Actually Yours - Tessa Bailey - E-Book
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Tessa Bailey

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Beschreibung

Die Weinbergerbin und der Kerl, der nichts von Wein versteht … Die neue Romantic Comedy von New-York-Times-Bestsellerautorin Tessa Bailey! Natalie Vos ist auf einem Weinberg aufgewachsen und weiß alles über Wein. Ihr beruflicher Traum ist allerdings eine eigene Investment-Firma. Dafür braucht sie Startkapital, doch an ihren Treuhandfonds kommt sie dummerweise nur, wenn sie verheiratet ist. August Cates gehört vielleicht ein Weinberg, aber er versteht nicht das Geringste von Wein. Er hat das Land gekauft, um den Traum seines toten besten Freundes zu erfüllen. Nur schmeckt Augusts Wein einfach nicht – und er braucht bestimmt keine Napa-Valley-Erbin, die ihn beleidigt, um das zu erkennen. Natalie und August können einander nicht ausstehen, aber sie können einander helfen. Wenn sie ein paar Monate in einer Zweckehe überstehen, ohne sich gegenseitig umzubringen oder etwas anderes Dummes zu tun. Wie miteinander im Bett zu landen … «Nichts lässt mein Herz schneller Feuer fangen als ein Buch von Tessa Bailey!» Elena Armas, Spiegel-Bestsellerautorin

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Seitenzahl: 524

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Tessa Bailey

Actually Yours

Roman

 

 

Aus dem Englischen von Nina Bellem

 

Über dieses Buch

Die Grenze zwischen Liebe und Hass ist manchmal sehr dünn …

 

Natalie Vos ist auf einem Weinberg aufgewachsen und weiß alles über Wein. Ihr beruflicher Traum ist allerdings eine eigene Investmentfirma. Dafür braucht sie Startkapital, doch an ihren Treuhandfonds kommt sie dummerweise nur, wenn sie verheiratet ist.

August Cates gehört vielleicht ein Weinberg, aber er versteht nicht das Geringste von Wein. Er hat das Land gekauft, um den Traum seines toten besten Freundes zu erfüllen. Nur schmeckt Augusts Wein einfach nicht – und er braucht bestimmt keine Napa-Valley-Erbin, die ihn beleidigt, um das zu erkennen.

Natalie und August können einander nicht ausstehen, aber sie können einander helfen. Wenn sie ein paar Monate in einer Zweckehe überstehen, ohne sich gegenseitig umzubringen oder etwas anderes Dummes zu tun. Wie miteinander im Bett zu landen …

 

Die Weinbergerbin und der Kerl, der nichts von Wein versteht …

Eine hinreißende Romantic Comedy von New-York-Times-Bestsellerautorin Tessa Bailey

Vita

Tessa Bailey, aufgewachsen in Kalifornien, lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Long Island, New York. Sie studierte am Kingsborough Community College und an der Pace University in New York. Ihr Studium finanzierte sie sich als Kellnerin. Nach ihrem Abschluss versuchte sie sich als Journalistin, doch die Arbeit an ihren eigenen Geschichten zog schnell ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich. Tessa Bailey hat bereits über vierzig Romane veröffentlicht. Zuletzt gelang ihr mit der Dilogie um die Bellinger-Schwestern ein außergewöhnlicher Erfolg. «It happened one Summer» wurde mit über 200 Millionen Abrufen zu einem der beliebtesten Titel auf der Social-Media-Plattform TikTok, die Fortsetzung «It happened with you» stand auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste. Weitere Informationen sind auf der Homepage der Autorin zu finden: www.tessabailey.com

 

Nina Bellem ist im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen. Nach ihrem Studium zog es sie nach Korea und Hawaii, bevor es nach Berlin ging. In der großen Stadt machte sie es sich mit Mann und Reiseführern gemütlich und wechselte vom Agenturleben in die Freiberuflichkeit. Nachdem Berlin aber zu eng wurde, ging es mitsamt Mann und Reiseführern zurück ins schöne Ruhrgebiet, wo sie auch heute noch lebt.

Impressum

Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel «Unfortunately Yours» bei Avon Books/HarperCollins Publishers, New York.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Juni 2024

Copyright © 2024 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Unfortunately Yours» Copyright © 2023 by Tessa Bailey

Redaktion Marion Labonte

Covergestaltung ZERO Werbeagentur, München, nach dem Original von HarperCollins US

Coverabbildung Monika Roe

ISBN 978-3-644-01867-9

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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www.rowohlt.de

Kapitel 1

Solange August Cates denken konnte, hatte sein Schwanz ihn ins Unglück gestürzt.

In der siebten Klasse hatte er vor der ganzen Schule in kurzer Sporthose bei einer Veranstaltung einen Steifen bekommen. Da seine Klassenkameraden ihn im Beisein der Lehrerinnen und Lehrer nicht offen Woody, also Latte, rufen konnten, nannten sie ihn stattdessen Tom Hanks. Das klebte für den Rest der Highschool an ihm. Bis heute zuckte er zusammen, wenn man Toy Story auch nur erwähnte.

Hör auf deinen Bauch, Junge.

Das hatte ihm sein Vater, Kommandant bei der Marine, immer gesagt. Und das war auch so ziemlich das Einzige, was er je an Ratschlägen geäußert hatte. Alles andere galt als direkter Befehl. Das Problem war nur, dass August ein wenig mehr Erklärung brauchte. Ein Diagramm, wenn möglich. Er war nicht der Typ, der auf Anhieb alles richtig machte. Deshalb hatte er wohl auch das Gefühl in seinem «Bauch» mit dem Gefühl in seinem Schwanz verwechselt.

Was bedeutete, dass er den Rat seines Vaters gedeutet hatte als …

Hör auf deinen Schwanz, Junge.

August rückte eines der Weingläser vor sich zurecht, um nicht dasselbe mit dem fraglichen Anhängsel tun zu müssen. Die Gläser standen auf einem silbernen Tablett und würden gleich vor die Jury gebracht werden. Im Moment nippten die drei selbstgefälligen Elitisten an einem Cabernet, den ein anderer örtlicher Winzer für den Wettbewerb Bouquets and Beginners eingereicht hatte. Die anwesenden Weinkenner aus dem Napa Valley lehnten sich in ihren Klappstühlen vor, um die Kritik einer bestimmten Jurorin zu hören.

Natalie Vos.

Tochter eines legendären Winzers.

Erbin von Vos Vineyard und Dauerplage für seinen verdammten Verstand.

August betrachtete ihre vollen Lippen, die sich an den Rand des Glases legten. Sie leuchteten heute in einem satten Pflaumenton. Der passte zu ihrer Seidenbluse, deren Saum in ihrem Lederrock steckte, und August schwor bei Gott, dass er dieses Leder auf seinen Handflächen fühlen konnte. Dass er förmlich spürte, wie seine Fingerspitzen über ihre nackten Beine strichen, um ihr dann diese nietenbesetzten High Heels auszuziehen. Nicht zum ersten Mal – nein, bei Weitem nicht zum ersten Mal – verpasste er sich insgeheim einen Tritt in den Hintern dafür, dass er sich jegliche Chance, mit Natalie Vos im Bett zu landen, kaputtgemacht hatte. Jetzt würde sie ihn selbst im Schutzanzug nicht einmal mehr anfassen. Das hatte sie ihm auch schon bei mehr als einer Gelegenheit gesagt.

Seine Chancen, diesen Wettbewerb zu gewinnen, standen nicht gut.

Nicht nur, weil er und Natalie Vos verfeindet waren, sondern auch, weil sein Wein so richtig zum Kotzen war. Das wusste jeder. Verdammt, auch August wusste das. Die Einzige, die ihm das je offen ins Gesicht gesagt hatte, machte sich gerade bereit, dem Publikum ihr Urteil über seinen Kontrahenten zu verkünden.

«Reifer Farbton, wenn auch ein wenig hell. Aroma von Tabak vorweg. Zitrusfrüchte im Abgang. Tendenziell viel Säure, aber …» Sie hielt den Wein ins Sonnenlicht und betrachtete ihn durch das Glas hindurch. «Insgesamt sehr angenehm. Bemerkenswert für ein zwei Jahre altes Weingut.»

Gemurmel und Beifall aus dem Publikum.

Der Winzer bedankte sich bei der Jury. Er verbeugte sich tatsächlich vor Natalie, als er sein Glas wieder entgegennahm, und August konnte sich ein Augenrollen nicht verkneifen. Unglücklicherweise bemerkte Natalie es und hob eine perfekte schwarze Augenbraue als Zeichen für ihn, nun seinerseits vor den Richtertisch zu treten. Wie eine Prinzessin, die einen Bürgerlichen zu sich rief – was ihr Verhältnis perfekt beschrieb.

August gehörte nicht in diesen sonnenbeschienenen Innenhof eines Fünf-Sterne-Resorts mit angeschlossenem Spa, um an einem Samstagnachmittag auf einem silbernen Tablett Wein zu servieren, für wohlhabende Spatzenhirne, die die Bedeutung des Weins so sehr aufblähten, dass es schon an Satire grenzte. Er gehörte nicht ins mondäne St. Helena. Er wusste nicht einmal, wie man die besten Trauben im Supermarkt auswählte, geschweige denn, wie man Boden kultivierte und Trauben von Grund auf anbaute, um eigenen Wein herzustellen.

Ich habe es versucht, Sammy.

Er hatte es wirklich versucht, verdammt. Bei diesem Wettbewerb war der Hauptpreis zehntausend Dollar, und dieses Geld war Augusts letzte Hoffnung, das Unternehmen am Leben zu erhalten. Wenn er noch eine Chance bekäme, würde er während des Gärungsprozesses besser aufpassen. Er hatte auf die harte Tour gelernt, dass die Methode «Pressen und Vergessen» für einen guten Wein nicht funktioniert. Es galt, ständig zu probieren, zu korrigieren und Dinge anzupassen, um zu verhindern, dass der Wein verdarb. Vielleicht würde er es besser machen, wenn er eine weitere Saison zur Verfügung hätte, um sich zu beweisen.

Dafür brauchte er Geld. Aber seine Chancen, Natalie ins Bett zu kriegen, standen besser als die, diesen Wettbewerb zu gewinnen, was bedeutete, er hatte überhaupt keine Chance – weil … Na ja. Sein Wein war beschissen. Er konnte von Glück reden, wenn es der Jury gelang, ihre Geschmacksknospen diesem Wein drei Sekunden lang auszusetzen, zum Sieger würden sie ihn ganz sicher nicht küren. Aber August würde es bis zum bitteren Ende versuchen, denn er wollte sich später nicht fragen müssen, ob er mehr hätte tun können, um diesen Secondhand-Traum zu verwirklichen.

August schritt zum Tisch der Jury und stellte die Weingläser mit weitaus weniger großen Gesten als seine Konkurrenten vor Natalie ab, atmete tief durch, trat einen kleinen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Verachtung schlug ihm entgegen, aus den zwei wütendsten und schönsten Augen, die er je gesehen hatte. In einem Whiskey-goldenen Farbton, umrandet von einem dunkleren Braun. Er konnte sich noch an den Moment erinnern, als der Ausdruck in diesen Augen von Bring-mich-ins-Bett-Daddy zu Schluck-Gift-und-stirb gewechselt war.

Hexe.

Aber das hier war ihre Domäne. Nicht seine. Mit seinen eins neunzig und einem Körper, der noch immer durch seine Einsätze aus seinem früheren Leben als Navy SEAL geformt war, passte er ungefähr so gut in dieses Panorama wie Rambo auf einen Kuchenverkauf. Das Hemd, das die Teilnehmer des Wettbewerbs tragen sollten, war ihm zu klein, also hatte er es in die Gesäßtasche seiner Jeans gestopft, aus der es jetzt heraushing. Vielleicht konnte er es benutzen, um den Wein aufzuwischen, nachdem die Juroren ihn ausgespuckt hatten.

«August Cates von Zelnick Cellar», sagte Natalie gelassen und reichte ihren Jury-Kollegen die Weingläser. Nach außen hin wirkte sie kühl wie immer, voll und ganz New Yorkerin, aber er konnte sehen, wie ihr Atem schneller ging, als sie sich darauf vorbereitete, das zu trinken, was schlussendlich Schlamm im Glas war. Von den drei Jurymitgliedern war Natalie die Einzige, die wusste, was sie erwartete, denn sie hatte seinen Wein schon einmal gekostet – und ihn prompt mit Dämonenpisse verglichen. In derselben Nacht, in der er seine einzige Chance vertan hatte, mit Prinzessin Vos die Laken zu zerwühlen.

Seit diesem unglückseligen Abend bestand ihr Verhältnis nur noch aus Krieg. Wenn sie sich zufällig auf dem Grapevine Way oder bei einer örtlichen Weinveranstaltung trafen, kratzte sie sich gerne diskret mit dem Mittelfinger an der Augenbraue, und August fragte sie, wie viele Gläser Wein sie sich seit neun Uhr morgens schon hinter die Binde gekippt hatte.

Theoretisch hasste er sie. Sie hassten sich gegenseitig.

Aber verdammt noch mal, irgendwie schaffte er es nicht, sie wirklich zu hassen. Vollständig.

Das lag daran, dass August in jüngeren Jahren sein Bauchgefühl mit seinem Schwanzgefühl verwechselt hatte.

Wie beim Ratschlag seines Vaters, der zu «Hör auf deinen Schwanz, Junge» wurde.

Laut diesem Teil seiner Anatomie sollte er längst mit Natalie Vos verheiratet sein. Verheiratet, dazu sechs gemeinsame Kinder, ein Leben auf dem Land, in der Nähe von Wien, identisch gekleidet in Klamotten, die aus Vorhängen geschneidert waren, wie in The Sound of Music. Wenn Augusts kleines Gehirn da unten irgendetwas zu entscheiden hätte, hätte er sich in der Nacht ihres ersten Streits entschuldigt und sie gebeten, ihm noch eine Chance zu geben, um sie von einem Orgasmus zum nächsten treiben zu können. Aber dazu war es jetzt zu spät. Er hatte keine andere Wahl, als ihre Abscheu zu erwidern, denn sein Gehirn da oben wusste nur zu gut, warum ihre Beziehung niemals länger als eine einzige Nacht halten würde.

Natalie Vos hatte Glanz und Privilegien – von Geld ganz zu schweigen –, und das alles im Überfluss.

August mit seinen fünfunddreißig Jahren war mittelloser als ein Pantomime ohne Finger.

Er hatte seine gesamten Ersparnisse in den Aufbau eines Weinguts gesteckt, ohne jegliche Erfahrung oder jemanden, der ihm erklären konnte, wie das funktionierte, und eine Niederlage bei diesem Wettbewerb wäre der Todesstoß für Zelnick Cellar.

Sie schaute ihn über ihr Weinglas hinweg an, und Augusts Brustkorb wurde eng, als hätte man ihn fest auf eine Trage geschnallt, aber er weigerte sich, den Blickkontakt mit der Weingut-Erbin zu unterbrechen. Der wachsende Schmerz in seiner Kehle musste sich in seinem Gesicht bemerkbar gemacht haben, denn langsam verflüchtigte sich Natalies selbstgefällige Miene und sie sah ihn stirnrunzelnd an. Sie beugte sich zu ihm vor und flüsterte so leise, dass nur er es hören konnte: «Was ist los mit dir? Verpasst du hierfür gerade WrestleMania, oder so?»

«Ich würde WrestleMania nicht mal für meine eigene Beerdigung sausen lassen.» Er schnaubte. «Probier einfach den Wein, sag, dass er wie schimmeliger Müll schmeckt, und bring es hinter dich, Prinzessin.»

«Eigentlich wollte ich ihn mit … Rattenbadewasser vergleichen.» Sie deutete flüchtig auf ihn. «Im Ernst, was ist los? Du hast heute noch mehr Arschloch-Potenzial als sonst.»

Er seufzte und ließ seinen Blick über die Reihen der erwartungsvollen Zuschauer gleiten, die allesamt sportlich weiße Tennisoutfits oder edle Freizeitkleidung trugen, die vermutlich mehr kostete als sein Pick-up-Truck. «Vielleicht, weil ich in einer Folge von Succession gefangen bin.» Es war Zeit, den Sender zu wechseln. Nicht, dass er da eine Wahl hatte. «Los, sei richtig mies, Natalie.»

Sie rümpfte die Nase und schielte auf seinen Wein. «Das wird schwierig, wo du doch schon alles gegeben hast, so mies zu sein.»

August lachte auf. «Schade, dass es keinen Preis für die haarigsten Fangzähne gibt. Du wärst unschlagbar.»

«Vergleichst du mich etwa mit einem Vampir? Es ist doch dein Wein, der einem jegliche Lebensfreude aussaugt.»

«Kipp einfach das ganze Glas runter, ohne ihn vorher zu probieren, so wie du es sonst auch machst.»

War das ein Anflug von Kränkung, was kurz in ihren Augen aufblitzte, bevor sie es verbarg?

Ganz sicher nicht. «Du bist ein …», setzte sie an.

«Sind Sie bereit anzufangen, Miss Vos?», fragte einer der Juroren, ein silberhaariger Mann in den Fünfzigern, der für die Zeitschrift Wine Enthusiast schrieb.

«J-ja. Ich bin bereit.» Sie schüttelte sich, setzte sich wieder hin und schloss ihre Finger um den Stiel des Weinglases, in dem sich Augusts neuester Cabernet befand. Eine Falte bildete sich zwischen ihren Brauen, während sie das Glas im Uhrzeigersinn schwenkte und es an die Nase hob, um das Bouquet zu erschnuppern. Alle am Tisch nahmen einen Schluck. Die anderen Juroren husteten und tauschten verwirrte Blicke. Hatte man ihnen versehentlich Essig serviert?

Sie spuckten den Schluck Wein fast gleichzeitig in die bereitgestellten silbernen Eimer aus.

Natalie jedoch schien entschlossen, so lange wie nur möglich durchzuhalten.

Sie lief bereits rot an, und in ihren Augen sammelten sich Tränen.

Doch zu seinem Entsetzen schluckte sie den Wein herunter und schnappte dann keuchend nach Luft.

«Ich fürchte …», setzte einer der Juroren an, sichtlich durcheinander. Die Menge hinter August begann zu tuscheln. «Ich fürchte, da ist in der Herstellung etwas schrecklich schiefgelaufen.»

«Ja …» Der andere Juror lachte hinter vorgehaltener Hand. «Oder ein ganzer Schritt wurde ausgelassen.»

Die Menge hinter ihm gluckste, und Natalies Blick heftete sich auf diese Menschen. Sie öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, und schloss ihn wieder. Normalerweise hätte sie nicht gezögert, ihn öffentlich niederzumachen, was also sollte das? Hatte sie Mitleid? Ausgerechnet jetzt? Ausgerechnet jetzt, wo er zumindest mit dem letzten Rest Stolz, der ihm geblieben war, hier rausgehen wollte, entschied sie sich, ihn zu verschonen?

Nein. Nicht mit ihm.

Er hatte es nicht nötig, dass diese verwöhnte Göre, die vom Geld ihrer Eltern lebte, ihm Schläge versetzte. Er hatte im Krieg Dinge gesehen, die sich die Leute auf diesem getrimmten Rasen nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorstellen konnten. Er war aus Flugzeugen gesprungen, geradewegs in die dunkelste Nacht. Er hatte aus purer Verbissenheit wochenlang in der Wüste überlebt. Er hatte Verluste erlitten, die sich immer noch anfühlten, als wären sie keinen Tag alt.

Und doch konntest du nicht einmal einen anständigen Wein machen.

Er hatte Sam enttäuscht.

Schon wieder.

Eine Tatsache, die viel mehr schmerzte als das harte Urteil dieses reichen Mädchens vor diesen Leuten, die er nach dem heutigen Tag wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Eigentlich wollte er, dass Natalie es einfach zu Ende brachte, damit er ihr zeigen konnte, wie egal ihm ihre Meinung war. Dass der Traum seines Freundes nie verwirklicht werden würde, sollte ihm wehtun. Nicht ihr Urteil.

August stützte sich mit den Händen auf dem Jurytisch ab und beugte sich vor, sah nur die schöne schwarzhaarige Frau, die seine Träume heimsuchte, sah, wie sich ihre goldenen Augen in Anbetracht seiner Dreistigkeit weiteten. «Du erwartest doch nicht etwa Schmiergeld, oder? Nicht mit einem Nachnamen wie Vos.» Er zwinkerte ihr zu und beugte sich so weit zu ihr herunter, dass nur Natalie hören konnte, wie er mit tiefer Stimme sagte: «Es sei denn, du hoffst auf eine andere Art von Bestechung, Prinzessin, denn das lässt sich arrangieren.»

Sie schüttete ihm den Wein ins Gesicht.

Das war nun schon das zweite Mal.

Ehrlich gesagt, konnte er es ihr nicht einmal verübeln.

Er teilte aus, weil er versagt hatte, und Natalie war ein willkommenes Ziel. Aber er würde sich nicht entschuldigen. Wozu auch? Sie hasste ihn ohnehin, und er hatte gerade einen Weg gefunden, dieses Gefühl noch zu verstärken. Das Beste, was er tun konnte, um die Beleidigung gegenüber Natalie wiedergutzumachen, war, die Stadt zu verlassen – und genau das hatte er auch vor. Eine andere Möglichkeit blieb ihm nicht mehr.

August stieß sich vom Tisch ab, der Wein tropfte von seinen Bartstoppeln. Er strich sich mit dem Ärmel über das feuchte Gesicht und stürmte über den Rasen zum Parkplatz. Sein Versagen bohrte sich wie ein Pfeil in seine Brust. Er hatte seinen Wagen fast erreicht, als hinter ihm eine vertraute Stimme nach ihm rief. Natalie. War sie ihm tatsächlich gefolgt, nach dem ganzen Scheiß, den er gerade gesagt hatte?

«Warte!»

August drehte sich auf dem Absatz um in der Erwartung, in den Lauf einer auf ihn gerichteten Schrotflinte zu blicken. Misstrauisch beobachtete er, wie die wunderschöne Hexe herannahte. Warum verspürte er den lächerlichen Drang, so schnell er konnte zu ihr zu laufen und ihr mit einem Kuss zu begegnen? Sie würde ihm den verdammten Kiefer brechen, sollte er es versuchen, aber Gott steh ihm bei, sein Schwanz/Bauch beharrte darauf, dass es das einzig Richtige war. «Ja? Gibt es noch irgendetwas, was du mir ins Gesicht schleudern willst?»

«Meine Faust. Und einige andere, sehr scharfe Gegenstände. Aber …» Sie zuckte mit den Schultern, als suchte sie nach den richtigen Worten. «Hör zu, wir sind keine Freunde, August. Das ist mir klar. Ich habe an dem Abend, an dem wir beide mehr voneinander wollten, deinen Wein beleidigt, und das hast du mir übel genommen. Aber das, was du gerade gesagt hast, diese Unterstellung, dass mein Nachname mich zu etwas Besserem macht … Damit liegst du falsch.» Sie kam einen Schritt näher, lief nicht mehr über das Gras, sondern betrat den Asphalt des Parkplatzes. «Du weißt nichts über mich.»

Er lachte leise. «Nur zu, erzähl mir alles über deinen Schmerz und dein Leid, reiches Mädchen.»

Sie seufzte verächtlich auf. «Ich habe nicht gesagt, dass ich leide. Aber anders als von dir vermutet, habe ich meinen Nachnamen nie benutzt, um weiterzukommen. Ich bin erst seit ein paar Monaten wieder in St. Helena. Der Nachname Vos bedeutet in New York überhaupt nichts.»

August lehnte sich gegen die Motorhaube seines Pick-ups und verschränkte die Arme. «Ich wette, das Geld, das er mit sich bringt, schon.»

Sie sah August an. Mit einem Blick, der andeutete, dass er wirklich gar nichts wusste, und das gefiel ihm nicht. Ihm gefiel nicht, dass er sich möglicherweise in dieser Frau getäuscht hatte. Vor allem, weil es jetzt zu spät war, sein Verhalten zu ändern. Er würde sich immer fragen müssen, was zum Teufel er bei Natalie Vos anders hätte machen können. Aber wenigstens konnte er diese Phase seines Lebens in dem Wissen hinter sich lassen, dass er sein Bestes für Sam gegeben hatte. Das war alles, was ihm jetzt blieb.

«Hattest du überhaupt jemals vor, mich richtig kennenzulernen? Oder ging es nur um …» Ihr Blick fiel flüchtig auf seinen Reißverschluss, aber das reichte, um ihm das Gefühl zu geben, er sei wieder in der Mittelschule und versuche verzweifelt, keinen Ständer zu bekommen. «Nur um Sex?»

Was zum Teufel sollte er darauf antworten?

Dass er sie bei dieser blöden Wine Down Napa-Veranstaltung gesehen und das Gefühl gehabt hatte, ihm hätte ein fliegendes Baby einen Pfeil in die Brust geschossen? Dass seine Handflächen an diesem Abend zum ersten Mal wegen einer Frau schweißnass gewesen waren? In seinen Gedanken war er bereits in dieser Landschaft im Wiener Umland gewesen, mit einem Picknickkorb in der einen und einer Gitarre in der anderen Hand. Gott, sie war so schön und interessant und so verdammt witzig. Wo hatte sie nur sein ganzes Leben lang gesteckt?

Aber dann war alles irgendwie den Bach runtergegangen. Er hatte zugelassen, dass sein Stolz sich ihm in den Weg gestellt hatte und er nicht … Was? Was wäre passiert, wenn er ihre laut geäußerte Kritik an seinem Wein einfach hingenommen und weitergemacht hätte? Was, wenn er ihre Kritik nicht gleich als Beleidigung der Ambitionen seines besten Freundes gesehen hätte? Und sollte er sich jetzt über diesen ganzen Mist überhaupt noch Gedanken machen?

Nein.

Ihm war das Geld ausgegangen. Das Weingut war ein absolutes Desaster. Er war die Lachnummer von St. Helena, und er hatte den Namen seines besten Freundes in den Dreck gezogen.

Zeit zu gehen, Junge.

«Oh, Natalie.» Er legte eine Hand auf seine Brust. «Ich wollte dich natürlich hoch oben auf dem Gipfel eines Berges durch die Luft wirbeln, wo unsere Kinder in Kleidern aus Vorhangstoff herumtollen und singen. War dir das nicht klar?»

Sie blinzelte ein paarmal, ihre Miene wurde abwehrend, während sie rückwärtsging, bis sie den Rasen wieder erreichte. August musste seine Hände zu Fäusten ballen, um nicht nach ihr zu greifen.

«Nun gut», sagte sie, und ihre Stimme klang ein wenig rau. Verdammt. «Ich wünsche dir einen schönen Abend zu Hause, mit all deinen The Sound of Music-Fantasien und deinem gemütlichen Nest voller Weinratten. Ich hoffe, du bezahlst sie wenigstens anständig.»

«Es wird nicht mehr lange mein Zuhause sein.» Er deutete in Richtung der Veranstaltung, die hinter ihnen noch in vollem Gange war. Die Juroren machten Fotos mit den Zuschauern, auf silbernen Tabletts wurde mehr Wein serviert. «Nach diesem Wettbewerb war es das für mich. Ich ziehe weiter.»

Sie lachte, als hätte er einen Scherz gemacht, doch als er ihren Blick einfach erwiderte, wurde sie schnell wieder ernst. «Wow. Du verträgst nicht einmal das kleinste bisschen konstruktive Kritik, was?»

August schnaubte. «So nennst du das? Konstruktiv?»

«Ich dachte, Navy SEALs seien so hart. Und du lässt dich vom Weinanbau unterkriegen?»

«Ich habe kein unerschöpfliches Bankkonto wie andere Leute in dieser Stadt. Damit bist du gemeint, falls das nicht deutlich geworden sein sollte.»

Aus irgendeinem Grund brachte sie das zum Lachen. Eine Weile herrschte Schweigen, dann sagte sie: «Du weißt offensichtlich alles über mich, August. Glückwunsch.» Sie drehte sich auf dem Absatz ihres High Heels um und schritt davon, wobei ihr Lederrock grausam verlockend hin und her schwang. «Mein aufrichtiges Beileid an die Stadt, in der du als Nächstes landest», rief sie ihm über die Schulter hinweg zu. «Vor allem an die Frauen dort.»

«Das würdest du nicht sagen, wenn du diese Nummer mit dem Angewidertsein lassen und mit zu mir kommen würdest.» Irgendwie verursachte jeder Schritt, mit dem sie sich von ihm entfernte, in seinem Magen ein immer heftigeres Ziehen. «Es ist nicht zu spät, Natalie.»

Sie blieb stehen, und er hielt den Atem an, als ihm in diesem Augenblick zum ersten Mal bewusst wurde, wie sehr er sie wirklich wollte. Vielleicht sogar brauchte. Von ihrer Antwort hing ab, ob sein Blut weiter durch seinen Körper fließen würde oder nicht. «Du hast recht, es ist nicht zu spät», sagte sie und drehte sich um. Sie kaute auf ihrer Unterlippe, und der Ausdruck in ihren Augen war so verletzlich, dass er nicht einmal mehr schlucken konnte. Ich werde nie wieder gemein zu ihr sein. «Es ist viel zu spät», schloss sie und winkte mit ihrem kleinen Finger, wobei ihr Gesichtsausdruck von wehrlos zu boshaft wechselte. «Fahr zur Hölle, August Cates.»

Ihm drehte sich der Magen um, er hatte kaum Kraft für eine Antwort. «Die Hölle, hm? Dein altes Revier, stimmt’s?»

«Jep!» Sie machte sich nicht einmal die Mühe, sich umzudrehen. «Da bin ich deiner Mom begegnet. Sie sagte, sie würde lieber in der Hölle leben, als deinen Wein zu trinken.»

Es wurde eng in seiner Brust, als sie außer Hörweite gelangte. Zu weit weg, um ihn über die Musik, die jetzt auf der Veranstaltung gespielt wurde, hören zu können. Definitiv zu weit weg, um sie zu berühren, warum also juckten seine Finger vor Sehnsucht nach ihrer Haut? Seine Chancen bei Natalie waren mittlerweile gleich null. Genau wie seine Chancen, als Winzer erfolgreich zu sein. Mit einem letzten langen Blick auf die Frau, die für ihn die Richtige hätte sein können, fluchte August laut, kletterte in seinen Pick-up und fuhr vom Parkplatz, wobei er das überwältigende Gefühl, etwas nicht zu Ende gebracht zu haben, einfach ignorierte.

Kapitel 2

Natalie tastete im Dunkeln nach dem Knopf des Geräts, das weißes Rauschen erzeugte, und drehte die Symphonie aus Regentropfen und Ochsenfröschen auf die höchste Lautstärke. Julian und Hallie versuchten, leise zu sein. Das versuchten sie wirklich. Aber es gab nur einen Grund, weshalb Bettfedern um vier Uhr morgens knarzten – und wie sie knarzten. Natalie rollte sich rücklings auf ihr Bett zurück, drückte sich zusätzlich noch ein Kissen aufs Gesicht und begann mit dem, was sie die Hauptstadt-Methode nannte. Wann immer ihr Bruder und seine neue Freundin beschlossen, in dem Zimmer am anderen Ende des Flurs des Gästehauses, das sie teilten, miteinander zu schlafen, versuchte Natalie diese beunruhigenden Bilder auszublenden, indem sie die Hauptstädte der Bundesstaaten aufzählte.

Montgomery, Juneau, Phoenix …

Quietsch, quietsch, quietsch.

Jetzt reichte es.

Natalie setzte sich im Bett auf, schob ihre Schlafmaske hoch und gab dem weinbedingten Schwindelgefühl einen Moment Zeit, sich zu verflüchtigen. Keine Ausreden mehr. Es war an der Zeit, in den sauren Apfel zu beißen und das Gespräch mit ihrer Mutter zu suchen. Es war an der Zeit, aus Napa zu verschwinden. Sie hatte schon viel zu lange ihre Wunden geleckt, und obwohl sie sich über alle Maßen freute, dass Julian die Liebe seines Lebens gefunden hatte, musste sie die nicht in Surround-Sound miterleben.

Sie schlug die Bettdecke zur Seite und stand auf, prallte dabei mit der Hüfte gegen den Nachttisch und stieß ein leeres Weinglas um. Eines von vier – als wäre das ein weiterer Hinweis darauf, dass sie sich in eine Trinkerin verwandelt hatte in dem Versuch, ihren Problemen aus dem Weg zu gehen.

Ihr Leben war zum Stillstand gekommen.

Aus dem Fenster ihres Schlafzimmers auf der Rückseite konnte sie das Haupthaus sehen, in dem sie aufgewachsen war und in dem jetzt Corinne, ihre Mutter, lebte. Dorthin würde sie am Morgen gehen. Ihre Mutter um Geld zu bitten, würde wehtun wie die Stiche von tausend Wespen, aber was sonst sollte sie tun? Wenn sie nach New York zurückkehren und ihre eigene Investmentfirma gründen wollte, brauchte sie Kapital.

Ihre Mutter würde es ihr nicht leicht machen. Nein, wahrscheinlich wartete sie jetzt gerade schon vor einem prasselnden Kaminfeuer, in ihrem elegantesten Kleid, weil sie spürte, dass Natalie kurz davor stand, sich zu erniedrigen. Sicher, seit Natalies Rückkehr nach St. Helena hatte es auch ein paar zwanglosere Momente zwischen ihnen gegeben, aber unter der Oberfläche war sie für Corinne immer noch eine Enttäuschung.

Natalie warf ihre Augenmaske in Richtung des traurigen, leeren Weinglasquartetts und stapfte ins Bad. Sie konnte das Gespräch doch auch gleich hinter sich bringen, oder nicht? Sollte Corinne Natalies Vorschlag ablehnen, konnte sie sich wenigstens den Rest des Tages darin suhlen. Und sie befanden sich immerhin in Napa, da konnte sie das Suhlen sogar chic aussehen lassen. Sie würde an einer Weinverköstigung teilnehmen und dort alle Anwesenden bezirzen. Leute, die nicht wussten, dass man sie gebeten hatte, von ihrem Posten als Partnerin ihres Finanzunternehmens zurückzutreten, nachdem sie bei einem Deal einen gewaltigen Fehler gemacht hatte, der, oh, eine gefühlte Milliarde gekostet hatte.

Leute, die auch nicht wussten, dass ihr Verlobter sie vor die Tür gesetzt hatte, weil es ihm jetzt zu peinlich war, mit ihr vor den Altar zu treten.

Ihr Status in New York? Persona non grata.

Ihr Status in St. Helena? Adelige.

Als ob. Natalie entledigte sich ihres Schlafshirts und trat unter den heißen Duschstrahl. Und wenn die Bilder, wie ihr Bruder gerade seine Freundin beglückte, schon schwer aus dem Kopf zu bekommen waren, so war das nichts im Vergleich zu der Erinnerung an August Cates in seiner ganzen Muskelprotz-Pracht am gestrigen Nachmittag.

Ich habe kein unerschöpfliches Bankkonto wie andere Leute in dieser Stadt.

Wenn es doch nur so wäre.

Natalie konnte eigentlich nicht klagen. Herrgott noch mal, sie wohnte in einem schönen Gästehaus auf einem Weingut. Aber seit mehr als einem Monat lebte sie von ihren Ersparnissen, und mit dem, was davon noch übrig war, konnte sie nicht einmal mehr einen Getränkestand am Straßenrand eröffnen, geschweige denn eine Firma gründen. Sie besaß Privilegien, ja, aber finanzielle Freiheit zu erreichen, war eine Herausforderung. Eine, die sie hoffentlich an diesem Morgen bewältigen würde. Es würde sie lediglich ihren Stolz kosten.

Die Tatsache, dass August Cates St. Helena schon bald verlassen wollte, hatte nichts mit ihrem plötzlichen Drang zu tun, ebenfalls zu gehen. Überhaupt nichts. Dieser große, inkompetente Trottel und seine Entscheidungen hatten keinerlei Einfluss auf ihr Leben. Warum hatte sie dann dieses flaue Gefühl im Magen? Es war da, seit August gestern an den Jurytisch getreten war, um seinen Wein beurteilen zu lassen. Das Schmollen dieses Mannes war schon legendär, aber da war immer diese … Wärme in seinem Blick. Dieses entspannte, achtsame Funkeln, das besagte: Ich habe schon alles gesehen. Egal was kommt, ich kann damit umgehen.

Gestern aber war es nicht da gewesen.

Und Natalie war überrascht, dass sie das so sehr aus der Fassung brachte.

Er hatte resigniert gewirkt. Verschlossen.

Während sie sich jetzt vor dem beschlagenen Badezimmerspiegel die Haare trocknete, konnte sie nicht mehr so tun, als würde das Loch in ihrem Bauch nicht noch größer werden. Wohin würde August gehen? Was würde er tun, jetzt, da der Weinanbau vom Tisch war?

Wer war August Cates?

Ein Teil von ihr hatte sich gefragt – was sie nie laut zugeben würde –, ob sie das irgendwann herausfinden würde. In einem Moment der Schwäche. Oder aus Versehen.

Hatte sie sich darauf gefreut?

Natalie schaltete den Föhn abrupt aus, fuhr ein letztes Mal mit der Bürste durch ihr langes, schwarzes Haar und verließ das Bad in Richtung ihres Kleiderschranks. Sie entschied sich für ein ärmelloses schwarzes Kleid aus Jerseystoff und offene Schuhe aus Leder, trug einen Hauch von Lippenstift in einem Nude-Ton auf und legte goldene Ohrringe an. Als sie fertig war, bemerkte sie durch das Fenster des Gästezimmers, dass im Haupthaus Licht brannte. Sie atmete tief durch, um die Nervosität zu vertreiben.

Das Schlimmste, was Corinne sagen kann, ist Nein, dachte Natalie, während sie den Weg hinaufging, der an dem duftenden Weinberg entlangführte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber um den Mount St. Helena zeichnete sich bereits ein Goldrand ab. Sie konnte beinahe spüren, wie die Trauben erwachten und sich dem Versprechen von Wärme zuwandten. Ein Teil von ihr liebte diesen Ort wirklich. Es war unmöglich, es nicht zu tun. Der Geruch der fruchtbaren Erde, die Tradition, die Magie, der komplizierte Prozess. Vor Tausenden von Jahren hatten einige fleißige – und wahrscheinlich gelangweilte – Menschen Flaschen mit Traubensaft für den Winter unter der Erde vergraben und damit Wein erfunden, was Natalies Theorie bestätigte: Wo ein Wille ist, sich zu betrinken, da ist, verdammt noch mal, auch ein Weg.

Am Fuß der Verandastufen zum Haupthaus hielt sie inne. Jeder Zentimeter des Hauses ihrer Kindheit versprühte den Charme der alten Welt: das Grün der Blumenkästen unter jedem der Fenster, die Schaukelstühle, die zum Platznehmen und Entspannen einluden, und das Plätschern des Pools, das von hier aus zu hören war, obwohl er sich auf der Rückseite des Gebäudes befand. Ein prächtiges Herrenhaus, das alle Besucher des Weinguts jedes Mal in ehrfürchtiges Staunen versetzte. Wirklich unglaublich. Aber Natalie mochte das Gästehaus trotzdem lieber als das Herrenhaus, in dem sie von ihrer Geburt an bis zum College gelebt hatte. Im Moment war es einfach nur ein Hindernis, das vor ihr lag.

Kurz darauf klopfte sie an die Tür. Sie hörte, wie sich auf der anderen Seite Schritte näherten. Das Guckloch verdunkelte sich, das Schloss wurde geöffnet – und dann stand Corinne vor ihr.

«Echt jetzt?» Natalie seufzte und musterte ihre elegante Mutter mit ihrem zurückgekämmten schwarz-grauen Haar und dieser perfekten Körperhaltung. Selbst ihre Falten waren wie ein Kunstwerk und hatten sich nur mit ihrer Erlaubnis in ihr Gesicht graben dürfen. «Du bist um fünf Uhr morgens schon komplett angezogen?»

«Dieselbe Frage könnte ich dir stellen», antwortete Corinne prompt.

«Stimmt», sagte Natalie und schob sich unaufgefordert ins Haus. «Aber ich wohne nicht hier. Besitzt du überhaupt so etwas wie einen Morgenmantel?»

«Bist du hergekommen, um über Nachtwäsche zu reden?»

«Nö. Aber gönne mir doch meinen Spaß.»

Corinne schloss die Tür mit Nachdruck und verriegelte sie dann. «Natürlich besitze ich einen Morgenmantel. Normalerweise würde ich ihn mindestens bis sieben Uhr tragen, aber ich habe heute Morgen ein paar Online-Meetings.» Ihre Mutter ließ ein Lächeln aufblitzen, was vollkommen untypisch für sie war, dann verschwand es ebenso schnell wieder. «Dein Bruder hat einen Deal ausgehandelt, der uns zum offiziellen Weinlieferanten mehrerer Hochzeitslocations an der kalifornischen Küste macht. Er sorgt wirklich dafür, dass unsere Situation sich ändert.»

«Ja, das stimmt.» Natalie konnte nicht umhin, einen Funken Stolz auf ihren Bruder zu empfinden. Immerhin hatte er seine eigenen Probleme, was diesen Ort betraf, überwunden, es ging ihm jetzt sogar besser als je zuvor. Gleichzeitig konnte Natalie aber auch die Wehmut nicht ignorieren, die in ihrer Brust aufstieg. Gott, sie würde sich so sehr wünschen, dass jemand nur ein einziges Mal so über sie sprach wie Corinne über Julian. Als wäre sie wichtig. Erwünscht. Als würde sie geschätzt und gebraucht. «Es ist schwer, ihm etwas zu entgegnen, wenn er mit dieser strengen Professorenstimme spricht. Da fühlt man sich direkt in die siebte Klasse zurückversetzt.»

«Wie auch immer er das macht, es funktioniert.» Corinne straffte die Schultern und ging weiter ins Foyer. Sie gab Natalie ein Zeichen, ihr in den Wohnbereich zu folgen, wo man auf der rechten Seite einen Blick auf den weitläufigen Weinberg und die Berge dahinter hatte. Sie nahmen an gegenüberliegenden Enden der harten Couch Platz, die seit Natalies Kindheit dort stand und fast nie benutzt wurde. Die Mitglieder der Familie Vos versammelten sich nicht irgendwo.

Sie blieben immer in Bewegung.

Im Sinne dieser Familientradition wandte Natalie sich nun also Corinne zu und legte ihre gefalteten Hände auf dem Schoß ab. «Mutter.» Wenn sie von ihren frühen Anfängen in der Finanzbranche etwas gelernt hatte, dann, einer Person in die Augen zu sehen, wenn sie Geld haben wollte, und genau das tat sie jetzt. «Ich weiß, du siehst das genauso wie ich – es wird Zeit, dass ich nach New York zurückgehe. Ich habe mich mit Claudia, einer meiner ehemaligen Analystinnen, besprochen, und sie hat sich bereit erklärt, in meiner neuen Firma einzusteigen. Wir werden anfangs recht klein sein, eher eine Boutique unter all den Beratungsfirmen, aber wir beide haben genug Kontakte, um stetig zu wachsen. Mit ein paar klugen Geschäftszügen …»

«Wow.» Corinne legte Daumen und Zeigefinger an ihr Kinn. «Du hast zwischen deinen Weingelagen wichtige Telefonate geführt. Davon wusste ich ja gar nichts.»

Ping. Der erste Einschlag in ihrer Rüstung.

Okay.

Damit hatte sie gerechnet und darauf war sie vorbereitet. Mach einfach weiter.

Natalie bemühte sich, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten und zu verbergen, wie schnell ihr Herz schlug. Warum konnte sie millionenschwere Geschäfte abschließen, ohne dass ihr Puls in die Höhe schoss, aber eine spitze Bemerkung von Corinne genügte, und ihr brach der Schweiß aus und sie fühlte sich, als würde sie nur an ihrem kleinen Finger an einem Wolkenkratzer baumeln?

Eltern. Verdammt, die konnten ihre Kinder so richtig verkorksen.

«Ja, ich habe ein bisschen rumtelefoniert», antwortete Natalie ruhig. Sie leugnete nicht, dass sie Wein getrunken hatte, denn, ja, das hatte sie definitiv getan. «Claudia arbeitet gerade daran, einen Investor zu finden, aber bevor uns jemand Geld gibt, müssen wir einen neuen Firmennamen eintragen lassen. Wir brauchen ein Büro und müssen ein paar Investitionen tätigen, wenn auch erst einmal nur kleinere.» Sie versuchte, unauffällig tief einzuatmen. «Unterm Strich brauche ich Kapital.»

Von ihrer Mutter kam nicht einmal die kleinste Reaktion. Sie hatte das erwartet und es tat weh, obwohl sie beide wussten, dass dieses Gespräch früher oder später hatte kommen müssen.

«Du hast doch sicher etwas Geld gespart», sagte Corinne ruhig und hob anmutig eine grauschwarze Augenbraue in Richtung ihres Haaransatzes. «Du warst Partnerin in einer sehr lukrativen Firma zur Verwaltung von Investmentfonds.»

«Ja. Das war ich. Leider muss man einen gewissen Lebensstil pflegen, damit die Leute einem als Finanzier ihr Geld anvertrauen.»

«Das ist eine schicke Umschreibung dafür, dass du über deine Verhältnisse gelebt hast.»

«Vielleicht. Ja.» Oje, es war doch schwieriger als gedacht, die aufkeimende Wut im Zaum zu halten. Corinne hatte sich bestens auf dieses Gespräch vorbereitet. «Dieses Übermaß hat aber eine wichtige Außenwirkung. Partys und Designerkleidung und Urlaube und teure Golfrunden mit Kunden. Morrison und ich hatten eine Wohnung in der Park Avenue. Ganz zu schweigen davon, dass wir eine nicht erstattungsfähige Anzahlung für unsere Hochzeitslocation geleistet hatten.»

Dieser letzte Teil tat weh. Natürlich tat er das.

Sie war von einem Mann fallengelassen worden, der behauptet hatte, sie zu lieben.

Aber aus irgendeinem Grund tauchte Morrisons Gesicht jetzt nicht vor ihrem geistigen Auge auf. Nein, stattdessen sah sie August. Sie fragte sich, was er zu einer sechsstelligen Anzahlung für das Tribeca Rooftop sagen würde. Er hätte unter den Hochzeitsgästen vollkommen deplatziert ausgesehen. Wahrscheinlich wäre er in Jeans, Baseballkappe und einem verblichenen grauen T-Shirt aufgetaucht. Außerdem hätte er ihren Ex im Armdrücken niedergerungen. Warum fühlte sie sich dadurch besser und sogar so gut, dass sie jetzt weitermachen konnte?

«Kurz gesagt, ja, ich habe etwas Geld. Wenn ich einfach nur nach New York zurückgehen würde, könnte ich mir eine Wohnung leisten und ein paar Monate lang bequem dort leben. Aber das ist nicht das, was ich will.» Der Adrenalinkick in ihrer Blutbahn fühlte sich gut an. Es war lange her, dass sie ihn zuletzt gespürt hatte. Möglicherweise hatte sie aus Versehen auch ihren Ehrgeiz betäubt, während sie sich betrunken und all das beweint hatte, was sie trotz ihrer harten Arbeit verloren hatte. Jetzt, in diesem Moment, war er wieder da. Sie war die Frau, die von ihrem gläsernen Büro aus auf die Reihen der Analysten herabblickte und von ihnen verlangte, die Eier ihrer Konkurrenten zum Frühstück zu verspeisen. «Ich will besser denn je zurückkehren. Ich möchte, dass meine ehemaligen Kollegen erkennen, dass sie einen Fehler gemacht haben …»

«Du willst es ihnen unter die Nase reiben», ergänzte Corinne.

«Vielleicht ein bisschen», gab Natalie zu. «Mag sein, dass ich einen großen Fehler gemacht habe, aber ich bin sicher: Wenn an meiner Stelle Morrison Talbot der Dritte diese schlechte Entscheidung getroffen hätte, hätte man Entschuldigungen für sein Verhalten gefunden. Wahrscheinlich wäre er wegen seiner Risikofreude sogar befördert worden. Sie haben sich zu einer geheimen Sitzung getroffen und für meine Entlassung gestimmt. Meine Partner. Mein Verlobter.» Sie schloss kurz die Augen, um die Erinnerung an diesen Schock zu verdrängen. An diesen Verrat. «Wenn du an meiner Stelle wärst, Mutter, würdest du auch die Chance bekommen wollen, zurückzukehren und dich zu beweisen.»

Corinne starrte sie einige Augenblicke lang an. «Vielleicht würde ich das.»

Natalie atmete tief aus.

«Leider habe ich kein Geld, das ich dir leihen könnte», fuhr Corinne fort, und ihr Gesicht rötete sich leicht. «Wie du weißt, ist das Weingut nicht mehr so rentabel. Dank der unerwarteten Hilfe deines Bruders reißen wir im Moment gerade das Ruder herum, aber es könnte Jahre dauern, bis wir wieder schwarze Zahlen schreiben. Ich habe nur dieses Haus, Natalie, mehr nicht.»

«Mein Treuhandfonds», sagte Natalie entschlossen und brachte damit das Thema auf den Tisch. «Bitte gib das Geld frei.»

«Meine Güte, die Zeiten haben sich offenbar geändert», sagte Corinne mit einem Lachen. «Was hattest du beim Abendessen zur Feier deines Abschlusses an der Cornell doch gleich gesagt? Du würdest nie auch nur einen Cent von uns annehmen, solange du lebst?»

«Ich bin jetzt dreißig Jahre alt. Bitte halt mir nichts vor, was ich mit zweiundzwanzig gesagt habe.»

Corinne seufzte und faltete ihre Hände wieder in ihrem Schoß. «Du kennst die Bedingungen deines Treuhandfonds nur zu gut, Natalie. Dein Vater mag in Italien Autorennen fahren und sich mit Frauen vergnügen, die halb so alt sind wie er, aber er hat die Bedingungen des Treuhandfonds bestimmt, und über alles, was die Bank betrifft, hat immer noch er die Kontrolle.»

Natalie richtete sich auf. «Die Formulierungen in diesem Vertrag sind archaisch. Wie kann das in der heutigen Zeit überhaupt noch legal sein? Man muss doch irgendetwas tun können.»

Ihre Mutter atmete tief aus. «Du hast natürlich recht. Aber dein Vater müsste eine Änderung absegnen.»

«Ich werde vor diesem Mann nicht zu Kreuze kriechen. Nicht, nachdem er uns einfach abserviert hat und seitdem so tut, als würden wir nicht existieren. Nicht, nachdem er dich nach dem Brand vor vier Jahren mit den Trümmern allein gelassen hat und du alles allein wieder aufbauen musstest.»

Corinne blickte auf den Weinberg, der mit der ansteigenden Sonne immer mehr im Licht erstrahlte. «Ich wusste nicht, dass dich das beschäftigt.»

«Natürlich beschäftigt es mich. Du hast mich gebeten, zu gehen.»

«Oh bitte. Du hättest kaum deutlicher sagen können, dass du so schnell wie möglich zurück in das allmächtige Hamsterrad nach New York willst», schnaubte ihre Mutter.

Offensichtlich hatten sie beide sehr unterschiedliche Wahrnehmungen von der Zeit nach dem Brand. Aber es würde ihr nicht helfen, sich jetzt in Haarspaltereien über ihren letzten Aufenthalt in St. Helena zu stürzen. «Wir werden uns wohl darauf einigen müssen, dass wir uns nicht einig sind.»

Corinne schien ihr widersprechen zu wollen, entschied sich aber dann offensichtlich dagegen. «Mir sind die Hände gebunden, Natalie. Die Bedingungen des Fonds sind in Stein gemeißelt. Der Empfänger muss erwerbstätig und verheiratet sein, damit das Geld ausgezahlt werden kann. Mir ist klar, dass das wie etwas aus dem mittelalterlichen England und nicht aus dem modernen Kalifornien klingt, aber dein Vater ist Italiener der alten Schule. Die Ehe seiner Eltern war arrangiert. Für ihn ist das nobel. Es gehört zur Tradition.»

«Es ist sexistisch.»

«Normalerweise würde ich zustimmen, aber die Bedingungen für Julians Fonds sind dieselben. Als der Vertrag aufgesetzt wurde, hatte dein Vater eine große Vision vor Augen. Du und Julian, beide mit eigenen Familien, übernehmt gemeinsam das Weingut. Eine Menge Enkelkinder. Erfolg.» Sie winkte ab. «Als ihr beide gegangen seid und deutlich gemacht habt, dass ihr keine Ambitionen habt, in den Familienbetrieb einzusteigen, ist etwas in ihm zerbrochen. Das Feuer war letztlich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich will sein Verhalten nicht entschuldigen, ich versuche nur, dir seine Beweggründe zu erklären.»

Natalie sank auf die Couch zurück und warf ihrer Mutter einen flehenden Blick zu. «Bitte, es muss doch etwas geben, was wir tun können. Ich kann nicht ewig hierbleiben.»

«Oh, es tut mir so leid, dass sich der Aufenthalt in deinem Elternhaus wie ein Exil anfühlt.»

«Probier du doch mal aus, wie es ist, jeden Morgen nach dem Aufwachen mitanhören zu müssen, wie Julian und Hallie erfolglos versuchen, ihre Sexgeräusche am anderen Ende des Flures zu unterdrücken.»

«Großer Gott.»

«Ja. Den Allmächtigen rufen sie auch an, wenn sie glauben, dass ich nicht zu Hause bin.»

Mit einem spöttischen Augenrollen erhob sich Corinne und schritt zum Fenster. «Man sollte meinen, die überstürzte Abreise deines Vaters hätte die Loyalität seiner Freunde und Bekannten in der Gegend erschüttert, aber ich kann dir versichern, das hat sie nicht. Für sie steht er noch immer auf einem Sockel – auch für Ingram Meyer.»

«Wer?»

«Ingram Meyer, ein alter Freund deines Vaters. Er ist Kreditsachbearbeiter bei der St. Helena Credit Union, aber was noch wichtiger ist, er ist der Treuhänder von deinem und Julians Treuhandfonds. Glaub mir, er wird die Anweisungen deines Vaters buchstabengetreu befolgen.»

Natalies Kinnlade berührte schon fast den Boden. «Ein Mann, von dem ich noch nie gehört habe – geschweige denn, dass ich ihm je begegnet wäre –, hält meine Zukunft in seinen Händen?»

«Es tut mir leid, Natalie. Alles, was ich für dich tun kann, ist … zu versuchen, deinen Vater davon zu überzeugen, die Bedingungen zu ändern.»

«Das würde ich nie von dir verlangen.» Natalie seufzte. «Nicht, nachdem er uns auf diese Weise verlassen hat.»

Corinne schwieg einen Moment. «Ich danke dir.»

Das war’s. Das Gespräch war beendet. Es gab nichts mehr zu sagen. Im Moment war Natalie alles andere als erwerbstätig. Und noch weiter davon entfernt, verheiratet zu sein. Das Patriarchat hatte wieder gewonnen. Sie würde wie ein Hund mit eingezogenem Schwanz nach New York zurückkehren und sich bei einer der Firmen, die sie einst als Rivalen bezeichnet hatte, um eine Position ganz unten bewerben müssen. Die würden ihre Demütigung so richtig auskosten, und sie würde … lächeln und es ertragen. Es würde wahrscheinlich ein Jahrzehnt dauern, bis sie genug Geld zusammen hatte, um ihr eigenes Unternehmen aufzubauen, aber sie würde es schaffen. Sie würde es aus eigener Kraft schaffen.

«Okay.» Resigniert und innerlich völlig leer stand Natalie mit wackeligen Beinen auf und strich den Rock ihres Kleides glatt. «Viel Glück bei deinen Meetings später.»

Corinne sagte nichts, als Natalie das Haus verließ, die Tür hinter sich schloss und mit gerecktem Kinn die Treppe hinunterging. Heute würde sie in die Stadt fahren und sich die Haare und Nägel machen lassen. Sie konnte doch zumindest gut aussehen, wenn sie wieder nach New York fuhr, oder?

Aber dann kam auf dem Rückweg vom Friseur alles anders – und wie in der schrecklich verdrehten Version eines Kinderlieds drehte sich alles um eine Katze, eine Maus … und eine Robbe. Na ja, um einen Navy SEAL.

Kapitel 3

Er hätte die Eingangstür schließen sollen.

Jetzt war die verdammte Katze weg. Sie hatte sich aus Protest aus dem Staub gemacht, nachdem er angefangen hatte, seine Sachen zusammenzupacken. Wobei man das nur bedingt angefangen nennen konnte. Er hatte nur den Koffer aus dem Schrank geholt und ihn offen auf das Bett gelegt. Menace hatte das Gepäckstück beschnuppert, war hineingeklettert, hatte sich ein paarmal darin umgesehen und war dann in die Küche geschlichen. August hatte angenommen, es sei ihr vollkommen egal, dass er packte – und damit die wichtigste Regel zur Haltung von Katzen missachtet.

Veränderung war gleichbedeutend mit Angriff. Und ihre Rache kam beiläufig.

Jetzt war er hier, rannte diesen Pfad entlang, der sich zwischen seiner Katastrophe von einem Weingut und der Straße erstreckte, und rief nach einer tauben Katze. Wie hatte es nur so weit kommen können?

Menace verließ nie das Haus. August wusste das aus erster Hand, denn nachdem sie eines Tages aus heiterem Himmel aufgetaucht war und ihn zu ihrem neuen Dosenöffner erklärt hatte, hatte er zwei Wochen lang versucht, ihren pelzigen Hintern wieder nach draußen zu locken. Stattdessen hätte er es lieber mit Packen versuchen sollen, denn damit hätte er sie mit Sicherheit vertrieben.

«Menace», rief er laut und hielt die Hände wie einen Trichter vor den Mund. Vielleicht konnte sie die Schwingungen seiner Stimme in der Luft wahrnehmen? «Glaubst du, dass ich packe, bedeutet, ich lasse dich hier zurück? Muss ich dich daran erinnern, dass ich letzte Woche achthundert Dollar für den Tierarzt ausgegeben habe? Das ist Langzeit-Scheiß. Ich wusste nicht einmal, dass Katzen Zahnfleischentzündungen bekommen können.»

Schweigen.

Offensichtlich.

Seine Begleiterin, die so ungeplant in sein Leben gekommen war, miaute gelegentlich, das aber meist mitten in der Nacht, und er wusste bis heute nie, warum. Er hatte sich immer für einen Hundetyp gehalten. Nein, er war ein Hundetyp. Diese eine Katze war die Ausnahme.

Berühmte letzte Worte.

Vorne, in der Nähe der Straße, blitzte etwas orange auf. Da ist sie. August lief schneller und wurde zunehmend nervös, als er merkte, wie nah er der Straße war. Und als er das laute Rumpeln eines herannahenden Fahrzeugs wahrnahm, begann er zu sprinten, mit schweißnassem Rücken.

«Menace», bellte er und verfluchte sich dafür, dass er den Koffer hervorgeholt hatte. Vor ein paar Monaten hatte er ihr Katzenklo in die Waschküche verlegt, und im Anschluss hatte sie drei Tage lang nichts mehr gefressen. Offenbar hatte er nichts daraus gelernt. Hunde verhielten sich nicht so unsinnig, aber er hatte ja auch keinen Hund. Er hatte eine taube Katze, die kurz davor stand, von einem Auto überrollt zu werden. Sie war zu schnell, er würde es nicht rechtzeitig schaffen. Vielleicht sah der Fahrer sie rechtzeitig und drosselte sein Tempo? Verdammt, immerhin war Menace’ Fell leuchtend orange.

Augusts Mund wurde trocken, als er das Quietschen von Reifen auf der Straße hörte, im nächsten Moment trat er zwischen den Bäumen hervor …

Und stellte fest, dass seine temperamentvolle Katze sich auf den Rücken gedreht hatte und sich putzte, nur wenige Zentimeter vor der Stoßstange eines blauen Kleinwagens. Vollkommen unbeeindruckt davon, dass sie dem Tod gerade so von der Schippe gesprungen war. Für sie war das nur ein ganz normaler Tag, an dem sie das Leben von Menschen zerstörte und damit wegen ihrer rosa Nase und den niedlichen Zehen trotzdem ungestraft durchkam. Unglaublich.

August machte sich daran, auf die Straße zu gehen, um die Katze hochzuheben und dem Fahrer zu danken, der gerade aus dem Auto stieg, aber ein heiserer Schrei ließ ihn innehalten.

Natalie?

Er hatte diesen Laut noch nie gehört – nein, seine Träume zählten nicht mit –, aber August wusste sofort, dass sie die Fahrerin des Wagens war. Die Erkenntnis versetzte seinen Körper in höchste Alarmbereitschaft. Die Art von Alarmbereitschaft, die nur eine schlaflose Nacht wie gestern hervorrufen konnte, nachdem er stundenlang wach gelegen und sich selbst dafür verflucht hatte, immer weiter an diese Frau denken zu müssen, die er nicht mochte, die er aber auch nicht einfach hinter sich lassen konnte. Er hatte nicht erwartet, sie noch einmal zu sehen, aber nun stand sie da.

Sie hob seine Katze hoch und drückte sie an ihre Brust, entschuldigte sich mehrmals bei ihr, strich über ihr Fell und kraulte ihr Kinn. Er beobachtete verblüfft das Geschehen, da lehnte sich die Katze in Natalies Armen zurück und schaute ihm in die Augen. Ihr emotionsloser Blick teilte ihm unmissverständlich mit, dass sie noch andere Optionen hatte. Und diese Optionen würde sie nutzen, sollte er sich noch irgendeinen Fehler leisten, wie zum Beispiel, sich die Zähne zur falschen Tageszeit zu putzen.

Natalie sollte besser auch wissen, dass er hier war. Das war richtig.

Aber es konnte nicht schaden, sich ein paar Sekunden Zeit zu nehmen, um die Kehrseite dieser Frau zu bewundern. Verdammt, das hier war seine Lieblingsbeschäftigung. Diese Beine zu bewundern, gerade in dem Kleid, das sie trug. Die spitzen Schuhe, deren Absatz gerade hoch genug war, damit ihre Waden sich anspannten. Großer Gott, diese Beine waren ewig lang. Er würde noch auf dem Sterbebett bedauern, dass er die Chance verpasst hatte, sie an seinen Hüften zu spüren, zu fühlen, wie sie zuckten, wenn sie kurz davor stand zu kommen, und sich fester um ihn schlangen, wenn sie zum Höhepunkt kam.

«Armes Baby», schnurrte Natalie und wiegte die Katze wie ein kleines Kind. «Ich wollte dich nicht erschrecken. Wo ist dein Herrchen?», murmelte sie.

«Direkt hier, Prinzessin», rief August. Natalie drehte sich um, und er schluckte. Verdammt! Sie sah immer heiß aus, aber heute war sie ganz besonders verführerisch. «Du hast da was Schwarzes an den Augen.»

Bei seinem Anblick schien jegliche Kraft aus ihrem Körper zu weichen. Pure Verzweiflung in Menschengestalt. «Das ist Eyeliner, du Neandertaler.»

«Warum trägst du so viel davon?»

Sie zuckte mit den Schultern. «Vielleicht hatte ich ja ein Date.»

Unwillkürlich verschlang sich seine Speiseröhre zu einem Knoten.

«Mit wem?» Gott, die Vorstellung, dass sie sich mit jemandem traf, hasste er mehr als … alles andere. Dass sie nicht zusammen waren, bedeutete noch lange nicht, dass sie sich einfach mit jemand anderem verabreden konnte. Das war doch sicher eine ganz rationale Einstellung, oder?

Sie wiegte die Katze in ihren Armen, als wolle sie das Tier in den Schlaf schaukeln. «Ich war mit niemandem aus», murmelte sie. «Ich wollte nur ein bisschen Schminke kaufen und habe mir dabei ein komplettes Make-over aufquatschen lassen.»

Er verbarg seine Erleichterung. «Die haben die Kreditkarte mit dem hohen Dispo schon von Weitem gerochen.»

Sie lächelte strahlend. «Solltest du nicht unterwegs sein, um ein Wollmammut zu erlegen oder irgendetwas anderes in der Richtung?»

August grinste. «Ich sollte eigentlich packen, aber meine Katze ist abgehauen.»

Natalie richtete sich auf und streckte dabei ihre wohlgeformte Hüfte vor. «Du erwartest von mir, dir zu glauben, dass das deine Katze ist? Sie ist dein Haustier?»

«Wenn man es genau nimmt, bin ich ihr Haustier.»

Sie musterte das Tier, hob es in die Höhe und reckte den Hals. «Warum trägt sie kein Halsband?»

«Na ja, ich weiß nicht, welche Katze zulässt, dass man ihr ein Halsband anlegt, aber Menace» – er deutete mit dem Finger auf das Tier – «gehört nicht dazu. Sie würde wahrscheinlich eine Stunde lang so tun, als würde es ihr gefallen, aber wenn ich das nächste Mal aufwache, finde ich eine mit Blut gekritzelte Morddrohung auf meinem Badezimmerspiegel, unterschrieben mit einem Pfotenabdruck.»

Zuckten Natalies Mundwinkel ein wenig, oder war das Wunschdenken?

Denn ja, die Frau hatte ein umwerfendes Lächeln. Er hatte es schon oft aus der Nähe gesehen. Er hatte es auf seinen Lippen geschmeckt. Seit jener Nacht waren Monate vergangen, und das Wissen, dass er sie nie wieder küssen würde, machte es nicht leichter. Zumindest nicht, solange er ihr weiterhin in St. Helena über den Weg lief. Diese erdrückende Anziehungskraft, die Natalie auf ihn ausübte, war ein Bastard. Wieder einmal hatte sein Schwanz alles kaputtgemacht – und jetzt im Moment hinderte er ihn daran, zu fliehen. Er sollte wirklich packen und sich auf den Weg machen, um zu vergessen, was hätte sein können, wenn er sich nicht wie ein Arschloch aufgeführt hätte. Oder sie nicht so eine verwöhnte Göre wäre.

«Awww. Du hast nur versucht, dem Gestank von Fürzen und schalem Bier zu entkommen, stimmt’s, meine Süße?», schnurrte Natalie in Richtung der Katze, im selben Tonfall, als würde sie mit einem Baby sprechen.

«Falls du versuchen solltest, meine Katze gegen mich aufzubringen, kommst du zu spät. Der Zug ist längst abgefahren.»

«Sie hasst dich?» Natalie schien einen Moment lang überrascht zu sein, ruderte dann aber schnell zurück. «Ich meine … Sie hasst dich. Offensichtlich.»

«Das ändert sich minütlich. Ich weiß nie, was als Nächstes auf mich zukommt.»

«Was hat sie dieses Mal so wütend gemacht?»

Warum zögerte er, bevor er ihr eine Antwort gab? Keine Ahnung. «Das Packen. Ich habe meinen Koffer rausgeholt, und sie hat beschlossen, draußen Selbstmordkommando zu spielen.»

Ihre Miene war wie versteinert. Wahrscheinlich hielt sie sich zurück, ihm noch einmal vorzuwerfen, dass er den Schwanz einkniff. «Oh.» Ein paar Sekunden verstrichen, dann kam sie auf ihn zu, offenbar in der Absicht, ihm die Katze zu übergeben. «Na ja, das Letzte, was ich möchte, ist, deine längst überfällige Abreise aus Napa zu verzögern. Ich lasse dich dann mal weitermachen.»

Augusts Lächeln war brüchig. «Ich kann es kaum erwarten, die Stadt nur noch im Rückspiegel zu sehen.»

«Die Götter des Weins freuen sich sicher über diesen Tag.»

«Du musst es ja wissen, schließlich sind die Götter des Weins deine Eltern.»

«Oh, bitte. Sie sind keine Götter des Weins.» Natalie wollte ihm die Katze in seine bereits ausgestreckten Arme legen, aber die Krallen des Tieres gruben sich in den schwarzen Stoff ihres Kleides. Sie versuchte es noch einmal. Ohne Erfolg. Menace ließ sie nicht los. «Oh! Ich will nicht, dass sie sich an den Pfoten verletzt.»

Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. «Sie will mich bestrafen.»

«Sie zieht die Person vor, die du am wenigsten magst. Langsam glaube ich, du hast nicht übertrieben, was die teuflische Seite dieser Katze angeht.»

Natalie Vos war bei Weitem nicht die Person, die er am wenigsten mochte, aber das behielt er für sich. Er war ihr gerade so nah, dass ihr verführerischer Duft nach Rauch und Blumen ihn sogar vergessen ließ, was er jemals gegen sie gehabt hatte. Wer könnte einer Frau etwas übel nehmen, die so schön und sanft aussah und die so viel kleiner war als er, sodass er sich wie ein Unhold vorkam? Zumindest bis sie sagte: «Hilfst du mir jetzt mal? Oder willst du weiter einfach nur so affig da rumstehen?»

«Verzeih, Prinzessin. Du bist es natürlich gewohnt, dass die Leute sofort aufspringen, um dir zu helfen.»

«Ach, halt die Klappe, August. Heute nicht.»

Besorgnis erfüllte ihn und ließ ihn nicht los. «Warum? Was ist heute passiert?»

Bevor sie antworten konnte, näherte sich ein Auto und manövrierte sich schließlich an Natalies Wagen vorbei, der immer noch auf der Straße nach Vos Vineyard stand. Natürlich hörte Menace das andere Auto nicht, doch als sie die Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm, spannte sie sich an und grub ihre Krallen in Natalies Brust.

Die schrie vor Schmerz auf.

August geriet in Panik, so schlimm, wie er es seit seinen Einsätzen nicht mehr erlebt hatte, seine Kehle wurde so eng, dass er nicht schlucken konnte.

«Herrgott, Prinzessin. Okay.» Seine Hände fühlten sich schlaff und vollkommen nutzlos an, als er die Pfoten der Katze packte und daran zerrte. Aber irgendwie machte er es damit nur noch schlimmer. «Ich bin eher der Hundetyp. Ich weiß nicht, was ich machen soll.»

«Sorg dafür, dass sie sich entspannt.» Natalie schnappte nach Luft, als die Katze sich noch fester an sie krallte. «Beruhig sie.»

«Sie ist schwerhörig. Und sie zu streicheln funktioniert nur, wenn sie gerade in der Stimmung dafür ist. Manchmal mag sie es, manchmal ist sie wild wie der Teufel. Ich will es nicht noch schlimmer machen.»

«Ach, komm schon, du genießt das hier in Wirklichkeit doch.»

«Ich genieße es nicht, Natalie.» Er konnte den Anblick der Krallen, die sich in Natalies Körper gruben, nicht länger ertragen und zog die Katze von ihr herunter, wobei leider das Kleid zerriss und mehrere blutende Kratzer unterhalb ihres Schlüsselbeins offenbarte. «Oh Gott.»

Sie sah auf die Verletzungen hinunter und zuckte zusammen. «Halb so schlimm.»

«Doch, das ist schlimm.» Er stürmte zu ihrem Auto, wobei er jedes Mal, wenn er beim Blinzeln die Augen schloss, die Kratzspuren vor sich sah. «Rühr dich nicht vom Fleck.»

«Kommandier mich nicht herum.»

August ignorierte sie, während er die Tür von Natalies Auto aufriss und sich die knurrende – ja, knurrende – Menace unter den Arm klemmte. Als er mit seiner vollen Größe auf den Sitz sank, presste sich das Lenkrad in seinen Körper, bis er ihn ganz nach hinten schob. Er startete den Motor und lenkte den Wagen auf den Seitenstreifen, bemerkte, dass das Auto ganz von ihrem Duft erfüllt war. Was war in diesen Einkaufstüten? Der Inhalt war in Seidenpapier gewickelt, was bedeutete, dass er ziemlich teuer sein musste. Natürlich war er das.

Warum hatte sie ihr Auto dann gemietet, und dann auch noch das absolute Basismodell?

Konnte sie sich keinen Mercedes oder etwas ähnlich Teures leisten?

August ermahnte sich, sich lieber auf seine eigenen Angelegenheiten und die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren. Er zog den Schlüssel vom Zündschloss, atmete ihren Duft ein letztes Mal ein und kletterte dann wieder aus dem Wagen.

«Was machst du da?», wollte Natalie wissen, die Arme vor ihrem zerrissenen Kleid verschränkt. «Ich muss nach Hause.»

«Erst, wenn ich mich um diese Wunden gekümmert habe.» Er ging mit der fauchenden Katze im Arm an ihr vorbei. «Komm, wir gehen.»

«Auf keinen Fall. Gib mir meinen Schlüssel zurück.»

«Vergiss es.»

«Du erwartest von mir, dass ich mit dir durch den Wald zu deinem Haus stapfe? Allein mit einem Mann, der mich ohne Zögern für die Hexenprozesse von Salem nominiert hätte?»

August blieb abrupt stehen. Drehte sich mit gerunzelter Stirn zu Natalie um, die immer noch am oberen Ende des Weges stand. «Hast du Angst, mit mir allein zu sein?»

Sie antwortete nicht. Offensichtlich wusste sie die Antwort nicht.

Unabhängig von der Feindseligkeit zwischen ihnen gefiel August diese Unsicherheit überhaupt nicht. «Natalie, der Anblick deiner Wunden macht mich fertig. Ich würde dir genauso wenig etwas antun, wie ich eine Ballettkarriere anstreben würde.»