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Was ist eigentlich »Glück«? Die meisten Menschen denken dabei an die außergewöhnlichen Dinge und Momente des Lebens: die große Liebe, den Traumjob oder finanzielle Unabhängigkeit. Doch wenn wir uns nur darauf konzentrieren, laufen wir Gefahr, die vielen kleinen Glücksmomente des Alltags zu verpassen: den wunderschönen Sonnenaufgang, das liebe Wort vom Nachbarn, den Schmetterling, der uns mit seiner Leichtigkeit herausfordert, oder die guten Freunde, mit denen wir beschenkt sind. »Das Glück ist überall zu finden. Wir müssen nur die Augen öffnen, um es immer wieder neu zu entdecken.« Davon ist Rainer Haak überzeugt. Und so gibt er dem Leser 77 Glücksanstöße mit auf den Weg: heitere, bewegende und auch nachdenkliche Geschichten, Gedichte, Märchen und Erzählungen, die uns helfen, den Reichtum unseres Lebens ganz neu zu entdecken.
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Seitenzahl: 127
Rainer Haak
77 mal Glück
Für ein gutes Leben
Knaur e-books
»Das Glück ist überall zu finden. Wir müssen nur die Augen öffnen, um es immer wieder neu zu entdecken.« Davon ist Rainer Haak überzeugt. Und so gibt er dem Leser 77 Glücksanstöße mit auf den Weg: heitere, bewegende und auch nachdenkliche Geschichten, Gedichte, Märchen und Erzählungen, die uns helfen, den Reichtum unseres Lebens ganz neu zu entdecken.
Endlich hatten sich unsere Kinder wieder einmal zu einem Besuch angemeldet. Und zwar gleich beide auf einmal. Wir freuten uns auf einen langen gemeinsamen Tag – da ließe sich doch vieles miteinander machen. Wir sammelten etliche Ideen: Wir könnten in die Rhön fahren und den Kreuzberg hinaufwandern. Oder ein Besuch in Bamberg. Ach, und dann war da noch die große Ausstellung in Würzburg.
Dann waren sie da, und wir setzten uns erst einmal zusammen zu einem zweiten Frühstück an den großen Tisch. Und jetzt? Jemand schlug vor, die Abfahrt zum großen Abenteuer um eine halbe Stunde zu verschieben. »Lasst uns erst einmal einen kleinen Spaziergang machen!«
So zogen wir los und gingen den Fluss entlang. Erst jetzt tauten wir richtig auf. Wir nahmen uns die Zeit, aufeinander zu hören und aus unserem unterschiedlichen Alltag zu berichten. Wir lachten und hatten Spaß, wir sprachen über alte und neue Träume – und spürten, dass wir wieder eine lebendige Familie waren, so wie früher und zugleich ganz anders.
Irgendwann blickte jemand auf die Uhr. »Was, schon halb drei?« Wir staunten. Für einen großen Ausflug war es inzwischen zu spät. »Seid ihr traurig?«, fragten die Kinder uns. Aber wir waren uns einig: nein. »Wir müssen nichts Großes unternehmen, wenn wir uns treffen. Es ist schön, dass ihr einfach da seid!«
Und die Tochter fügte hinzu: »Wenn wir Zeit füreinander haben und miteinander reden – das ist doch das Größte überhaupt!«
Auch an diesem Tag
wird dir das Glück begegnen.
So wie schon gestern
und sicher auch morgen.
Es kommt zu dir
auf unterschiedlichen Wegen,
durch die Tür
oder das Schlüsselloch,
von oben oder von unten,
von deinen Mitmenschen
oder aus dir selbst.
Es begegnet dir leise und laut,
klein und groß,
zärtlich und stark.
Es kommt früh am Morgen
oder mitten am Tag,
am späten Abend
oder in den Träumen der Nacht.
Du findest das Glück
im Augenblick des Neubeginns,
in der Routine des Alltags
und vielleicht sogar dann,
wenn du Abschied nimmst.
Du findest es im ersten Haus am Platz,
in der Hütte des Lebenskünstlers
oder in dem einfachen Zimmer,
das sich die Familie teilt.
Auch an diesem Tag
wird dir das Glück begegnen.
Und oft wird dir
erst im Rückblick deutlich,
dass du schon längst
ein glücklicher Mensch bist.
Es gibt Menschen, die immer und immer wieder in ein Stimmungstief geraten. Einer von ihnen ist Sven. Ich kenne ihn schon seit Kindertagen.
Mehrere Jahre wohnte Sven ganz in meiner Nähe. So begegneten wir uns ab und zu, an der Bushaltestelle, im Supermarkt oder irgendwo in der Stadt.
Eines Abends traf ich ihn auf dem Heimweg, und wir gingen ein Stück Weg zusammen.
»Na, wie war dein Tag?«, fragte ich ihn.
»Das war ein Tag zum Vergessen, ich kann es kaum glauben«, seufzte er. »Stell dir vor, alle, denen ich heute Vormittag begegnete, hatten schlechte Laune. Es war fast so, als wäre eine Seuche ausgebrochen. Ich musste ein paar Dinge einkaufen, und du kannst dir nicht vorstellen, wie unfreundlich alle waren. Im Laden, auf der Straße – es war der absolute Wahnsinn! Da hab ich mich schließlich wohl anstecken lassen und war irgendwann auch schlecht drauf!«
Das hörte sich nicht gut an, was er da erzählte. Vielleicht stimmt es ja doch, dass die Gesellschaft immer kälter und rücksichtsloser wird, dachte ich mir.
»Dann war das für dich kein guter Tag«, stellte ich bedauernd fest.
»Nein, wirklich nicht«, fuhr er fort. »Gegen Mittag war ich völlig fertig und bin erst mal ins Café gegangen. Ich wollte etwas Abstand gewinnen von all der Hetze und Unfreundlichkeit. Und stell dir vor, da traf ich Susanne, eine gute alte Freundin. Ich hatte schon länger nichts mehr von ihr gehört und freute mich sehr, sie zu sehen. Und was soll ich sagen – Susanne strahlte. Wohl nicht nur meinetwegen, glaube ich, sondern überhaupt. Sie sah richtig glücklich aus. ›Was ist denn mit dir los?‹, fragte ich. Ihre Antwort verblüffte mich: ›Ich habe heute einfach richtig gute Laune. Und je mehr ich mich freue, umso mehr bekomme ich zurück.‹ Sie taxierte mich kurz und schlug dann vor: ›Das solltest du auch einmal ausprobieren!‹«
»Na, und?«, hakte ich interessiert nach. »Hast du es ausprobiert?«
Sven grinste belustigt. »Nein, natürlich nicht. Ich habe ihr erst mal klargemacht, dass so etwas bei mir nicht funktioniert. Von wegen positive Energie und Unterbewusstsein und so, das ist mir alles viel zu esoterisch. Aber es war trotzdem schön, sie zu treffen. Und irgendwie hat es mir auch gutgetan.«
Jetzt war ich neugierig geworden. »Und wie ging es dir dann am Nachmittag, konntest du die Menschen da besser ertragen?«
Er sah mich lächelnd an. »Ach, es wurde tatsächlich noch ein ganz schöner Tag. Die Leute waren deutlich besser drauf. Irgendwie viel freundlicher. Es ist schon komisch, dass ich plötzlich keine Miesepeter mehr getroffen habe, sondern nur noch fröhliche Menschen.«
Ich musste schmunzeln. »Vielleicht ist an der Sache mit der positiven Energie ja doch etwas dran.«
Was ist nötig, um glücklich zu sein? Können Sie drei Dinge nennen? Ich meine nicht die Dinge des täglichen Lebens, nicht Essen und Unterkunft, Kleidung und Geld, sondern das, was über diese Notwendigkeiten hinausgeht. Was Ihre Seele erfreut und ihr guttut.
Ich habe mich einmal auf die Suche gemacht, welche drei Dinge in früheren Zeiten auf der persönlichen Glücksliste der Menschen standen.
Vor 2500 Jahren sagte der griechische Philosoph Thales Folgendes: »Wer ist glücklich? Wer Gesundheit, Zufriedenheit und Bildung in sich vereint.«
Im Mittelalter lebte der italienische Theologe Thomas von Aquin. Hier ist seine persönliche Liste: »Nichts hindert Sorgen besser als eine Mütze voller Schlaf, ein Bad und ein Glas Wein.« Erkennen Sie sich darin wieder?
Wenige Jahre nach ihm versuchte sich der italienische Dichter und Philosoph Dante an einer Antwort: »Drei Dinge sind aus dem Paradies geblieben: Sterne, Blumen und Kinder.«
Das Mittelalter war gerade vergangen, als der Reformator Martin Luther auf seine gewohnt deftige und sinnenfreudige Art verkündete: »Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang.«
Vor etwa 250 Jahren gab der Philosoph Immanuel Kant zu Protokoll: »Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht gegen die Müheseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen.«
Wir sind mit unserer Suche im 19. Jahrhundert angekommen. Vom dänischen Dichter Hans Christian Andersen sind folgende Worte überliefert: »Nur zu leben ist nicht genug. Man braucht Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume.«
Und nur wenige Jahre nach ihm sagte der irische Schriftsteller Oscar Wilde: »In Freiheit mit Blumen, Büchern und dem Mond – wer könnte da nicht glücklich sein?«
Und jetzt sind Sie dran: Welche drei Dinge stehen auf Ihrer Glücksliste?
Menschen in jungen Jahren haben aufregend große Träume. Es ist ein besonderes Erlebnis, ihnen zuzuhören, wenn sie davon erzählen. Oft steht ihnen die Vorfreude dabei ins Gesicht geschrieben. Und manches erinnert uns an unsere eigenen Träume, auch wenn die schon lange zurückliegen.
»Ich träume davon, eines Tages an einer spannenden Expedition in Afrika teilzunehmen. Schon jetzt lese ich begeistert Bücher über die Geschichte des Kontinents, über die Menschen, die Tierwelt, die Vegetation und die überwältigende Schönheit der Wüsten und des Urwalds.«
»Musik zu hören ist fantastisch. Aber noch besser ist es, selbst Musik zu machen und andere damit zu erfreuen. Ich träume davon, eines Tages auf der Bühne zu stehen und den Applaus der Menschen zu genießen. Schon jetzt spiele ich ein Instrument, und ich freue mich über jeden kleinen Fortschritt.«
»Ich träume davon, eines Tages zu Fuß die Alpen zu überqueren. Ich liebe die Berge und freue mich über jeden steilen Anstieg. Der Blick von oben hinunter ins Tal und auf die umliegenden Gipfel begeistert mich immer wieder. Schon heute wandere ich oft, steigere regelmäßig die Entfernungen und bereite mich so auf das große Abenteuer vor.«
»Ich träume davon, eines Tages in einem schönen Haus am Meer zu wohnen. Schon jetzt verbringe ich dort meine großen Ferien. Dann genieße ich die unendliche Weite und fühle mich klein und groß zugleich. Und wenn ein Sturm aufzieht, staune ich über die unermessliche Kraft der Natur. Am Wasser kommt es mir schon heute so vor, als würde ich dort zu Hause sein.«
»Ich träume davon, eines Tages selbst ein Buch zu schreiben. Ich lese gern und habe schon viele Gedichte geschrieben. Manchmal besuche ich eine Lesung oder einen Vortrag in einer Buchhandlung. Es ist interessant, wenn ein Autor aus seinem Werk liest oder eine Autorin erzählt, wie sie auf die Idee für eine Erzählung gekommen ist. Mein Buch muss kein Bestseller werden. Die Hauptsache ist, dass ich es eines Tages in der Hand halte.«
»Ich träume davon, eines Tages einen wichtigen Beitrag für die Rettung der Welt zu leisten. Ich interessiere mich für alle Themen, die mit unserer Zukunft zu tun haben: Klima, Ernährung, Umwelt, Ressourcen, Konflikte, Demokratie. Schon heute versuche ich, so bewusst und verantwortungsvoll wie möglich zu leben.«
»Ich träume davon, eines Tages in meiner Lieblingssportart siegreich zu sein und oben auf dem Podest zu stehen. Vielleicht bei den Regionalmeisterschaften, aber am liebsten bei den Olympischen Spielen. Schon heute trainiere ich regelmäßig und halte mich fit.«
Manchmal springt die Begeisterung bei solchen Erzählungen auf mich über. Ich freue mich über jeden dieser großen Träume. Muss er unbedingt realistisch sein? Und was ist, wenn er sich nicht erfüllt? Dann hat er dennoch einen großen Nutzen: Jedes Leben wird reicher durch große Träume und die damit verbundene Vorfreude.
Ich wollte »Nein« sagen, weil ich einfach keine Lust auf den Besuch bei den Nachbarn hatte. Ich wollte mir nicht schon wieder anhören müssen, wie fantastisch sie sind. Aber konnte ich einfach absagen?
Ich erinnere mich gut: Beim letzten Mal hatte ich mich auch nicht getraut und schließlich zugesagt. An dem Abend habe ich mich nur gelangweilt.
Ich kenne mich: Immer will ich zu allen nett und freundlich sein – und vergesse dabei, für mich selbst zu sorgen.
Ich wollte »Nein« sagen. Wie ich mich entschieden habe? Stellen Sie sich vor, ich habe tatsächlich »Nein« gesagt. Was für ein wahnsinnig gutes Gefühl!
Ich hatte wieder einmal viel zu viel zu tun. Die Unterlagen stapelten sich auf dem Schreibtisch und sogar schon daneben. Der Druck war so groß, dass ich kaum noch richtig atmen konnte. »Jetzt eine Pause, das würde mir guttun!«, dachte ich. Aber eine Pause konnte ich mir nicht leisten.
Da stellte ich mir vor, ich könnte fliegen und würde von irgendwo da oben auf mich herunterblicken. Ich fing an zu lächeln. »Du nimmst dich ganz schön wichtig!«, sagte ich leise zu mir selbst. Gleich wusste ich, was zu tun war: Ich ging hinaus in den Park, blinzelte abenteuerlustig in die Sonne, sprang ausgelassen über ein Hindernis, das ein paar Kinder aufgebaut hatten, machte einen langen Spaziergang und ging anschließend noch in das kleine Café auf einen Espresso. Was für ein schöner »Kurzurlaub«!
Es war Sonntagnachmittag. Ich saß im Garten und wollte es mir gut gehen lassen. Doch in meinem Kopf kreisten die Gedanken: tausend wichtige und unwichtige Dinge, die ich so gern losgelassen hätte. Aber was ich auch tat, es gelang mir nicht, und so verpasste ich die Natur und das Leben.
Da erblickte ich einen bunten Schmetterling. Er flatterte direkt auf mich zu. Mir war, als hätte er nichts anderes zu tun, als mich zu besuchen und vor meinen Augen zu tanzen. Ich spürte, wie er meine Seele berührte. Und plötzlich war es, als tanzte ich auch. Was für ein kostbarer Augenblick!
Eine Sorge weniger,
ein Problem ganz schnell gelöst,
auf eine unnötige Anschaffung verzichtet,
eine falsche Freundschaft beendet,
einen dummen Streit begraben,
eine alte Verletzung heilen lassen,
eine Angst besiegt,
eine schwere Last abgelegt,
einen unwichtigen Termin abgesagt –
und schon habe ich mehr Zeit,
um glücklich zu sein.