unterbewusstsein verdrängen. Darin bist du ja unsere Topspezialistin!

Komm, lass sie in Ruhe! Es reicht! Sonst dreht sie uns noch durch, bevor der Besuch kommt.

Ach ja, wann kommt das Arschgesicht denn endlich? Meine Muschi wird schon wieder trocken.

Nicht schon wieder!

Vielleicht bringt er uns ja etwas zu essen mit.

Das wäre nicht schlecht. Mir liegt die letzte Mahlzeit eh schwer im Magen. Ich werde mal kurz scheißen gehen.

Sei nicht so vulgär!

Du bleibst besser hier, sonst verpasst du ihn noch.

Ok, dann lass ich aus meinem Arschloch einen anständigen knallen, und wenn er reinkommt, fällt er in Ohnmacht, dann müssen wir ihn nicht mal überwältigen.

Geht das schon wieder los!

Du weißt doch, wie sie ist: Für sie gibt es nur Sex oder den Tod.

Stimmt! – Oh, hört ihr? Ich glaube, es kommt jemand.

Seht doch, die Tür geht auf!

Geil, ein Kerl! Und er sieht auch noch ganz ansprechend aus.

Ficken! Sofort!

Zu alt für dich.

Egal, ich erledige das! Er muss fast nix machen.

Still jetzt alle! Lasst uns zuerst hören, was er von uns will.“

„Hallo Rose! Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.“

„Rose? Wer soll das denn bitteschön sein?

Irgend so eine Schlampe vielleicht.

Kennt die jemand von euch?

Nie von der Hure gehört.

Und was sollen wir mit einem Buch?

Oh, er geht schon wieder! – Warum?

So ein Mist! Ich habe noch nicht mal sehen können, wie groß sein Pimmel ist. Naja, jetzt sehe ich wenigstens seinen geilen Arsch.

Ich halte den Kerl jetzt auf. Ich will wissen, was das soll!

Wartet mal! Schaut euch den Titel des Buches an:

Das „Es“, das „Ich“ und das „Über-Ich“ Das Drei-Instanzen-Modell der Psychoanalyse Von Sigmund Freud.

Denkt das Arschloch wir sind verrückt, oder was?“

„Schwester Hilde, bitte passen Sie auf, dass Rose in der Gummizelle keine Dummheiten mit dem Buch anstellt.“ „Mach ich, Herr Doktor. Glauben Sie, es bringt etwas?“

„Bei Rose kann es nur besser werden, Schwester Hilde.

Wer ist der nächste Patient auf der Liste?“

„Nikola Tesla, Herr Doktor.“

„Ist das der, der eine Taube heiraten möchte?“

„Genau, Herr Doktor.“

„Dann wollen wir mal! Nach Ihnen, Schwester Hilde.“

ENDE

RITA

Mit einem gellenden Schrei auf den Lippen wachte Rita schweißgebadet in ihrem Bett auf. Das letzte Bild ihres Traumes noch vor Augen, lief ihr eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken. Sie schüttelte sich und kam nur langsam in die Wirklichkeit zurück. Sie zwang sich, sich auf ihre Atmung zu konzentrieren, was die Panikattacke verlangsamte. Erst jetzt bemerkte sie ihren rasenden Herzschlag. Mit der langsameren Atmung beruhigte sich auch ihr Puls. Es dauerte eine Zeitlang, bis sich alle lebenswichtigen Funktionen wieder beruhigten. Nach etwa zehn Minuten traute sie sich, ihren Kopf etwas nach links zu bewegen, um auf ihren Wecker zu schauen.

„9:13 Uhr - Sonntag, 03.11.1974“, las sie laut vor. Ihre Stimme zu hören, beruhigte sie zusätzlich.

Dann fiel ihr ein, dass sie morgen 16 Jahre alt werden würde. Dieser Gedanke verdrängte den bösen Traum immer weiter in ihr Unterbewusstsein. Sie stand mit immer noch zittrigen Beinen auf und schleppte sich ins Badezimmer. Nach der Dusche ging es ihr endlich besser, und sie versuchte, ihren Tag zu planen. Dann fiel ihr ein, dass Sonntag war und mittlerweile 10 Uhr. Ihr Magen begann so laut zu knurren, dass es jeder im Haus hören musste.

Gut gelaunt lief sie am Zimmer ihrer Geschwister vorbei. Die Zimmer ihres Bruders und ihrer Schwester waren ungewöhnlicherweise leer. Als sie durch die offene Tür das Chaos im Zimmer ihrer Schwester erblickte, musste sie schmunzeln, dachte an ihr Zimmer, schüttelte den Kopf und lief die Treppe nach unten. ‚Komisch,‘ dachte sie, als sie kein Mitglied ihrer Familie im Erdgeschoß antraf. ‚Alle ausgeflogen. Gut, dass keiner da ist, dann hat auch keiner meinen Schrei gehört,‘ dachte sie und schaltete die Kaffeemaschine ein, während sie sich ein Nutella-Brot schmierte.

Genüsslich biss sie in ihr Brot und begann zu kauen. ,Komisch,‘ dachte sie. ,Schmeckt irgendwie schal heute.’ Der Hunger verdrängte den Gedanken. Sie aß ihr Bot auf und trank ihren schwarzen Kaffee. Ohne die schädliche Milch und den lebensgefährlichen Zucker darin. ‚Meine Familie wird das nie verstehen,‘ dachte sie. Dann schweiften ihre Gedanken ab. Sie überlegte, was sie nun anstellen sollte. Die Sonne schien durch das Fenster und auf die Kommode. Ihr Blick blieb an den Bildern hängen, die auf der Kommode standen. Sie runzelte die Stirn, als sie registrierte, dass dort nur Bilder von ihr standen.

,Wann hat Mama das denn gemacht?‘, dachte sie.

Dann fiel ihr der Geburtstag ein, der morgen bevorstand.

Damit waren die Bildersache und die Abwesenheit ihrer Familienmitglieder für sie geklärt und erledigt.

Sie schnappte sich ihren Schlüssel und trat aus dem Haus. Als sie die Eingangstür abgeschlossen hatte, nahm sie einen tiefen Atemzug und wunderte sich über den süßen Blumengeruch, der in der Luft lag. Frohgelaunt stand sie auf dem Gehsteig und überlegte, wohin sie nun gehen sollte.

Sie entschied sich für links und steuerte auf den Spielplatz zu, der etwa einen Kilometer vom Haus entfernt lag.

‚Dort werden die Mädels schon und auf mich warten,‘ dachte sie. Also lief sie mit einem Pfeifen auf den Lippen los. Ihr fiel auf, dass die Straßen fast leer waren. Doch dann dachte sie wieder: ‚Es ist Sonntag. Bestimmt sind alle in der Kirche oder beim Kochen.‘ Am Spielplatz angekommen, lief sie direkt auf den Holzwigwam zu, ihrem Treffpunkt - und war enttäuscht! Keine ihrer Freundinnen war anwesend. Sie setzte sich auf die Holzkonstruktion, ließ ihre Beine baumeln und schaute dem einzigen Kind auf dem riesigen Spielplatz beim Schaukeln zu.

Ihr fiel auf, dass das Kind keine Freude beim Schaukeln hatte, denn es blickte nur stumpf geradeaus und schien sie absichtlich zu ignorieren. In Gedanken vertieft, hob Rita plötzlich ihren Kopf und grinste, als ihr einfiel, was sie als nächstes tun könnte.

Sie stand auf, lief in Richtung Bürgersteig und sah nicht, dass das Mädchen auf der Schaukel ihr böse nachschaute. Auf einmal blieb Rita stehen, ihre Nackenhaare stellten sich auf. Sie drehte sich blitzschnell um, doch das Mädchen war verschwunden. Nur die Schaukel wippte noch hin und her, und ihre Augen konnten sich dem Pendeln des Spielgerätes nicht entziehen. Als die Schaukel endlich stillstand, schüttelte sie sich kurz und setzte ihren Weg fort.

Ihr fiel auf, dass die wenigen Menschen, die unterwegs waren, sie offensichtlich komplett ignorierten. Wieder lief ihr ein Schauer über den Rücken. Dieses Mal dauerte es länger, ihn abzuschütteln. Mit einem unguten Gefühl lief sie etwas schneller, weiter ihrem neuen Ziel entgegen. Sie wollte zum Fußballplatz. In der Hoffnung, ihre Freundinnen dort zu finden. Wenn die Jungs am Kicken waren, schauten sie immer zu und feuerten sie an. Insgeheim hoffte sie natürlich auch, dass ihr Schwarm heute spielen würde. Der Gedanke ließ ihr Herz etwas höher schlagen.

Als sie sich dem Fußballplatz näherte, ließ sie enttäuscht ihre Schultern hängen, denn nur eine Person befand sich auf dem Platz. Langsam lief sie auf eine Sitzgruppe zu, ihrem Stammplatz sozusagen. Dabei schaute sie zu dem Jungen, der sich auf der anderen Seite des Platzes befand und mit seinem Ball spielte.

Sie wurde misstrauisch, als sie erkannte, dass nicht nur die Kleidung des Jungen ziemlich zerlumpt aussah. Sondern, dass sich auf seiner Stirn getrocknetes Blut befand. Zuerst wich sie zurück, dann gab sie sich einen Ruck und lief skeptisch auf ihn zu. Als der Junge sie bemerkte, starrte er sie zuerst ungläubig an, dann lief er einfach in die entgegengesetzte Richtung davon, ohne seinen luftleeren Ball. Rita blieb enttäuscht stehen. Gerne hätte sie ihn gefragt, was denn los sei und warum er Blut auf seiner Stirn hatte. Sie seufzte und drehte sich wieder um. Doch als sie ihren Stammplatz erblickte, kam die Gänsehaut jäh zurück! Irgendetwas stand auf ihrem Platz. Sie überlegte lange, ob sie nachschauen sollte oder nicht.

Dann wurde die Neugierde größer als ihre Angst, und sie ging mit kleinen Schritten langsam auf ihre „Fansitzreihe“ zu, wie sie sie nannten.

Fassungslos blieb sie wenige Meter vorher stehen und öffnete ungläubig ihren Mund, ohne jedoch einen Laut von sich zu geben.

Eine Blumenvase mit einer schwarzen Rose stand auf ihrem Platz. Sie konnte ihren eingeritzten Namen in der Kunststoffschale über der Rose genau erkennen. Nicht zum ersten Mal für heute schüttelte sie fassungslos den Kopf. Sie mochte solche Scherze definitiv nicht und überlegte, wer ihr diesen Streich spielen könnte.

Ihr fiel niemand ein, den sie irgendwie verärgert haben könnte. Tief in ihre Gedanken versunken, verließ sie die Sportstätte ohne neues Ziel.

,Was ist heute nur los?‘, dachte sie, und eine Träne lief über ihre leicht gerötete Wange. Auf einmal bemerkte sie, dass die Straße sich mit immer mehr Menschen füllte. Sie blieb stehen und schaute sich hilflos um, bis sie unsanft von hinten angerempelt wurde. Ohne Entschuldigung lief der Mann mit hängendem Kopf einfach weiter an ihr vorbei. Immer öfter wurde sie angestoßen - und beinahe wäre sie sogar hingefallen! Panisch verließ sie die Straße und rannte rechts in eine parkähnliche Anlage. Irgendwann blieb sie völlig außer Atem stehen und sah sich um.

,Gut! Keine Menschenseele zu sehen,‘ dachte sie. Erleichtert verlangsamte sich ihre Atmung, bis sie erkannte, wo sie sich eigentlich befand. Panik erfasste sie! Ihr ganzer Körper begann zuerst zu zittern, dann wollte er sich schnell wieder in Bewegung setzen - doch irgendetwas hielt sie auf! Gegen ihren Willen senkte sie den Kopf, blickte dabei nach unten und erkannte, dass sie vor einem frisch angelegten Grab stand. Der Erdhügel war übersät mit Blumen und Kränzen in allen Farben und Größen. Es roch nach süßen Blumen und frischer Erde.

Widerwillig zwang sie ihren Blick zu dem ebenfalls mit Blumen geschmückten Holzkreuz:

„Rita, geboren am 04.11.1958, tragisch von uns gegangen am 02.11.1974“, las sie laut vor.

Es dauerte unendlich lange, bis ihr Verstand endlich begriff, dass es sich bei dem Erdhügel um ihr eigenes Grab handelte! Ihre Gedanken drehten sich wie ein Tornado im Kreis, und ihr Kopf drohte zu explodieren, bis sie sah, dass das Holzkreuz sich bewegte! Unfähig, wegzulaufen oder zu schreien, starrte sie fassungslos auf den Erdhügel.

Wie in Zeitlupe kullerten zuerst größere Erdklumpen zu Boden, dann rutschten die ersten Kränze zur Seite und das Kreuz mit ihrem Namen fiel um. Ein Finger stieß aus der Erde, dann noch einer und noch einer, bis eine Hand zu sehen war. Immer noch stand Rita gebannt vor dem Grab und verfolgte, wie eine zweite Hand sich nach oben reckte. Wenig später streckten sich zwei mit Erdklumpen verdreckte Hände bis zum Ellenbogen in die Luft. Und Rita setzte sich unfassbarerweise langsam in Bewegung - auf die Hände zu! Alles in ihr sträubte sich dagegen, doch sie konnte nichts dagegen unternehmen.

Mit Entsetzen erfasste sie, dass sich die eiskalten Hände unnachgiebig um ihre Knöchel schlossen und langsam, aber mit unglaublicher Kraft, zu ziehen begannen.

Unaufhaltsam wurde sie in den Erdhügel gezogen, Zentimeter für Zentimeter. Als ihre Knie im Erdhügel versanken, löste sich Ritas Starre.

Mit einem gellenden Schrei auf den Lippen wachte Rita schweißgebadet in ihrem Bett auf. Das letzte Bild ihres Traumes noch vor Augen, lief ihr eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken.

Sie schüttelte sich und kam nur langsam in die Wirklichkeit zurück. Sie zwang sich, sich auf ihre Atmung zu konzentrieren, was die Panikattacke verlangsamte. Erst jetzt bemerkte sie ihren rasenden Herzschlag. Mit der langsameren Atmung beruhigte sich auch ihr Puls. Es dauerte eine Zeitlang, bis sich alle lebenswichtigen Funktionen wieder beruhigten. Nach etwa zehn Minuten traute sie sich, ihren Kopf etwas nach links zu bewegen, um auf ihren Wecker zu schauen.

„9:13 Uhr - Sonntag, 03.11.1974“ ………………………

ENDE

LOVECHAT

Pablo saß wie jeden Abend vor dem Fernseher - allein. Als Mittvierziger sah er zwar ansehnlich aus, was er seinem kolumbianischen Vater zu verdanken hatte. Trotzdem hatte seine Frau ihn vor vier Jahren verlassen. Er wäre zu langweilig, hatte sie gesagt, die Koffer gepackt - und weg war sie! Als Finanzbeamter verdiente er nicht schlecht, musste aber nach der Scheidung umziehen. Sie hatte ihm alles genommen, nur seine Ehre durfte er behalten. Er verdrängte den unangenehmen Gedanken und widmete sich wieder den Nachrichten.

Vor einer Kneipe um die Ecke seiner Wohnung gab es eine Massenschlägerei. Pablo dachte: ,Diese Idioten! In L.A.-Watts sollte man nachts nicht auf die Straße gehen, das weiß doch jedes Kind.‘ Er schüttelte den Kopf und folgte weiter der Nachrichtensprecherin.

Ein Drogenbaron aus Guatemala sollte drei Menschen erschossen haben. Der Bericht zeigte einen Südamerikaner im feinen Zwirn, der von einem Dutzend Polizisten abgeführt wurde. „Arschloch, hoffentlich hängen sie dich,“ rief er, und steckte sich das letzte Stück Mikrowellenpizza zwischen die Zähne.

Interessiert verfolgte er den Wetterbericht und freute sich, dass ab morgen wieder die Sonne scheinen würde. Sein Wochenende-Joggingprogramm hatte sich schon bezahlt gemacht. Er war fit und schlank! Er dachte daran, ein neues Foto von sich zu machen, um es in die sozialen Netzwerke zu stellen. ,Am Besten in Joggingklamotten, leicht verschwitzt - darauf stehen die Frauen,‘ dachte er und trank einen Schluck Diät-Cola. Die folgende Gameshow schaute er sich nur wegen der Moderatorin an: Ein heißer Feger, von dem er im Internet schon Nacktfotos gefunden hatte. Bei dem Gedanken musste er breit grinsen.

Plötzlich machte es „Bim“! Pablo starrte irritiert auf die Pizza, die er vor einer Stunde aus der Mikrowelle geholt hatte, und überlegte, woher das Geräusch kommen könnte. Dann fiel es ihm schlagartig ein und er hechtete zu seinem Laptop. Mit zittrigen Fingern gab er das Kennwort ein und starrte auf den blinkenden Posteingang. Ungläubig öffnete er die Mail und las: „Hallo Gachupín, dein Profil gefällt mir. Wir haben vieles gemeinsam. Ich wäre an einem Treffen mit dir sehr interessiert. LG Valeria39.

Lovechat ist mit Ihrem Einverständnis autorisiert, die Mailadressen auszutauschen.“

Pablo vergaß die Fotos, die er in diverse Partnerbörsen hochladen wollte, und drückte aufgeregt den Button „JA“.

Er kopierte die Adresse und schrieb eine Mail an Valeria39. Es dauerte genau 60 Sekunden, bis die Antwortmail bei ihm ankam. Er hatte die Luft angehalten und mitgezählt, weil er immer noch dachte, es könnte sich um einen Fake handeln.

„Hallo, Pablo! Schöner Name! Gefällt mir, genau wie deine Nachricht. Ich bin dieses Wochenende in L.A. und wir könnten uns im Restaurant „Albright“ am Santa Monica Pier treffen. Sagen wir Samstag um 19 Uhr?“

Pablo war so überrascht, dass er nur: „Geht klar, freue mich“, antwortete.

„Wer hätte das gedacht?“ sagte er, als er den vorhin übersehenen Anhang öffnete. Das Bild einer hübschen Frau mittleren Alters lächelte ihn freundlich an. Pablo konnte sein Glück noch gar nicht fassen. Normalerweise trank er unter der Woche keinen Alkohol. Doch dieses freudige Ereignis musste gebührend gefeiert werden. Er schlappte zum Kühlschrank und öffnete einen Piccolo-Sekt, den er für alle Fälle immer parat hatte.

Die Kohlensäure kitzelte an seinem Gaumen. Pablo ließ es sich schmecken. Dann fiel ihm ein, dass es sich um ein stark frequentiertes Restaurant handelte. Also reservierte er telefonisch einen Tisch für zwei Personen.

Als das erledigt war, trank er den letzten Schluck und ging zu Bett. Über den Bildschirm flimmerten schon wieder Nachrichten. Doch für heute hatte Pablo genug.

Die folgenden zwei Tage vergingen im Flug. Pablo stand im besten Zwirn, mit einem kleinen Strauß Rosen, vor dem Eingang des Restaurants. Natürlich war er eine halbe Stunde zu früh. Doch auch diese Zeit verging schneller als gedacht, und er nahm am Tisch Platz. Als zehn Minuten um waren, ließ seine Stimmung nach, und er dachte wieder an einen Fake. Nach fünfzehn Minuten wollte er gerade aufstehen, als ihn jemand von hinten mit seinem Chatnamen ansprach. Er drehte sich um und schaute in ein strahlendes Gesicht. ,Besser als auf dem Foto,‘ dachte er und forderte Valeria auf, sich zu ihm zu setzen. Sein Herz schlug Purzelbäume! Er war wie berauscht. Sie speisten, lachten und unterhielten sich prächtig. Nachdem er gezahlt hatte, gingen sie gemeinsam am Strand spazieren.

Wie selbstverständlich legte Valeria ihren Arm auf seine Schulter und er um ihre Hüfte. Nach einem Drink in einer Bar küssten sie sich. Wenig später saßen sie in einem Taxi und fuhren in Valerias Hotel.

Es war die wildeste und aufregendste Nacht seines Lebens.

Der Sex war unvorstellbar, und er konnte sein Glück kaum fassen. Valeria kam mit zwei Wassergläsern in der Hand aus dem Badezimmer zurück.

Sie sah ihn schelmisch an und flüsterte: „Mein Tiger braucht etwas Wasser, um wieder zu Kräften zu kommen.“ Dabei reichte sie ihm das Glas. Er trank es in einem Zug leer, stellte das Glas auf den Nachttisch und wollte sich zu ihr umdrehen. ,Was ist das?‘, dachte er, als er mitten in der Bewegung in sich zusammensackte. Seine Augenlider fielen zu und er konnte sich nicht mehr bewegen. Er war wach, jedoch nicht in der Lage, irgendeinen Muskel in seinem Körper zu bewegen. Selbst die Augenlider konnte er nicht offenhalten. Dann hörte er Stimmen, fremde Stimmen, in einer ihm fremden Sprache. Er spürte die Finger nicht, die ihn betatschten.

,Habe ich einen Herzinfarkt?‘, dachte er. Plötzlich wurde er zur Seite gedreht. Dann wurde sein Penis hochgezogen, und eine Männerstimme sagte etwas, was die anderen zum Lachen brachte.

Auf einmal wurde sein rechter Arm heiß und brannte wie Feuer. ,Spanisch, sie sprechen spanisch!‘, war das Letzte, was er in dem Hotelzimmer dachte.

Pablo kam mit starken Kopfschmerzen langsam zu sich. Er starrte zur Decke und erblickte einen Ventilator, der sich mühsam drehte.

In einer Ecke saßen mehrere Fliegen auf einem Haufen, und an der Wand kletterte eine Kakerlake zur Decke. Er schwitzte, es war heiß für L.A., viel zu heiß. Mühevoll hob er seinen Kopf. Als er seine Hände benutzen wollte, um sich aufzustützen, bemerkte er die Handschellen, mit denen er an den Rahmen des Bettes gefesselt war. Jetzt erst spürte er das kalte Metall auch an seinen Füßen, und er bemerkte, dass er nackt war.

„Wo bin ich?“, flüsterte er.

Unerwarteterweise antwortete ihm die Stimme von Valeria:

„Das darf ich dir nicht sagen.“

Pablo sammelte all seine Kraft und drehte den Kopf in Richtung der Stimme. Valeria saß auf einem Stuhl neben seinem Bett, nur mit einem Bikini bekleidet, und rauchte eine Zigarette.

„Ist das so ein Sex-Spiel von dir?“, fragte er.

Valeria antwortete nur mit dem Wort: „nein.“

„Was dann? Willst du mich entführen und Lösegeld erpressen?“

Valeria schüttelte den Kopf, und ihre roten langen Haare schwangen in der Bewegung. Pablo wurde, ob er wollte oder nicht, an die Nacht der Nächte erinnert. Mühsam schluckte er den Kloß in seinem Hals hinunter und flüsterte: „Was dann?“

„Wie gesagt, darf ich dir nicht sagen“, antwortete sie und betätigte einen Schalter. Das Kopfteil seines Bettes hob sich, bis er aufrecht im Bett saß. Der Blick aus dem Fenster brachte keine neuen Erkenntnisse. Außer, dass er sich auf dem Land befand und nicht in einer Stadt. Nur Vogelgezwitscher war zu hören und wurde von Valerias Stimme unterbrochen: „Was möchtest du denn gerne essen, Pablo?“, fragte sie ihn.

Er antwortete automatisch in sarkastischem Ton: „Für die Henkersmahlzeit ein Steak mit Pommes, bitte.“

Ohne zu antworten stand Valeria auf und lief zur Küchenzeile, die sich ebenfalls in dem Raum befand. Nach 45 Minuten begann sie ihn zu füttern, doch Pablo wehrte sich. Valeria stand auf - und ehe sich Pablo versah, fuhr ihre Hand aus und klatschte auf seine rechte Wange. Verstört blickte er zu ihr auf und sah, wie sie zum nächsten Schlag ausholte. Diesen Schlag steckte er auch noch weg, dann sah er, wie das Blut aus seiner Nase schoss und bettelte um Gnade.

„Braver Junge“, sagte Valeria und fütterte ihn ohne weitere Gegenwehr. Nach dem Essen räumte sie alles in die Küchenzeile und lief unruhig hin und her.

Plötzlich vernahm er das Geräusch eines Wagens, der über einen Kiesweg fuhr, und Valeria verließ den Raum.

Pablo war alleine und fragte sich, was das Ganze sollte, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und drei Männer den Raum betraten. Sie hatten schwarze Strumpfhosen über ihre Köpfe gezogen. Pablo fing an zu schreien. Valeria stand am Herd und hatte das Gas aufgedreht, in der anderen Hand hielt sie ein Eisen über das Feuer, bis es glühte.