Weitere 13 Horrorgeschichten - Karlheinz Huber - E-Book

Weitere 13 Horrorgeschichten E-Book

Karlheinz Huber

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Beschreibung

Weiter geht die Reise mit 13 neuen Horror-Kurzgeschichten. Für alle Horrorfans genau die richtige Dosis, Angst, Gänsehaut, Entsetzen, Psychohorror und ekeligem Splatter. In diesem Buch lauert der Horror hinter jeder Seite garantiert! Inhalt: Sex, Drogen und das Meer, eine perfekte Kombination für Susann? Warum verläuft Neos Job im Schlaflabor anders als erwartet? Gelingt dem Archäologen Simon endlich die Entdeckung des Jahrhunderts? Das perfekte Dinner einmal ganz anders! Ist die unheimliche Filmrequisite etwa echt? Wird Amanda endlich zur Ruhe kommen? Besteht Luka die eigentümliche Mutprobe? Petra und Dark-Tourismus, passt das? Hat Graf Pino ein geeignetes Anwesen für seine Familie gefunden? Ist das Streben nach Perfektion für Künstliche Intelligenzen das richtige Ziel? Wird dies der letzte Flug von Ludwig? Kalte Rache ist die Beste, im wahrsten Sinne des Wortes! Das einsamste Haus der Welt ist nicht so unbewohnt wie vermutet!

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Für alle Horrorfans

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Speed

Schlaf

Simdi

Das Dinner

Apokalypse (Now)

Amanda

Die Mutprobe

Das Geisterschiff

Die Villa

Der Zwischenfall

Flug XX-666

Rache

Party Time

Nachwort

Danke

Über den Autor

Vorwort

Ja, ich habe es wieder getan. Was vor Jahren als Joke seinen Anfang nahm, endet vorerst mit diesem dritten Teil. In Summe entstanden sagenhafte neununddreißig Geschichten aus dem Genre Horror.

Wer hätte das gedacht? – Ich jedenfalls nicht.

Der Reiz, schnell auf den Punkt zu kommen, trotzdem die Protagonisten zu entwickeln und einen Aha-Moment am Schluss zu kreieren, das ist es, was mir offensichtlich liegt. Die vielen positiven Bewertungen drücken das zumindest aus.

Ob die Reise damit zu Ende ist? - Die Zukunft wird es zeigen.

Personen und Handlungen entspringen ausschließlich meiner mehr als lebhaften Phantasie. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Lebewesen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Speed

Susann stöhnte. Ihr Schädel stand kurz vor einer Explosion. Völlig bewegungsunfähig, seufzte sie ein weiteres Mal.

„Nicht die Augen öffnen. Zuerst wach werden - und definitiv nie wieder Drogen“, flüsterte sie durch zusammengebissene Zähne.

Langsam, aber sicher, setzten sich fehlende Puzzleteile ihrer Erinnerung zu einem Bild zusammen. Der Geruch von Salzwasser komplettierte das immer noch unfertige Gemälde.

„Ich bin auf den Bahamas in Urlaub. War auf einer Party und ließ mich dazu verleiten, die angesagten Blue Punisher zu testen“, rekapitulierte sie.

„Scheiß-Pillen, wie sich jetzt herausstellt“, sagte sie zu sich selbst.

Oder war sie gar nicht alleine? Wieder drehte sich das Karussell in ihrem Kopf, begleitet vom aufkommenden Würgereiz. Sie schluckte die ätzende Flüssigkeit in ihrem Hals herunter und versuchte, sich auf ihr Gehör zu konzentrieren. Das Rauschen der Wellen beruhigte ihren Magen, trotzdem traute sie sich nicht, die Augen zu öffnen. Tief durchatmend, fühlte sie in ihren Körper hinein und hob überrascht die Augenbrauen. Außer ihrem Kopf war sie nicht in der Lage, etwas Anderes zu bewegen.

Das war neu, so extrem war sie noch nie nach einem Trip aufgewacht. Eine leichte Brise kühlte ihr glühendes Gesicht und wirbelte ihre blonden Haare durcheinander.

„Warum fühle ich den Wind?“, flüsterte sie und bekam es langsam mit der Angst zu tun. Ein leichtes Kribbeln in ihren Füßen ignorierend - das Startsignal einer Panikattacke - drückte sie die Augen fester zu. Stattdessen hob sie eine Hand, um die Strähne von ihrer Nase zu wischen.

„Scheiße, immer noch kein Gefühl“, verfluchte sie die Bewegungsunfähigkeit und pustete die Haare einfach zur Seite. Das Kribbeln verstärkte sich wieder.

„Ätzende, beschissene Nebenwirkung.“

Erinnerungen aus der Vergangenheit drängten sich in den Vordergrund. Der Gedanke an ihre große Liebe Ben, der sie mit ihrer besten Freundin betrog, brannte sich in ihr Herz. Damals nahm sie zum ersten Mal Drogen. Cannabis - ist ja harmlos, macht nicht süchtig, hatten sie gesagt. Von wegen!

Ecstasy - die nächste Stufe, dann Kokain.

‚Das verfluchte weiße Pulver‘, resümierte

Susann. Heroin fehlte noch in ihrer Sammlung. Sie setzte dreimal mit dem Rechnen an, bis ihr klar wurde, dass das Ganze erst vier Jahre her war.

„Mist, jetzt muss ich pinkeln“, sagte sie und beschloss, dem Drang einfach nachzugeben. Ihr Bett würde eh fürchterlich aussehen, da kam es auf diese Flüssigkeit nicht mehr an.

Es dauerte extrem lange, bis sich ihre Blase völlig leerte.

‚Als ob ich gegen einen Widerstand uriniert hätte‘, überlegte sie. Außerdem brannte ihr Schritt wie Feuer - auch das war neu.

„Verdammt, habe ich etwa die nächste Stufe des Junkie-Daseins schon erreicht!“, fluchte sie.

Dann fielen ihr weitere Bruchstücke von gestern Abend ein. Sie war auf einer Party. Da war der geile Latino, der mit seiner Yacht und dem Ferrari prahlte. Er warf mit Geld um sich, und irgendwann machten die kleinen bunten Pillen die Runde. Danach eskalierte die Party. Sie hatte keine Ahnung, wieviel sie von dem Zeug schluckte. Ihrem aktuellen Zustand entsprechend - definitiv zu viel! Immer mehr Bilder schossen in ihren Kopf, und auf einmal grinste sie. Jetzt wusste sie, warum es in ihrem Untergeschoss brannte. Sie hatte wilden Sex mit dem Kerl, der eigentlich nicht ihrem Beuteschema entsprach. Die Vögelei war gut, und das Fesselspielchen erregte sie zusätzlich, mehr als sie vermutete. Es war richtig geil!

Und erst das Schlafzimmer: Die Wände in Schwarz und als Kontrast die blutrot gestrichene Decke. Schneeweiße Bettwäsche aus Seide und die herrliche Meeresluft durch das offene Panoramafenster!

„Vielleicht bin ich ja noch gefesselt, und er hat mich einfach zurückgelassen. Scheiße, dann habe ich ja in sein Bett gepinkelt, ich großes böses Mädchen“, lachte sie über ihre eigenen Gedanken und öffnete die Augen.

„Nein, das kann nicht sein“, stöhnte sie und schloss sie sofort wieder.

‚Ich bin noch auf einem Trip‘, überlegte sie und zwang sich, ruhig und kontrolliert zu atmen. Die Magensäure in ihrem Mund schluckte sie herunter.

„Das ist irreal“, flüsterte sie und öffnete erneut ihre Augen.

Wie in Zeitlupe erfasste sie ihre Situation.

„Ich will nicht, dass es real ist“, raunte sie. Doch dieses Mal überrannten sie ihre Emotionen, und ein spitzer Schrei kam über ihre Lippen.

„Irreal!“, schrie sie immer wieder und versuchte verzweifelt die Wirklichkeit wegzublinzeln. Die Panikattacke dauerte länger als sonst. Ihre Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander, bis sich ihre Zunge dazwischen quetschte. Der Schmerz holte sie in die Wirklichkeit zurück.

Langsam verzog sich der Nebel und sie versuchte die Realität zu erfassen, wie sie es von ihrer Psychologin gelernt hatte.

„Ich befinde mich an einem Strand. Mein Kopf ragt aus dem feuchten Sand, der Rest meines Körpers ist senkrecht eingegraben. Deshalb kann ich mich nicht bewegen“, flüsterte sie.

„Warum?“, fuhr sie nach einer Pause fort.

Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Mit geschlossenen Augen versuchte sie sich zu erinnern.

„Nach dem Geschlechtsakt bin ich völlig erschöpft eingeschlafen. Der Logik zufolge träume ich, oder es sind die Nachwirkungen“, lächelte sie.

Langsam normalisierte sich ihr Puls. Sie war sich sicher, dass alles in Ordnung ist.

‚Das kann nicht normal sein, nicht wirklich‘, korrigierte sie ihre Gedanken und unterdrückte aufkommende Zweifel.

Der Wind wehte feine Sandkörner über ihr Gesicht.

„Wie real! Mal sehen, was es sonst noch zu entdecken gibt“, grinste sie und öffnete ihre Augen, nachdem sich der Wind beruhigte. Der Strand war menschenleer. Kleine Wellen spülten Muscheln an Land. Am Wasserrand tummelte sich allerlei Kleingetier.

Möwen versuchten es zu schnappen, schafften es aber nicht. Draußen auf dem Meer streckten sich die schneeweißen Segel zweier Boote gegen den strahlendblauen Himmel. Keine Wolke versperrte die Sonnenstrahlen.

Susann schwitzte!

Ein Wattwurm streckte seinen Kopf neugierig aus seinem Loch und verschwand wieder, als ihn der Schatten eines Vogels traf.

„So unglaublich real“, flüsterte sie und beobachtete weiter ihre Umgebung. Zur Linken erhoben sich Dünen, in deren Schatten dunkelgrüne Gräser wuchsen. Zur Rechten ragte ein graues Felsplateau weit ins Meer hinaus.

Das Gefühl beobachtet zu werden, drängte sich in den Vordergrund. Nach hinten schauen funktionierte nicht, deshalb rief sie einfach: „Hallo!“

Doch niemand antwortete ihr.

Das Gefühl blieb trotzdem. Sie schloss ihre Augen und spürte, wie sich die Gänsehaut über ihren Körper ausbreitete.

Die Zweifel kamen zurück.

„Wann und wie wird der Trip oder Traum enden?“, fragte sie sich.

„Vielleicht spiele ich einfach mit und versuche, mich zu befreien. So fest wird der Sand nicht sein“, überlegte sie.

Zustimmend nickte sie und versuchte, ihre Oberschenkelmuskulatur anzuspannen. Nach dem dritten Versuch, und einem Schweißfilm auf ihrer Stirn, gab sie auf. Der Sand war überall feucht, besonders an ihren Innenschenkeln. Tief durchatmend und verwirrt, versuchte sie es nach einer längeren Pause mit ihren Oberarmen, mit demselben ernüchternden Resultat.

„Wie kann das sein?“, fluchte sie und stellte fest, dass sie nicht einmal in der Lage war, ihre Finger zu bewegen. Wieder kam ihr der Gedanke, dass das hier doch real war. Die aufkommende Panik erstickte sie mit der Überlegung, dass niemand so etwas Abartiges machen würde.

„Absurd!“, rief sie, um sich selbst zu motivieren, und lächelte, obwohl ihr nicht danach zumute war.

Tief im Inneren mehrten sich die Zweifel.

Eine Windböe bedeckte ihren Kopf mit einer dünnen Sandschicht. Zu spät schloss sie ihre Augen. Tränen versuchten, den Sand auszuspülen.

„Scheiß Speed!“, fluchte sie, doch die Ungewissheit wuchs.

Ihre Gedanken drehten sich weiter im Kreis. Real, Traum oder Trip, das war die entscheidende Frage. Verzweifelt hielt sie an den Drogen fest.

Ihre Augen brannten höllisch, ihr Kopf glühte durch die Sonneneinstrahlung und ihr restlicher Körper fror im nassen Sand. Tief durchatmend, öffnete sie ein Auge. Die Tränenflüssigkeit hatte es geschafft, die Sandkörner auszuspülen, zumindest auf der linken Seite. Die Hilflosigkeit machte ihr zu schaffen, und der Gedanke, dass alles real war, ließ sich nicht mehr länger verleugnen. Erschrocken schrie sie auf, als sie die Krebse direkt vor sich sah. Neugierig schauten die zwei ihr vermeintliches Opfer an, ohne eine Reaktion auf ihren Schrei. Die Krabbeltiere setzten unerschrocken ihre Expedition fort und näherten sich ihr von der Seite.

Susann versuchte es mit pusten. Der Versuch, tief Luft zu holen, scheiterte kläglich, nur ein laues Lüftchen kam aus ihrem Mund. Einer der beiden Krebse zog sich an ihren Haaren nach oben, der andere piekte sie in den Hals.

„Das ist nicht mehr lustig!“, schrie Susann und schüttelte ihren Kopf bis zur Erschöpfung.

Nachdem sie sah, wie erfolglos die Aktion war, liefen dicke Tränen über ihre Wangen. Beide Tiere erreichten ihren Kopf und bohrten abwechselnd ihre Scheren in die Kopfhaut. Sich ihrer Hoffnungslosigkeit bewusst, gab es kein Halten mehr und die Panikattacke setzte ein. Ihr Puls erhöhte sich. Schweiß trat aus allen Drüsen. Hechelnd versuchte sie, die Attacke zu unterdrücken. Es misslang. Ihre Zähne schlugen hart und unkontrolliert aufeinander. Ihr ganzer Körper verkrampfte sich und Schaum trat aus ihrem Mund. Die Pupillen drehten sich in ihren Augäpfeln und der Würgereiz kam schlagartig zurück. Diesmal war Susann nicht in der Lage ihn zu unterdrücken - sie erbrach sich. Jedes Würgen verursachte unsagbare Schmerzen. Dann war es vorbei und erleichtert spürte sie, dass sie in der Lage war, ihren Brustkorb etwas zu bewegen. Sie holte tief Luft und ignorierte den widerlichen Geruch, den sie dabei unweigerlich einatmete.

Susann weinte. Immer mehr wurde ihr bewusst, in welcher Situation sie sich befand. Ignorieren half nicht, zu real war alles um sie herum, inklusive der Schmerzen und der Hilflosigkeit, der sie ausgesetzt war. Ein Schatten legte sich über ihren Kopf. Der erste Gedanke galt ihrer Rettung, der Zweite den Möwen. Schreiend stürzte sich ein Vogel auf ihren Kopf, krallte sich in ihren Haaren fest und schnappte nach den Krebsen. Ein knackendes Geräusch dokumentierte seinen Erfolg. Mit lautem Geschrei erhob sich die Möwe, um davon zu fliegen.

Ihre Krallen verfingen sich in ihren Haaren und zerrten so lange, bis sie sich befreit in die Lüfte schwang. Susann schrie vor Schmerzen, machtlos und hilflos, irgendetwas dagegen zu unternehmen. Blut gesellte sich zu ihrem Erbrochenen und lockte weitere Möwen an. Weinend, und ihr Leben verfluchend, schloss sie ihre Augen, während sich die Vögel an ihrer Kotze labten. Bei jeder Berührung zuckte sie zusammen und unterdrückte die Panikattacke so gut wie möglich. Nach fünf Minuten war der Spuk vorbei und die Möwen flogen davon - nicht ohne Hinterlassenschaften: Vogelscheiße lief ihr von der Stirn und verfestigte sich auf ihrer Nasenspitze. Der Würgereiz kam zurück, und Susann erbrach Gallenflüssigkeit, mehr hatte der Magen nicht zu bieten.

Warum konnte sie nicht wie alle anderen das Leben einfach nur genießen? Wieso war sie im Sumpf der Drogen gelandet?

„Das ist real!“, schrie eine Stimme in ihrem Kopf immer wieder.

Susann wollte es nicht akzeptieren. Zu skurril war der Gedanke, dass sie jemand absichtlich hier eingegraben hatte. Das Geschrei der Vögel unterbrach ihre Überlegung. Sie sah zur Wasserlinie und verfolgte den Lauf der Krebse, die sich zu den Dünen aufmachten. Schlagartig wurde ihr klar warum!

„Die Flut! Die Flut kommt – nein, ich werde ertrinken!“, stöhnte sie.

Langsam aber sicher näherten sich die ersten Wellen. Spätestens jetzt wurde ihr klar, dass alles real war. Die Stimme in ihrem Kopf hatte recht. Kein Traum oder Trip, nicht irgendwelche Nachwirkungen. Sie würde verrecken, wenn nicht ein Wunder geschah.

„Ich werde sterben“, flüsterte sie.

Ihr Herzschlag überschlug sich, Blut tropfte aus ihrer Nase. Der Selbsterhaltungstrieb übernahm die Kontrolle. Mit aller Macht stemmten sich ihre Muskeln gegen den Sand. Erleichtert und voller Euphorie bewegte sie ihre Finger wenige Millimeter. Sie setzte ihre Anstrengungen fort, unterstützt von lauten Hilferufen, bis die erste Welle ihren Hals umspülte.

„Nein!“, schrie sie, und ihr Verstand setzte aus. Unkontrolliert zuckten ihre Muskeln, Schweiß floss in Strömen über ihr Gesicht und ihre Adern traten hervor, im verzweifelten Kampf ums nackte Überleben. Ihr Bewegungsspielraum vergrößerte sich etwas, und Susann schöpfte neue Hoffnung. Immer weiter bewegte sie jeden Muskel ihres Körpers und stemmte sich gegen ihr Gefängnis - den Sand. Kleine Erfolge feierte ihr Geist und ignorierte die Hilflosigkeit der Aktion.

„Du wirst es niemals schaffen!“, rief die Stimme in ihrem Kopf.

„Nein, ich gebe nicht auf!“, schrie Susann, doch ihre Muskeln erschlafften.

„Ich will nicht sterben“, wimmerte sie.

Tränen mischten sich mit dem Schweiß in ihrem Gesicht.

Das Wasser schwappte über ihr Kinn und stieg unaufhörlich. Mit letzter Kraft hob sie ihren Kopf, um das Unweigerliche hinauszuzögern.

„Warum?“, weinte sie und schloss ihren Mund, als das Salzwasser hineinlief. Die Nase so hoch wie möglich, holte sie einen letzten Zug Atemluft, dann schwappte das Wasser über ihrem Kopf zusammen.

‚Wie lange kann man die Luft anhalten?‘, fragte sie sich und war überrascht, dass einem so etwas im Todeskampf einfiel. Verzweifelt hielt sie den letzten Sauerstoff in ihrem Körper.

„Susann, aufwachen“, flüsterte eine sanfte Stimme.

Erleichtert fiel die Anspannung von ihr ab und der Atemreflex öffnete unweigerlich ihren Mund.

Entsetzt riss sie ihre Augen auf, und die Halluzination verschwand. Das Salzwasser bahnte sich seinen Weg in ihre Lungen und drückte das Kohlendioxid heraus.

Rote Punkte trübten ihre Augen und machten den schwärzeren Platz, die sich immer schneller ausbreiteten.

‚Warum?‘, war Susanns letzter Gedanke.

Das Wasser bedeckte ihren Kopf, und obwohl die Flut hier nur einem Meter hoch war, reichte es, um ihr Leben auszulöschen.

Kleine Luftbläschen kämpften sich zur Oberfläche und vermischten sich mit Spermaflocken. Ein erleichtertes Stöhnen erklang, gefolgt vom Geräusch eines Reißverschlusses. Kichernd lief jemand zurück ins Trockene, bedacht darauf, keinen der vier Totenschädel zu berühren, die seinen Weg säumten.

Auf einem Holzpflock ließ er sich nieder. Angelehnt an einen roten Ferrari, zündete er sich einen Joint an.

„Ach, Susann! Du fragst dich warum? – Weil ich es so will, genau wie mit den vier Schlampen vor dir“, lachte er und nahm einen tiefen Zug.

ENDE

Schlaf

„Hallo, ich bin Neo und werde Ihnen gleich alles genau erklären. Setzen Sie sich und entspannen Sie, wir reißen keinem den Kopf ab. Auch Ihren nicht, Herr Smith“, lächelte der Pfleger in seinem strahlend weißen Kittel mit einer einladenden Handbewegung.

Herr Smiths Puls beruhigte sich etwas. So richtig überzeugt war er aber nicht, mit Blick auf die ganzen Instrumente am Kopfende des Krankenbettes.

„Wie ich sehe, irritieren Sie die vielen Apparate, dann fangen wir am besten damit an. Alle sind dafür da, um Ihren Schlaf zu überwachen. EKG, EEG, Puls, Atmung, Sauerstoffgehalt, Muskelspannung und vieles mehr“, sagte Neo.

„Und das wird alles angeschlossen? Wie soll man da schlafen?“, fragte Herr Smith.

„Oh, Sie werden nächtigen, ganz sicher. Vertrauen Sie mir, bisher schlief jeder in diesem Zimmer und ist wieder aufgewacht“, lächelte Neo.

Herr Smith erhob sich und lief neugierig zu den Geräten. Neo schaute ihm hinterher, er wusste, wie der Hase lief. Jeder hatte zunächst Angst, und alle waren froh, das Schlaflabor wieder zu verlassen.

Normale Reaktion, genau wie das Begutachten der Apparate und dem folgenden Spruch: „Ganz schön viele Kabel.“

„Und jedes wird mit Ihrem Körper vereint. Nur so finden wir heraus, was Ihnen fehlt. Ihr Arzt entwickelt auf der Basis unserer ermittelten Daten die beste Therapie, damit Sie zukünftig wieder besser schlafen. Herr Smith, ziehen Sie sich gemütlich um, ich komme in einer Viertelstunde zurück – reicht das?“, gab Neo seinen Standardspruch zum Besten und lief zur Tür, nachdem sein Patient nickte.

Exakt fünfzehn Minuten später betrat er das Krankenzimmer, oder das Schlaflabor, wie es fachmännisch hieß.

‚Neos Grinsen ist breiter als zuvor‘, überlegte Herr Smith, schüttelte den Gedanken ab und sah den Pfleger fragend an.

„Hopp, hopp, ab in die Heia“, scherzte Neo und schaltete ein Gerät nach dem anderen ein. Es dauerte, bis alle Kabel an der richtigen Stelle platziert waren. Der Pfleger arbeitete gewissenhaft und überprüfte mehrmals den Sitz der Leitungen. Nickend trat er einen Schritt zurück und begutachtete das Gesamtwerk.

„Alles paletti! Jetzt wird es etwas unangenehm. Wir fixieren Ihre Beine und Arme, damit die Kabel schön an ihrem angestammten Ort bleiben“, sagte Neo und zog den ersten Klettverschluss am Handgelenk fest.

„Muss das sein?“, flüsterte Herr Smith.

„Leider, ja“, antwortete Neo.

Unbehaglich ließ Herr Smith die Prozedur über sich ergehen. Nach fünf Minuten nickte Neo zufrieden. Gefühlte Millionen Lichter blinkten in allen Farben fröhlich vor sich hin, begleitet von diversen Tönen und dem gedämpften Straßenlärm, der durch das offene Fenster drang.

„Alles in Ordnung bei Ihnen?“, fragte Neo.

„Ja und Nein“, erwiderte der Patient ehrlich.

„Verstehe ich, doch jetzt etwas Beruhigendes für Sie: Nehmen Sie diesen Knopf in Ihre Hand.

Wenn Sie sich unwohl fühlen, drücken Sie und ich werde in einer Sekunde durch diese Tür dort schreiten und Ihre Wünsche erfüllen.“

Neo wusste, was gleich passieren würde, und war nicht überrascht, als das rote Licht über der Tür blinkte.

Er sah in ein grinsendes Gesicht und lächelte wohlwollend zurück.

„Vertrauen Sie mir, alles wird gut, Herr Smith.“

„Wenn Sie es sagen.“

„Ich schließe noch das Fenster.“

„Danke, und wie geht es weiter?“

„Sie werden gleich beruhigende Musik hören und diese Tablette auf Ihrer Zunge zergehen lassen.“

„Und das war‘s?“

„Jepp. Morgen früh wird Sie unsere heißeste Schwester mit einem unwiderstehlichen Lächeln aufwecken und von den Drähten befreien.“

„Und das Ergebnis?“

„Werden wir Ihrem Arzt in drei bis vier Tagen zuschicken.“

„Okay, und danke für alles.“

„Aber gerne doch. Nun viel Spaß und angenehme Träume“, sagte Neo, legte ihm die Beruhigungstablette auf die herausgestreckte Zunge und verließ das Zimmer.

Herr Smith wartete. Seine Gedanken widmeten sich der Musik und er entspannte sich. Nach zehn Minuten löste sich die Pille auf und die sanften Klänge wurden leiser. Er dämmerte weg und schlief tief und fest ein. Nach einer Stunde streckte Neo kurz den Kopf herein, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war.

Zufrieden zog er die Tür zurück ins Schloss.

- – -

„Das Benzodiazepin wirkt schon.“

„Fangen wir an?“

„Sind Sie bereit dafür?“

„Für einen Rückzug ist es jetzt zu spät.“

„Okay, dann wie besprochen.“

- – -

Unruhig wälzte sich Herr Smith in seinem Bett, soweit es die Fesseln zu ließen. Die Geräte zeigten erhöhte Thetawellen und langsame Alphawellen. Puls und Blutdruck stiegen an, typische Anzeichen einer REM-Schlafphase. Er träumte, aber offenbar keinen erfreulichen Traum. Seine Muskulatur zuckte immer schneller. Ein dicker Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn. Mit einem Schrei erwachte er und riss die Augen auf. Er war alleine. Erleichtert atmete er die Beklemmung weg. Seine Hand griff nach dem Schalter und drückte den Knopf.

‚Ein Schluck Wasser wird mir jetzt gut tun‘, überlegte er und schloss seine Augen.

Die Tür öffnete sich und jemand betrat das Zimmer: „Neo, bekomme ich bitte etwas zu trinken?“

Auf eine Antwort wartete er vergeblich.

„Neo?“, fragte er und öffnete die Augen.

„Was…, wer sind Sie?“, stotterte er und starrte auf den fremden Mann im dunkelblauen Anorak, der reglos am Bettende stand.

Erst jetzt fiel ihm die Eishockeymaske vor dem Gesicht auf, und eine Gänsehaut lief über seinen verschwitzten Rücken.

„Halloween, Michael Myers“, wisperte Herr Smith und traute seinen Augen immer noch nicht. Sein Blick schweifte von der Maske zum riesigen Messer in der Hand des Fremden, der sich geschmeidig in Bewegung setzte.

Hysterische Schreie und hilfloses Drücken auf die Ruftaste verhinderten nicht, dass der Mann wenig später am Kopfende des Bettes stand.

Langsam beugte er sich herunter und verharrte zwei Millimeter vor seinem Gesicht. Eiskalte Augen starrten ihn durch die Maske an.

„Bitte, tun Sie mir nichts“, jammerte der Patient, gefesselt und hilflos der Situation ausgeliefert.

Der Angreifer trat einen Schritt zurück und zeigte mit dem Messer auf Herrn Smiths Gesicht.

Langsam bewegte sich die Klinge über die Lippen am Kinn entlang, den Hals herunter, bis die Spitze über der linken Brustwarze schwebte.

„Bitte nicht, ich habe Ihnen doch nichts getan“, stammelte Herr Smith. Der Geruch seines Urins mischte sich zum Schweißgeruch, und ein Zittern durchlief seinen Körper.

Blitzschnell schwenkte die Klinge in die Waagerechte und trennte die Brustwarze ab.

„Nein!“, schrie Herr Smith und zerrte mit aller Macht an seinen Fesseln.

Ein hohles Lachen drang durch die Maske und das Messer schwebte wenige Millimeter über seiner Haut auf die andere Warze zu.

„Nicht!“, stöhnte Herr Smith.

Die Schmerzen und das Blut ignorierend, haftete sein Blick auf der Maske. Tränen rannen über seine Wangen.

„Warum tun Sie das?“, jammerte er durch zusammengepresste Zähne.

Blitzschnell trennte die Klinge die Warze ab, begleitet vom furchterregenden Lachen des Maskenmannes.

„Nein! Hilfe, ich will nicht sterben!“, schrie Herr Smith und riss an seinen Fesseln. Das Krankenbett wackelte bedrohlich, und der Angreifer trat einen Schritt zurück.

Schweißgebadet, und völlig erschöpft, stellte Herr Smith seine Bemühungen ein. Die Fesseln gaben keinen Millimeter nach, es war sinnlos, sich weiter zu wehren.

Erst jetzt sah er, dass der Fremde wieder neben seinem Bett stand, das Messer mit beiden Händen anhob und die Klinge auf seinen Bauch zuraste. Das war zu viel! Galle spuckend fiel sein Kopf zur Seite und der Verstand versank ins schwarze Nichts.

- – -

„Aufwachphase?“

„Nein, aber immerhin um dreißig Prozent gestiegen.“

„Zu wenig.“

„Wie vermutet.“

„Alle anderen Parameter normal.“

„Okay, dann weiter wie geplant.“

„Nächste Phase einleiten.“

„Propofol und Barbiturate.“

„Alles klar, los geht’s.“

- – -

„Hallo, Herr Dozer“, sagte Neo und öffnete die Tür.

„Hi, nennen Sie mich John“, stammelte der untersetzte Mann, der im Türrahmen stehenblieb, als er die vielen Instrumente sah.

„Keine Angst, die beißen nicht. Ich übrigens auch nicht“, lachte Neo.

„Entspannen Sie sich. Ich werde Ihnen alles ausführlich erklären. Ich bin Neo, Ihr Pfleger, und werde Sie heute durch die Nacht begleiten“, fuhr er fort und näherte sich den Apparaten.

Neo erklärte jedes Gerät so laienhaft wie möglich, und nach einer halben Stunde nickte Herr Dozer zufrieden. Er zog sich um und legte sich ins Krankenbett.

„John, warum sind Sie eigentlich hier?“, fragte Neo.

„Obstruktive Schlafapnoe“, antwortete er und versuchte, sich zu entspannen.

„Okay. Dann wollen wir mal schauen, was uns die Blechkisten morgen früh verraten“, lachte Neo und befestigte die Drähte am Körper von Herrn Dozer.

„Muss das sein?“, fragte dieser mit hochgezogenen Augenbrauen, als Neo die Klettverschlüsse an Armen und Beinen festzog.

„Möchten Sie, dass Ihnen eines der Geräte auf den Kopf fällt, oder das Ergebnis verfälscht wird?“, erwiderte Neo mit breitem Grinsen im Gesicht.

„Okay, das leuchtet sogar mir ein, finde ich aber trotzdem irgendwie sonderbar“, setzte er das Gespräch fort.

„Vorschriften sind Vorschriften“, zuckte Neo mit den Schultern und hielt ihm eine Tablette vor die Nase.

„Zur Beruhigung und zum besseren Einschlafen.

Und morgen früh weckt sie unsere Schwester Hildegard mit einem duftenden Kaffee“, sagte er und legte die Tablette auf die herausgestreckte Zunge.

„Gute Nacht, und angenehme Träume“, rief er beim Hinausgehen.

John durchforschte neugierig jeden Quadratzentimeter des Zimmers.

Enttäuscht, nichts Besonderes gefunden zu haben, schloss er die Augen. Die Tablette wirkte schneller als erwartet.

- – -

„Injektion erfolgreich.“

„Ich habe kein gutes Gefühl.“

„Zu spät.“

„Trotzdem habe ich Zweifel, ob wir das Richtige tun.“

„Achtung, es geht los! Daumen drücken, Herr Kollege.“

- – -

„Hallo“, drang eine raue, tiefe Stimme in Herrn Dozers Bewusstsein. Verschlafen öffnete er die Augen und nahm verschwommen eine Gestalt in einer schwarzen Kutte mit einer Kapuze wahr.

„Der Tod kommt, um mich zu holen“, scherzte er und erwachte schlagartig.

„Zuerst die Not, dann der Tod“, antwortete eine furchterregende Stimme.

Erst jetzt erkannte er die Scream-Maske vor dem Gesicht der Gestalt, die am Fußende des Bettes stand und eine Hand auf seinen Fuß legte.

„Was tun Sie da? Hören Sie sofort auf damit!“, schrie John und versuchte, die Beine anzuwinkeln. Doch die Fesseln hielten.

Kichernd zeigte der Kapuzenmann das Skalpell in seiner Hand.

„Nach der Wut kommt das Blut“, kicherte er und drückte die Klinge in Johns Ferse. Ganz langsam zog er den Schnitt über die Sohle bis zum Ballen. Das zerteilte Fleisch setzte einen Blutschwall in Gang, der sich über das Bettlaken ergoss, begleitet vom verrückten Kichern des Fremden.

„Nein, Hilfe!“, schrie Herr Dozer und zerrte an seinen Fesseln. Lachend setzte der Kapuzenmann seine Quälerei fort. Das Laken war nicht mehr in der Lage das Blut aufzunehmen, das sodann auf dem Boden eine Pfütze bildete.

„Hilfe!“, schrie der Gequälte verzweifelt, voller Schmerzen.

„Geh’, stiller Herzensschlag, und schließ alle deine Wunden.

Denn heute ist dein letzter Tag, und dies ist die letzte Stunde!1“, summte der Kapuzenmann und bewegte sich langsam an das Kopfende des Krankenbettes.

Behutsam legte er das Skalpell auf den Nachttisch und nahm einen anderen Gegenstand in die Hand. Als John die Knochenschere erkannte, schrie er seinen Wahnsinn heraus, doch niemand kam, um ihn zu retten. Sein Körper zitterte, sein Fuß brannte wie Feuer, und Tränen der Hilflosigkeit rannen über sein Gesicht.

„Aus fünf mach vier“, freute sich der Kapuzenmann und griff nach der rechten Hand.

John verstummte, seine Augen quollen aus den Höhlen. Mit einem hellen Quietschen öffneten sich die Schneiden der Schere.

John war nicht in der Lage, sich zu wehren. Der Fremde umklammerte seine Hand. Langsam umschloss das kalte Metall die Haut des kleinen Fingers.

Aus seiner Erstarrung erwacht, schrie John aus Leibeskräften: „Hilfe, ist da niemand?“

Sein Blick wechselte von seiner Hand zur Tür und blieb letztlich an seinem kleinen Finger und der Schere haften.

„Schnipp, schnapp, ist er ab“, flüsterte die Gestalt. Begleitet von einem schmatzenden Geräusch, das mit einem trockenen „Klack“ endete, trennte er das Körperteil ab.

Fassungslos starrten zwei Augen auf den Finger, der vom Blut bedeckt auf der Bettdecke lag.

Dann wechselte sein Blick zur Blutfontäne, die aus der Wunde spritzte. Schreiend und zitternd vor wahnsinnigen Schmerzen, breiteten sich seine Körperflüssigkeiten auf dem Bett aus.

Der vermeintliche Tod änderte seine Position und schlenderte zurück ans Fußende. Kichernd hob er die Hand und schwang die Knochenschere durch die Luft.

„Auf welchen Körperteil mitnichten, kannst du noch verzichten?“, lachte er und griff nach einem Zeh.

Panisch, und mit aller Kraft, zerrte John an seinen Fesseln - und endlich hatte er Erfolg! Der Klettverschluss der gesunden Hand zerriss.

„Verschwinde, du Monster“, kreischte er, warf das Kopfkissen nach seinem Peiniger und riss den Verschluss der anderen Hand auf. Schreiend vor Schmerzen, befreite er sich von den Fußfesseln und schwang sich aus dem Bett. Mit wirrem Blick schaute er sich um und sah, wie der Kapuzenmann aus dem Krankenzimmer flüchtete.

Von den Fesseln befreit, stand er auf. Sein Kreislauf spielte verrückt, seine Beine zitterten und gaben schließlich nach. John knallte mit dem Kopf gegen das Bettgestell und fiel zu Boden. Das Letzte, was er sah, war sein abgetrennter Finger, dann übermannte ihn die Bewusstlosigkeit.

- – -

„Hoffentlich lohnt sich der Aufwand.“

„Ich glaube ja, die Anzeigen sehen vielversprechend aus.“

„Okay, dann zur letzten Phase.“

„Die Vierfachdosis Epinephrin ist drin.“

„Jetzt nichts wie raus hier.“

„Mit dem größten Vergnügen.“

- – -

Neo öffnete die Tür und erstarrte. Im Krankenbett lag eine ihm bekannte Person, nämlich er selbst!

Zuerst schaute er sich um, dann zwickte er sich in den Arm. Nichts veränderte sich. Tief einatmend schloss er die Tür und lief auf die Person zu.

„Hallo?“, sagte er, und sein Selbst antwortete:

„Hi, Neo! Schön, dich zu sehen.“

Er zuckte mit der Schulter und setzte die Unterredung fort: „Was willst du hier?“

„Dir helfen.“

„Wobei?“

„Dich auf den Weg zurückführen.“

„Zurück – wohin?“

„Ins wahre Leben.“

„Ich verstehe nicht?“

„Ich zeige es dir.“

Die Person im Bett verfloss und veränderte sich.

Der schlafende Herr Smith erschien.

Neo stöhnte und trat einen Schritt zurück.

Er versuchte, seine Augen zu schließen, war aber nicht in der Lage dazu. Die Tür öffnete sich und eine Person in einem Anorak betrat das Zimmer.

Automatisch trat er weiter zurück, bis ihn die kalte Wand stoppte. Jedes Detail nahm er mit Entsetzen wahr. Das Messer, das Lachen, die abgetrennten Brustwarzen, die durchs Zimmer flogen!

Neo würgte, hielt den Magenbrei in seiner Speiseröhre aber mit aller Kraft zurück. Endlich schaffte er es, die Augen zu schließen, wenn auch nur kurz.

Als er sie wieder öffnete, lag Herr Dozer im Krankenbett. All die Qualen, die er erlitten hatte, zeigten sich direkt vor seinen Augen. Beim Abtrennen des Fingers erbrach sich Neo, und ein Zittern durchlief seinen Körper.

So plötzlich, wie es anfing, war es auch wieder vorbei. Sein Ego starrte ihn an und sagte: „Zeit, um aufzustehen, Neo.“

- – -

„Los, Junge, lass das nicht alles für umsonst gewesen sein.“

„Ruhig, Herr Kollege, zu schnell ist nicht gut.“

„Wie mag es in ihm aussehen?“

„Besser, wir wissen es nicht.“

„Da, die Anzeigen rotieren.“

-– -

Neo versuchte, die aufkommenden Millionen Gedanken in seinem Kopf zu erfassen - es misslang. Stöhnend sah er auf seine verkotzten Füße. Seine Beine zitterten und konnten nicht verhindern, dass er zu Boden fiel.

- – -

„Scheiße, wir verlieren ihn!“

„Oh nein!“

„Los, schnell noch eine doppelte Ladung Epinephrin.“

„Das wird ihn umbringen.“

„Oder auch nicht.“

„Erledigt.“

Zwei Augenpaare starrten erwartungsvoll durchdie Scheibe in das Krankenzimmer.

- – -

Neo öffnete seine Augen und sah auf die Zimmerdecke. Verwirrt spürte er den Schlauch der künstlichen Beatmung im Mund und spuckte ihn aus. Tief durchatmend versuchte er, seinen Geist zu beruhigen. Langsam wich die Verwirrung dem Verstehen.

‚Ich bin der Nächste‘, schoss ihm durch den Kopf.

- – -

„Herzlichen Glückwunsch, wir haben es geschafft, unsere Superschockmethode funktioniert.“

„Nach zehn Jahren im Koma wird Neo sicher

verwirrt sein.“

„Das gibt sich.“

„Sollen wir die Methode publizieren?“

„Ich glaube nicht, dass sie jemand abdrucken

wird.“

„Ja klar. Zu grausam.“

„Vor allem, weil wir ihm ja das wirklich alles am eigenen Leib angetan haben.“

„Werden wir es ihm sagen?“

„Vielleicht, irgendwann.“

„Besser, wenn er selbst draufkommt. Ist ja nicht zu übersehen.“

„So begrüßen wir unseren Spezialpatienten endlich imHier und Jetzt.“

Die Ärzte der Psychiatrie schüttelten sich gegenseitig die Hand und traten ins Krankenzimmer.

„Hallo, und willkommen zurück“, sagte einer von ihnen, der neben Neos Bett stand.

Neo, immer noch desorientiert, erhaschte einen Blick durch die offene Tür des Nebenzimmers, aus dem die beiden Männer in den weißen Kitteln kamen. An einem Haken sah er einen dunkelblauen Anorak und daneben einen schwarzen Umhang. Auf einem Regal lagen zwei Masken, ein Messer, ein Skalpell und eine Knochenschere sowie blutverschmiertes Verbandszeug.

Neo schluckte, verstand endgültig und wusste, was zu tun war.

„Hallo Neo, wie fühlst du dich?“

„Nicht so gut. Ich bin etwas verwirrt“, flüsterte Neo.

Einer der Ärzte holte eine Taschenlampe aus seinem Kittel und beugte sich über ihn. Darauf hatte Neo gewartet!

Blitzschnell griff er sich den Kugelschreiber aus der Brusttasche und bohrte ihn in das Auge des überraschten Mannes. Schreiend wankte dieser rückwärts und fiel zu Boden.

„Mir werdet ihr das nicht antun, ihr Schweine!“, schrie Neo.

Entgeistert starrte ihn der andere Arzt an und ehe er sich versah, schlang Neo die EKG-Kabel um seinen Hals und zog zu. Das Röcheln ging im Geschrei des Anderen unter. Vor Überraschung nicht in der Lage, sich zu wehren, erschlaffte der erwürgte Körper und Neo ließ ihn los.

Mit einem Ruck riss er die Kabel aus dem Gerät, drückte sein Knie in den Rücken des Anderen, schlang sie um dessen Hals und zog zu.

„Ihr Sadisten. Warum habt ihr den beiden Männern das nur angetan?“, fauchte Neo.

Als das Zittern aufhörte, ließ er die Kabel los und versuchte aufzustehen. Schwer atmend schaffte er es beim dritten Anlauf und setzte sich auf die Bettkante. Stille breitete sich aus, und Neo beruhigte sich langsam wieder. Nachdem der Adrenalinspiegel sank, fühlte er Schmerzen an seiner Fußsohle. Verwundert sah er den blutverschmierten Verband und die Spuren auf dem Boden von seinen Füßen.

Dann blickte er auf seine rechte Hand und hob überrascht die Augenbrauen: Der kleine Finger fehlte!

Millionen Gedanken fluteten seinen Verstand und setzten das Karussell von vorhin wieder in Gang. Mit der anderen Hand riss er das Flügelhemd hoch und starrte auf seine fehlenden Brustwarzen.

Erst jetzt verstand er wirklich!

Sein Blick ging zu den beiden toten Ärzten und er stöhnte: „Was habe ich getan?“

ENDE

1 Aus „Der letzte Tag John Henry Mackay.“

Simdi

Simon lief der Schweiß aus allen Poren, als er das Flugzeug verließ. Nach drei bis vier Tagen gewöhnte sich sein Körper normalerweise an die Umgebung, bis dahin hieß es ausschwitzen.

„KHARTUM“ stand in großen Buchstaben über dem Eingang des Flughafengebäudes, auf das er zulief, wie die wenigen Passagiere vor ihm. Nur war er nicht wie sie. Er bildete sich ein, etwas Besonderes zu sein.