Quatsch-Opas unglaubliche Geschichten - Karlheinz Huber - E-Book

Quatsch-Opas unglaubliche Geschichten E-Book

Karlheinz Huber

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Beschreibung

Wer bestimmt eigentlich, dass Geschichten immer eine tiefgründige Botschaft übermitteln sollen, lehrreich sein oder einen Sinn ergeben sollen? Wäre es nicht lustig, einfach unsinnige und zum Teil total verrückte Geschichten zu erzählen? Ich finde, ja! Und genau so ein Buch hältst du in deinen Händen. Quatschopas zweiter Teil, mit weiteren 19 unglaublichen Erzählungen, werden dich garantiert erstaunen, und vor allem zum Lachen bringen. Und nun herzlich Willkommen zum zweiten Teil, und viel Spaß beim Lesen.

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Für Sabrina

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Flugangst

Die Schwarzfußindianer

Die rote Mary

Mensch ärgere dich nicht

Die Leseecke

Eis für Rico

Der Onkel aus Amerika

Wolke Nummer 07

Der Schlüsselbund

Papagei Kacka

Die Zaubertür

Die Wilden Kerle

Chaos auf dem Bauernhof

Flamingo Harald

Die beleidigte Leberwurst

Das besondere Einhorn

Die Glühwürmchen

Das Spiel der Spiele

Der Salamander

Nachwort

Vorwort

Herzlich willkommen zum zweiten Teil der Quatschopa-Reihe! Toll, dass du wieder da bist.

Eine schlechte Nachricht vorweg: Auch in diesem zweiten Teil wirst du keinen tieferen Sinn finden.

Lass dich einfach wieder gut unterhalten, und vor allem zum Lachen bringen.

Das ist und bleibt die Botschaft der Quatschopa-Reihe.

Lachen ist die beste Medizin!

Und nun viel Spaß, im wahrsten Sinne des Wortes.

Flugangst

„So, Quatschopa! Jetzt wird es Zeit für eine neue Geschichte“, rief David und ließ sich auf das Sofa neben seiner kleinen Schwester fallen.

„Heute habe ich eine komische Geschichte für euch.

Erst gestern bekam ich sie selbst erzählt und glaube sie immer noch nicht. Ich bin gespannt, was ihr dazu sagt“, erwiderte Opa und nahm in seinem Erzählsessel Platz.

„Ihr kennt doch Martin, meinen Freund von der Arbeit. Er war ja lange Jahre in China und hat dort viele Freunde. Daher fliegt er immer wieder in dieses Land. Diesmal wurde er zum Drachenbootfest eingeladen, denn er hat für seine Freunde ein Drachenboot konstruiert. Sie haben es nach seinen Plänen gebaut und wollten damit in diesem Jahr gewinnen.

Ja, David? Du musst dich nicht melden wie in der Schule. Ich erkläre es jetzt gleich: Das Drachenbootfest findet seit mehr als 2000 Jahren statt.

Die Chinesen feiern dann drei Tage lang, essen klebrige Reisknödel, und die Kinder bekommen hübsche Parfümbeutel umgehängt.

An einem Tag findet ein Rennen mit den Drachenbooten in verschiedenen Städten statt.

Ein Drachenboot sieht natürlich so aus wie ein Drache. Es ist 20 bis 30 Meter lang und es fahren 30 bis 60 Personen mit. Alle mit einem Paddel ausgerüstet. Das schnellste Boot wird geehrt.“

„Cool, ein Wettrennen“, sagte Magdalena.

„Und, hat das Boot von Martin gewonnen?“, fragte David.

„Hm, ehrlich gesagt weiß ich es nicht mehr. Seine Geschichte war so verwirrend, da habe ich das Drachenboot völlig vergessen. Aber hört selbst:

- – -

‚Endlich ist es soweit. Mein Boot wird in Hongkong in See stechen und vielleicht sogar gewinnen‘, dachte Martin und checkte am Flughafen Frankfurt ein. Stolz zeigte er sein Ticket, das ihm seine Freunde geschickt hatten. Erster Klasse, mit allem Luxus auf dem Zwölfstunden-Flug.

Mit geschwellter Brust bestieg er den Flieger und wurde von einer freundlichen Stewardess in die erste Klasse geführt.

Neugierig schaute er sich um und entdeckte einen Platz, der dreimal so groß wie seiner war.

Wissbegierig fragte er: „Da braucht aber jemand sehr viel Platz?“

„Ja, für diesen ganz besonderen Gast benötigt man mehr Platz als gewöhnlich“, antwortete die Stewardess und verschwand mit einem Lächeln im Gesicht.

Ich machte es mir bequem, was nicht so einfach war.

Die Bedienung der vielen Knöpfe erforderte mehr Verstand als gedacht.

Irgendwann hatte ich die richtige Position gefunden, und nach einem Glas Sekt hob sich das Flugzeug in die Luft. Eine leichte Mahlzeit später begab ich mich in die Liegeposition und schlief ein.

Nach zwei Stunden weckte mich ein rumpelndes Geräusch. Nachdem ich mir den Schlaf aus den Augen gerieben hatte, sah ich etwas, was nicht möglich sein konnte – aber es war da! Genau vor meinen Augen! Zuerst blinzelte ich, dann zwickte ich mich - spätestens jetzt war ich hellwach.

Mit zitternden Fingern führte ich meine Hand zum Rufknopf und betätigte ihn. Die Stewardess erschien in meinem Blickfeld und ich stotterte: „Daaaaa, daaa -ein Drrraaache.“

Dabei zeigte ich auf den viel größeren Sitz vor mir.

„Bleiben Sie ruhig, es gibt nichts zu befürchten.

Herr Drache aus Deutschland ist schon öfter mit uns geflogen. Entspannen Sie sich, mein Herr“, sagte die Stewardess freundlich.

„Aber das ist doch nicht normal“, stammelte ich, und ein Schauer lief mir über den Rücken.

Plötzlich drehte sich der Drache zu mir um, öffnete sein Maul und sagte: „Entschuldigen Sie, wenn ich Sie erschreckt habe. Ich weiß, dass Drachen normalerweise selbst fliegen. Wissen Sie, ich leide unter Flugangst.“

Kleine Rauchwölkchen krochen aus seiner Kehle und sein Maul verzog sich zu einem Grinsen.

„Ich bin verwundert“, sagte ich zu ihm, ohne bemerkt zu haben, dass die Stewardess gegangen war.

„Das ist mir schon klar, aber Sie brauchen keine Angst zu haben. Die Zeit des Fürchtens, was Drachen betrifft, ist lange vorbei. Natürlich muss ich trotzdem inkognito reisen. Ach, es gibt so viele Verrückte auf dieser Welt. Vor Jahren wollte einer meinen Kopf als Trophäe haben.“

„Dann haben Sie ihm doch nicht etwa seinen Kopf...“

„Nein, nein. Ich habe ihn mit Worten überzeugt.

Gewalt ist in der heutigen Zeit nicht mehr nötig. Es war übrigens ein bekannter Regisseur aus Hollywood.

Er hat dann einen Film über Drachen herausgebracht.

Ich glaube, er hieß „Eliot, der Drache“ - oder so ähnlich.“

„Aber warum fliegen Sie nicht selbst? Und wohin wollen Sie überhaupt?“, fragte ich ihn.

Er antwortete: „Wie gesagt, ich habe Flugangst, schon seit meiner Kindheit. Das hat mir viele Probleme bereitet. Mein Ziel ist Hongkong.

Dort wohnt ein Onkel dritten Grades, den wir ab und an besuchen. Meine Frau ist mit den beiden Kindern schon vorgeflogen. Wir treffen uns dann dort.“

„Ihre Frau und die Kinder?“, stammelte ich.

Er sagte: „Wissen Sie was? Ich erzähle Ihnen einfach die ganze Geschichte, wir haben ja Zeit.“

Nachdem wir beide einen Schluck Wasser getrunken hatten, erzählte der Drache: „Ich wurde als zweitältester Sohn im Pfälzer Wald geboren. Wie es bei uns Drachen üblich ist, dauert es sehr lange, bis wir aus dem Ei schlüpfen. Nach einer kurzen Zeit des Behütens durch die Eltern müssen wir rasch alleine zurechtkommen.

Mein älterer Bruder Smaug flog nach Mittelerde zum einsamen Berg.

Das liegt direkt neben Mordor und diesem Feuerberg.

Ich habe ihn einmal besucht. Mann, ist es dort heiß.

Das ist nix für mich.

Meine Schwester Hydra ist ein ganz besonderer Drache.

Sie hat neun Köpfe! Können Sie sich vorstellen, wie lange sie benötigte, um sich am Morgen fertig zu machen? Neun Frisuren, achtzehn Augen und neun Münder – fürchterlich!

Meine Eltern bemerkten schnell, dass bei mir etwas nicht stimmte. Trotz der Flügel in ausreichender Größe konnte ich einfach nicht fliegen.

Egal, was sie auch probierten, es klappte nicht. Einmal schubste mich mein Bruder von einem Felsen namens Teufelstisch. Doch ich flog nicht. Stattdessen brach ich mir ein Bein!

Nachdem meine Schwester und mein Bruder weiterzogen, kam der Tag des Abschieds von meinen Eltern auch für mich. Sie gaben mir den Rat, mich zu verstecken und von den Menschen fernzuhalten, was ich viele Jahrhunderte tat. Aber sie wissen ja, wie Menschen sind: Sie schrecken vor nichts zurück.

Gut, ich muss gestehen, wir Drachen sind sehr neugierige Wesen.

Jedenfalls wurde ich irgendwann entdeckt und Männer in Blechkleidern, die sich tapfere Ritter nannten, besuchten mich. Ich kann Ihnen sagen, da waren einige Feiglinge dabei. Spätestens wenn ich mit Feuerspucken anfing, rannten sie alle davon.

Vielleicht kennen Sie ja einen gewissen Siegfried?

Das war ein tapferer Ritter, und er war klug.

Wir vereinbarten einen Handel. Ich machte ihn unverwundbar und er gab mir einen Schatz. Er nannte ihn immer den Nibelungenschatz. Warum, weiß ich nicht. Leider habe ich ihn nach unserem Handel nicht mehr gesehen. Der Schatz kam mir gelegen. Noch heute bezahle ich davon die Tickets für das Fliegen.

Irgendwann hatte ich von der Pfalz genug und begab mich auf Wanderschaft. In einem Land, das man Griechenland nannte, lernte ich meine Frau kennen.

Sie bewachte das Orakel von Delphi, was ein unglaublich langweiliger Job war. Sie freute sich so sehr über meine Bekanntschaft, dass wir noch am selben Tag heirateten und sie mit mir auf Wanderschaft ging.

Natürlich bemerkte sie, dass ich nicht fliegen konnte, und ging mit mir zu einem Psychologen.

Es dauerte etwas, bis sich der Herr an mich gewöhnt hatte. Irgendwann packten wir das Problem an. Seine Prognose lautete „Flugangst“. Ich könnte also, wenn ich wollte, fliegen. Aber es geht nicht! Eines Tages berichtete meine Tochter von silbernen Maschinen, die am Himmel flogen.

Das war in der Zeit, als sie Austauschschülerin in Schottland war. Lustigerweise wurde sie beim Baden in einem schottischen See gesehen und plötzlich suchten alle nach Nessi, dem Drachen aus Loch Ness.

Wir hatten damals noch keinen Namen, also tauften wir sie Nessi. Ab und an ärgert sie die Menschen und fliegt zum Baden an den See. Ach ja, ein lustiges Kind!

Aber zurück zu mir. Sie sah das Objekt und studierte mit mir zusammen die immer mehr werdenden Blechkisten am Himmel.

Eines Tages sagte sie: „Vater, jetzt sind sie groß genug.

Da könntest du mitfliegen, ohne selbst zu fliegen.“

Ja, und so kam ich in ein Flugzeug. Beim ersten Mal war es nicht leicht für die Menschen.

Aber als ich mit Gold und Silber bezahlte, wurden die Probleme kleiner. Wenn Sie verstehen, was ich meine!

Jetzt haben sie sich an mich gewöhnt.

Übrigens, meinen Sohn kennen Sie bestimmt auch. Er spielt die Hauptrolle im Film Mulan. Sein Name ist Mushu, und er ist wirklich witzig, nicht nur im Film.“

„Gute Kinder sind viel wert“, antwortete ich.

„So, nun habe ich Sie die ganze Zeit mit meinem Geschwätz gelangweilt. Wir sollten noch eine Runde schlafen, um die Zeitumstellung besser zu verkraften“, sagte der Drache, drehte sich um, zog die Decke über den Kopf und schnarchte.

Ich lehnte mich zurück, und mir fielen die Augen zu.

Ich träumte von Fuchur, dem Drachen aus der unendlichen Geschichte.

Ich erwachte, nachdem das Flugzeug schon gelandet war. Als letzter Gast an Bord wurde ich gebeten aufzustehen. Verwundert schaute ich zu dem übergroßen Sitz vor mir, doch der Drache war nicht mehr zu sehen.

Hatte ich das etwa alles nur geträumt?

„Entschuldigen Sie, ist dort ein Drache mit uns geflogen?“, fragte ich die Stewardess.

„Vielleicht“, antwortete sie, zwinkerte und lief nach draußen.

- – -

„Eine lustige Geschichte“, sagte Magdalena.

David fügte hinzu: „Er hat bestimmt nur geträumt.“

„Wer weiß?“, erwiderte Quatschopa.

„Martins Boot hat das Rennen gewonnen. Er hat es dir gerade geschrieben“, sagte Oma, mit dem Handy in der Hand.

ENDE

Die Schwarzfußindianer

„Und, hast du das Buch „Blutsbrüder“ zu Ende gelesen?“, fragte Quatschopa seinen Enkel David.

„Hab ich, und es hat mir gut gefallen.“

„Das freut mich“, antwortete Quatschopa, während Magdalena ins Wohnzimmer sauste.

„Du hast da was im Mund“, sagte David.

Magdalena pulte sofort mit ihren Fingern im Mund herum, bis David lauthals lachte: „Eine Zunge, Schwesterchen, eine Zunge!“

„Na warte, das zahle ich dir heim“, rief Magdalena und ging ins Bad, um sich ihre Hände zu waschen.

Nachdem sie die Hände sorgfältig abgetrocknet hatte, ließ sie sich auf die Couch plumpsen und sagte:

„Opa, eine Geschichte bitte.“

„Okay, bleiben wir doch einfach bei den Indianern.“

„Prima, Indianer mag ich“, antwortete Magdalena.

Opa fuhr fort: „David, in dem Buch geht es doch auch um die Blackfoot-, also die Schwarzfußindianer – oder?“

„Ja, und wenn ich mich recht daran erinnere, haben sie ihren Namen, weil die Asche der verbrannten Wiesen ihre Fußsohlen schwarz färbten, da sie zu dumm zum Reiten waren“, antwortete David stolz.

„Besserwisser“, fauchte Magdalena.

„Nein, David hat recht. Zumindest steht es so in dem Buch. Es gibt aber noch eine andere Geschichte, wie sie zu ihrem Namen kamen“, erwiderte Quatschopa und erzählte:

- – -

„Der Stamm der Siksika lebte südwestlich der heutigen Stadt Calgary in Kanada. Im Westen reckte sich das Gebirge Rocky Mountains in die Höhe.

Ansonsten umgab sie Steppe und endlose Wälder. Sie lebten friedlich vom Jagen, Fischen und dem Sammeln von Beeren und Kräutern.

Ihre Feinde, die Crow-Indianer, lebten weiter im Süden. Warum sie sich nicht leiden konnten, wusste keiner mehr so genau. Die Krähe war bei den Siksika verpönt und ein nicht gern gesehener Gast. Vielleicht ist das der Grund gewesen, denn Crow bedeutet nichts anderes als Krähe. Jedenfalls ließen sie sich gegenseitig lange Zeit in Ruhe. In der Steppe war genug Platz für alle.

Eines Tages entdeckten die Siksika ein ganz besonderes Tal. Es war der schönste Fleck auf Erden, den es gab. Dort ließen sie sich nieder.

Ein Paradies, das Manitu höchstpersönlich für sie alleine erschaffen hatte.

Eines Morgens stand der Häuptling Großer Bär auf und schlüpfte in seine Mokassins. Verschlafen hob er seinen Fuß an, um aus dem Tipi zu gehen, doch etwas Seltsames passierte. Schlagartig fiel er der Länge nach zu Boden. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaute er zu den Mokassins, in die er geschlüpft war.

Wutentbrannt schrie er: „Segenam, sofort zu mir!“

Aber niemand kam. Langsam rappelte er sich auf und löste die Knoten, mit denen seine Mokassins zusammengebunden waren.

„Wenn ich dich erwische!“, fluchte er.

„Was ist denn?“, fragte seine Gatti, Blaue Blume.

„Unser Sohn hat mir schon wieder einen Streich gespielt.“

„Was hat er denn getan?“

„Meine Schuhe zusammengebunden - hör auf zu lachen! Einem Häuptling spielt man keine Streiche.

Das muss endlich aufhören.“

„Du hast ihn schon genug geärgert, als du ihm seinen Namen gegeben hast. Du weißt ja, dass Segenam faul bedeutet.“

„Er vereint die drei schlimmsten Übel: Er ist dumm, feige und faul.“

„Er war schlau genug, frühzeitig das Dorf zu verlassen“, antwortete Blaue Blume, drehte sich um und ließ ihren Mann mit seinem Groll alleine.

Zwei Tage später erschien der Medizinmann beim Häuptling. Wütend schritt er in das Tipi und schrie:

„Ich habe genug von deinem Sohn.“

Großer Bär verdrehte nur die Augen und wartete auf die nächsten Worte: „Er hat sich ein Bärenfell übergezogen und im Tipi versteckt. Als mein Bruder mich besuchte, sprang er aus seinem Versteck. Wir haben uns so erschrocken, dass uns fast das Herz stehenblieb. Das geht so nicht weiter. Deinem missratenen Sohn fehlt es an Erziehung, Respekt und Anstand“, geiferte der Medizinmann.

„Langsam, langsam. Du weißt genau, dass wir schon alles versucht haben. Aber es scheint, dass der Geist Koshares in ihm weilt.“

„Du meinst, der heilige Clown befindet sich in ihm?“

„Medizinmann, sag du es mir, das ist dein Spezialgebiet.“

„Ich werde die Götter befragen, Häuptling“, erwiderte der Medizinmann und stampfte aus dem Tipi.

Kopfschüttelnd verließ Großer Bär sein Zelt und schritt zum Hauptlagerfeuer.

Zwei Krieger beschimpften sich gegenseitig. Sie hörten damit auf, als sie ihren Häuptling sahen.

„Was ist los, Krieger?“, fragte Großer Bär.

„Mein Tipi ist heute Morgen zusammengebrochen.

Ich bin mir sicher, dass es Kalter Hund war.“

„Häuptling, ich war es nicht. Aber ich habe gesehen, wer die Hölzer lockerte.“

„Dann sag es einfach“, meinte der Häuptling.

Doch der Krieger starrte beschämt zu Boden.

Großer Bär seufzte und sagte: „Es war Segenam?“

„Ja, Häuptling“, antwortete der Krieger.

Mit hängenden Schultern ging Großer Bär zurück.

Ihm war klar, dass er etwas unternehmen musste.

Nach dem Fest heute Abend würde er mit seinem Sohn reden. Er nahm sich vor, ihn notfalls zu verbannen.

Das Fest steuerte auf seinen Höhepunkt zu. Die Tänze zum Dank der Ernte und die Musik dazu verklangen.

Frauen reichten den Männern kleine Schalen aus Ton.

In ihnen befand sich Chili con Carne, ein scharfes Fleischgericht.

Nachdem es sich alle gemütlich gemacht hatten, gab der Häuptling das Zeichen und sie aßen gemeinsam.

Großer Bär nahm einen Löffel voll und kaute genüsslich auf den Fleischstücken. Er war scharfes Essen gewohnt, doch irgendetwas stimmte nicht!

Nach dem dritten Löffel setzte er die Schale ab und drehte sich zu seinem Sitznachbarn um, dem Medizinmann.

Er öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch seine Zunge versagte ihm den Dienst. Verwundert schaute er sich um und erkannte, dass es nicht nur ihm so erging.

„Der Speise wurde eine kräftige Portion Chilipulver hinzugefügt. Jeder, der davon aß, hat eine taube Zunge“, flüsterte Blaue Blume in das Ohr ihres Gatten.

Er sah sie fragend an, und sie antwortete: „Es war unser Sohn, Segenam. Er wurde erwischt.“

Dabei lief ihr eine Träne aus dem Auge.

Zwei Krieger schleppten den Jungen zum Lagerfeuer.

Großer Bär stand auf, öffnete den Mund, doch es kamen keine verständlichen Worte heraus.

Es sollte noch mehr als zwei Stunden dauern, bis er wieder normal sprechen konnte.

„Das war eines Häuptlingssohnes nicht würdig.

Hiermit verbanne ich dich. Verlasse das Dorf sofort, ohne etwas mitzunehmen. Sorge selbst für dich.

Manitu möge dich beschützen und mit Weisheit überschütten. Geh nun und verlasse uns für immer.“

„Es tut mir leid, Vater“, stammelte Segenam.

Doch es war zu spät für seine Einsicht. Alle Anwesenden zeigten mit dem Finger auf ihn und er schlich aus dem Dorf.

Am Waldrand, mit Blick auf sein Dorf, schlug er sein Lager auf. Er hatte Mühe zurechtzukommen. Für Streiche hatte er gar keine Zeit mehr.

Zum ersten Mal musste er Verantwortung übernehmen und für sich selbst sorgen. Schnell wurde ihm klar, dass er es übertrieben hatte, doch es gab kein Zurück!

Er lebte ein Jahr in der Wildnis, als ihm eines Tages etwas auffiel: An seiner Wasserquelle fand er Pferdespuren.

Verwundert legte er sich auf die Lauer. Er musste nicht lange warten, bis die Besitzer der Pferde eintrafen.

„Das sind die zwei letzten unserer zweihundert Pferde, die wir tränken müssen“, sagte einer der Indianer.

„Ja, und morgen geht es los. Alle Krieger der Siksika sind seit gestern auf der großen Büffeljagd. Es wird ein Leichtes sein, das Dorf zu plündern“, erwiderte der andere.

Segenam erschrak und unterdrückte einen Aufschrei.

Die Crow-Indianer würden morgen sein Dorf überfallen! Er musste etwas unternehmen – doch was?

Immerhin war er ja verbannt.

Erleichtert, nicht erwischt worden zu sein, brach er vorsichtig zu seinem Lager auf. Auf dem Weg dorthin hatte er eine Idee!

Mit nackten Füßen stampfte er in der kalten Asche seines erloschenen Lagerfeuers. Mit schwarzen Füßen und einem Beutel, gefüllt mit Asche, begab er sich auf den Weg zurück zur Wasserstelle.