3. SÄULE/Pluralistische Inhalte - Kirin Hilaire - E-Book

3. SÄULE/Pluralistische Inhalte E-Book

Kirin Hilaire

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Beschreibung

Mit diesem Band der "Reihe Vielfalt normalisieren - Das Pluralistische Inklusionsmodell" wird das inklusiv-pluralistische Konzept erstmalig veröffentlicht. Es besteht aus folgenden Inhalten: 1. SÄULE/barrierefreie Teilhabe ermöglichen 2. SÄULE/inklusive Kompetenzen vermitteln 3. SÄULE/pluralistische Inhalte nutzen. Das Modell strukturiert die umfangreiche Komplexität der Themenfelder Inklusion, Vielfalt, Diversitätssensibilität, Pluralismus, Mulitperspektivität usw. in einen übersichtlichen, kompakten Rahmen. Damit lässt sich leicht kommunizieren, um was es bei Inklusion eigentlich geht und vor allem wie diese praktisch umsetzbar ist, auch ohne weitgehende Expertise zu haben. Im Band 1 liegt der Fokus auf der 3. SÄULE/Inhalte. Darin enthalten sind sieben Checklisten, mit denen Sie einfach und ganzheitlich erfassen können, inwieweit die Bildungsinhalte Ihrer Schule tatsächlich inklusiv und vielfältig sind und was Sie tun können, um Inklusion inhaltlich voranzutreiben.

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Inhaltsverzeichnis

VORWORT – aus der Praxis für die Praxis

EINLEITUNG

Grundlagen der Inklusion - ein doppelter Paradigmenwechsel

Paradigmenwechsel 1: von der Gruppe zum Individuum

Paradigmenwechsel 2: von der Defizitorientierung zum Qualitätsmerkmal

Normalisierung von Vielfalt und ihre Herausforderungen

Schlussfolgerungen für Bildungseinrichtungen

TEIL 1

Das Pluralistische Inklusionsmodell

Das Fundament

1. SÄULE/barrierefreie Teilhabe ermöglichen – zulassen von Vielfalt

2. SÄULE/inklusive Kompetenzen vermitteln – umgehen mit Vielfalt

3. SÄULE/pluralistische Inhalte – nutzen von Vielfalt

Aktuelle Konklusionen

TEIL 2

3. SÄULE/Pluralistische Inhalte – Diversität als Ressource nutzen

IMPLEMENTIERUNG DER 3. SÄULE/pluralistische Inhalte

A) SCHULEBENE

B) FACHEBENE

Diversitätssensibles Anschauungsmaterial

Inklusive und pluralistische Unterrichtsthemen

Multiperspektivische Theoriebezüge

Projekte/Workshops/Exkursionen

C) EBENE INDIVIDUELLER UNTERRICHTSGESTALTUNG

Aufgabengestaltung

Mitbestimmung exemplarischer Lerngegenstände und Unterrichtsinhalte

TEIL 3

HINWEISE ZUR NUTZUNG DER CHECKLISTEN

I. CHECKLISTE ZUR IMPLEMENTIERUNG DER 3. SÄULE/ PLURALISTISCHE INHALTE

II. CHECKLISTE ZUR IMPLEMENTIERUNG DER 3. SÄULE/ PLURALISTISCHE INHALTE

III. CHECKLISTE ZUR IMPLEMENTIERUNG DER 3. SÄULE/ PLURALISTISCHE INHALTE

IV. CHECKLISTE ZUR IMPLEMENTIERUNG DER 3. SÄULE/PLURALISTISCHE INHALTE

V. CHECKLISTE ZUR IMPLEMENTIERUNG DER 3. SÄULE/PLURALISTISCHE INHALTE

VI. CHECKLISTE ZUR IMPLEMENTIERUNG DER 3. SÄULE/PLURALISTISCHE INHALTE

VII. CHECKLISTE ZUR IMPLEMENTIERUNG DER 3. SÄULE/PLURALISTISCHE INHALTE

ANHANG

Ausblick

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

VORWORT – aus der Praxis für die Praxis

Januar 2024

„Wir sind überhaupt garnicht inklusiv.“, lautet die Aussage einer Lehrerin, begleitet von einem gemischten Blick aus Hoffnung und Verzweiflung, bereit, sofort loszulegen und die Dinge anzupacken.

Gleiche Schule, gleicher Monat, anderer Lehrer: „Wieso Inklusionskonzept? Wir sind doch eh schon längst inklusiv, eher übertreiben wir manchmal.“ Er blickt wohlwollend und zugewandt, aber nicht interessiert, sich für das Thema zu engagieren.

Ich verstehe beide, aus der jeweiligen Perspektive völlig nachvollziehbar. Trotzdem, was stimmt denn jetzt? Ist die Schule nun inklusiv oder nicht?

Als Inklusionsbeauftragte möchte ich das beantworten können, und zwar eindeutig, einfach kommunizierbar und operationalisiert.

Ziel von Inklusion ist die Normalisierung von Vielfalt. Solange dies nicht der Fall ist, muss sie thematisiert werden. Denn Pluralismus und ein kompetenter Umgang mit ihm sind keine Selbstläufer, können aber durch explizites Wissen und einen reflektierenden Umgang erreicht werden und dann qualitative und quantitative Bereicherung fördern. Ziel des hier vorgestellten Konzepts ist es, eine handlungsorientierte Strukturierung für Inklusion aufzuzeigen, die arbeitserleichternd, qualitätssteigernd, von Teams tragbar und umsetzbar ist. Das bedeutet, dass auch Personen Schule und Unterricht inklusiv gestalten können, die keine umfangreiche Expertise in dem Bereich haben.

Das Konzept ist aus der Bildungspraxis entstanden und demnach nicht wissenschaftlich entwickelt. Die Ausarbeitung enthält also nicht die Differenziertheit wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung. Der Fokus liegt darauf, die vielen inhaltlichen Bereiche, hinter denen zum großen Teil komplexe Prozesse der Konstruktion und Dekonstruktion stehen, in einem Zusammenhang zu bringen, in dem Einzelthemen, aus Gründen der Übersichtlichkeit und Ressourcen, nicht immer die ihnen gebührende Ausführung eingeräumt bekommen haben. Damit ist der Text ein work in progress und keine fertige Ausarbeitung. Er hat aber den Anspruch, auf die Erziehungs- und Bildungswirklichkeit zu blicken und für diese zugänglich zu sein. Es ist ein Versuch, pädagogische Realität, gesetzliche Vorgaben und theoretisches Wissen in einem pragmatischen Modell zusammenzubringen und Normalisierung von Diversität methodisch leicht zugänglich zu machen. Als Fachlehrerin für Pädagogik und Psychologie und Beauftragte für Inklusion bewege ich mich zwischen Theorie und Praxis einerseits, andererseits zwischen der Allgemein- und der Berufsbildung. Diese Perspektive stellt den Rahmen für die vorliegende Arbeit. So soll ein übersichtlicher, effizienter, Überforderung entgegenwirkender Orientierungsrahmen entstehen.

Um die Frage danach, inwieweit eine Bildungseinrichtung inklusiv ist, eindeutig zu beantworten, braucht es ein klares Vokabular und gut strukturiertes Modell, dass an der Lebenswirklichkeit anknüpft und unmittelbar plausibel nachvollziehbar ist. Dieses muss die Komplexität des Themas so zusammenbringen, dass eine leicht verständliche Übersicht entsteht. Von dieser Perspektive ausgehend ist das Inklusionsmodell als ein praktisches Implementierungswerkzeug entstanden. Die Strukturierung orientiert sich am täglichen Handeln und den Aufgaben in Schulen. In Verbindung mit den Dimensionen von Inklusion, Vielfalt und Pluralismus ergeben sich daraus folgende Bereiche:

barrierefreie Teilhabe ermöglichen

Inklusive Kompetenzen vermitteln1

Pluralistische Inhalte nutzen

Diese drei Handlungsbereiche werden im Modell als tragende Säulen bezeichnet. Sie basieren auf einer breiten Rechtsgrundlage (UN-Konventionen und deren Ratifizierungen, Grundgesetz, Schulgesetze und -verordnungen, Antidiskriminierungsgesetze, Selbstbestimmungsgesetz u.a.), die im Modell als Basis der Säulen dargestellt ist. Das Ziel der Normalisierung von Inklusion und Vielfalt ist also rechtlich verankert und steht nicht zur Debatte. Die Entscheidungsspielräume liegen in der Gestaltung. Damit wird Inklusion unmittelbar zu einem grundlegenden Baustein der Demokratiebildung und Umsetzung von Menschenrechten.

Um denjenigen eine Antwort zu geben, die das Gefühl haben, dass wir als Gesellschaft, innerhalb einer bestimmten Schule oder geographischen Lage, Minderheiten bereits genug Beachtung geben, und für diejenigen, die das Gefühl haben, dass Minderheiten schon viel zu viel Aufmerksamkeit entgegengebracht wird: Solange Sichtbarkeit für Menschen fehlt, die Träger:innen bestimmter geistiger, psychischer, körperlicher, sozialer, kultureller, ethnischer Merkmale sind oder im Gegenteil dazu Überbetonung und Sensibilisierung als Folge gesellschaftlicher Diskurse vorhanden ist (Kardosh/Sklar/Goldstein/Hassin 2022), sind dies deutliche Signale dafür, dass Diversität noch nicht normalisiert ist und unser Umgang damit weiterhin gesellschaftlich ausgehandelt wird und werden muss, bis Inklusion implizit, explizit, strukturell und normativ verankert ist. Diese Normalisierung bedeutet, dass eine Gemeinschaft entsteht, in der pluralistische Merkmale als selbstverständlich gelten und damit keine Notwendigkeit besteht, sie ausdrücklich zu thematisieren, um Gerechtigkeit und Teilhabe zu gewährleisten. Sie ist also Ziel von Inklusion und solange sie nicht erreicht ist, bleibt es notwendig, entsprechende Inhalte bewusst zu machen, zu reflektieren und auszuhandeln. Vollständigkeitshalber möchte ich anmerken, dass ein Großteil der Menschen, denen ich im Bildungsbereich, in öffentlichen, medialen und privaten Räumen begegne, die Ansichten teilen, sich für Inklusion, Vielfalt, Grund- und Menschenrechte einzusetzen, gegen Diskriminierung, Vorurteile und Ausgrenzung auszusprechen und eine bewusste Auseinandersetzung wichtig finden.

EINLEITUNG

Grundlagen der Inklusion in Bildungseinrichtungen – ein doppelter Paradigmenwechsel

Seit 2009 die Behindertenrechtskonventionen von Deutschland ratifiziert wurden, sind Schulen verpflichtet, inklusiv zu sein. Aber was heißt das? Zunächst handelt es sich um eine Formalität, nämlich, dass alle Personen, die die Voraussetzungen für einen Bildungsgang erfüllen, unabhängig von ihren Behinderungsstatus aufgenommen werden und die Möglichkeit erhalten, entsprechende Abschlüsse zu erreichen. So entstehen in Regelschulen Klassen und Kurse mit Lernenden unterschiedlicher Lernprofile. Damit werden nicht nur sonderpädagogische Aufgaben an allgemeinbildende Schulen herangetragen. Die Zielsetzung der Allgemein- und Berufsbildung von Menschen mit Beeinträchtigungen hat sich grundlegend gewandelt von einer Vorstellung der Separation, von gesonderten Lern- und Arbeitsräumen für Menschen, die mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen zusammengefasst und von Regelschulen und dem regulären Arbeitsmarkt getrennt wurden hin zur Inklusion, zur Teilhabe und gemeinsamer Partizipation aller Menschen am kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Entsprechend müssen Aufgaben und Maßnahmen an die neuen Zielsetzungen angepasst werden.

Auch die Geschichte interkultureller Pädagogik hat sich in Richtung Inklusion auf den Weg gemacht. Insbesondere durch den Beschluss der Kultusministerkonferenz interkulturelle Bildung als Bestandteil der Allgemeinbildung festzulegen, entwickelte sich eine pädagogische Perspektive vom Ausgleich für Benachteiligte hin zur Inklusion als allgemeine Bereicherung. So geht es auch hier um die Vermittlung eines kompetenten Umgangs mit Vielfalt und Differenzen als Bildungsziel aller Menschen (KMK, 1996/2013).

Ein weiteres Phänomen, das die Notwendigkeit von Bildungsgerechtigkeit nicht deutlicher machen könnte: In Deutschland werden Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien und solchen mit Migrationshintergrund strukturell in Bildung benachteiligt (OECD, 2023). Dies kann sich Deutschland moralisch (Kinder- und Grundrechte) und ökonomisch (demographische Entwicklung, internationaler Wettbewerb, Fachkräftemangel) nicht leisten.

Paradigmenwechsel 1: von der Gruppe zum Individuum

Es hat sich nicht nur ein Perspektivwechsel im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen und interkulturellen Hintergründen vollzogen, sondern von Menschengruppen im Allgemeinen: Viele Bewegungen, Gruppierungen und Minderheiten gegen direkte/explizite, strukturelle und implizite Ausgrenzung, Benachteiligung und Diskriminierung haben sich stark gemacht und verdeutlicht, dass sich das Grundverständnis vom Menschen insgesamt ändern muss, wenn wir die Garantie von Grund- und Menschenrechten ernst nehmen. Insgesamt entwickelt sich ein zeitgemäßes Menschenbild, dass die vielfältigen Aspekte, die ein Individuum ausmachen, berücksichtigt.

Folgende Heterogenitätsdimensionen werden häufig genannt: körperliche/geistige/seelische Merkmale, kulturelle/ethnische/nationale/sozioökonomischer Herkunft, Geschlecht und sexuelle Orientierung, Weltanschauung/Religion, Lebenswelt/soziales Milieu. Weitere Dimensionen sind Alter, Familienstand, Elternschaft, Sprache, Bildungsstand, Arbeit und Beruf, Wohngegend, Gesundheit, Freizeitgestaltung. Die veränderte Sicht auf den Menschen zeichnet sich nicht nur im Bereich Bildung ab. Sie wird sichtbar in diversen Programmen und Initiativen von Unternehmen, kulturellen Einrichtungen,