AD ASTRA 005 Buchausgabe: Grenzgänger - K. H. Reeg - E-Book

AD ASTRA 005 Buchausgabe: Grenzgänger E-Book

K. H. Reeg

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Beschreibung

AD ASTRA 005 Buchausgabe: Grenzgänger
K. H. Reeg: „Willkommen in der Welt hinter der Welt!“

 

Drei Monate nachdem die erdgebundenen sowie die Teleskope in geostationärer Umlaufbahn gewaltige Oberflächeneinbrüche auf dem Mond gemeldet hatten, bei denen Teile des Kraters Copernicus und der an ihn anschließenden Mond-Karpaten nahezu fünfhundert Meter absackten, erschienen die ersten sogenannten Blinden Flecken auf der Erde.

Es wird rasch klar: Das hängt mit dem Mond zusammen!

Und dort stößt die Expedition... auf die Welt hinter der Welt und ein schreckliches Rätsel, mit dem das Ende der Menschheit beginnt – falls es ungelöst bleiben sollte...

 

K.H. Reeg ist vielen bekannt, nicht nur von der ursprünglichen Romanheftreihe AD ASTRA, vor allem wegen seinen unvergleichlich fantastischen Schilderungen, die jegliche Grenzen sprengen und in denen niemals etwas so ist, wie es zu sein scheint. Dieses Buch ist ein weiteres Highlight seines Schaffens!

 

 

AD ASTRA - die Rückkehr der Science Fiction!

Die alternative SF-Reihe, absolut neu, aber in der Tradition ansonsten längst vergangener Möglichkeiten: Die einmalige Chance, der „reinen deutschen SF“ wieder entscheidend auf die Sprünge zu helfen - im Buchformat einerseits und als eBook im bewährten Format andererseits!

 

Impressum: ISSN 1614-3280

Copyright neu 2016 by HARY-PRODUCTION * Canadastraße 30 * D-66482 Zweibrücken * Telefon: 06332 48 11 50 * HaryPro.de * eMail: [email protected] * Sämtliche Rechte vorbehalten! * Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von HARY-PRODUCTION!

 

Coverhintergrund/Logo: Anistasius

 

Titelbild: Lothar Bauer

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Veröffentlichungsjahr: 2016

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K. H. Reeg

AD ASTRA 005 Buchausgabe: Grenzgänger

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

AD ASTRA Buchausgabe 005

Grenzgänger

K. H. Reeg: „Willkommen in der Welt hinter der Welt!“

 

Impressum

 

Die Reihe „ad astra“ erschien seit 1999 als Heftreihe bei www.HARY-PRODUCTION.de!

Auf besonderen Wunsch unserer Leser und auch unserer Autoren haben wir ab dem Jahre 2009 umgestellt auf das Buchformat!

Sämtliche vorher erschienenen Bände bis Einzelband 112 und Doppelband 121/122 sind natürlich nach wie vor erhältlich.

 

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AD ASTRA Buchausdgabe 005

ISSN 1614-3280

Copyright neu 2016 by HARY-PRODUCTION

Canadastraße 30 * 66482 Zweibrücken

Fon: 06332-481150 * Fax: 032223751903

www.HaryPro.de

eMail: [email protected]

Sämtliche Rechte vorbehalten!

Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von

HARY-PRODUCTION!

Coverhintergrund und Logo: Anistasius

Titelbild: Lothar Bauer

 

Vorwort

 

Drei Monate nachdem die erdgebundenen sowie die Teleskope in geostationärer Umlaufbahn gewaltige Oberflächeneinbrüche auf dem Mond gemeldet hatten, bei denen Teile des Kraters Copernicus und der an ihn anschließenden Mond-Karpaten nahezu fünfhundert Meter absackten, erschienen die ersten sogenannten Blinden Flecken auf der Erde.

Drei lange Monate stritten sich die Experten und andere Besserwisser darüber, wie dies möglich sei, da der Erdtrabant schon seit Äonen als seismisch tot galt und somit Beben schwer erklärbar waren. Die einzige Möglichkeit, die sich leidlich fundieren ließ, waren riesige Höhlensysteme, die noch aus der Frühzeit des Erde-Mondsystems stammten und durch Spannungen, erzeugt von Temperaturwechseln, eingestürzt waren. Warum dies gerade jetzt und heute passierte, war beim besten Willen nicht zu sagen.

So wurden langsam immer mehr Stimmen laut, die eine Untersuchung vor Ort verlangten. Einige gut ausgestattete Sonden, oder noch besser: Eine bemannte Mission. Dies sollte eigentlich im Bereich des Möglichen liegen, da 2018 der Flug und die Landung der umgebauten Raumfähre LUNA I erfolgreich verlaufen war.

Man hatte damals, vor sechs Jahren, sechsundvierzig Jahre nach der letzten Mondlandung der Apollo 17, nach dem Vorbild der Atlantis-Shuttles ein Raumschiff gebaut und zur Internationalen Raumstation geschickt. Dort war es drei Monat angedockt geblieben, bis mehrere Shuttleflüge es mit ausreichend Treibstoff versorgt hatten, damit es sich selbst und das Mondlandefahrzeug endgültig aus dem Schwerefeld der Erde lösen konnte.

Der Flug war problemlos verlaufen und die beiden Mondlander und der im Schiff zurückgebliebene Pilot waren nach einem fünftägigen Verbleib wohlbehalten zur Erde zurückgekehrt.

Die Machtgewaltigen der führenden Nationen waren allerdings nur schwer zu einer neuen Mondmission zu überreden und wiesen auf die gewaltigen Kosten hin. Sei der gewaltige Einbruch auf dem Mond auch gewiss sehr interessant für die Wissenschaftler und andere Spezialisten, so betraf er die Erde selbst und ihre Sicherheit doch nur wenig oder gar überhaupt nicht.

Drei Monate nach dem Beben auf dem Mond wurde diese Argumentation mit einem Paukenschlag vom Tisch gefegt. Als nämlich das flächedeckende Satelliten-System sechs der Blinden Flecken auf der Erdoberfläche entdeckten. Blinde Flecken deshalb, da es den Hightech-Geräten in den Wettersatelliten und anderen die Erde umkreisenden Spähvorrichtungen nicht mehr möglich war, von diesen sechs Punkten der Landmassen ein wie auch immer geartetes Bild zu erhalten.

Die Spezialisten sprachen von einem flächendeckenden Weißen Rauschen. Da weder visuelle noch Radar-Geräte, weder auf Infrarot-Basis noch auf anderen Strahlungsarten arbeitende Vorrichtungen einen Blick auf diese kurz nacheinander aufgetauchten Zonen ermöglichten.

Die Blinden Flecken waren wahllos – also anscheinend keinem Plan folgend – über den Erdball verteilt aufgetaucht. Einer ziemlich im Zentrum der Wüste Sahara, jeweils zwei in der nördlichen und südlichen Arktis und einer, in dessen Zentrum die Themse-Metropole und britische Hauptstadt London lag. Jeder Kontakt mit der Millionenstadt war schlagartig mit Auftauchen des Blinden Fleckens abgebrochen.

Die Vereinten Nationen riefen nach kurzer Debatte den Notstand für den englischen Teil Großbritanniens aus und der ängstliche Blick der Welt richtete sich auf die hektischen Betriebsamkeiten in den betroffenen Gebieten – im besonderen auf Vorgänge im Süden Großbritanniens.

Schnell brachte man die Blinden Flecken in Verbindung mit dem riesigen Einbruch auf der Mondoberfläche. Gleichwohl einige bekannte Wissenschaftler dies als Humbug, vorschnelles in Verbindung bringen von zwei gänzlich unterschiedlichen Phänomenen darstellten.

Die größere Gruppe, deren Wortführer Ottmar Flechner war, Inhaber der verschiedensten Doktortitel und Professor an einer angesehenen deutschen Institution, verwehrte sich scharf gegen den Vorwurf gänzlich unterschiedliche, zurzeit nicht erklärbare Vorgänge zu verknüpfen und daraus Fakten abzuleiten.

Man müsse schon ziemlich borniert und ignorant sein, um keinen Zusammenhang zwischen diesen sonderbaren Phänomen zu sehen, erklärte er in einer der vielen Diskussionsrunden, die das normale Fernsehprogramm verdrängten und in denen die verschiedensten Theorien vorgetragen wurden. Für kosmische – oder meinethalben auch astrophysikalische - Geschehnisse, erklärte er, hätten diese sonderbaren Geschehnisse auf Erde und Mond faktisch in der gleichen Mikrosekunde stattgefunden.

Das einzige Gute in dieser Zeit der Weltuntergangspropheten und Ufologen war das Zusammenrücken der verschiedensten Nationen. Nur wenige Staaten glaubten an ihre eigene Unverwundbarkeit und verkündeten lauthals, das wäre alles den Machenschaften der reicheren Länder zu verdanken – an erster Stelle natürlich den USA. Und die und ihre Wasserträger sollten jetzt auch sehen, wie sie zurechtkamen.

Genau dies versuchten ganze Heerscharen von Technikern und Wissenschaftlern der verschiedensten Richtungen.

Das Primärziel war natürlich die blinde Zone, die London verschluckt hatte. Diesem der menschlichen Sicht sowie allen technischen Ortungsmittel entzogene Bereich galt die vordringliche Suche nach Erkenntnissen. War nicht nur der ganze zirka hundert Kilometer durchmessende Landstrich mit seinen ungezählten Bauwerken verschwunden, so richtete sich doch das Hauptmerk auf die über sieben Millionen zählende Bevölkerung. Sie war zusammen mit diesem hinter dem wie vor Hitze flirrenden, grauweißen Nebel verschwunden, der sich zur Zeit als undurchdringlich gegenüber jeglicher Form von Beobachtung zeigte.

Zeugen über das Auftauchen des undurchdringlichen Schleiers gab es in Hülle und Fülle. Der Blinde-Fleck war von jetzt auf nun aus dem Nichts aufgetaucht; darin stimmten alle Aussagen überein. Und er war allem Anschein nach auch ziemlich gefährlich, da einige besonders mutige - oder auch besonders dumme - Leute in Gruppen oder allein in den flimmernden Nebel eingedrungen waren.

Kein einziger war zurückgekehrt.

 

1

 

„Was meinst du, Till, gehören diese Nebelschleier und der Mondeinbruch wirklich zusammen?“, fragte der dunkelhäutige Niederländer seinen seit Hochschulzeiten Bekannten Willbur Smith und deutete dabei mit einer kurzen Handbewegung auf die scheinbar senkrecht aufragenden wallenden Schlieren, die nur knapp zweihundert Meter von ihnen und dem mobilen Einsatzhauptquartier-Süd entfernt das Gesichtsfeld zur Rechten sowie zur Linken und auch nach oben vollständig ausfüllten.

„Flechner ist jedenfalls dieser Meinung“, mischte sich Stella Windemeer ein, die im Moment zu ihnen getreten war und machte bei diesen Worten eine kurze, grüßende Geste. „Leuchtet mir auch ein“, fuhr sie fort und kam damit einem Einwand des hochgewachsenen Till Brandtners zuvor, der schon den Mund zu einer Antwort geöffnet hatte. „Ist doch nur logisch. Zwei solche unglaublichen Phänomene in solch kurzem Zeitabstand…? Das kann kein Zufall sein. Oder bist du da anderer Meinung?“

Sie spießte Brandtner mit ihren schönen blauen Augen förmlich auf. Dabei überbrückte sie einen Höhenunterschied von gut und gern fünfunddreißig Zentimetern und trat dabei noch zwei Schritte auf den fast zwei Meter großen Mann zu, was den Größenunterschied noch deutlicher machte. Denn Stella war nur einssechzig groß, verfügte aber über eine äußerst spitze Zunge und ging keinem Disput aus dem Weg. Eigentlich war meistens sie es, die mit den Wortgefechten anfing – besonders gern mit dem langen, schwarzhaarigen Till Brandtner.

Willbur Smith war sich noch nicht sicher, ob sie Till einfach nicht mochte, oder ob sie heimlich in ihn verliebt war. Er seufzte lang und tief bei diesem Gedanken, und prompt fuhr die sehr hübsch und schnuckelig aussehende kleine Person zu ihm herum: „Was ist? Hast du auch eine eigene Theorie über diese nebelige Unmöglichkeit?“

Jetzt hab‘ ich sie am Hals, dachte Willbur halb belustigt und schicksalsergeben.

Das schadenfrohe Grinsen Tills ließ ihn nochmals einen Seufzer ausstoßen, dann öffnete er den Mund, um Stella zu antworten, die mit in die Hüften gestemmten Armen vor ihm stand und ihn taxierend auf eine Antwort wartete.

Was auch immer ich jetzt sage, ist verkehrt, überlegte er noch kurz, dann sagte er: „Also, ich halte Flechners Theorie für…“

Der an- und abschwellende Heulton der Alarmanlage unterbrach ihn.

Das mobile Einsatzquartier mit seinen Dutzenden von Wohn- und Arbeitscontainern und ebenso vielen olivgrünen Zelten verwandelte sich in einen wirbelnden, aber organisierten Ameisenhaufen.

Willbur sah noch, wie mehrere Raketenwerfer auf ein gemeinsames Ziel schwenkten. Dann stieß Till ihm in die Rippen und deutete schräg nach oben, Richtung Nebelwand.

„Da…! Da oben kommt was aus dem Nebel!“, verkündete er hektisch und fast schreiend.

Ein Schwarm aus Dutzenden von adlergroßen Fluggeschöpfen stieß aus der aufragenden Nebelwand und gab dabei schrille Schreie von sich.

Wie ein Hühnerhof, in den ein Habicht stößt, schoss es Willbur durch den Kopf.

Im gleichen Moment tauchte der mutmaßliche Verursacher dieser unkontrollierten Flucht aus der Nebelzone auf.

Dass es eine Flucht war, wurde eindeutig, als sich der Neuankömmling, bei dem es sich um ein reptilienartiges Wesen mit gewaltigen Fledermausschwingen handelte, mit einem heiseren Zischeln in den wild wirbelnden Schwarm doppelflügeliger Libellenwesen stieß.

„Das gibt’s doch nicht“, hauchte Stella Windemeer fast unhörbar. „Das ist ein leibhaftiger Drachen.“

Till und Willbur nahmen diese leisen Worte nur unterbewusst auf. Denn viel mehr wurde ihre Aufmerksamkeit von dem surrealistisch scheinenden Geschehen über ihren Köpfen in Anspruch genommen.

Mit ein paar kraftvollen Flügelschlägen war der Fledermausdrache zwischen den wie wild mit den Flügeln schlagenden Fluginsekten. Mit einem zielsicheren Zuschnappen seines Schildkrötenschnabels pflückte er gekonnte eines der Libellenwesen aus dem Himmel und verspeiste es mit drei, vier schlingenden Schnappbewegungen.

„Warum hauen die nicht ab?“, sagte Till Brandtner von dem Gekreische am Himmel und lauten Befehlsrufen aus dem Lager völlig losgelöst – als befände er sich als unbeteiligter Zuschauer im schummerigen Vorführraums eines Kinos. Er zeigte bei diesen Worten fahrig auf den wild pfeifenden und flatternden Schwarm nur einige zehn Meter von ihnen entfernt.

Stimmt, dachte Willbur, der im Gegensatz zu seinen beiden Gesprächspartnern keinen Moment die Fassung verloren hatte – schließlich hatte er eine harte und lange Ausbildung als Einzelkämpfer genossen. Schon beim ersten hektischen Schrei aus dem Lager hatte er seine großkalibrige Waffe, eine Desert Eagle Kaliber .50 AE, gezückt und stand nun breitbeinig da, die Waffe sicher im Griff und die Lage analysierend – genau wie er es in seiner harten Lehre eingebläut bekommen hatte.

„Die Flatterdinger sind ja total durch den Wind“, kam Stella einem diesbezüglichen Hinweis Willburs zuvor. „Die sind zu blöd um abzuhauen, so lange der Große mit seinem Mittagessen beschäftigt ist.“

„Die hauen nicht nur nicht ab“, nuschelte Till mit weit aufgerissenen Augen. „Die stürzen glatt ab.“

Den Flugdrachen scheint das auch zu irritieren, überlegte Willbur. Denn der graubraune Jäger war mit zwei, drei kräftigen Flügelschlägen höher gestiegen und schwebte nun, allem Anschein nach irritiert, über dem Feldlager und den Dutzenden abgestürzter Libellenwesen, die am Rande des Camps auf der zertrampelten Wiese lagen und nur noch schwach mit den Flügeln zuckten.

„Das Biest hat bestimmt eine Spannweite von zwanzig Metern“, überlegte Till Brandtner laut, während seine Linke nervös an seinem tarnfarbenen Hemd nestelte.

„Jetzt übertreib mal nicht“, verbesserte ihn Stella giftig. „Das sind höchstens dreizehn, vierzehn Meter – mehr auf keinen Fall.“

Selbst in diesem Gefahrenmoment kann sie es nicht lassen, dachte Smith, ohne sich davon ablenken zu lassen oder auch nur seine Pistole einen Millimeter zu senken. Aber recht hat sie: Das sind auf gar keinen Fall mehr als vierzehn Meter. Muss vollständig hohle Knochen haben, überlegte er weiter, sonst könnte sich die Kreatur unmöglich in der Luft halten.

Weiter kam er nicht mit seinen Überlegungen, die ihm blitzartig durch den Kopf gegangen waren. Denn das fliegende Raubtier hatte eine neue Beute erspäht – eine Gruppe Wissenschaftler, die sich wild gestikulierend und lautstark plappernd auf freiem Felde versammelt hatte und gebannt das Wesen anstarrte, das sie in diesem Augenblick in sein Beuteschema aufgenommen hatte.

„Diese Idioten!“, entfuhr es Willbur, als der Drache seine Flügel faltete und wie ein Stein aus dem Himmel fiel.

Fast im gleichen Moment klang das harte Stakkato einer automatischen Waffe auf, und andere folgten.

Doch zu spät, das Flugwesen hatte nur ein paar Meter über der verängstigte Gruppe seine Schwingen wieder ausgebreitet. Donnernd wurde Luft verdrängt, und fünf der sieben Weißkittel stürzten zappelnd zu Boden.

Laut zischend stob eine schwach gelbliche Dunstwolke aus dem aufgerissenen Rachen der Bestie und hüllte die Wissenschaftler im gleichen Moment ein, als das Abwehrfeuer der Soldaten und Sicherheitsleute den Drachen förmlich in Stücke riss.

„Mein Gott!“, schrie Till Brandtner. „Was hat das Biest da ausgespuckt?“ Er und fast jeder im engeren Umkreis starrte auf die mit weißen Kittel bekleideten Spezialisten, die sich nur wenige Meter neben dem nur noch zuckenden Drachen schreiend auf dem Boden wälzten. Feine, grünliche Dämpfe stiegen von ihnen und dem umliegenden Boden empor, und die weiße Berufskleidung nahm einen grauen Farbton an und zerfiel in feine Gewebeflocken, die von einer leichten Seebrise hinweg getragen wurden.

„Säure!“, stieß Willbur hervor und rammte seine schwere Waffe, nach einem kurzen, sichernden Blick Richtung der Nebelwand, ins Holster und lief mit ausgreifendem Schritt auf das Zentrum des Geschehens zu.

Stella Windemeer und Till Brandtner folgten ihm langsam, fassungslos und sich ihrer Hilflosigkeit bewusst. Sie konnten nicht wie der militärisch gedrillte Willbur das Geschehene beiseite schieben und sich erst einmal dem momentanen Geschehen zuwenden, das Gewesene für ein späteres geistiges Analysieren aufbewahren und sich ausschließlich dem Jetzt zuwenden.

Im gleichen Moment, als Willbur den Kreis der umstehenden Gaffer erreichte, peitschte Major Tomings sonore Stimme befehlend über den Platz: „Alle Mann auf ihre Posten, wir sind hier nicht auf einer Kirmes! Sergeant Gastor, machen sie den Leuten Dampf. Jeden Moment kann noch Schlimmeres aus dem verdammten Nebel kommen, und die Männer sind am Gaffen.“ Er übersah dabei, dass sich auch mehrere Frauen bei der Truppe befanden.

Der Befehl zeigte sofortige Wirkung, und die Soldaten spritzten förmlich auseinander und hasteten auf ihre Einsatzorte zu.

Fast im gleichen Moment erreichte ein Trupp Sanis den Ort des unheimlichen Vorfalls.

Zu spät, dachte Willbur Smith bedrückt, als die Sanitäter den Rand des von Drachensäure kontaminierten Platzes erreichten.

Alles Grün war im Durchmesser von gut zwanzig Metern verschwunden. Nur noch hier und da stiegen grünlich scharfriechende Schwaden empor. Und ziemlich genau im Zentrum dieses Ortes der Verwüstung lag, was von den Leichen der Wissenschaftler übrig geblieben war. Weiße, ausgebleichte Knochen, schwärzlich zersetzte Fleischreste und ein in Todesangst fallengelassener Kugelschreiber aus Titan, der scheinbar unversehrt neben dem Mittelhandknochen eines der Toten lag. Seltsam unpassend angesichts der zu Unkenntlichkeit zerfallenen Leiber der Menschen, die noch vor Minuten voller Leben gewesen und mit ihren Gedanken sicherlich bei vielerlei Dingen waren, nur nicht bei dem Gedanken an den Tod.

Willbur wandte betreten seinen Blick von den formlosen Gebilden, die einmal Menschen gewesen waren, und ging langsam auf den Kadaver des Drachens zu. Er griff dabei unbewusst an den Kolben seiner schweren Waffe. Die über zwei Kilo wiegende Desert Eagle war den meisten Männern seiner Gilde zu schwer und unhandlich. Smith mochte aber die Sicherheit verheißende Schwere an seiner rechten Hüfte, gleichwohl er auch im waffenlosen Kampf einiges zu bieten hatte.

Noch bevor er die paar Schritte hinter sich gebracht hatte, hatte ein Dutzend GIs den Absturzort des Drachens gesichert. Willbur sah aus den Augenwinkeln eine Gruppe Männer und Frauen in Zivilkleidung schnellen Schrittes näher kommen. Wissenschaftler – Spezialisten der verschiedensten Gebiete und Fachrichtungen.

„Mausetot - Captain“, umriss der Willbur am nächsten stehend Soldat die Situation und grüßte andeutungsweise, da allgemein bekannt war, dass Captain Willbur Smith auf solche Nebensächlichkeiten – wie er es immer nannte – keinen großen Wert legte. Für den Befehlshaber der kleinen Einsatzgruppe, die am nächsten Tag in den Blinden Fleck eindringen sollte, waren andere Dinge wichtiger. Als das wären: Durchhaltevermögen, rasches Einschätzen einer Situation und vor allen Dingen selbstständiges Denken. Er benötigte keine Männer, die für alles eine Anweisung – einen Befehl – brauchten. Er konnte nur die Besten gebrauchen, da seine Einsatztruppe bereits die fünfte war, die in den seltsamen Nebel eindringen sollte. Denn kein einziger der in dem Nebel verschwundenen Männer war wieder aufgetaucht – und es waren alles gute Leute gewesen. Handverlesen sozusagen.

Die Spezialisten waren gerade dabei, ihre Ausrüstungsteile – Alukoffer, Stative und vielerlei andere Dinge – in der Nähe des Kadavers abzulegen, als die GIs in Habacht-Stellung gingen. Willbur war nicht überrascht. Denn er hatte die rasch näher kommenden Schritte hinter sich gehört. Das und die akkuraten Männchen, welche die Soldaten gebaut hatten, ließen nur einen Schluss zu: Major Ronald Tomings kam, um das Schlachtfeld persönlich in Augenschein zu nehmen.

Als die Schritte hinter ihm verstummten, drehte er sich langsam um und erspähte wie erwartet Major Tomings, der ihn ernst anschaute.

Trotz des schwülen Wetters war seine makellos saubere Uniform bis zum letzten Knopf zugeköpft – ein Kommishengst reinsten Wassers.

Der drahtige, kleine Mann grüßte nach Reglement, und Willbur blieb nichts anderes übrig, als zackig die Fersen zusammen zu schlagen und ein fragendes: „Major?“ hervor zu bellen.

„Stehen sie bequem, Captain Smith“, befahl dieser leise und deutete dann auf den Kadaver des Drachens und den Kreis verseuchter Erde mit den toten Technikern und Wissenschaftlern in der Mitte. „Was halten Sie von dieser ganzen Sauerei?“

„Das weiß ich beim besten Willen nicht. Das Ganze ist eigentlich eine Aneinanderreihung von seltsam unpassenden Geschehnissen. Ich kann mir da einfach keinen Reim drauf machen.“ Smith zuckte ratlos mit den Schultern.

„Hm – ja, stimmt“, kam die Antwort ziemlich langgezogen und deutlich akzentuiert. „Ist ihnen aufgefallen, dass die ersten Ankömmlinge – die schillernden Insektenwesen – einfach abgestürzt sind? Es schien beinahe so, als hätte sie mit einem Schlag alle Kraft verlassen. Und dann noch das seltsame Verhalten des Flugreptils…? Also, ich weiß nicht recht...“

„Ja“, stimmte Willbur zu. „Ich hätte es verstanden, wenn er sich auf uns gestürzt hätte, um… Na ja, um uns aufzufressen. Aber so… Keine Ahnung.“

„Seltsam, sehr seltsam.“ Der Major strich bei diesen ratlos genuschelten Worten abwesend seine Uniformjacke glatt.

Hat anscheinend auch nur Nerven, fuhr es Smith durch den Kopf. Doch nicht ganz der schon als Soldat auf die Welt gekommene Bärbeißer.

„Ihre Mission morgen starten zu lassen, fällt damit wohl flach“, überlegte Tomings laut. „Erst müssen unsere Spezialisten die Kadaver untersuchen. Wahrscheinlich müssen wir ihre Ausrüstung noch einmal durchgehen und sie nach neusten Erkenntnissen – er deutete weitschweifig in die Runde – neu zusammenstellen, womöglich um einige Gerätschaften aufstocken.“

„Mit Verlaub, Herr Major, ich halte das für keine ganz so gute Idee. Die Männer sind bereit und motiviert. Jeder weitere Tag zehrt nur sinnlos an ihren Nerven.“

„Mag sein“, nickte Tomings. „Aber wir brauchen erst die Erkenntnisse, die wir von diesen merkwürdigen Geschöpfen zu erhalten hoffen.“

„Aber…“

„Nichts zu machen, Captain“, unterbrach ihn Ronald Tomings ruhig, aber bestimmt. „Es gibt nicht nur diesen Vorfall, den Sie mit eigenen Augen wahrgenommen haben. Die Beobachtungs-Kreuzer in der Nordsee haben in den letzten drei Tagen mehrere gefährlich aussehende Lebewesen aus dem Wasser im Mündungsgebiet der Themse gefischt, und ich möchte nicht wissen, was da noch aus dem Nebel heraus gespült wurde. Bis vor wenigen Minuten dachten wir, es kämen nur tote Kreaturen aus der Nebelzone. Doch nach dem Auftauchen dieses… dieses Drachens denke ich“, er deutete erneut auf den grüngrauen Kadaver, „dass wir uns da falsche Hoffnungen gemacht haben. Ich bin mir sicher, dieses sonderbare Geschöpf hätte mühelos in unserer Umwelt überlebt.“

Unsere Umwelt?, horchte Willbur auf. Hatte der Major sich in der ganzen Aufregung verplappert und es gab schon feststehende Fakten über die Blinden Flecken?

Willbur beschloss, da mal nach zu haken. Ziemlich unmilitärisch winkte er den Major ein paar Schritte zur Seite, und dieser folgte ihm wortlos – ein schlechtes Zeichen, das war klar.

Smith hatte noch nicht den Mund aufgemacht, als ihm Tomings mit einem kurzen Wink und einem säuerlichen Lächeln auf den Lippen Einhalt gebot. Anscheinend hatte er seinen Lapsus schon erkannt und würde jetzt auf seinen Rang pochend Stillschweigen befehlen. Doch Smith irrte sich. Tomings sah ihn nur noch mal kurz und prüfend an, räusperte sich und kam dann sofort zur Sache: „Wir stehen nicht vollständig ohne relativ sichere Fakten da“, sagte er leise. „Der Vorfall hier hat sogar noch die wichtigsten Überlegungen bestätigt.“

„Der Drache war überlebensfähig und die Libellen nicht“, überlegte Willbur laut, als Tomings keine Anstalten machte, weiter zu reden, sonder nur die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen nachdenklich vor sich hin starrte. „Eigentlich ganz einfach“, setzte er schnell noch eine Überlegung hinzu, die ihm in diesem Moment durch den Kopf schoss. „Bei den Libellen handelt es sich um Insekten, und Insekten von dieser Größe können bei unserem normalen Luftdruck nicht überleben. Zu geringe Sauerstoffaufnahme, deshalb sind sie auch einfach abgestürzt.“ Er sah Tomings auf Zustimmung wartend an.

„Genau“, bestätigte der Major schulterzuckend. „Das ganze Top-Secret-Gerede bremst nur die Zusammenarbeit Wissenschaftler und Spezialisten aus. In der Lage, in der sich die gesamte Menschheit jetzt befindet, brauchen wir Teamwork und keine verschiedenen Geheimhaltungsstufen.“

Wer hätte das gedacht?, überlegte Willbur Smith ziemlich baff, der alte Quadratschädel ist über seinen Schatten gesprungen und will Militärs und Zivilisten auf die gleiche Stufe stellen. Da ist Kacke gewaltig am Dampfen.

Willbur wollte seinem Vorgesetzten gerade zustimmen, als ein Soldat des Fernmelde-Bataillons mit weiten Schritten auf sie zu gehastet kam.

„Major Tomings, Sir“, begann er schon Luft schnappend, bevor er auf dem nassen, zusammengetretenen Gras rutschend zum Halten kam. „Sie sollen sofort in den Fernmelde-Container kommen. Befehl von General MacTonstadt.“

„Kommen Sie, Captain, wenn der General uns anfunkt, ist meistens mit nichts Gutem zu rechnen.“ Ohne darauf zu warten, ob Smith ihm folgte, und ohne den Sergeant dafür zu rügen, dass er die Meldung ziemlich unmilitärisch überbracht hatte. Und Willbur Smith dachte zum zweiten Mal in Folge: Da ist gewaltig was am Dampfen.

Drei, vier Minuten später stürmten die beiden Offiziere in den Container des Fernmelde-Bataillons. Die große Stahltür stand weit offen, aber trotzdem herrschte eine drückende Hitze in dem mit Computern und Funkanlagen vollgestopften Raum. Die Lüfter der Geräte liefen auf Hochtouren und sorgten für einen allgegenwärtigen Summton zum Pfeifen und Rauschen der Funkempfänger.

Major Tomings schnappte nur ein kurzes: „Auf welchem Monitor ist der General?“ und saß Sekunden später vor einem großen, aufrollbaren Bildschirm, von dem ihm das bärtige Gesicht des General MacTonstadt entgegenblickte.

„Wie ist die Lage bei ihnen?“, fragte der General nach einer knappen Begrüßung.

„Wir hatten vor kaum einer halben Stunde einen Vorfall der Stufe drei, wir konnten den Eindringling allerdings erst nach einem mittlern Personenschaden unschädlich machen“, antwortete Tomings kurz und bündig.

Mittlerer Personenschaden, dachte Willbur betreten. Das war alles, was zu dem grausamen Tod er sieben Menschen zu sagen war. Aber das war eben die Terminologie des Militärs. Smith wusste das nur zu gut. Außerdem gab es anscheinend in den höheren Rangstufen schone eine Abstufung für die Dinger, die aus dem Nebel kamen – Eindringlinge hatte der Major sie genannt. Das hieß mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass der Vorfall hier nicht der erste seiner Art war.

MacTonstadt bestätigte dies auch gleich: Er nickte nur bei Ronald Tomings Worten, bevor er bekannt gab, weshalb er den Major herbei zitiert hatte. Dass dabei wenigsten zehn Menschen zuhörten, schien ihn wenig zu stören. Das hieß wohl, dass sowieso schon einiges durchgesickert und weitere Geheimhaltung für die Katz war. „Da haben sie noch Glück gehabt“, sagte er mit seiner heiser krächzenden Stimme. „Bei uns hier – am Arsch der Welt“, der General befand sich in der Antarktis in einem ähnlichen Lager wie hier in England, „… ist seit heute Morgen der Teufel los. Sonderbar vielgliedrige, Chitin bedeckte Kreaturen – die Wissenschaftler sagen allerdings, dass es sich um Warmblütler handelt – kommen aus dem verdammten Nebel. Zuerst einzelne, dann Dutzende und schließlich Hunderte der Wesen marschieren in lockerer Formation aus dem elenden Dunst. Wir haben, wie für diesen Vorfall geplant, versucht, friedlich Kontakt aufzunehmen. Die Parlamentäre konnten nur mit knapper Not ihr Leben retten. Tja“, der General stieß einen leisen Seufzer aus, „soviel also zu einer friedlichen Verständigung. Hab mir gleich gedacht, dass mit diesen Dingern nicht zu verhandeln ist. Haben nicht den geringsten Grips im Kopf, sagen die Spezialisten nun, nachdem sie einige der Kadaver untersucht haben. Ich denke, das war unser Glück, sonst hätten wir sie nicht aufhalten können, bis die Kampfhubschrauber eingetrudelt waren. Hab gleich gesagt, dass die Helis hier im direkten Operationsgebiet stationiert sein sollten. Aber nein, vielleicht macht das irgendwelchen friedlichen rosa Hampelmännern Angst und sie sehen eine kriegerische Rasse in uns. Wäre nicht gut, denn Wesen, die solche Blinden Flecken aus dem Ärmel zaubern können, haben bestimmt noch zusätzliche Asse in demselben.“