25 Jahre Konzil der Universität Rostock 1990-2015 - Krüger Kersten - E-Book

25 Jahre Konzil der Universität Rostock 1990-2015 E-Book

Krüger Kersten

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Beschreibung

Das Konzil der Universität Rostock beging am 25. November 2015 in einer Jubiläumssitzung sein 25jähriges Bestehen. Im Jahr 1990 als Außerordentliche Konzil aus freien Wahlen mit weit über 300 Mitgliedern hervorgegangen, war es als akademisches Parlament der Universität Träger der Hochschulerneuerung. Noch bevor es einen neuen rechtlichen Rahmen der Regierung gab, setzte das Konzil in friedlicher Revolution Marksteine auf dem Weg zur Wiedergewinnung der Freiheit von Forschung, Lehre und Selbstverwaltung. Die während der Jubiläumssitzung gehaltenen Reden werden im vorliegenden Band veröffentlicht. Fünf Zeitzeugen berichten über ihre Erfahrungen im und mit dem Außerordentlichen und dem danach fest etablierten Konzil: Präsidenten und Stellvertretende Präsidenten des Konzils sowie Rektoren und die Studentische Vertreterin des Jahres 2015. Die dramatischen Anfänge der Hochschulerneuerung von 1989 bis 2004 werden in einem ergänzenden Beitrag zu den ersten Jahren der inneruniversitären Erneuerung beleuchtet.

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Inhalt

Vorwort

Brigitte Vollmar

Begrüßung und Eröffnung

Gerhard Hennighausen

25 Jahre Konzil und 25 Jahre Universitätsverfassung

Walter Wild

Das Konzil von 1991 bis 2004

Wolfgang Schareck

Das Konzil von 2004 bis 2008

Andreas Wree

Rückblick auf drei Konzilsamtsperioden von 2008 bis 2014

Günther Wildenhain

Hochschulpolitik und Konzil

Juliane Schwarz-Ladach

Schlusswort

Daniel Lehmann und Kersten Krüger

Die Universität Rostock im Umbruch 1989-1994

Vortragende am 25. November 2015 von links nach rechts

Prof. Dr.

Günther Wildenhain Rektor 1998-2002

Prof. Dr.

Wolfgang Schareck Rektor Präsident des Konzils 2004-2008 Juliane Schwarz Vizepräsidentin des Konzils

Prof. Dr.

Brigitte Vollmar Präsidentin des Konzils

Prof. Dr.

Walter Wild Präsident des Konzils 1991-2004

Prof. Dr.

Gerhard Hennighausen Vizepräsident des Außerordentlichen Konzils 1990-1991

Prof. Dr.

Andreas Wree Präsident des Konzils 2008-2014

Vorwort

Das Konzil der Universität Rostock beging am 25. November 2015 in einer Jubiläumssitzung sein 25jähriges Bestehen. Dazu hatte es allen Anlass, denn das 1990 aus freien Wahlen mit weit über 300 Mitgliedern hervorgegangene noch Außerordentliche Konzil war als akademisches Parlament Träger der fälligen Hochschulerneuerung. Jahrzehnte akademischer Unfreiheit unter der Herrschaft des sogenannten demokratischen Zentralismus von Partei- und Staatsmacht mit dem Grundsatz der Einzelleitung (in der vorangegangenen Diktatur hieß es Führertum – so Carl Schmitt – oder Führerprinzip) in allen Bereichen der Universität hatten das Streben nach Selbstbestimmung in akademischer Freiheit nicht auslöschen können. Noch bevor es einen neuen rechtlichen Rahmen der Regierung gab, setzte das Konzil in friedlicher Revolution Marksteine auf dem Weg zur Wiedergewinnung der Freiheit von Forschung, Lehre und Selbstverwaltung: Abschied vom Namen Wilhelm-Pieck-Universität als Symbol der Diktatur und Rückkehr zur Universität Rostock als nicht von einer Einzelperson dominierte Institution der Gelehrtenrepublik; freie Wahl des Rektors und der Prorektoren durch das Konzil; Erarbeitung und Verabschiedung einer neuen Universitätsverfassung – um nur die wichtigsten zu nennen. Selbst wenn das Konzil inzwischen mit 66 Mitgliedern schlanker geworden ist und viele Dinge in erfahrener Routine erledigt, verdienen diese aus eigener Kraft erreichten Innovationen Dokumentation und bleibende Erinnerung. Daher werden die während der Jubiläumssitzung gehaltenen Reden im vorliegenden Band veröffentlicht, ergänzt mit einem Beitrag zu den ersten Jahren der inneruniversitären Erneuerung.

Nach der Eröffnung der Sitzung des Konzils durch die Präsidentin, Brigitte Vollmar, am 25. November 2015 berichteten fünf Zeitzeugen über ihre Erfahrungen im und mit dem Außerordentlichen und dem danach fest etablierten Konzil. Gerhard Hennighausen, von 1990 bis 1991 stellvertretender Vorsitzender des Präsidiums des Außerordentlichen Konzils, gab einen Rückblick über 25 Jahre der Aktivitäten des Konzils. Walter Wild, langjähriger, geradezu legendärer Präsident des Konzils von 1991 bis 2004, berichtete über die wichtigsten Ereignisse und Beschlüsse während seiner Amtszeit. Wolfgang Schareck, sein Nachfolger von 2004 bis 2008 – danach Rektor –, skizzierte die weitere Entwicklung des Konzils in dieser Zeit. Auf ihn folgte Andreas Wree in den Jahren von 2008 bis 2014; er hob die wichtigsten Ergebnisse in der Arbeit des Konzils hervor. Gewissermaßen in der Perspektive von außen berichtete Günther Wildenhain – als Abteilungsleiter im Kultusministerium von 1991 bis 1993 und Rektor der Universität Rostock von 1998 bis 2002 – über seine Erfahrungen mit dem Konzil. Den Schlusspunkt setzte die amtierende Vizepräsidentin des Konzils, Juliane Schwarz, mit einem Schlusswort aus Sicht der Studierenden.

Die Vortragenden werden einleitend gemeinsam auf einem Bild vorgestellt, einzeln am Beginn ihrer Beiträge mit Porträts, die während ihrer Rede entstanden. Es folgen jeweils eine Kurzvita und eine Auflistung ihrer wichtigsten Ämter in der akademischen Selbstverwaltung, Mitgliedschaften und Ehrungen. Die Texte der Reden beruhen auf den Entwürfen – digital oder handschriftlich überliefert – sowie einem Tonmitschnitt. Die Druckfassung wurde vom Herausgeber erstellt und von den Vortragenden ergänzt sowie autorisiert. Die in den Reden erwähnten Personen sowie einige Sachverhalte sind kommentierend in Nachschlagewerken – überwiegend elektronischen – nachgewiesen. Die für letztere maßgeblichen Sprungmarken oder Links führen in der elektronischen Version dieses Buches direkt durch Klick zur Belegstelle. Aus der Druckversion führt die Eingabe der Namen schneller zum Ziel als die Eingabe der langen Internetadressen.

Die Rednerinnen und Redner mussten sich angesichts begrenzter Zeit auf das nach ihrer Auffassung Wesentliche konzentrieren. Lücken waren unvermeidlich Daher erschien es angebracht, einen ergänzenden Aufsatz an dieser Stelle mit zu veröffentlichen, der die dramatischen Anfänge der Hochschulerneuerung von 1989 bis 1994 zum Gegenstand hat. Darin spielt das Außerordentliche Konzil die Hauptrolle. Die Studie wurde vom Herausgeber zusammen mit seinem ehemaligen Studenten, Daniel Lehmann, verfasst. Sie beruht hauptsächlich auf den unveröffentlichten Sitzungsprotokollen des Konzils, die noch nicht an das Universitätsarchiv abgeliefert sind, sondern sich in der Registratur des Rektorates befinden. Für die Genehmigung zur Einsichtnahme sei auch an dieser Stelle gedankt; sie diente wissenschaftlichem Erkenntnisfortschritt.

Im Rückblick auf 25 Jahre Erfolgsgeschichte des Konzils der Universität Rostock schließt sich der Herausgeber gern allen Glückwünschen für die Zukunft an: weiterhin viel Erfolg und eine glückliche Hand bei der Gestaltung der Universität Rostock durch das akademische Parlament.

Rostock, im Dezember 2016

Kersten Krüger

Prof. Dr. Brigitte Vollmar

Vita Brigitte Vollmar

Brigitte Vollmar kam aus dem Süden Deutschlands in den hohen Norden nach Rostock. Sie ging in Memmingen im Allgäu zur Schule und legte dort 1981 das Abitur ab. Danach begann sie das Studium der Chemie an der Universität Erlangen-Nürnberg, wechselte jedoch 1982 zur Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Dort legte sie 1984 die Ärztliche Vorprüfung ab, in den folgenden Jahren bis 1988 die drei Abschnitte der Ärztlichen Prüfung. Als Ärztin im Praktikum arbeitete sie anschließend an der Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Universität München und erhielt hier ihre Approbation im Jahr 1990. Als Stipendiatin der Dr. Johannes Heidenhain-Stiftung konnte sie eigene Forschungen durchführen und diese während eines wissenschaftlichen Forschungsaufenthalts in den USA am Department of Anesthesiology, College of Medicine, University of Arizona (Tucson, AZ) vertiefen. Im Jahr 1991 promovierte sie zum Dr. med. an der Universität München mit einer Untersuchung zur „Enzym- und Mediatorfreisetzung bei experimenteller Pankreatitis“.

Von 1991 bis 1994 arbeitete Brigitte Vollmar als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Chirurgische Forschung der Universität München und leistete zugleich Bereitschafts-, Nacht- und Wochenenddienste an der Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Universität München. Beruflicher Wechsel ergab sich 1994 durch Annahme einer Stelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie der Universität des Saarlandes an den Universitätskliniken Homburg/Saar. Hier erreichte Brigitte Vollmar 1996 die Habilitation zum Dr. med. habil. auf dem Gebiet der Experimentellen Chirurgie. Der Titel der Arbeit lautete: „Die Mikrozirkulation der Leber nach Ischämie/Reperfusion und Endotoxinämie. Eine in vivo Analyse mikrohämodynamischer, zellulärer und molekularer Mechanismen“. Im gleichen Jahr erhielt sie einen Ruf auf eine Professur für Chirurgische Forschung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, den sie jedoch ablehnte und an der Universität des Saarlandes blieb. Hier wurde sie am Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie zur Oberassistentin ernannt und übte zugleich die Funktion der Stellvertreterin des Direktors aus.

Von 1998 bis 2002 ermöglichte ihr ein Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft vertiefende Profilierung durch einen Wissenschaftlichen Forschungsaufenthalt in den USA am Center of Blood Research, Surgical Research Laboratories der Harvard Medical School, in Boston. In dieser Zeit wurde sie im Jahr 2000 zur Außerplanmäßigen Professorin für Experimentelle Chirurgie an der Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes in Homburg/ Saar ernannt.

Im Jahr 2002 erhielt Brigitte Vollmar zugleich Berufungen auf Professuren für Experimentelle Chirurgie an der Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg sowie der Universität Rostock. Die Entscheidung fiel zugunsten von Rostock. Hier ist sie seit 2002 Direktorin des Instituts für Experimentelle Chirurgie an der Medizinische Fakultät. Die hiesigen Arbeitsbedingungen erlaubten es, weitere Berufungen abzulehnen, so 2005 auf die Professur für Chirurgische Forschung an der Philipps-Universität Marburg und 2014 auf die Professur für “Laboratory Animal Research” an der Medizinischen Universität Wien.

Brigitte Vollmar, Dezember 2016.

Akademische Selbstverwaltung und Mitgliedschaften

Seit 2002

Institutsdirektorin und Leiterin der Serviceeinrichtungen „Zentrale Versuchstierhaltung“ und „Multimodale Kleintierbildgebung“

Seit 2002

Mitglied der Forschungskommission, Medizinische Fakultät

Seit 2003

Mitglied des Fakultätsrates

2004–2006

Prodekanin für Forschung und Wissenschaftsentwicklung

2012–2014

Mitglied der Senatskommission Forschung, Wissenschaftstransfer und wissenschaftlicher Nachwuchs

2007–2009

Präsident der European Society for Surgical Research (ESSR)

2008–2010

Fachkollegiatin der DFG, Interdisziplinäre Sektion ’Medizintechnik’

2008–2010

Fachkollegiatin der DFG, Sektion ’Entzündungsforschung’

Seit 2008

Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer

Seit 2010

Mitglied des Senats- und Bewilligungsausschuss für Graduiertenkollegs der DFG

Seit 2010

Mitglied des Exploratory Research Board der International AO Foundation

Seit 2010

Mitglied des AcademiaNet, Internetportal Für herausragende Wissenschaftlerinnen, Robert-Bosch-Stiftung

Seit 2011

Mitglied der Leopoldina, Nationale Akademie der Wissenschaften

Seit 2012

Editor-in-Chief, European Surgical Research

2013

Mitglied der Senatskommission der DFG für Grundsatzfragen in der klinischen Forschung

Seit 2014

Mitglied, Advisory Board, International Graduate School of Neuroscience, Ruhr-Universität Bochum

Seit 2014

Präsidentin des Konzils der Universität Rostock

Seit 2015

Vorsitzende, Sektion Chirurgische Forschung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Seit 2015

Vorsitzende, Lehrstuhlkonvent für Chirurgische Forschung

Seit 2016

Obperson (Sektion 17 – Chirurgie, Orthopädie und Anästhesiologie) und Senatorin der Leopoldina, Nationale Akademie der Wissenschaften

Catalogus Professorum Rostochiensium, URL: http://purl.uni-rostock.de/cpr/00000660 (28.09.2016)

Begrüßung und Eröffnung

Brigitte Vollmar

Sehr geehrte Mitglieder!

Sehr geehrte Universitätsleitung: Magnifizenz, Prorektoren!

Sehr geehrter Herr [Kanzler] Tamm!

Sehr geehrter Herr Altkanzler!

Sehr geehrter Herr Senatsvorsitzender!

Sehr geehrte Senatoren, Ehrensenatoren, Ehrengäste!

Sehr geehrte Altvizepräsidentinnen und –präsidenten!

Wir freuen uns speziell über Ihr Kommen! Sehr geehrte Altpräsidenten, sehr geehrte Gäste und Freunde unserer Universität! Es ist mir persönlich eine außerordentliche Freude und auch Ehre, Sie zu dieser Sitzung begrüßen zu können. Die Sitzung wird einen Rückblick auf diese 25 Jahre Konzilstätigkeit geben und auch die Wirkungen und Herausforderungen der turbulenten Postwendezeit schildern.

Heute und jetzt, 25 Jahre später, stehen wir vor ganz anderen, aber wahrscheinlich nicht weniger großen Herausforderungen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier1 beschreibt seinen Vortrag von heute Abend: „Die Welt ist aus den Fugen und wir befinden uns in stürmischen Zeiten.“ Es sind zum einen die unverändert anhaltenden Flüchtlingsströme mit Menschen, die aufgrund von Terror und Zwang, Ungerechtigkeiten, aber vor allem auch von Perspektivlosigkeit sich gezwungen sehen ihre Heimat zu verlassen und in der Fremde Zuflucht zu suchen; es ist zum anderen der uns gleichermaßen bedrohende willkürlich auf die Zivilbevölkerung ausgerichtete Terror in Europa des Islamischen Staates,2 der unter Missbrauch der Religion, aber auch unter Missachtung jedweder völkerrechtlichen Verabschiedung jenseits aller Grenzen aus meiner Sicht total agiert. Ich denke, es gab für die Situation 1989/1990 für die Annäherung Ost und West keine Blaupause, ähnlich gibt es auch heute keine, keine festgeschriebenen sinnhaften Instrumente, ja keinen Instrumentenkasten, aber es gab damals wie auch heute Leitideen. Eine dieser Leitideen war und ist es für einen gerechten Frieden zu sorgen. Die Zukunft der Mehrheit der Flüchtlinge muss sicherlich in ihrem Heimatland stattfinden, aber auch eine große Zahl an Flüchtlingen sollte ihre Zukunft außerhalb ihrer Heimat gewährleistet bekommen. Hier gilt es sichere Inseln zu schaffen, wo die Betroffenen Zukunft sehen können, und zwar Zukunft ohne Armut, ohne Terror, aber vor allem unter menschenwürdigen Bedingungen, vor allem mit Bildung. Bildung bedeutet Perspektive und genau da greift unsere Aufgabe des Bildungssystems, von Kitas angefangen zu Schulen, Hochschulen und Universitäten und natürlich auch unserer Universität hier. Eine unserer Schwerpunktaktivitäten kann und wird auf der Internationalisierung liegen. Es gibt dafür schon zahlreiche Beispiele, und der Raum für Ausbau nach oben ist durchaus noch vorhanden. Ich möchte hier die einfache Frage stellen, ob es nicht genauso neben Forschung und Lehre eine Idee sein könnte sich auf das Experiment der Internationalisierung zu fokussieren. Als Beispiel nenne ich: wir könnten Partneruniversität einer unlängst in Berlin gegründeten Universität sein oder werden, genannt Kiron Open Higher Education.3 Das ist eine Online-Universität für in Deutschland befindliche Flüchtlinge, die über zwei Semester hinweg barrierefrei ohne jegliche Auflagen in ihrer Muttersprache zunächst online studieren können, in dieser Zeit dann ihre notwendigen Dokumente, Sprachunterricht und weiteres vorweisen müssen, um von den folgenden Semestern an direkt vor Ort studieren zu können. Das ist aus meiner Sicht ein sehr attraktives Konzept der Berliner. Das soll nur ein Beispiel sein. Wir kennen, was in 25 Jahren bewältigt wurde. Zugleich bin ich mir sicher, dass die momentane Situation für uns eine riesengroße Chance darstellt und dass wir bei allen Hürden und gegebenenfalls auch Gefahren unsere Gesellschaft, und die Universität ist wesentlicher Teil unserer Gesellschaft, vielfältig und offen gestalten können. Zu dieser Aufgabe kann das Konzil ganz wesentlich beitragen. Mit dem Blick auf eben diese Aufgabe in der Zukunft glaube ich, dass der heutige Tag eine wunderbare Anregung ist oder sein kann, nach 25 Jahren erfolgreicher Tätigkeit zurückzuschauen und mit Herrn Hennighausen auch genau dort zu starten, wo sich damals vielleicht auch alle maximal herausgefordert, vielleicht auch überfordert fühlten. Diese Personen haben mit hoher Besonnenheit und zugleich mit Sinnhaftigkeit Großartiges geschaffen. Daher freue ich mich jetzt als ersten Redner den damaligen Vizepräsidenten des Außerordentlichen Konzils, zu seinen Amtsjahren 1990/1991 um seinen Vortrag zu bitten.

1 Frank-Walter Steinmeier, Außenminister der Bundesrepublik Deutschland 2005–2009 und seit 2013. http://www.frank-walter-steinmeier.de/;

https://de.wikipedia.org/wiki/Frank-Walter_Steinmeier (03.12.2016).

2 Islamischer Staat, Sunnitische Miliz, die ihren Glaubenskrieg (Dschihad) mit Terror für die Errichtung eines fundamentalistisch islamischen Staates führt, gegründet 2003 und 2014 als Kalifat ausgerufen. https://de.wikipedia.org/wiki/Islamischer_Staat_(Organisation), https://www.lpb-bw.de/islamischer-staat.html (04.12.2016)

3 Kiron Open Higher Education, 2014 in Berlin gegründete virtuelle Universität für Flüchtlinge zur Vorbereitung auf ein Hochschulstudium in Europa.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kiron_Open_Higher_Education; https://kiron.ngo/ (04.12.2016).

Prof. Dr. Gerhard Hennighausen

Vita Gerhard Hennighausen

Gerhard Hennighausen wurde am 12. Juli 1939 als zweites von drei Kindern einer Handwerkerfamilie in Georgenburg(Jurbarkas) an der Memel in Litauen geboren. Nach Umsiedlungen und Flucht in den Kriegsjahren kam die Familie 1945 nach Mecklenburg. In Barkow bei Plau besuchte er eine vierklassige Grundschule, ging dann in Lübz zur Oberschule und legte dort 1957 das Abitur ab. Danach arbeitete er als Tiefbauarbeiter bei der Bau-Union Rostock. Von 1958 bis 1964 studierte er Medizin an der Universität Rostock und beendete das Studium mit dem Medizinisches Staatsexamen. Im gleichen Jahr wurde er zum Dr. med. mit einer Dissertation zum Thema „Das Serumcholesterin bei normalen Schwangeren und bei Spätgestosen“ promoviert.1964 wurde Gerhard Hennighausen Assistent am Institut für Pharmakologie und Toxikologie in Rostock und arbeitete 1965/1966 im Rahmen eines Zusatzstudiums am Pharmakologischen Institut der Karls-Universität Prag. Zurück an der Universität Rostock qualifizierte er sich 1969 zum Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie und wurde 1973 zum Oberarzt am Institut für Pharmakologie und Toxikologie ernannt.

Drei Jahre später erreichte Gerhard Hennighausen die Habilitation zum Dr. sc. med. mit seiner Abhandlung zum Thema: „Untersuchungen über die akuten toxischen Wirkungen von Chlorcholinchlorid (CCC) und N,N-Dimethyl-N-(2-bromäthyl)-hydraziniumbromid (BMH), ihre Mechanismen und Beeinflussbarkeit“. Seiner wissenschaftlichen Qualifikation entsprechend wurde er 1979 zum Dozenten, 1987 zum Außerordentlichen Professor für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Rostock ernannt. 1991 bewarb er sich erfolgreich um die ausgeschriebene Professur (C4) für das Fach Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Rostock und wurde 1992 auf diese Stelle zum Universitätsprofessor berufen. Seit 1990 war er Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Rostock. Im Jahr 2006 schied er aus dem aktiven Dienst aus.

Catalogus Professorum Rostochiensium, URL: http://purl.uni-rostock.de/cpr/00001511 und eigene Angaben (22.12.2016).

Akademische Selbstverwaltung und Mitgliedschaften

1990–2004

Mitglied des Rates der Medizinischen Fakultät und des Konzils

1990–2006

Institutsdirektor

1990–1991

Prodekan für Forschung der Medizinischen Fakultät

1990–1991

stellvertretender Vorsitzender des Präsidiums des Außerordentlichen Konzils

1990–1991

Vorsitzender der Senatskommission zur Erarbeitung der Vorläufigen Verfassung der Univ. Rostock

1990–1994

Mitglied des Akademischen Senats

1991–1994

Prorektor

1996–2000

Dekan der Medizinischen Fakultät

1992–2003

Mitglied der Kommission „Erkennung und Behandlung von Vergiftungen“ im Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin

1994–2001

Ordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

Seit 1996

Mitglied des Umweltausschusses der Ärztekammer M-V

1997–2000

Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie

2001–2004

Ombudsperson für die Universität Rostock

Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie

Mitglied der Federation of European Toxicologists & European Societies of Toxicology (EUROTOX)

Catalogus Professorum Rostochiensium, URL: http://purl.uni-rostock.de/cpr/00001511 (29.09.2016)

25 Jahre Konzil und 25 Jahre Universitätsverfassung

Gerhard Hennighausen

Ich freue mich, dass wir uns heute hier im Konzil an die Zeit vor 25 Jahren erinnern. Damals wurden mit der Wahl und der Arbeit des Außerordentlichen (a.o.) Konzils sowie mit der Entstehung und dem Inkrafttreten der vorläufigen Verfassung zwei Grundsteine für die Erneuerung unserer Universität gelegt. Diese Universitätsreform war nicht vom Staat verordnet wie viele, vielleicht zu viele Reformen davor und danach, sondern sie wurde von Mitgliedern der Universität gestaltet. Sie entwickelte sich im Widerstreit mit den herrschenden Strukturen und ihren Repräsentanten. Nach über 60 Jahren, in denen Diktaturen das universitäre Leben bestimmt hatten, konnten nun akademische Freiheit und akademische Selbstverwaltung an der Universität Rostock gestaltet werden.

Es gibt Jahre, die im Kommen und Vergehen der Zeit kaum Spuren hinterlassen; und es gibt Jahre, in denen in Eile Gegenwart Geschichte wird, wie es 1989 und 1990 war. Im Oktober 1990 habe ich versucht, dies bei der Begrüßung der Teilnehmer am Rudolf-Kobert-Symposium aus Anlass des 125jährigen Jubiläums des Lehrstuhles für Pharmakologie an unserer Universität auszudrücken. Ich zitiere ein paar Sätze, weil mancher vielleicht auch hier und heute nach dem Sinn einer Beschäftigung mit der Vergangenheit fragen könnte.

Wissenschaftsgeschichte ist in diesen Tagen, die viele aktuelle Fragen und Aufgaben stellen, sicherlich kein bevorzugtes Thema für eine Tagung von Medizinern und Naturwissenschaftlern. Allerdings waren die Wechselwirkungen zwischen Gegenwart und Vergangenheit selten so intensiv wie in den letzten zwölf Monaten. Als Beobachteter und als Handelnde haben wir erlebt, wie schnell Gegenwart zur Geschichte wird und mit welcher Kraft, die nicht zuletzt auch aus der Geschichte kommt, alte, verborgenen Sehnsüchte der Menschheit aufbrechen und bewährte Formen ihres Zusammenlebens wiedererstehen. Für mich ist auch das eine Rechtfertigung für unser Symposium, in dem wir eine Brücke von der Gegenwart unserer Wissenschaft zu ihrem Beginn schlagen wollen. Wissenschaftsgeschichte kann, wie Geschichte überhaupt, zum Verständnis der Gegenwart beitragen.4

Ich möchte noch anmerken, dass der 1865 geschaffene Lehrstuhl und das zehn Jahre später gegründete Institut für Pharmakologie zu den weltweit ersten Einrichtungen dieses Faches gehörten und Rudolf Kobert5 ein Wegbereiter der modernen Toxikologie war mit einem ungewöhnlich breiten Wissen über sein Fachgebiet hinaus. Er war 1906 und 1907 Rektor der Universität. Auch das ist Universitätsgeschichte und ich wollte diese Gelegenheit nutzen, um an das sonst wohl vergessene 150järige Jubiläum des Lehrstuhls in diesem Jahr zu erinnern.

Am 27. September 1990 beschloss das Außerordentliche Konzil die vorläufige Verfassung der Universität Rostock, die dann am folgenden Tag in Kraft trat.

Ein paar Tage später, am 2. Oktober flog ich von Berlin-Schönefeld über Moskau in die estnische Hauptstadt Tallinn zu einem Pharmakologenkongress. Als ich ein paar Tage später wieder in Berlin-Schönefeld landete, hatten die Kontrolleure von Pass und Zoll andere Uniformen und wirkten etwas freundlicher, wenn dabei auch ein wenig unsicher. Während meiner Abwesenheit war die DDR Geschichte geworden, über Nacht war für 17 Millionen Bürger fast alles neu. Die oft zitierte Frau auf der Straße meinte: „Geblieben sind uns nur die gleiche Uhrzeit und der gleiche Kalender“ (obwohl das mit dem Kalender auch nicht so ganz stimmte, so gab es wieder Himmelfahrt, aber nicht mehr den Tag der Befreiung). Und manches war nur vorläufig, wie unsere gerade beschlossene Universitätsverfassung, oder es war noch nicht ganz ordentlich, wie das außerordentliche Konzil.

In den zwölf Monaten von Oktober 1989 bis September 1990 hatte sich weltpolitisch viel ereignet, selbst Mauern brachen. Mit Schillers Wilhelm Tell konnte man sagen: „Das Alte stürzt, es ändern sich die die Zeiten“.6 In der DDR wechselten die Staatsführungen in schneller Folge:

Honecker – Krenz – Modrow und schließlich gab es die Regierung Lothar de Maizière7 nach den ersten freien Volkskammerwahlen im März 1990. Wie war unter diesen unsteten Verhältnissen eine Universitätsreform möglich?

Ich will versuchen, die wichtigsten Ereignisse darzustellen, ohne dabei wohl allen Aktivitäten gerecht werden zu können. Max Frisch schrieb in Mein Name sei Gantenbein: „ Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.“8 Dies gilt wohl auch für Zeitzeugen. Andere mögen die Geschichte anders erzählen, von Historikern ganz zu schweigen.

Die bereits erwähnten schnell wechselnden politischen Rahmenbedingungen waren aus meiner Sicht eher förderlich für eine Universitätsreform von unten, da der staatliche Einfluss auf die Universitäten in dieser Zeit überschaubar blieb. Wir hatten also verhältnismäßig viel Spielraum und Oscar Wilde formulierte einst etwas überspitzt „im heutigen Leben bedeutet Spielraum alles.“9

So kam es im Wesentlichen an der Universität selbst zum Ringen zwischen denjenigen, die möglichst schnell grundlegende Reformen anstrebten und denen, die ihre Ämter noch aus den Händen des alten Staates und der Partei erhalten hatten. Zum Verständnis für die Verhältnisse an den Universitäten der DDR zitiere ich aus dem Zeitdokument vom 22. November 1989, geschrieben von einer Initiativgruppe von Hochschullehrern, Wissenschaftlern und Studenten, die mit den Professoren Olbertz, Riße und Pätzold aus den Agrarwissenschaften an der Spitze auch in den folgenden Monaten die Universitätsreform voranbrachte. 10

Die 570 Jahre alte ALMA MATER ROSTOCHIENSIS hat in den letzten vier Dezennien ihres Wirkens, insbesondere nach der III. Hochschulreform 1968, einschneidende staatliche Eingriffe in ihr wissenschaftliches Leben erfahren müssen. Die von der Partei- und Staatsführung der DDR durchgesetzte Ausrichtung der Lehre und Forschung auf die sozialistische Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung stalinistischer Prägung hat zu einer wissenschaftsfremden Reglementierung der Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität geführt. Begriffe wie Staatliche Leitung und Kontrolle, kommunistische Erziehung, Kaderauswahl- und Entwicklung etc. prägten die Zielsetzung und den Inhalt der staatlichen Eingriffe in das Universitätsleben und engten zugleich den wissenschaftlichen Meinungsstreit als wesentliches Element einer progressiven ungehinderten Wissenschaftsentwicklung ein.