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Sammelband Teil 1 - 5 Lars wollte nur nach Hause, doch plötzlich findet er sich in den Fängen einer fremden Macht wieder. Entführt, Angeklagt und vor ein Tribunal gezerrt. Ein ganzes Universum gegen ihn. Doch warum? Und welche Rolle spielt er in einem Konflikt, der das Schicksal der Menschheit bestimmt. Fünf Teile, ein Sammelband! Eine epische Space-Opera voller Spannung, Intrigen und intergalaktischer Abenteuer!
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Seitenzahl: 1253
Veröffentlichungsjahr: 2025
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„Unmöglich, ist ein Wort, das Menschen viel zu oft benutzen.“ Seven of Nine
Vorwort
Teil 1 - Die Auserwählten
Terra
Das Schiff
Die Auserwählten
Erster Kontakt
Die Reise
Der Planet
Der Verrat
Die Stadt
Die Ankunft
Informationen
Showdown
Der Fluss
Lars von der Erde
Tripod von Dloc - Ekaf
Mark
Nahrung
Jaka von Drachi n
Das wüste Land
Verstärkung
Die grüne Hölle
Der Hinterhalt
Alpha 39
Biljka von Isizalo
Der Unbekannte
Über den Wolken
Uten Buk Og Fire Armer von RIM
Der Untergrund
Kakhulu von Ulik
Das Raumschiff
Das Tribunal
Unverhofft
Terra
TEIL 2 Adabbon die Engel des Abgrunds
Rückzug
Terra
Rettungs mission
Kontakt
Tax
Dodira
Durchbruch
Wer?
Was?
Entdeckt
Erwachen
Kapern
Hinter halt
Besinnung
Endspiel
Erlösung
Leblos
Offenbarung
Aufstand
Maßnahmen
Erleuchtung
Maskierung
Handeln
Planung
Bankett
Ankunft
Verteidigung
Entscheidung
Zeit
Teil 3 Rache
Prolog
Terra
Zerfall
Wie der sehen
Nirgendwo
Veränderung
Besuch
Entwicklung
Entscheidung
Übergabe
Überraschung
Gefangen
Schicksal
Plan
Folter
Erkenntnis
Angriff
Rache
Teil 4 Scutoid
Prolog
Dialog
Error
Abflug
Ceza
Ausweg
Pislik
Se Ami
Gusar
Vet
Ankunft
Azad
För
Talaxa
Rulers
Andocken
Fant
17 / 6688050
Begegnung
Offenbarung
Restart
Kapern
Entscheidung
Fortuna
Abschied
Verrat
Epilog
Teil 5 Der Erlöser
Prolog
Gedanken
Phänomen
Überraschung
Offenbarung
Machtlos
Antworten
Erkenntnisse
Offensive
Fakt
Überraschung
Entscheidung
Übernahme
Diabolo
Aufbruch
Kollision
Finale
Ende
Nachwort
Lars wollte nur nach Hause – stattdessen landet er mit unbekannten Spezies vor einem intergalaktischen Tribunal. Angeklagt. Gefangen. Ausgeliefert. Doch warum gerade sie? Und wer zieht im Hintergrund die Fäden?
Mächtige Feinde, dunkle Geheimnisse und ein Universum am Abgrund – kann Lars der Wahrheit entkommen?
Die komplette fünfbändige Space-Opera endlich in einem Sammelband. Rasant, episch, unvergleichlich!
Wie immer sind die Personen und die Handlung frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Lebewesen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Parallelen mit fiktiven Wesen aus Filmen und Comics sind gewünscht und sollen zum Kauf anregen.
Donnerstag, 12.05.2061:
„Guten Morgen, sei bitte so freundlich und stehe auf. Du hast heute einen wichtigen Termin in der Redaktion“, säuselte das Home-System im fünfundzwanzig Quadratmeter großen Junggesellen-Einraum-Apartment.
„Ach, lass mich in Ruhe, ich will schlafen – verdammt!“, fluchte jemand.
Aber die sexy weibliche Stimme blieb hartnäckig, und nach zähen fünfzehn Minuten schlug Lars endlich die Bettdecke zur Seite und begab sich verschlafen ins Bad. Als er aus dem Badezimmer zurückkam und zur Küchenzeile schlurfte, roch es schon nach frischem Kaffee und aufgebackenen Brötchen.
„Hey, das neue Home-System, das mir Mark empfohlen hat, ist ja doch zu gebrauchen“, sagte er und griff fröhlich nach der duftenden Kaffeetasse. Ein Schluck reichte. Er spuckte die braune, ungenießbare Brühe in die Spüle, und die Tasse landete krachend auf dem Boden, zersplitterte in tausend Teile und der Inhalt verbrühte ihm die Füße.
„Scheiße, willst du mich vergiften?“, fluchte er und schaute auf das Chaos am Boden.
„Und kochend heiß ist dieses miese Getränk auch noch! Das wird kein guter Tag“, meckerte er und riss den Stecker aus dem Gerät.
Vorsichtig lief er rückwärts aus der Küche und kam mit Besen und Handfeger bewaffnet zurück. Nach fünf Minuten war das Chaos beseitigt. Immer noch fluchend, schlüpfte er in seine bereitgelegten Klamotten, ignorierte das Loch im Strumpf, packte den Schlüssel und trat in den Flur. Seine Laune besserte sich nicht, als die vier Aufzüge ihren Standort ‚Erdgeschoss‘ anzeigten.
„Na prima“, sagte er und versuchte sich zu erinnern, warum heute ein wichtiger Termin war – es fiel ihm einfach nicht ein. Er arbeitete bei einem Onlineportal und war verantwortlich für die Kolumne „unglaubliche Phänomene“. Nebenbei betrieb er mit Mark zusammen ein Forum für Trekkies.
Er war spät dran. Erleichtert nahm er wahr, dass der Aufzug ohne Zwischenhalt direkt vom 78. Stockwerk in die Tiefgarage fuhr.
„Irgendein Termin mit Paul, unserem Chefredakteur“, sagte er, doch mehr fiel ihm nicht ein. Er zog seine PHMD1 auf und schaltete die Brille mit einem Kopfnicken ein. Er liebte es, wenn die Leute auf sein altmodisches Technikzeug starrten. Angesagter war das Tragen von Flexys am Handgelenk, die in der Lage waren, 3D-Animationen anzuzeigen. Wer etwas auf sich hielt, ließ sich verschiedene Implantate operativ einsetzen. Mit Mimik oder Gestik steuerte man die Befehle, die auf der künstlichen Augenlinse angezeigt wurden. Das war der neueste Schrei auf dem Markt.
Zum Cyborging war er nicht bereit, er favorisierte die Brille, die ein Konzern namens Google mal erfunden hatte. Lars, generell etwas anachronistisch veranlagt, bevorzugte die gute alte Zeit. Egal ob Filme oder Musik, mit dem neumodischen Krimskrams konnte er nichts anfangen.
Eines aber hatte sich durch die fortgeschrittene Digitalisierung nicht verändert: Die Informationsflut glich einem überdimensionierten Tsunami, und ohne das System war man ein Niemand. Seufzend ging er seinen zum Teil selbst auferlegten Pflichten nach. Zuerst checkte er seinen Informationseingang, und speziell seine beiden Science-Fiction-Blogs, die er mit Mark führte. Es waren wieder 20 Informationsanfragen eingegangen, die auf ihre Beantwortung warteten. Ein Blog ohne schnelle Reaktion war kein guter Blog, und für jede IA bekam er immerhin einige „Gift-Cards" von den führenden sozialen Medien.
Danach kamen die altmodischen Mails an die Reihe. Na klar, wieder eine seiner Mutter, und immer die gleiche Frage: „Wann werde ich endlich Oma?“ Frustriert schüttelte er den Kopf.
Zuletzt checkte er die restlichen Onlinedienste. In seine Informationen vertieft, stieg er widerwillig aus dem Aufzug. Ihmwar bewusst, dass es jetzt Wichtigeres gab – aber was, wollte ihm einfach nicht einfallen! Er schaltete das PHMD aus, ging mit schnellen Schritten auf die Box mit der Nummer 78-25 zu und öffnete das Rolltor.
Er zog den Helm auf und schwang sich auf den E-Roller. Als er aus der Tiefgarage fuhr, fluchte er ein zweites Mal, denn es regnete in Strömen. Er betätigte den Schalter für Regenschutz, und eine leichte Hülle zog sich über den gesamten Roller. Missmutig fädelte er sich in den Verkehr ein. Zur Redaktion musste er einmal um den großen Stadtpark herumfahren, eigentlich ein Umweg. Aber er war froh, dass die Menschheit endlich erkannt hatte, wie wichtig die Natur ist, und er liebte jeden grünen Fleck auf der Erde. Manchmal fragte er sich, wie es in der Vergangenheit war, mit den vielen Verbrenner-Motoren, dem Geruch und dem fürchterlichen Lärm.
‚Nicht alles war früher besser‘, überlegte er und fuhr zufrieden weiter.
Nach vierzig Minuten kam er an sein Ziel, stellte den Roller zu den anderen Zweirädern in die Park-Box und rannte in das Gebäude, um nicht allzu nass zu werden.
Verdammt, er war zu spät - schon wieder - das würde Ärger geben, und so war es dann auch. Alle starrten ihn verstimmt an, als er das Besprechungszimmer betrat. Er nuschelte eine Entschuldigung, schenkte sich einen Kaffee ein und setzte sich auf einen freien Stuhl.
Aber die Besprechung begann nicht, denn alle zehn Personen starrten ihn ungläubig an, und Lars lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Schlagartig fiel ihm die Präsentation ein, die er heute vorführen sollte.
Die seltsamen Lichter über der Stadt, die viele Anwohner seit vorgestern gemeldet hatten, waren das heutige Thema.
Er hatte es völlig vergessen – was stimmte nur nicht mit ihm? Wieder einmal hatte er sich selbst zum Gespött der Firma gemacht. Den zaghaften Flirtversuch mit Helen konnte er jetzt abhaken. Helen war hübsch, intelligent und stand schlichtweg nicht auf Loser, so wie er einer war und wie er heute zum wiederholten Male bewiesen hatte.
Paul, sein Chef, rettete die Situation, indem er zum allgemeinen Tagesablauf überging. So endete das Meeting - ohne seinen Vortrag - nach zwei endlosen Stunden.
Lars wusste genau, dass er nun eine Standpauke von Paul bekommen würde, und blieb daher auf seinem Stuhl sitzen, um zu warten, bis alle den Raum verlassen hatten. Es war ja nicht so, dass ihm das zum ersten Mal passierte.
Jochen schlug ihm beim Herausgehen lachend auf die Schulter, beugte sich herunter und flüsterte: „Gut gemacht, Bro.“
Schnell waren Paul und Lars alleine im Besprechungszimmer. Sein Chef kam sofort zur Sache: „Meine Geduld ist am Ende. Für was bezahle ich dich überhaupt, wenn du nicht mal mehr einen einfachen Artikel auf die Reihe bekommst? Du bist jetzt 30 Jahre alt – wie gedenkst du weiterzumachen?“
Lars nutzte die Pause, um nachzudenken, bevor er kleinlaut antwortete: „Du hast ja recht, aber was soll ich denn machen?“
Demütig hörte er Paul weiter zu: „Du kannst nicht immer nur in der Welt von Star Wars und Star Trek leben. Wir haben das Hier und Jetzt. Wann wirst du endlich erwachsen? Vielleicht suchst du dir eine Frau, die dich mal wachrüttelt. Dein letzter positiver Artikel ist schon lange her. Hast du nicht gesehen, dass sich die Leserschaft zusehends verabschiedet? Verdammt, was mach ich nur mit dir?“
Lars stotterte, dass er nichts zu seiner Entschuldigung anbringen könne und dachte: ‚Großartig, nicht einmal das schaffe ich.‘
Paul öffnete die Tür, stürmte wütend hinaus und rief: „Das war die letzte Spezialbehandlung. Dein Kredit ist verspielt. Beim nächsten Fehlverhalten werde ich dich feuern!“
Lars nickte und entfernte sich aus dem Redaktionsgebäude, peinlichst darauf achtend, dass ihm niemand begegnete. Unsichtbarkeit war eine seiner wenigen Stärken.
Er dachte: ‚Wenn ich das in meiner Selbsthilfegruppe „verbessere dein Selbstvertrauen“ erzähle, werden sie mich wieder auslachen‘.
Am Zweiradabstellplatz angekommen, fand er den Roller nicht mehr. Schwer seufzend erinnerte er sich daran, dass Mark, mit dem er das Zweirad teilte, reserviert hatte. Mark hatte den Standort mit seinem Flexy ausfindig gemacht und abgeholt.
„Das war nicht der einzige Termin, den ich verkackt habe“, fluchte er laut.
Kopfschüttelnd fasste er in seine Jackentasche, um den Personen-Transportschein herauszuholen, aber er griff ins Leere.
„Auch das noch, jetzt darf ich nach Hause laufen“, schnaubte er ärgerlich.
Tief durchatmend schaute er in den mittlerweile strahlend blauen Himmel und freute sich, dass es wenigstens aufgehört hatte zu regnen. Zumindest war der Weg nach Hause durch den Park nicht so weit, und er stiefelte los.
Trotz der flexiblen Arbeitszeitgestaltung war es montags recht leer in den Grünanlagen. Seinen Gedanken nachhängend, nahm er nichts von der Schönheit der Natur um ihn herumwahr. Die Ansprache von Paul hatte ihm dieses Mal doch schon zugesetzt.
‚Haben denn alle recht damit, dass ich nichts tauge? Mein leiblicher Vater war ein Draufgänger durch und durch. Auch Mutter hatte es früher oft krachen lassen, und in der Kommune war immer Action angesagt‘, überlegte er und blieb stehen.
„Genug Selbstmitleid“, schimpfte er, schüttelte sich einmal und nahm endlich seine Umgebung wahr.
„Wie konnte ich diese Herrlichkeit nur übersehen?“, flüsterte er und saugte jedes Detail in sich auf. Das saftige Grün der Bäume und Gräser, die singenden Vögel und bunten Schmetterlinge. Freudestrahlend ließ er sich auf eine Bank fallen und schaute in den blauen Himmel.
„Was habe ich in der Selbsthilfegruppe gelernt? Fokussiere dich auf die Dinge, die du ändern kannst! Die Fragen im Blog beantworten, bei Mark wegen des Rollers entschuldigen, das dämliche Home-System zurückgeben, Mutter anrufen und, ja klar, diesen Artikel endlich schreiben.“
Die Vögel und Schmetterlinge beobachtend, erarbeiteten seine Gedanken den weiteren detaillierten Tagesablauf. Nach einer Stunde stand er auf, bemerkte das gute Gefühl in seinem Herzen und setzte seinen Weg fort.
Unsicher wegen dem, was an sein Ohr drang, blieb er plötzlich stehen. Hatte er seinen Namen gehört – hatte ihn jemand gerufen? Verdutzt schaute er sich die Umgebung genauer an, niemand war zu sehen. Er war alleine. Da, schon wieder!
Leise, aber jetzt deutlicher: „Lars, komm zu mir.“
Lars versuchte, das Gehörte zu lokalisieren.
„Eindeutig aus dem Biotop“, flüsterte er.
Es gab fünf dieser speziellen Lebensräume im Parkabschnitt, die absichtlich der Natur überlassen wurden. Er schaute in die Dunkelheit des Dickichts vor sich und sah ein kleines, regelmäßig blinkendes Licht. Wieder hörte er den Hauch seines Namens, genau aus dieser Richtung.
„Bin ich mutig? - Eher nicht. Neugierig? Nicht unbedingt. Eventuell hat es etwas mit den Lichtern zu tun, dann wäre es die Top-Story und mein Arsch ist gerettet“, lamentierte Lars.
Er nahm all seinen Mut zusammen, schob die Äste vorsichtig zur Seite und lief durch das Dickicht auf das Licht und die Stimme zu. Zehn Meter weiter setzte er seinen Weg auf allen vieren fort.
Unerwartet hielt er inne und starrte in den Abgrund, der sich vor ihm auftat.
Mit einem Stöhnen auf den Lippen glaubte er nicht, was er auf dem Grund des Kraters erblickte! Mit geschlossenen Augen zwickte er sich in den Unterarm, wartete, bis der Schmerz verging und riss sie wieder auf.
„Unmöglich, sieht aus wie… – nein, unvorstellbar!“, stammelte er.
Seine Gedanken überschlugen sich.
Er flüsterte: „Was zum Teufel sucht die Untertassensektion der USS Enterprise NCC1701-D hier in unserem Park?“
Fasziniert schaute er genauer hin und erkannte, dass die Proportionen und einige Details nicht passten. Das Raumschiff auf dem Grund des Kraters war etwa ein Drittel so groß wie das Original, aber immer noch sehr beeindruckend.
Um das blinkende Licht besser zu erkennen, beugte er sich etwas nach vorne, bis die feuchte Erde nachgab. Ehe er sich versah, rutschte er in die Tiefe. Seine rasante Fahrt wurde hart gebremst - mit einem Schlag gegen das vermeintliche Raumschiff.
Der Ohnmacht nahe, stöhnte er: „Scheiße, kein Hologramm!“
Unsicher kam er auf die Beine und berührte mit beiden Händen das kalte Metall.
Tief durchatmend trat er einen Schritt zurück und schaute hoch zum Kraterrand. Der Fluchtgedanke verschwand schlagartig, als ein Zischen erklang. Blitzartig drehte er sich zu dem Geräusch um.
Eine Luke öffnete sich an der Unterseite des Raumschiffes.
Lars‘ Augen traten aus den Höhlen, und sein Atem setzte aus.
„Willkommen“, flüsterte die Stimme aus der Luke.
Unschlüssig schaute er vom Kraterrand zur Öffnung und wieder zurück.
Mit der linken Hand wischte er den Schweiß von der Stirn und tat nichts.
Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Sein Angstzentrum konkurrierte mit der Neugierde und seinem Wunsch, das Universum zu erkunden.
Grinsend verstand er plötzlich und lachte: „Na klar, jetzt verstehe ich – versteckte Kamera. Juhu, ich bin reingefallen, ihr habt mich erwischt.“
Nichts passierte!
„Okay, dann mach ich halt weiter mit“, grinste er und trat auf die Luke zu.
„Gefahr!“, flüsterte die Stimme in seinem Kopf, die immer lauter wurde.
Lars ignorierte sie. Die Neugierde übernahm sein Handeln und er betrat das Raumschiff.
1Brille mit integriertem Display und Miniaturcomputer
Vorsichtig betrat er die Rampe und verschwand im Raumschiff. Eine Lichtspur auf dem Boden erhellte den Flur, in den er trat. Langsam lief er weiter auf eine Tür zu, die sich automatisch öffnete, als er davorstand. Seine Augen weiteten sich, denn er erkannte den Raum.
„10 Vorne“, flüsterte er ehrfurchtsvoll.
Ihm war schon klar, dass es auf jedem Raumschiff einen ähnlichen Gesellschaftsraum geben würde. Trotzdem gefiel ihm die Vorstellung, im Raumschiff Enterprise zu sein. Die Sitzgruppen, die Fenster und die Bar - alles war fast originalgetreu vorhanden. Grinsend stellte er sich vor, dass Guinan hinter der Theke stehen und er ein romulanisches Ale bestellen würde.
Ehrfürchtig lief er zur Fensterfront und sah hinaus. Das Grün des Biotops, die braune Erde und der azurblaue Himmel waren greifbar - und trotzdem befand sich eine Glaswand dazwischen.
Sanft streichelte er über die kühle Konstruktion, als ein Summen erklang.
‚Die versteckten Kameras‘, überlegte er…und verlor das Bewusstsein.
Sein Schädel brummte fürchterlich, als er wieder zu sich kam. Langsam öffnete er erst das linke, dann das rechte Auge, wie er es immer tat und schaute sich um.
Schlagartig erwachten seine Hirnströme und arbeiteten auf Hochtouren, um die sich ihm bietende Szene zu verarbeiten.
In drei Millisekunden verschlug ihm die Erkenntnis, wo er sich befand, abermals die Sprache: Er lag auf einer Krankenstation.
„Das ist doch die Voyager, oder träume ich das alles?“, flüsterte er.
"Bitte nennen Sie mir die Art des medizinischen Notfalls", sagte jemand hinter ihm.
Lars erkannte die Stimme, war bestürzt und zu keiner Reaktion fähig!
Langsam trat die Person in sein Blickfeld, und es war genau, wie er vermutete: Vor ihm stand das Medizinische-Notfallprogramm der Voyager.
„War nur ein Scherz. Ihr seid eine empfindliche Spezies, da war es angebracht, als ein vertrauenswürdiges Individuum zu erscheinen.“
Nach einer kurzen Pause fuhr er grinsend fort: „Wäre Ihnen Dr. Beverly Crusher lieber?“
Lars fasste all seinen Mut zusammen und krächzte: „Wo bin ich?“
„Im Universum.“
„Ich bin im All?“
„Wo sonst? Auf Terra waren wir nur, um Sie abzuholen.“
„Mich abholen, wozu?“
„Das werden Sie noch erfahren. Übrigens: Zum besseren Verständnis mit Ihren Mitreisenden, hat unsere kleine MedKugel hinter Ihrem rechten Ohr einen Multiübersetzer eingepflanzt. Sie hat auch Ihre Beule am Hinterkopf behandelt.“
Lars nahm eine Hand und fühlte eine Erhebung hinter seinem Ohr sowie die Beule am Kopf. Der Doktor hatte also die Wahrheit gesagt!
„Ein kleines Dankeschön wäre mehr als angebracht.“
„Wozu?“, erwiderte Lars, immer noch gefangen von der skurrilen Situation.
„Zu Ihrem Übersetzer in Ihrem Dickschädel. Er übersetzt nicht nur jede im Universum bekannte Sprache, er kümmert sich ebenfalls um die Grammatik.
Damit auch der letzte Trottel im Weltall versteht, was gesprochen wird.“
„Danke, aber wozu?“
„Genug geredet. Jetzt schlafen Sie erst einmal und erholen sich von dem Schock.“
Die MedKugel schwebte seitlich auf ihn zu, und ehe Lars sie bemerkte, steckte eine Nadel in seinem Hals. Auf der Stelle kippte er zur Seite und schlief ein.
„Seltsame Spezies“, sagte das Hologramm des Doktors und löste sich auf.
Als Lars erwachte, traute er sich nicht, die Augen zu öffnen. Hatte er alles nur geträumt oder war er in dem komischen Raumschiff? Seufzend schlug er langsam das linke Auge auf. Misstrauisch schaute er sich um.
Was er sah, erleichterte ihn. Er lag angezogen zu Hause in seinem Bett. Tief durchatmend erhob er sich.
„Scheiß-Traum“, fluchte er und wankte zur Badezimmertür.
Auf der Toilette sitzend, ging ihm der vermeintliche Traum nochmal detailliert durch den Kopf. Er fuhr mit der Hand seinen Hinterkopf entlang und spürte deutlich eine Beule. Panik erfasste ihn, und er ertastete hinterm Ohr eine kleine Narbe. Jetzt drehte sich wieder alles in seinem Kopf. Schnell stand er auf, schloss seine Hose und ließ sich kaltes Wasser über das Gesicht laufen.
‚Vielleicht schlafe ich ja immer noch‘, dachte er voller Verzweiflung und trocknete sich ab. Unsicher auf den Beinen, drückte er vorsichtig die Tür des Bades auf und erstarrte! Mitten in seiner Junggesellenbude stand kein Geringerer als Jean-Luc Picard, der ihm grinsend zuwinkte. Es öffnete sich eine unsichtbare Tür, Picard trat heraus und winkte Lars zu, ihm zu folgen.
Unsicher setzte Lars einen Fuß nach dem anderen in Richtung Tür und tapste ehrfürchtig hinter ihm her. Am Ende des Ganges blieb der Kapitän stehen und zeigte auf eine Tür. Lars lief an ihm vorbei und erkannte, dass es sich um ein Hologramm handelte. Trotzdem war er beeindruckt und erschrak, als sich die Tür öffnete. Ein Blick in den Raum reichte, um Picard verschwinden zu lassen.
Verunsichert betrat er den Aufenthaltsraum, in dem er schon einmal war.
Sein Blick heftete sich an die Fensterfront. Er stöhnte!
Schwärze, durchdrungen von kleinen Lichtblitzen. Hatte er so lange geschlafen, dass es schon dunkel war? Halt, stopp, die Lichtpunkte bewegten sich – zischend sog er die Luft durch seine Zähne.
„Ich bin im Weltall“, flüsterte er voller Entsetzen.
„Wo sonst?“, rief eine Stimme zu seiner Rechten.
Lars riss seinen Kopf herum und schluckte den Kloß im Hals hinunter.
In der Sitzgruppe saßen vier Lebewesen, und jedes war beeindruckender als das andere.
Magisch angezogen von der Faszination des Neuen, lief er vorsichtig, Schritt für Schritt, auf die Gruppe zu. Alle starrten ihn misstrauisch an, bis er vor ihnen stehenblieb.
Lars‘ Selbstsicherheit wurde größer, als er erkannte, dass die Lebewesen genauso verunsichert waren wie er.
‚Ich bin im Weltall, ich bin nicht alleine, und es wartet ein Abenteuer auf mich – genau das, was ich mir immer erträumt habe‘, dachte er.
Leise flüsterte er vor sich hin: „Ich bin wie Picard – cool, und offen für alles.“
Er schaute langsam von links nach rechts und erkannte jetzt fünf Lebewesen, eines davon künstlich. In wenigen Sekunden erfasste sein Gehirn jeden Einzelnen der Gruppe und sortierte sie gleich in sein Schubladensystem ein:
Zuerst fiel ihm eine Amazone ins Auge: Groß, weiblich, blonde lange Haare, in einen Anzug aus Kevlar gezwängt. Mit zwei Patronengürteln, die sich über ihre üppigen Brüste spannten.
Schublade: Arrogant, selbstsicher und gefährlich!
Daneben saß ein unscheinbares Wesen: Klein, eindeutig weiblich, aber nur mit Blättern bekleidet. Schublade: Unsicher, freundliche Ausstrahlung, nicht gefährlich, eher süß.
Dann nahm er das künstliche Wesen in den Blick: Nicht höher als einen Meter, hässlich giftgrün, eine größere Kugel mit drei Augen, die auf drei kleineren Kugeln saßen, die als Beine dienten.
Schublade: R2-D2, keine Ahnung, aber Vorsicht ist geboten!
Rechts davon schwebte ein Rechteck mit vier Armen und einem kleinen runden Kopf, von dem sich seine Augen nicht lösen wollten.
Schublade: Exotisch, freundlich, wahrscheinlich ungefährlich!
Daneben stand ein männliches Wesen, das ihn zum Schmunzeln brachte. Ein Terminator T 800 - wie das Original, mit Sonnenbrille - nur mit dem Unterschied, dass dieser hier nur 1,20 m groß war.
Schublade: Grimmiger Blick, dicke Muskeln, klein, aber brandgefährlich!
Dies alles erfasste sein Gehirn im Bruchteil einer Sekunde und veranlasste ihn, sich etwas zu entspannen. Innerlich vor Selbstsicherheit grinsend, dachte er: ‚Das wird interessant‘.
Er räusperte sich und sagte mit fester Stimme und sicherem Blick in die Runde: „Hi, ich bin Lars vom Planeten Terra.“
Die Amazone und Arnold starrten ihn feindselig an, das exotische Wesen eher überheblich, die Blattfrau schüchtern, und der Roboter glotzte ihn emotionslos an. Nach längerem Schweigen und gegenseitigem, intensivem Taxieren ergriff überraschend die kleine Frau mit dem Blätterkleid zuerst das Wort: „Hallo Lars, willkommen. Setz dich doch, wir werden uns der Reihe nach vorstellen.“
‚Wie in meiner Selbsthilfegruppe‘, überlegte Lars und ließ sich lässig auf einem Sessel nieder.
Langsam verflog die restliche Anspannung bei allen, und die Amazone ergriff das Wort: „Ich bin Jaka, Hüterin der Götterstäbe des Planeten Drachin. Auf meinem Heimatplaneten herrscht eine durchschnittliche Oberflächentemperatur von 50° Celsius.“
‚Der Übersetzer funktioniert einwandfrei. Celsius und Kilometer - perfekt auf mein Gehirn angepasst‘, fand Lars.
Er lauschte weiter Jakas Worten: „Ich trage diesen wärmenden Anzug, weil meine Wohlfühltemperatur höher liegt, als hier in dieser Umgebung. Mit Verlaub, es ist hier arschkalt.“
Wütend stampfte sie beim letzten Wort mit dem Fuß auf und fuhr fort: „Ich war gerade dabei, mich auf eine ausgiebige Meditation vorzubereiten, als ein Licht in der Dunkelheit näherkam, dann verlor ich das Bewusstsein und erwachte hier auf diesem Schiff. Keine Ahnung, warum ich hier bin, genau wie die anderen.“
Jaka setzte sich wieder und die Pflanzenfrau erhob sich schüchtern.
„Mein Name ist Biljka von Isizalo. Wir haben mit 25° Celsius und einer hohen Luftfeuchtigkeit ideale Bedingungen, um in Symbiose mit den Pflanzen zu leben. Auch ich sah ein weißes Licht und bin in diesem kalten Metallteil wieder aufgewacht.“
Lars fiel auf, dass sie ein schwarzes Stirnband trug, die Pflanze echt war und nicht alle Körperteile bedeckte. Der Kopf, die Hände und die Füße waren ohne Bewuchs.
‚Sie ist hübsch, ihre Augen funkeln wie Diamanten‘, schwärmte Lars und hatte Mühe, sich von ihrem Anblick zu trennen und sich dem künstlichen Wesen zuzuwenden.
Der vermeintliche Kopf drehte sich im Kreis und der Übersetzer versah seinen Dienst: „Hallo, ich bin Tripod von der Kristallwelt Dloc-Ekaf. Auf meinem Heimatplaneten beträgt die Temperatur minus 25° Celsius und ihr könntet alle dort auf Dauer nicht überleben. Daher existieren auf unserem Planeten nur künstliche Wesen. Wir sind miteinander über die KI Umbusi verbunden. Warum ich hier bin? – Keine Ahnung. Das verwirrt mich immer noch, und fast alle meine Schaltkreise sind mit diesem Problem beschäftigt.
Mehr kann ich zu dieser Unterredung nicht beitragen.“
Lars dachte: „Okay, nicht R2D2, eher C3POmit Borg-Anwandlungen“.
Jetzt erhob sich wie von Zauberhand das faszinierendste Wesen und begann sich vorzustellen: „Meine richtige Bezeichnung lautet Uten buk og firearmer. Im Allgemeinen werde ich Ubofa genannt. Unsere Spezies lebt auf einer riesigen Raumstation im Weltall.
Im Labor schlief ich einfach ein. Das passiert mir dort öfter, aber dieses Mal bin ich hier aufgewacht, auf diesem Schiff, dessen Klasse mir gänzlich unbekannt ist.“
Langsam schwebte Ubofa auf ihrem Board wieder etwas nach unten, bis sie in Augenhöhe der Amazone lautlos zum Stillstand kam.
Innerlich grinsend dachte Lars: ‚Jetzt kommt Arnold dran‘.
Mit grimmigem Blick stand das zu klein geratene Muskelpaket auf und erhob seine Stimme: „Mein Name ist Kakhulu von Ulik. Wir leben auf einem Exoplaneten, der durch seine geringe Schwerkraft durch die Galaxy schlingert und sich an kein Gravitationssystem anpasst. Wir sind sehr früh in das Innere des Planeten geflüchtet, um die extremen Temperaturschwankungen zu überleben. Wir leben ständig in der Gefahr, mit einer Sonne zu kollidieren, daher ist unsere Hauptaufgabe die Erforschung und Beherrschung der Gravitation. Auch ich war mit einem Experiment beschäftigt, als ein Blitz mich traf. Aufgewacht bin ich hier, wie die anderen. Vielleicht weißt du es ja, weißer Lulatsch“, beendete er, grinsend an Lars gerichtet, seine Ansprache.
Lars verlor kurz seine Fassung wegen des intelligenten Übersetzungsprogrammes, doch dann stand er auf und sagte mit fester Stimme: „Ich war auf dem Nachhauseweg, als mich dieses Ding zu sich gerufen hat. Aufgewacht bin ich auf einer Krankenstation, nachdem mir ein Übersetzer hinter dem Ohr eingepflanzt wurde. Keine Ahnung, warum ich hier bin.“
Er setzte sich wieder, und nun redeten alle aufgeregt durcheinander. Lars beteiligte sich zuerst, verfiel aber dann in die Rolle des Zuhörers. Schnell wurde ihm klar, dass seine erste Einschätzung der Wesen nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt war.
Die Amazone, also Jaka, und Kakhulu, alias Arnold, stritten sich schon nach kurzer Zeit. C3PO, Tripod, haute einen Klugscheißer-Spruch nach dem anderen heraus. Ubofa schwebte ständig hoch und runter, um immer in Augenhöhe ihres Gesprächspartners zu sein, und die Pflanzenfrau Biljka versuchte verzweifelt, Ordnung und Struktur in die wilde Diskussion zu bringen.
Immerhin schaffte sie es, dass sich niemand an die Wäsche ging. Nach zähen fünfzehn Minuten brauchte Lars eine Pause, um herunterzufahren. Er stand auf und schlenderte zur Bar, und siehe da – sein Gespür hatte ihn mal wieder richtig geleitet. Hinter dem Tresen standen sechs mit Namen gekennzeichnete Behälter mit Flüssigkeiten. Schmunzelnd schaute er auf das Ölkännchen für C3PO. Er schnappte sich sein Glas, nahm einen kleinen Schluck, hob erstaunt seine Augenbrauen und schnalzte zufrieden mit der Zunge.
„Darf ich fragen, was für ein Getränk du genießt?“, fragte Biljka, die sich lautlos zu ihm gesellt hatte.
Er reichte ihr das Glas und forderte sie auf, zu probieren. Mit seiner anderen Hand schnappte er sich Biljkas dunkelbraune Brühe und stellte es auf den Tresen.
„Mein Getränk nennt sich Orangensaft, eine süße vitaminreiche Frucht auf unserem Planeten, und das hier scheint dein Lieblingsgetränk zu sein – oder?“
Sie lächelte zurück, nippte wohlwollend an seinem Saft, entschied sich dann aber doch für ihr Getränk, das sie in einem Zug leerte.
Als sie ihr Glas abstellte, sagte sie: „Sorry, ich wollte nicht unhöflich sein, aber das wäre nichts für dich – glaube mir einfach. Dein Getränk ist etwas zu süß, aber sonst okay.“
Lars schaute mit ernstem Blick und fragte: „Biljka, warum sind wir hier?
Wer könnte Interesse an diesem seltsam zusammengewürfelten Haufen haben?“
„Ich glaube jeder von uns oder unserem Volk hat etwas, das jemand anderes haben will. Zumindest ist dies meine grobe Theorie, nachdem ich mich mit allen unterhalten habe. Jaka mit ihren Götterstäben, Kakhulu als Gravitationsexperte, genau wie Ubofa eine Spitzenfachkraft ist.
Nur Tripod und du passen nicht zu der These. Daher sag mir, was ist an dir oder euch Menschen so besonders?“
Lars schwieg und verarbeitete die Informationen erst einmal, dann schüttelte er den Kopf und sagte: „Wir haben zwar Raumschiffe und sind schon zu zwei Planeten in unserem Sonnensystem geflogen. Aber dies hier“,
er zeigte in die Runde, „ist unglaublich. Es gibt nichts auf Terra, was die Erbauer dieses Schiffes übertrifft.“
Auf Biljkas Stirn bildeten sich kleine Falten, was Lars sehr süß fand.
Allgemein war ihm Biljka am sympathischsten von allen.
Gerade als er sie nach ihrem Spezialgebiet fragen wollte, öffnete sich eine Tür, und wie von Geisterhand rollte ein Servierwagen in den Raum.
Tripod war als Erster an dem Wagen, um ihn zu inspizieren.
Langsam gesellten sich alle zu ihm und staunten nicht schlecht über das, was sie sahen: Fünf Mahlzeiten mit durchsichtigem Deckel standen auf der Ablage.
Lars erkannte sofort, welches Essen für ihn bestimmt war, schnappte sich wortlos den Teller und aß genüsslich die Spaghetti mit Tomatensoße.
Biljka gesellte sich wieder zu ihm, und die anderen drei setzten sich an den zweiten Tisch bzw. schwebten.
Tripod rollte zweimal um den Servierwagen und lamentierte mit weinerlicher Stimme: „Warum bekommt der Künstliche nichts? Es ist immer dasselbe! Wir sind euch weit überlegen und trotzdem behandelt ihr uns so.
Das verstehen wir nicht“.
Und so ging es geschlagene fünf Minuten.
Lars hatte genug von dem Geheule, stampfte zum Tresen, schnappte sich das Kännchen und reichte es Tripod.
Der drehte sich vor Freude dreimal im Kreis und bedankte sich unterwürfig bei ihm: „Du bist wenigstens ein Freund – ihr anderen nicht – schämt euch!“,
und schon stand er vor Lars und Biljkas Tisch. Biljka verdrehte die Augen in Lars‘ Richtung, der die Botschaft verstand und grinsend sagte: „Den werden wir nicht mehr los“.
Tripod öffnete eine kleine Luke an der Hauptkugel und entleerte das Kännchen langsam in einen Trichter. Mit einem Auge sah er Lars und Biljka an und sagte im trotzigen Ton: „Ich habe das eben gesehen, kann es nicht deuten und gehe dann mal davon aus, dass es freundlich gemeint war.“
Biljka und Lars lachten und freuten sich über das erste richtig gute Gefühl, seit sie hier waren.
Nach einer gewissen Zeit machte sich Müdigkeit in ihren Gliedern breit.
Lars fiel auf: ‚Ist schon komisch – so unterschiedliche Lebewesen - aber regenerieren müssen alle‘.
Biljka und er machten sich als erstes auf, um ein passendes Quartier zu finden. Genau wie er vermutete, waren Türen mit dem Namen ihrer Rasse beschriftet, und er verabschiedete sich anstandsmäßig von Biljka und wünschte ihr eine gute Nacht.
Auch die anderen suchten ihren persönlichen Raum auf.
Nur Tripod hatte kein Zimmer. Darüber meckerte er eine Weile, bis er sich selbst nicht mehr hören konnte und in einer Ecke in den Stand-by-Modus schaltete.
„Computer, hast du, wie befohlen, alle ihre Gehirne gescannt und die Informationen gesendet?“
„Ja, mein Herrscher.“
„Wird es Ärger geben auf der Reise?“
„Nein, mein Herrscher.“
„Werden sie herausfinden, warum sie hier sind?“
„Die Isizalonerin vielleicht, mein Herrscher.“
„Na ja, das kann uns eigentlich egal sein. Bald ist die Reise vorbei, dann erfahren sie es von mir persönlich.“
„Ja, mein Herrscher.“
Als Lars seine Kabine betrat, befand er sich wieder in seiner Bude auf der Erde. Darauf hatte er jetzt definitiv keine Lust und rief: „Computer, lass den Scheiß.“
Sein Zimmer verschwand, und ein karger Raum mit einem gewöhnlichen Bett, einem kleinen Tisch und einer Tür zur Nasszelle kamen zum Vorschein.
„Du interagierst - gut! Was willst du von mir?“, fragte er und bekam, wie vermutet, keine Antwort. Trotzig versuchte er es nochmal: „Schiff, wer schickt dich?“
„Die Galaxy Rulers.“
„Okay, die Herrscher der Galaxy also.“
Ihm fiel die Unterredung mit Biljka wieder ein.
‚Was hat sie nochmal gesagt? Jeder von uns ist oder hat etwas Besonderes.
Darauf sind diese Galaxy Rulers scharf. Aber was wollen sie von mir?‘,
überlegte er.
„Warum bin ich hier?“, fragte er mutig und neugierig.
„Weil die Herrscher es so wollen“, antwortete der Computer.
Alle weiteren Fragen wurden nicht mehr beantwortet, daher beschloss Lars, sich hinzulegen und erst einmal zu schlafen. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, aber sein Körper war todmüde. Nach einer qualvollen Stunde siegte die Regeneration und er schlief ein.
Unsanft wurde er durch helles Licht geweckt.
Müde öffnete er die Augen und versuchte, sich zu orientieren. Plötzlich fiel ihm alles wieder ein, und die Müdigkeit verschwand schlagartig.
„Kein Traum“, sagte er und überlegte, ob die Tatsache gut oder schlecht bedeutete. Er kam zu keiner Lösung und entschied sich, seine Blase zu entleeren, die sich unmissverständlich bemerkbar machte.
Nachdem er sein Gesicht mit einer Ladung Wasser erfrischt hatte, ging er zurück in die Kammer und hob überrascht die Augenbrauen.
„Frische Klamotten, wie aufmerksam, aber leider so gar nicht mein Geschmack“, lachte er.
Geduldig wartete er auf eine Antwort, gab nach zwei Minuten auf und fluchte: „Humorlose Schrottkiste.“
In der Hoffnung auf eine Tasse Kaffee, schlenderte er zum Aufenthaltsraum.
Jaka und Kakhulu nickten ihm frostig zu.
Biljka winkte ihn zu sich, was er dankend annahm und sich zu ihr setzte.
„Hallo, hast du gut geschlafen?“, strahlte sie ihn an.
„Na ja, mich quält die Tatsache, was die Galaxy Rulers von mir wollen.“
„Galaxy Rulers?“
„Ich habe den Schiffscomputer bezüglich unserer Kidnapper befragt, und das war seine Antwort.“
„Interessant, lass uns erstmal stärken. Dort am Fenster hat jemand Lebensmittel bereitgestellt.“
Er stand auf und lief mit Biljka zum reich gedeckten Tisch. Arnold und die Amazone stählten ihre Muskeln mit gymnastischen Übungen.
„Na, wer gewinnt?“, versuchte Lars die Stimmung zu lockern, bekam aber außer grimmigen Blicken keine Antwort und widmete sich den Leckereien.
„Igitt, was ist das da?“, fragte er und zeigte auf eine schlammige Kugel in einer braunen Brühe.
„Eine Spezialität“, lachte Biljka, schnappte sich die Pampe mit zwei Fingern und schluckte sie genüsslich herunter.
„Hm, lecker! Und was ist für dich dabei?“, schmatzte sie und sah ihn neckisch an.
‚Ich mag die Frau‘, stellte Lars fest und lächelte zurück.
„Ich hoffe, dieser Becher ist mit Kaffee gefüllt, und das hier sind Croissants“,
sagte er und schnappte sich beides.
„Und, schmeckt es?“, fragte Biljka und biss in eine Frucht, die wie ein Apfel aussah.
„Überraschend gut“, antwortete er.
„Ich habe über deine Theorie nachgedacht und glaube, du hast recht. Unsere Gastgeber sind scharf auf etwas, doch auf was?“, fragte Lars und biss in das Croissant. Schmatzend fuhr er fort: „Jetzt müssen wir herausbekommen, was jeder so zu bieten hat.“
Genüsslich zog er die Augenbrauen nach oben und dachte erstaunt: ‚Das schmeckt ja alles ausgezeichnet.‘
„Kakhulu prahlt damit, dass seine Spezies irgendetwas Beeindruckendes mit Gravitation entwickelt hat“, sagte Biljka.
Lars schaute sich Arnold, wie er Kakhulu nannte, genauer an: „Die schwarzen Klamotten, die Sonnenbrille und die Muskelpakete passen vortrefflich zu ihm. Seine Gesichtszüge sind übertrieben hart, ist bestimmt ein zäher Bursche, aber als Forscher kann ich ihn mir beim besten Willen nicht vorstellen.“
„Ubofa ist auch eine Forscherin. Sie war in einem Team, das spezielle elektrische Bomben entwickelt hat.“
„Jaka?“
„Siehst du ihren Gürtel mit den Zylindern?“
„Ja, sieht aus wie Patronen, doch wo ist die Waffe dazu?“
„Keine Ahnung, sie nennt die Dinger Götterstäbe.“
„Und was weißt du über mich?“
Biljka grinste und antwortete trocken: „Nichts, außer dass ihr eine höfliche, hilfsbereite Spezies und süß seid.“
„Süß?“, lachte Lars, als sich die Tür öffnete und Ubofa in den Raum schwebte. Sie kam direkt an ihren Tisch und betätigte ihre Steuerdüsen, um auf Augenhöhe zu kommen.
Biljka stellte gleich drei Fragen auf einmal. Während sich die beiden angeregt unterhielten, nahm er sich die Zeit, genauer hinzuschauen. Das Wesen Ubofa besaß keine Beine. Ihr Rumpf endete festgeschnallt in einer Halterung auf dem Schwebeboard, das sie mit Steuerdüsen ausbalancierte.
An ihrem fast quadratischen Torso streckten sich in alle vier Himmelsrichtungen Arme heraus, die nicht durch Ellenbogen unterteilt waren, wie bei einem Menschen, sondern in einem Stück waren. Jeder endete in einer handähnlichen Konstruktion mit je sechs Gliedern, die Ähnlichkeit mit Fingern hatte. Auf dem Rumpf saß direkt ein haarloser, oben abgeflachter Kopf.
‚Perfekt gebauter Körper für eine Raumstation in der Schwerelosigkeit‘, überlegte Lars und widmete sich Biljka.
Sie hatte alle Attribute einer Frau und sah menschenähnlich aus. Die Größe, die Proportionen und die Gesichtszüge waren weich und sanft geformt. Ihr ganzer Körper war mit hellbraunen Stielen und kleinen, dunkelgrünen Blättern bedeckt. Der Kopf und die Hand- sowie Fußflächen waren blattfrei.
Unverkennbar besaß die Pflanze ein Eigenleben. Ständig drehte sich ein Blatt oder ein Stängel streckte sich. Sie hatte fünf Finger und fünf Zehen, wie ein Mensch, und ihre Haut war dunkelbraun, wie eine Wurzel. Auf dem Kopf trug sie ein schwarzes dünnes Band mit einem kunstvollen Knoten.
„Gefällt dir, was du siehst?“, unterbrach ihn Biljkas belustigte Stimme auf seiner Exkursion.
„Sorry“, stotterte Lars verlegen.
„Ubofa ist der Meinung, dass Jaka verrückt ist“, sagte Biljka.
„Ähm, warum?“, erwiderte Lars, wieder selbstsicherer und schaute zu Ubofa.
„Sie droht ständig, mit ihren Stäben vom Gott des Feuers, das Raumschiff in die Luft zu sprengen – was auch immer sie damit meint.“
Lars dachte wieder an Biljkas Theorie, und langsam fragte er sich besorgt, welche Besonderheit Jaka zu bieten hatte.
Plötzlich stieß jemand an seinen Fuß. Er sah nach unten und zu Tripod, dem Roboter, bei dem die Kopfkugel wild rotierte.
„Was ist?“, fragte er.
„Lars, was stimmt nicht mit mir? Alle ignorieren mich – warum?“
„Komm, mein Kleiner, wir lassen die Mädels alleine“, antwortete er und zog sich mit dem Roboter in eine Nische zurück.
„Erzähle mir mal etwas von dir“, sagte Lars.
„Ich bin ich, den Rest habe ich schon erzählt.“
„Du bist kein guter Gesprächspartner, Kleiner.“
„Mein System spinnt. Die Schaltkreise sind am Rotieren, daher ist es mir nicht möglich, ständig aufmerksam zu sein.“
„Das ist schlecht für die Kommunikation, Kleiner.“
„Es ist beleidigend, immer „Kleiner“ genannt zu werden.“
„Sorry, ich meinte das eher freundlich.“
„Akzeptiert.“
„Irgendwie bedrückt dich etwas“, sagte Lars, wohl wissend, dass es sich um einen gefühllosen Roboter handelte.
„Guter Instinkt. In mir schlummert irgendwo in einem Cluster eine wichtige Information. Immer wenn ich darauf zugreifen will, verschwindet sie wieder.“
„Das ist ungewöhnlich“, erwiderte Lars.
Plötzlich hatte er eine Idee: „Wie wäre es, wenn ich dich ablenke?“
„Du meinst, dass ich dadurch den Zugriff erhalte?“
„Genau! Probieren wir es?“
„Klar! Zeig, was du draufhast.“
Tripod erinnerte Lars an den Roboter Marvin aus einem Buch. Noch fiel ihm nicht ein welches.
„Erzähle mir etwas über Biljka.“
„Na klar! Das Mädel ist nicht so harmlos, wie es scheint. Sie ist die Hüterin einer extrem aggressiven Tierrasse auf ihrem Planeten. Leg dich nicht mit ihr an, die Viecher sind tausend Prozent tödlich.“
Lars stieß anerkennend die Luft aus und versuchte, das Vernommene zu verarbeiten.
„Damit hast du nicht gerechnet“, lachte Tripod.
Ein lachender Roboter verwirrte ihn zusätzlich, und er wechselte das Thema:
„Sag mein Freund, was weißt du über mich?“
Tripod drehte dreimal seine Kopfkugel um die Achse, so nannte Lars die obere Kugel, die auf den drei kleineren Kugeln saß, und erwiderte: „Nichts.“
Dann rollte er lautlos in Richtung Biljka und Ubofa davon.
Lars war perplex und musste sich erst einmal sammeln.
Sein Blick glitt durch den Raum, und seine Augen blieben an Jaka, der Amazone, hängen. Sie war eine großgewachsene, muskulöse, furchteinflößende Frau und mindestens zwei Meter groß. Mit ihrem Anzug sah sie aus wie ein Mitglied eines S.W.A.T.-Teams und so war sie auch drauf – mental gesehen. Sie drückte Liegestützen mit aller Kraft, und davon hattesie genug. Ihre Gesichtszüge waren angespannt. In ihrer Mimik und Ausstrahlung lag eine immense Aggressivität – eine bessere Beschreibung fiel ihm nicht ein. Auf jeden Fall wollte er sie nicht zum Feind haben!
Tief in seine Gedanken versunken, fuhr er erschrocken herum, als ihm jemand auf die Schulter klopfte.
Es war Biljka: „Gehst du mit? Wir inspizieren das Schiff.“
„Klar“, erwiderte Lars und folgte ihr, Ubofa und Tripod in den Flur. Sie passierten die Räume mit ihren Namen und landeten am Ende in einem Treppenhaus.
„Kein Aufzug?“, fragte Lars.
Biljka schaute ihn fragend an.
Ubofa lachte und erwiderte: „Nicht alle Spezies sind auf demselben technischen Stand – schon mal darüber nachgedacht, Terraner?“
„Und, Tripod, weißt du, was ein Aufzug ist?“, fragte Lars, mehr zum Scherz.
Eine ausführliche Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Klar, bei uns gibt es Transportsysteme, die waagrecht und senkrecht funktionieren. Laut meinen Informationen existieren auf Terra nur welche, die hoch- und runterfahren. Ganz schön zurückgeblieben deine Rasse, die denkt, sie wäre die Krone der Schöpfung.“
„Klugscheißer“, antwortete Lars und ließ ihn kopfschüttelnd stehen. Er schaute zu Biljka, die auf dem ersten oberen Podest stand. Lars setzte sich in Bewegung - und verharrte augenblicklich. Grinsend drehte er sich um und riss überrascht seine Augen auf. Die drei Fortbewegungskugeln des Roboters fuhren Gelenke aus, mit denen er problemlos an Lars vorbei stolzierte und zischte: „Damit hast du nicht gerechnet, Mensch.“
„Stimmt“, gab Lars zu und folgte ihm.
„Endlich, alle angekommen“, sagte Ubofa und schwebte durch die geöffnete Tür in die dahinterliegende Dämmerung. Je weiter sie vordrang, desto heller wurde es. Erleichtert atmete Lars auf - dunkle Räume waren nicht seine Stärke.
„Der Maschinenraum“, sagte Tripod ehrfürchtig.
Inmitten des Raumes schwebte ein schwarzer Würfel, mit einer Kantenlänge von mindestens fünf Metern. Um ihn herum flimmerte die Luft, bestehend aus glitzernden Schwebeteilchen.
„Das Kraftfeld ist magnetisch eingedämmt. Ein fortschrittliches Antriebssystem. So etwas habe ich noch nicht gesehen“, erwähnte Ubofa und schwebte ehrfürchtig und sichtlich beeindruckt um den Würfel.
„Abgefahren“, sagte Lars und zog Biljkas Hand vorsichtig zurück, als sie in das Kraftfeld griff.
Ein spitzer Aufschrei riss sie aus ihrer Bewunderung. Tripod rollte unkontrolliert durch den Raum. Seine grünen Kugeln zuckten und stießen kleine Blitze aus. Mit einem lauten Knall krachte er gegen die Wand und bewegte sich nicht mehr.
„Tripod!“, rief Lars und rannte auf ihn zu.
„So eine Scheiße!“, fluchte der Roboter und rollte die Kameralinsen in seinen Augen.
„Alles in Ordnung, Kleiner?“, fragte Lars und streckte die Hand aus.
„Nicht anfassen, bin noch überladen.“
Lars kniete sich zu ihm, und erst jetzt wunderte er sich über einen fluchenden Roboter.
‚Was noch?‘, fragte er sich und wartete geduldig, bis die Entladungen nachließen.
„Ich war dabei, mich in den Schiffscomputer zu hacken, um mehr Informationen zu bekommen. Die scheiß Firewall schlug gnadenlos zu und versetzte mir eine Überdosis. Ich bin noch heiß, also nicht berühren.“
„Wir sollten gehen“, sagte Biljka und zog Lars mit sich.
„Ist das normal, dass ein Metallener flucht?“, flüsterte sie.
Lars schüttelte den Kopf.
„Dachte ich mir. Lass uns aus diesem fürchterlichen Raum voller Technikkram verschwinden“, sagte sie.
„Tripod, geht‘s wieder?“, fragte Lars.
„Jepp“, antwortete dieser und übernahm die Führung.
Am Ende des Treppenhauses öffnete sich die Tür dieses Mal nicht automatisch.
„Zurück, ich mache das“, sagte Tripod, fuhr einen Arm aus und steckte die Spitze in eine Öffnung neben der Tür.
„Nicht nochmal, du Monster“, lachte er, und die Tür glitt auseinander.
„Die Brücke“, sagte Ubofa und schwebte zuerst hinein.
Zögernd folgte Biljka, immer noch die Hand von Lars in ihrer haltend.
Die Wände waren mit tausenden Leuchtdioden in allen Farben übersät.
Zwischen den blinkenden Lichtern befanden sich Schalter, die Lars‘ Neugierde weckten.
„Biljka, lass mich vorsichtshalber los“, flüsterte er, berührte einen der Schalter - und fand sich auf dem Boden wieder.
„Scheiße!“, fluchte er nach dem kurzen, aber heftigen Stromschlag, den er abbekommen hatte.
„Willkommen im Club der Geschädigten“, lachte Tripod.
„Ich will zurück zu den anderen“, sagte Biljka in einem Tonfall, der keine Widerrede duldete. Sie nahm Lars nicht mehr bei der Hand. Traurig trottete er hinter ihr her.
„Hast du bemerkt, dass es keinen Kommandosessel oder etwas in der Art gibt?“, fragte Ubofa.
„Stimmt! Jetzt, wo du es sagst“, antwortete Lars, froh über die Ablenkung.
„Ein autarkes Schiff, mit einer beeindruckenden KI, ohne humanoide Lebewesen an Bord.“
„Außer uns natürlich.“
„Stimmt.“
„Diese Rulers sind schon etwas Besonderes.“
„Und beängstigend“, ergänzte Ubofa.
Zurück im Aufenthaltsraum, stürmte Biljka auf Jaka und Kakhulu zu, die sich mit erhobenen Fäusten und aufs Übelste beschimpfend, gegenüberstanden.
Lars unterdrückte ein Grinsen und verscheuchte die Gedanken an David und Goliath.
Biljka drängte sich zwischen die beiden und redete wild gestikulierend auf sie ein.
Er bewunderte ihren Mut und fühlte sich immer mehr zu ihr hingezogen. Ja, er mochte die Frau, obwohl ihn das, was er von Tripod über sie erfahren hatte, bedrückte.
Plötzlich stampfte Jaka wutentbrannt auf ihn zu. Automatisch trat er einen Schritt zur Seite, um nicht auf dem Boden zu landen und sah ihr nachdenklich hinterher. Kopfschüttelnd lief er zu Biljka und Kakhulu.
„So etwas Aggressives habe ich noch nie erlebt.“
„Warum habt ihr gestritten?“, unterbrach Lars den Wortschwall Kakhulus.
„Informationen, die ich nicht habe, wollte sie aus mir herausprügeln, dieses wahnsinnige Weib.“
„Gut, dass wir noch rechtzeitig gekommen sind“, sagte Biljka.
„Willst du etwas trinken?“, fragte Lars und drehte den Kopf zur Tür. Er war sich sicher, dass er das Geräusch einer aufgehenden und schließenden Tür gehört hatte.
„Gerne“, antwortet Kakhulu.
„Ich mach das“, sagte Ubofa und schwebte davon.
Biljka setzte sich neben Lars, der sich so darüber freute, dass er den Gedanken mit der Tür vergaß.
„Es ist bestimmt nicht im Sinne des Kidnappers, dass wir uns gegenseitig killen“, sagte Lars.
„Ich werde später mit Jaka reden“, erwiderte Biljka, als es abrupt stockdunkel wurde.
Lars‘ Rücken überzog eine Gänsehaut. Erleichtert griff er nach der tastenden Hand von Biljka und beruhigte sich etwas.
„Mist!“, fluchte Ubofa, gefolgt von einem Poltern.
„Was ist passiert?“, fragte Lars in die Dunkelheit.
Ubofa antwortete: „Die Steuerung meines Boards hat versagt, und ich sitze auf dem Boden fest. Wisst ihr, was das eben war?“
Biljka schmiegte sich ängstlich an ihn, und er genoss das Kitzeln der Blätter.
„Eine Subraumverzerrung? Alle elektrischen Geräte scheinen ausgefallen zu sein“, mutmaßte Kakhulu.
„Wie bei unserer EMP-Bombe“, flüsterte Ubofa.
„EMP?“, fragte Lars.
„Wartet mal, mein Board ist gegen sowas immun und wird gleich wieder funktionieren.“
Während der letzten ausgesprochenen Silbe hörten sie das Zischen der Steuerdüsen und sahen ein Licht, das heller wurde. Ubofa schwebte über ihren Köpfen. An ihrem Board erschienen immer mehr Lampen, die den Raum erhellten.
Biljka löste sich von Lars, und Kakhulu setzte seine Sonnenbrille wieder auf.
„Ein Quantenfaden, der uns getroffen hat?“, fragte Ubofa.
Kakhulu ergänzte: „Unwahrscheinlich, jedoch theoretisch möglich.“
„Fragen wir mal unsere rollende Künstliche Intelligenz. Tripod?“, rief Lars.
„Ob es ihn auch erwischt hat?“, seufzte Biljka.
Ubofa drehte sich einmal im Kreis und sagte: „Keiner da, außer uns vieren.“
„Jetzt wird es langsam unheimlich“, flüsterte Lars.
„Zur Brücke! Nur dort finden wir heraus, was los ist und welche Schäden am Schiff vorhanden sind“, sagte Kakhulu.
Damit waren alle einverstanden. Ubofa leuchtete ihnen den Weg.
Gemeinsam bestiegen sie die Treppe zur Brücke und starrten durch die offene Tür ins Dunkel. Nur wenige Lichter blinkten.
Seltsamerweise stand Tripod genau vor der Konsole, an der er vorhin einen Schlag abbekommen hatte, und seufzte: „Da seid ihr ja endlich, meine Freunde.“
Kakhulu stürzte sich auf ihn und schrie: „Du Verräter!“
Tripod wirbelte blitzartig zur Seite, rollte zu Lars und kam hinter ihm zum Stehen.
Wie von Sinnen stampfte das Muskelpaket auf den verblüfften Lars zu.
Unsanft stoppte Ubofa seinen Angriff und drückte ihn mit ihrem Board zu Boden. Kakhulu schrie mit wild fuchtelnden Armen: „Der verdammte Roboter war es, kapiert ihr das nicht!“
Lars hatte sich wieder gefangen, schritt auf ihn zu und fragte: „Warum?“
„Er ist das einzige elektrische Wesen an Bord, das keinen Schaden genommen hat.“
„Weil er vielleicht auf solche Angriffe vorbereitet wurde. Er muss nur eine Abschirmung eingebaut haben, dann funktioniert das wie ein Blitzableiter“,
antwortete Ubofa in ruhigem, sachlichem Ton.
„Tripod, was sagst du zu alledem?“, fragte Lars.
„Um euch ehrlich zu antworten: Keine Ahnung, wie und warum ich hier bin. Meine Schaltkreise spielen völlig verrückt.“
Biljka, mit der Hand auf einem der Schalter, sagte: „Verbindet euch mit dem Schiffscomputer, die Kraftfelder sind deaktiviert.“
„Sie hat recht, lasst mich los“, erwiderte Kakhulu.
Ubofa, Tripod und Kakhulu hämmerten auf Konsolen herum.
Biljka sah Lars fragend an.
„Ich habe keine Ahnung, wie man die Dinger bedient“, antwortete er mit hochgezogenen Schultern.
„Was ist an euch Terraner so besonders?“, flüsterte Biljka.
Ubofa rief als Erste: „Es war ein Quantenfaden, der uns getroffen hat. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei einer Trilliarde zu eins – aber trotzdem ist es passiert. Eine Reaktion des Schiffs war unmöglich. Der Faden ist nur wenige hundert Meter lang, besitzt so gut wie keine Masse – ausgeschlossen, ihn zu orten. Durch die Interferenz der hochenergetischen Partikel sind fast alle Systeme ausgefallen.“
„Leute, wir sind sowas von am Arsch“, stöhnte Kakhulu.
„Die Quantenchromodynamik, kurz QCD, ist eine Quantenfeldtheorie zur Beschreibung der Wechselwirkung von Quarks und Gluonen, also den fundamentalen Bausteinen der Atomkerne und...“
„Stopp,“ unterbrach ihn Lars, spreizte die Beine und erwiderte: „Können wir es reparieren?“
„NEIN, unmöglich“, antwortete Tripod.
„Langsam, Freunde. Es gibt immer eine Lösung, lasst uns gemeinsam nachdenken.“
Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, bis sich ein dicker Kloß in seinem Hals bildete. Eiskalt lief es ihm über den Rücken, als er flüsterte: „Der Antrieb.“
„Verdammt, der Antrieb“, stöhnte Ubofa.
„Der Würfel hat kein Eindämmungsfeld mehr und wird uns bald schon um die Ohren fliegen“, sagte Lars so emotionslos wie möglich.
Die ausbrechende Panik verhinderte er damit nicht.
Biljka schlug die Hände vors Gesicht und weinte, Kakhulu setzte die Jagd auf Tripod fort und Ubofa jammerte und drehte sich im Kreis.
„Sei wie Picard, kühl und überlegt“, flüsterte Lars, straffte sich und handelte. Sanft nahm er Biljka in den Arm und schrie: „Schluss mit dem Scheiß, hört auf damit – sofort!“
Überrascht richteten sich alle Blicke auf ihn und er fuhr mit fester Stimme fort: „Wir werden nur überleben, wenn wir zusammenarbeiten. Es gibt immer eine Chance. Ubofa, du kennst dich mit Raumschiffen am besten aus.
Kümmere dich um das Lebenserhaltungs-System. Tripod, du checkst, ob es Notkapseln oder sowas Ähnliches an Bord gibt. Wenn ja, wo und wie wir hinkommen. Kakhulu, du bist doch Planetenfachmann. Suche uns einen Planeten, auf dem wir überleben. Biljka und ich versuchen herauszufinden, wo die Lebensmittel gelagert sind.“
Ohne Widerrede folgten alle Lars‘ Anweisungen.
Nach zwei Minuten sagte Tripod: „Es existiert ein kleiner Raumgleiter in einem der Frachträume. Der Rumpf ist an dieser Stelle stabil und das Transportmittel funktioniert vielleicht.“
Lars hob seinen Kopf und erwiderte: „Was meinst du mit klein und vielleicht?“
„Er fasst höchstens vier Personen. Und „vielleicht“ bedeutet, keine Ahnung, ob das Ding fliegt. Unsere Chancen stehen zwanzig zu eins, wenn dich das interessiert“, antwortete Tripod.
„Zwanzig Prozent ist gar nicht mal so übel. Okay, dann gehen wir zwei hin, schaffen Platz für alle und machen aus dem „vielleicht“ ein „funktioniert“.
Gibt es dort Luft und Licht?“
„Ich leite einen Teil der Restenergie um, aber es wird kalt, sehr kalt, und du musst auf dem Weg eine Atemmaske tragen“, antwortete Ubofa.
Biljka reichte ihm eine Maske, die sie gefunden hatte.
„Wenn ihr eure Aufgabe erfüllt habt, kommt nach und denkt an die Lebensmittel“, sagte Lars, küsste Biljka auf die Stirn und drehte sich zur Tür um.
„Das würde dir so passen, Mensch. Mit dem Blechding da einfach verschwinden, nur über meine Leiche. Und wer hat dich eigentlich zum Anführer ernannt?“, zischte Jaka im Türrahmen.
Lars schritt langsam, aber unbeirrt, weiter auf Jaka zu und blieb direkt vor ihr stehen. Er starrte ihr tief in die Augen, trotz des Größenunterschiedes, und flüsterte in gefährlichem Ton: „Wenn du zu unserer Rettung etwas Positives beizutragen hast, außer zu verschwinden oder mit jedem Streit anzufangen, dann nehme ich dich ernst. Ansonsten geh mir aus dem Weg.“
Damit hatte sie nicht gerechnet. Verblüfft trat sie zur Seite und blickte beschämt zu Boden.
Biljka schaute beeindruckt Lars hinterher, dann ergriff sie Jakas Hand und zog sie in einen Nebenraum voller Lebensmittel. Die Kisten waren beschriftet mit dem Namen von bekannten und unbekannten Spezies. Sie schnappten sich die Boxen der anwesenden Rassen und eilten zurück zu den anderen.
„Gefunden, der Planet passt“, sagte Kakhulu.
„Los, wir haben nicht mehr viel Zeit“, rief Ubofa und starrte auf die Kisten.
„Jaka, du trägst mich, dann transportieren wir die Lebensmittel auf meinem Board, los!“
„Okay“, erwiderte die Angesprochene, schulterte Ubofa und half mit, die Boxen auf das Board zu stapeln. Sie setzten sich die Masken auf und eilten durchs Treppenhaus zum Frachtraum.
„Raus damit!“, schrie Lars über den Lärm von Tripods Schweißgerät hinweg. Das nächstunnötige Teil wanderte krachend auf den Berg vor dem kleinen Shuttle.
„Scheiße, so winzig!“, stöhnte Kakhulu und schaute auf die ausgebauten Sitze.
„Ich fliege“, sagte Ubofa so selbstsicher, dass ihr keiner widersprach.
Festgeschnallt auf dem einzigen Sitzplatz, machte sie sich mit der Steuerung vertraut. Alle anderen beluden das Gefährt und zwängten sich anschließend in das Shuttle. Irgendwie fand jeder einen Platz.
„Luke zu, Ubofa!“, rief Lars.
Ihre vermeintliche Pilotin räusperte sich.
„Was?“, fragte Lars.
Ubofa antwortete: „Wir haben etwas Wichtiges vergessen!“
„Das Frachttor – scheiße!“, fluchte Lars.
„Ich hätte eine Idee“, sagte Jaka kleinlaut.
„Und die wäre?“, fragte Lars.
„Öffne die Luke des Transporters, dann schicke ich einen meiner Götterstäbe zu dem Frachtraumtor, um es zu sprengen.“
„Reicht es, um unsere Luke zu schließen?“
„Zeitlich, ja.“
„Keine Ahnung, wie deine Stäbe funktionieren. Aber ich vertraue dir.
Machen wir es so.“
Sie zwängte sich zur Luke, schnappte einen ihrer Götterstäbe, strich sanft darüber und hielt ihn vor sich. Mit geschlossenen Augen murmelte sie Laute, die einem Gebet glichen, und ließ den Stab los. Zur Überraschung aller schwebte er frei in der Luft. Jaka nickte, der Stab setzte sich in Bewegung nach draußen, auf die Frachtluke zu.
Ein Lichtblitz blendete alle, und Lars schrie: „Die Luke!“
Kakhulu drückte sich zu Jaka und half ihr, die Tür zu arretieren, als der Lärm und die Druckwelle das Frachtshuttle erreichten.
„Festhalten!“, schrie Ubofa.
Dann raste sie durch die gesprengte Öffnung ins All.
„Nix wie weg! Hier, die Koordinaten“, sagte Kakhulu.
Ubofa hatte recht schnell die Steuerung im Griff, und so flogen sie in die vorgegebene Richtung, als hinter ihnen ein Funkeln, gefolgt von einem grellen Blitz, die Umgebung erhellte. Keiner drehte sich um. Jedemwar klar, dass das Raumschiff nicht mehr existierte.
„Verdammt knapp“, sagte Lars, seufzte vor Erleichterung, verlor das Gleichgewicht und hielt sich an Jaka fest.
„Es wird ungemütlich, die Trümmer!“, schrie Ubofa und riss das Schiff nach links, um es anschließend steil in die Höhe zu steuern.
„Das wird eine wilde Fahrt“, lachte sie und flog ein magenuntaugliches Manöver nach dem anderen. Drei heftige Schläge schüttelten das Shuttle durch und ein Zischen erklang. Schlagartig war es vorbei, und alle atmeten erleichtert auf.
Lars fand zuerst seine Sprache wieder: „Kannst du das beenden?“
„Jepp“, antwortete Ubofa, und das Geräusch ebbte ab und verschwand. Still schwebte der Gleiter durch den Raum auf den Planeten zu, umringt von Trümmern.
„Bevor ich mich endgültig entspanne: Welche Herausforderungen liegen noch vor uns?“, fragte Lars, auf alles Mögliche gefasst.
„Das System des Shuttles ist nur für eine Person ausgelegt. Daher ist der Sauerstoff exakt in fünf Minuten und zwanzig Sekunden aufgebraucht“,
sagte Tripod.
„Die thermische Belastung beim Eintritt in die Atmosphäre wird gewaltig.
Ich bezweifle, dass wir das Manöver heil überstehen“, ergänzte Kakhulu.
„Wir brauchen zehn Minuten bis zur Landung auf dem Planeten!“, rief Ubofa.
Biljka schaute zu Lars.
Der grinste, schüttelte den Kopf, sah sie an und sagte: „Herausforderung angenommen.“
Alle sahen ihn fragend an, und er übernahm wieder das Kommando: „Jaka und Biljka, prüft die Atemmasken und verschafft uns mehr Luft zum Überleben. Tripod, errechne den günstigsten Eintrittswinkel.“
„Chef, das ist nicht so einfach.“
„Ist mir schon klar, aber wenn einer das berechnen kann, dann du. Wir wollen nicht herumhüpfen oder zurückgeschleudert werden.“
„Okay, Boss.“
„Kakhulu, wir kümmern uns um den Boden. Los geht’s, Freunde!“
Jeder versuchte, im eingeschränkten Bewegungsradius seine Aufgabe zu erfüllen.
„Eintrittswinkel 6,5° und voller Umkehrschub in 3, 2, 1…festhalten!“, schrie Ubofa über den aufkommenden Lärm hinweg.
Lars hoffte, dass die Verkleidungsteile, die sie auf dem Boden ausgelegt hatten, ausreichten.
‚1700 Grad‘, fiel ihm ein und er schluckte. Das Shuttle schüttelte sich. Lars gab das Zeichen nach oben zu schweben, weit weg vom Boden.
„Lebenserhaltung bei zehn Prozent“, brüllte Tripod.
Biljka hielt die Maske des Notsystems, das sie mit Jaka gefunden hatte, in der Hand. Sie würden sie reihum benutzen, bis der Sauerstoff aufgebraucht war. Die mitgebrachten Masken mit den Resten lagen griffbereit bei Ubofa.
„Es geht los“, schrie Ubofa, die mit allen vieren am Steuerpult hantierte.
Lars zeigte auf den Boden, der sich langsam aber sicher rot färbte. Kleine schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen, Zeit für die Maske! Biljka nahm den ersten Zug und reichte sie an ihn weiter. Erleichtert sog er die Luft in seine Lungen.
Jaka machte keine Anstalten, nach der Maske zu verlangen. Sie schwebte, versunken in ihre Meditation, mit geschlossenen Augen an der Decke. Die Zeit verrann viel zu langsam. Nach einer weiteren, unendlich zähen Minute glühte der Boden. Die Hitze erreichte den Pilotensitz.
Ubofa brüllte vor Schmerzen.
Lars drehte luftanhaltend den Kopf und hielt erschrocken inne, als er Biljka sah. Leblos, ohne die Maske, schwebte sie vor ihm.
„Nein!“, schrie er, doch kein Ton drang aus seinem Mund. Stattdessen mehrten sich die schwarzen Punkte rasend schnell und er verlor die Besinnung.
Jaka riss die Augen auf, sah Ubofa mit hängenden Armen in ihrem Sitz und die Planetenoberfläche auf das Raumschiff zurasen, dann verlor auch sie das Bewusstsein.
„Was für ein realistischer Traum“, stöhnte Lars und hielt sich den schmerzenden Schädel. Vorsichtig öffnete er sein linkes Auge und starrte in einen tiefschwarzen, wolkenlosen Nachthimmel, in dem etwas nicht stimmte.
„Zwei Monde? Fuck, doch kein Traum!“
Nach dem dritten Versuch saß er aufrecht. Den Brechreiz ignorierend, fühlte er in seinen Körper.
„Nichts Ernstes, Glück gehabt“, stöhnte er und bündelte seine Gedanken.
„Alles in Ordnung?“, fragte Tripod, der neben ihm stand.
„Bei mir, ja. Und bei dir, die Schaltkreise okay?“
„Na ja, ich war mächtig beschäftigt mit eurer Rettung. Die Selbsttests laufen noch.“
„Was ist mit den anderen, mit Biljka?“, unterbrach ihn Lars.
„Du bist der Erste, den ich aus dem Wrack geborgen habe – also, keine Ahnung.“
„Los, ich helfe dir“, erwiderte Lars, und rappelte sich in die Höhe.
„Ein „Danke“ wäre nett“, motzte Tripod.
„Deine Rettungsmedaille gibt es später“, sagte Lars und kotzte sich die Seele aus dem Leib.
„Igitt!“, fluchte Tripod und rollte rechtzeitig zur Seite.
Lars wischte sich mit dem zerfetzten Ärmel seinen Mund ab und drehte sich zu den Trümmern des Shuttles um, das keine drei Meter von ihm entfernt zwischen zwei Felsen lag. Aus der offenen Luke stieg weißer Rauch in die Höhe.
„Biljka!“, stöhnte Lars und schwankte auf die Öffnung zu, durch die Tripod verschwand. Dank der Leuchtkraft der beiden Monde erkannte er zuerst Kakhulu, der sich schüttelte und auf die Suche nach seiner Sonnenbrille machte.
Kopfschüttelnd sah Lars Jaka, die zusammengekrümmt am Boden lag.
Ubofa hing leblos in ihrem Pilotensitz, von Biljka keine Spur.
„Kakhulu, kümmere dich um Jaka, Tripod du befreist Ubofa und ich suche Biljka“, sagte Lars, drehte sich um und starrte auf das Chaos an Verkleidungsteilen und Kisten, das sich vor ihm auftat. Die Angst, dass ihr etwas Furchtbares zugestoßen war, schnürte ihm die Kehle zu. Immer schneller räumte er ein Teil nach dem anderen zur Seite. Da, endlich - ein Fuß! Keine zwei Sekunden später lag Biljka bewusstlos vor ihm. Behutsam hob er sie auf und verließ das Schiffswrack.
Vorsichtig legte er sie auf den Boden und suchte im Mondschein nach äußerlichen Verletzungen.
„Wie geht es ihr?“, fragte Jaka besorgt.
„Sie ist nicht bei sich. Reichst du mir bitte das Wasser?“
„Klar, hier.“
„Wie geht es dir?“
„Brummschädel, sonst alles in Ordnung.“
„Und Ubofa?“, fragte Lars und tröpfelte etwas Wasser auf Biljkas Mund.
„Jaka, hilfst du mir!“, rief Tripod.
„Geh, ich komme klar“, erwiderte Lars.
Die Pflanze auf Biljkas Körper hing leblos herab. Das saftige Grün war verschwunden.
„Wie eine ausgetrocknete Pflanze“, flüsterte er und tröpfelte etwas Wasser auf die Blätter an ihrem Hals.
„Bingo“, lächelte er und sah, wie sich die vertrockneten Blätter gierig auf die Feuchtigkeit stürzten. Dann erblickte er die Wunde an ihrem rechten Oberschenkel. Beim genaueren Hinsehen wurde ihm augenblicklich bewusst, wie Biljka mit ihrer Pflanze in Verbindung stand. Winzige Wurzeln traten aus ihrer braunen Haut heraus und verbanden sich zu Stängeln, an denen das Blattwerk herabhing. Er war so beeindruckt, dass ihm nicht auffiel, dass ihr Blut hellbraun aus der Wunde tropfte.