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Auf dem Mars gibt es einen neuen Anschlag auf Wasserkönigin May Edmundson, der Auftraggeber macht jedoch einen Fehler. Gleichzeitig sind Chet Morrow und Linda auf einer besonderen Hochzeitsreise, das junge Paar ist auf einer Rettungsmission dabei, denn auf der Station von Ceres ist eine unbekannte Krankheit ausgebrochen. Noch bevor das Schiff mit Chet und Linda den Kleinplaneten im Asteroidengürtel erreicht, bekommt Chet eine wichtige Nachricht, sein Bruder erinnert sich wieder an die Schrecken kurz nach der Katastrophe, er kann den Ort identifizieren, an dem ein skrupelloser Sektenführer Gefangene hält, darunter sind auch Sodoraner. Chet trennt sich Hals über Kopf von Linda, fliegt mit einem Dyna zurück zur Erde, während Linda die Hilfsmission weiterführt. Dabei kommt es zu einer dramatischen Entwicklung, Linda gerät in Lebensgefahr.
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Seitenzahl: 373
Veröffentlichungsjahr: 2024
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In dieser Reihe bisher erschienen
e601 Thomas T. C. Franke Ad Astra 01: Franke Schatten über dem Mars
e602 Thomas T. C. Franke Ad Astra 02: Die Kometenfalle
e603 A.N. O’Murtagh Ad Astra 03: Söldner der Galaxis
e604 Melanie Brosowski Ad Astra 04: Gestrandet in der weissen Hölle
e605 Thomas T. C. Franke Ad Astra 05: Jagt den Milan!
e606 Melanie Brosowski Ad Astra 06: Das Maki-Komplott
e607 Melanie Brosowski & Margret Schwekendiek Ad Astra 07: Hölle auf Eden
e608 Thomas T. C. Franke Ad Astra 08: Entscheidung auf Ceres
AD ASTRA – CHET MORROWS WEG ZU DEN STERNEN, NEUE ABENTEUER
BUCH 8
Copyright © 2024 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier
In Zusammenarbeit mit
Heinz Mohlberg Verlag GmbH, Pfarrer-Evers-Ring 13, 50126 Bergheim
Redaktion: Danny Winter
Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Logo: Mario Heyer
Satz: Gero Reimer
Alle Rechte vorbehalten
Die Printausgabe des Buches ist 2014 im Mohlberg-Verlag erschienen.
ISBN: 9783942079501
www.Blitz-Verlag.de
ISBN:
e608 vom 10.08.2024
Ein Denkmal und ein Attentat
Eine Hochzeit und ein Angebot
Einsam in der roten Wüste
Spurensuche
An Bord der Hydra
Rückschau, vor der Katastrophe
Die Erinnerung kehrt zurück
Rätselhafte Seuche
Römisches Manöver
Die Spur der Seuche
Spurensuche
Die Legion marschiert
Eine Mission, vier Ziele
Kampf um Asimov-City
Epilog
Thomas T. C. Franke
Das Störsignal ließ May Edmundson zusammenzucken, es war ein fürchterliches Fiepen. Sie duckte sich, hielt die Hände an den Kopf, um die Ohren zu schützen, vergeblich. Schließlich trug sie den Helm zu ihrem Marsanzug, sie drehte sich, blickte hinüber zum Gyro. „Unternimm was!“ Der Befehl galt Ibrahim Holmgren, ihr Leibwächter im Fahrzeug konnte sie aber nicht hören. Jetzt stieg eine Rauchwolke aus dem Heck, wie in Zeitlupe löste sich ein Teil vom Gyro, stieg in den rötlichen Himmel. May stand wie erstarrt.
Der Gyro explodiert!
„Raus! Um Gotteswillen, raus!“ Sie brüllte, einen Moment schien das Störsignal verstummt zu sein, dann dröhnte es umso lauter. Ibrahim hatte keine Chance. Die Brocken des Gyro taumelten nach allen Seiten, das Plasfenster platzte, scharfkantige Scherben spritzten durch die dünne Luft, auch in ihre Richtung. May warf es um, sie spürte einen Moment nichts, blieb liegen. Dann richtete sie sich vorsichtig wieder auf. Die roten Warn-LED im Helm mussten warten, ebenso die Warnung, Warnung-Signale des Anzugs.
Oh, Gott. Die Mädchen!
May schaute sich um. Ein paar Meter weiter lagen zwei Körper im rötlichen Sand, die sich aber gerade aufrappelten. Gottseidank. Die beiden rannten zu ihr. Flavia warf sich in ihre Arme. May sah durch den von der Explosion getrübten Helm, dass der Kleinen die Tränen herunterliefen. May konnte sie nicht hören, wollte sie trösten. Sie zog den Helm des Mädchens zu sich, das hatten sie im Camp geübt. Verständigung ohne Com. Wenn die Helme sich berührten, konnte man miteinander sprechen, auch wenn es klang, als befände man sich in einem Kanalrohr. »
„Ist gut, ist gut. Wir ...“ May stockte. In dem Moment kam der Schmerz wie eine Welle, sie konnte nicht weitersprechen. Mein Bein, mein Bein! Lucrezia bückte sich zu ihr. Sie war die Entschlossenere, die nicht davor zurückschreckte, sich und ihre Schwester mit dem blanken Dolch in der Hand zu verteidigen, so wie beim versuchten Attentat auf den Vater der Zwillinge, Tiberius Cornelius. Der Anschlag war dank Lucrezias Mut gescheitert, sie hatte einen der Attentäter erdolcht, war dabei selbst verletzt worden. Seither erzählte sie jedem von ihrem Wunsch: „Ich will Kriegerin zu werden!“ So, wie ihr Bruder Tib und natürlich wie der Vater, der Ex-Legionär und heutige Söldner.
Jetzt kniete Lucrezia zu Mays Füßen, betastete vorsichtig das Bein. Dann nestelte sie an ihrem Gürtel. Holte das Medi-Kit heraus, griff nach dem Spray, sprühte, einen Moment darauf spürte May die Kühle, jetzt legte Lucrezia ihren Helm an Mays.
„Ich ... ich weiß nicht, ob ich es richtig gemacht habe, Cesarina! Da war Blut. Aber jetzt fließt es nicht mehr! Kannst du aufstehen?“
May biss die Zähne zusammen, versuchte es. Es ging unter fürchterlichen Schmerzen.
So kann ich nicht weit gehen. Geschweige denn durch den Sand marschieren. Der Gedanke war plötzlich da. Sie waren weitab ihrer geplanten Strecke. Weil ich den Mädchen unbedingt etwas Besonderes zeigen wollte.
Mit der Zerstörung des Gyros waren sie vorerst auf sich gestellt. Hier kam nur alle Jahre ein Neugieriger vorbei. Neugierig, es war das Stichwort. May schaute zu der staubbedeckten Plattform, sah die Kameras, die Probensammler, alles war noch da, auch nach über 100 Jahren. Es wirkte, als ob das Fahrzeug gleich weiterrollen würde. Curiosity hatten die Menschen es genannt. Neugier. Und neugierig waren sie gewesen, als sie diesen Botschafter von der Erde auf eine gefährliche Reise und eine verrückte Landung auf den Mars geschickt hatten. Nun war Curiosity sein eigenes Denkmal. Nach der Besiedelung waren die Menschen gekommen, um die Anfänge der Marserforschung buchstäblich begreifen zu können. Seit der Katastrophe, dem Fast-Untergang der Erde, blieb dafür aber keine Zeit mehr, der Kampf ums Überleben war wichtiger. Und jetzt müssen wir sehen, wie wir überleben. May nestelte am Gürtel, der Duster in der Hüfttasche gab ihr zusätzliche Sicherheit, er enthielt für vielleicht zwei Stunden mehr Sauerstoff. Sie hielt einen Moment lang die Luft an, stoppte an ihrem Anzug die Umwälzanlage, spürte, wie die Luft im Helm dünner wurde.
Nur keinen Sauerstoff verschwenden. Sie tastete nach der Arretierung, bevor sie die Kugel abnahm, schaute sie kurz auf die Anzeige. Acht Stunden Atemluft.Im Normalfall auf dem Mars war dies völlig ausreichend. Niemand bewegte sich weit von festen Unterkünften oder von Fahrzeugen weg. Sie holte ihren Duster aus der Tasche, setzte ihn auf, dazu noch die Brille. Lucrezia war fast so schnell wie sie. „Endlich können wir ohne dieses entsetzliche Brausen reden. Was ... was passiert hier, Cesarina? Und warum ist ...“ Sie schluckte, deutete auf den Gyro.
„Tja, ich fürchte, es hat wieder mal mit mir zu tun, Kleine.“ May stöhnte leicht. „Die Männer, die euch überfallen haben, sie hatten Hintermänner, Menschen, die genug Geld und Macht haben, um Mörder zu kaufen, dies ist das Ergebnis.“
May hatte sich nach dem Attentat auf die Römer besonders um die Mädchen gekümmert, auch um den verkrümmten Rücken Lucrezias, die an Skoliose litt. Und sie hatte den Zwillingen versucht zu erklären, woher die Gewalt herrührte, dass sie nicht den Römern an sich galt, sondern sie treffen sollte, die mächtige Wasserkönigin. Mein Experiment passt vielen nicht. Weil sie fürchten, ihre guten Geschäfte zu verlieren. Und sie würden verlieren. Niemand soll mehr von Plünderungen und der Not anderer profitieren, verdammt.
Es war nicht einfach zu verstehen für junge Mädchen. Dass es Machtkämpfe, auch blutige Auseinandersetzungen gab, dies kannten die Römer nur zu gut nach 2000 Jahren römischer Geschichte auf einer fremden Welt, die die Menschen auf der Erde erst nach und nach aufdeckten. So hatte May ihnen erklärt, dass hinter den Anschlägen Menschen steckten, die Angst hatten. Angst, ihre Macht an May zu verlieren, falls die Wasserkönigin mit ihrem Projekt, den Mars in Teilen zu begrünen, Erfolg hätte. Das verstanden alle Römer.
„Und wie kommen wir wieder nach Hause?“ Lucrezia dachte wie immer praktisch. May schaute zu ihrem Bein. Keine Chance, dass ich hier weghumpele. Solange dieser verdammte Störsender aktiv ist, können wir auch keine Hilfe rufen. Aber Nichtstun ist keine Option. Verdammt! Also müssen uns selbst helfen!
„Ich werde gehen und Hilfe holen.“ Lucrezia sprach ruhig, so wie eine Erwachsene, die die Situation einschätzte und den einzig möglichen Ausweg laut aussprach. Wie eine Soldatin.
„Willst du ... wollt ihr nicht lieber zu zweit gehen? Das wäre ...“ May verzichtete darauf, sicherer zu sagen. Es wäre unehrlich, auch die marsianische Sandwüste barg Gefahren, es gab Stürme, Spalten, und die Attentäter. Hatten sie sich mit dem Sender und der Bombe begnügt? Das wäre ungewöhnlich. Zumindest würden sie den Bereich überwachen, oder würden sie Jagd auf Überlebende machen?
Verdammt, es kann sein, dass bald ein Gyro auftaucht, mit Bewaffneten. Und kurz darauf liegen unsere Leichen hier hübsch aufgereiht. Oder sie warten, bis uns die Luft ausgeht.
May wollte nicht weiter nachdenken, Lucrezias Marsch durch die Wüste war ihre einzige Chance.
„Und was ist mit dir, Flavia? Willst du Lucrezia begleiten?“
„Oh, nein. Ich hab Angst, durch diesen roten Sand zu laufen. Ich will bei dir bleiben, May. Außerdem, du brauchst hier Hilfe.“ Die junge Römerin schaute sie mit ihrem verweinten Gesicht an.
„Okay, Kleines. Wir harren hier aus. Ich werde mich, wenn du mir kurz hilfst, auf dieser Sonde ausruhen, dann kann ich mein Bein hochlegen. Und wir können uns gegenseitig Trost spenden.“
„Jetzt zu dir, Lucrezia.“ Sie ließ sich deren Helm geben, schaute auf den Kartenausschnitt im HUD-Display. Da, das ist das nächste Objekt, die Mine von Bonnier. Nicht optimal, aber große Auswahl haben wir nicht, wenigstens bin ich mir bei Bonnier sicher, dass er nicht für meine Feinde arbeitet.
May markierte den Kurs. „Wenn du darauf achtest, dass der grüne Pfeil immer nach vorne weist, kannst du die Kuppel nicht verfehlen, dort ist eine Erzmine. Aber es sind 30 Kilometer. Das sind ... ach was, es ist weit, es wird dunkel werden. Und kalt, ziemlich kalt. Das wirst du durch den Anzug spüren. Und du hast nur Luft für acht Stunden, vielleicht weniger, wenn du dich anstrengst.“
Lucrezia schaute sie an. „Und du? Ihr beide habt auch nicht mehr. Ich weiß, ich muss es eben schneller schaffen. Es muss Zeit dafür bleiben, mit einem Fahrzeug zurückzukommen. Ach, wenn wir nur einen Bronzevogel hätten.“ Lucrezia meinte einen Dyna.
„Tja, Schätzchen, es muss ohne gehen. Stell das Vid aus, damit du das Störsignal nicht hörst. Wenn du es alle Stunde einmal kurz anmachst, reicht das. Wenn du diesen Ton nicht mehr hörst, dann kannst du um Hilfe rufen. Und wir können es auch. Aber ich glaube nicht, dass es so einfach wird. Also, pass auf dich auf! Du bist unsere einzige Hoffnung!“
Lucrezia nickte stumm. May überlegte. Die Reichweite des Störsenders konnte nicht bis zur Mine reichen. Wenn die dort Probleme hätten, würden sie einen Gyro losschicken, das Ding anpeilen und ausschalten. Nein, die Mörder wollen uns daran hindern, um Hilfe zu rufen. Wenn Lucrezia es also bis kurz vor die Mine schafft, werden sie sie hören. Wenn und Aber... Und verdammt, sie ist ein Kind, wenn auch eines, das mit einem Dolch umgehen kann, nicht davor zurückschreckt, ein scharfes Stück Metall in fiese Kerle zu rammen.
Lucrezia umarmte ihre Schwester, legte dann ihre rechte Hand auf Mays Schulter. „Ich ... ich werde zurückkommen. Rechtzeitig! Das verspreche ich. Hermes wird mir helfen.“ Sie drehte sich um. Und stapfte los. May sah ihr hinterher. Hoffentlich behält sie recht. Die Schmerzen im Bein nahmen zu. Verdammt. Und dabei hat das Wochenende so schön angefangen.
„Hey, nicht jetzt! Nach der Hochzeit, ihr verrückten Fellbündel. Geworfen wird nach der Hochzeit! Himmel noch eins!“ Tom schaute finster auf die drei Makis hinunter, dann wischte er mit der Hand über seine kurzen Haare. „Was sollte das denn?“ Tom schaute auf die weißen Bröckchen. „Mensch, Teddy, was wollt ihr mit Salz?“
„Och. Naja, wir haben euren schönen ... ou ... Brauch... auf unsern Vids gesehen, nur leider gibt es keinen Reis, es wäre auch viel zu wertvoll, Lebensmittel zu werfen. Da haben wir ... also ich habe entschieden, wir nehmen Salz. Es sieht auch hübsch aus, findet ihr nicht?“ Teddy sah die Umstehenden an, blickte dabei so unschuldig, wie nur ein Maki blicken konnte. Langsam wurden es immer mehr Menschen, die sich näherten, angezogen von Toms lauter Stimme.
John Wilcox, der Geistliche der Horizont, stand vorne. Er lächelte, sah zu Letta Huo und Sir Hektor, die hinter ihm warteten, um eingelassen zu werden. „Haben Sie auch solche Erfahrungen mit unseren kleinen Gästen gemacht?“
„Ohhh, eigentlich nicht. Bei mir waren sie immer brav. Nicht wahr, ihr kleinen Knuddel?“ Dass dies auch damit zu tun hatte, dass Letta jeden Maki mit Inbrunst zu umarmen pflegte, sobald sie einen traf, verschwieg sie. Die Makis versuchten inzwischen, ihr so weit möglich aus dem Weg zu gehen. Wer wollte schon immer wie ein Teddybär behandelt werden?
„Okay, Leute. Ich würde sagen, Tom macht den Weg frei, damit wir alle in die Halle können. Wir wollen eine Hochzeit feiern.“ Gouverneur Steingrimur Halvorssons Stimme ließ keine Einwände zu. Tom warf einen letzten finsteren Blick auf Teddy, dessen Narbe als Andenken an seine Aktionen auf Heimat gut zu sehen war. Tom nickte Lisa und Olli zu, den beiden verbliebenen Quasi-Botschaftern des Maki-Clans, die schnell ihre Plas-Tüten mit Salz in ihren Hüftbeuteln verschwinden ließen. Mit Tom legten man sich besser nicht an.
Trotz Teddys Flucht zum Mars und seinem Exil auf der Horizont hielten die drei Makis weiter zusammen. Und Teddy war den Menschen noch mehr verpflichtet, vielleicht mehr als seinen Artgenossen auf Heimat.
„Ihr passt bitte mit auf, dass unser lieber Freund nicht weiteres Chaos anstellt, verstanden?“
Die beiden anderen Makis stellten vorsichtig ihre Ohren auf, aber es reichte Tom. Als er sich abwandte, murmelte Teddy leise: „Ich weiß gar nicht, was er hat. Wenn ich Steine genommen hätte ...“ Lisa zog an seinem Arm. „Sch, hör auf. Ich möchte dabei sein. Wenn du nicht aufhörst, werden sie uns verdammen.“
„Verbannen, heißt das, Dummchen! Sie werden uns nicht aufhalten! Mich schon gar nicht. I´ll be back!“ Er klickte mit seinen Nägeln, Teddy hatte seinen Humor zurück. Nach dem Chaos auf Heimat war er nun im selbstgewählten Asyl, auf der Horizont. Teddy war an Bord eines Raumers geboren worden, dort fühlte er sich am wohlsten. Und er bildete sich viel darauf ein, die Sprache der Menschen am besten von allen Makis zu beherrschen. Dummerweise hatte er zu viele Vids mit alten Spielfilmen gesehen, was oft zu Missverständnissen führte. Olli dagegen war der ruhige Beobachter, auch hier wollte er alles in Ruhe aufnehmen. Seine kleine Vidkamera war kaum zu erkennen, er nahm jede Einzelheit der großen Halle von Port Hope auf, diese diente nicht mehr als Garage für Dynas, zuletzt hatten die Amazonen ihre Antiope und die Aella hier gewartet. Alles verdammt lange her. Tom schaute sich um, Sandy Lyle kam an seine Seite. Seine Sandy. Lachend strich sie ihm über die kurzen Haare. „Steht dir gut, ein bisschen Salz im Haar, sieht aus, als hättest du graue Strähnen.“
„Du hast ...“ Tom war nahe dran, seine Freundin anzublaffen.
Oh, verdammt! Nicht heute.
Zuletzt war es nicht gut zwischen ihnen gelaufen, sie brauchten dringend mehr Zeit für sich. Ohne Begleitung. Aber nicht am wichtigsten Tag für Chet und Linda! Er schaffte es, seine Freundin anzugrinsen, trotz des Stresses, denn die Vorbereitung, die Zeremonie: an ihm war vieles hängen geblieben. Und gleich führe ich meinen besten Freund zum Altar. Sandy hatte es einfacher, als Brautjungfer war sie eine unter mehreren. Linda Moham hatte Megan Riordan gefragt, obwohl sie ein bisschen eifersüchtig auf die Dyna-Pilotin war, nicht erst, seit Megan fest auf der Horizont stationiert war. Sandy war dazugekommen, auch Rus Achmetowa, die handfeste Russin, die nach ihrer Abkommandierung zu den Rauminfanteristen vorerst wieder auf der Horizont diente, sie hatte die Ereignisse auf Eden mit dem Verlust der Siedlung zu verdauen. Es war eine verdammt miese Niederlage, wie sie sich ausdrückte. Arwana Lal, die stille Amazone, die so ungern im Mittelpunkt stand, hatte sich entschuldigen lassen. Dafür aber war Svetlana Bachmann von Neu-Rom aus per Transmitter auf den Mars gekommen, zusammen mit ihrem Partner Giorgio Thoeni. Und Anna-Maria Cruz, die nach ihrer ungenehmigten Untergrundarbeit, sie hatte sich von Plünderern anheuern lassen, um deren Organisation auffliegen zu lassen, wieder in Gnaden aufgenommen worden war, war tags zuvor mit einem Frachter zum Mars gereist. Sie wirkte verärgert, was nicht nur daran lag, dass der Captain sie partout nicht ins Cockpit gelassen hatte. Auch ihre Arbeit auf der Erde war nicht nach ihrem Geschmack, musste sie doch dort ihr einst gekapertes Schiff Hermione mit Renaud Cavaille teilen. Respektive: Renaud war dort der Captain, sie war nur die Co-Pilotin. Und Renaud ließ es sie immer spüren, wie wütend er bis heute darüber war, dass Anna und Aki sein früheres Schiff zerstört hatten. „Ja, der Kerl ist echt nachtragend und fies“, meinte Anna, als Sandy fragte.
Annas erster Weg hatte sie zu ihrer alten und besten Freundin Aki Kawabata geführt, die Japanerin hatte sich noch nicht völlig von den Verletzungen erholt, die ihr der Doppelgänger des Milan zugefügt hatte. Auch dafür trägt dieser verfluchte Milan, dieser schleimige Professore, die Verantwortung. Wenn wir ihn erwischen, müssen sie mich festhalten.
Annas grimmige Miene hatte sich erst aufgehellt, als sie ihre Freundin wieder lachen sah, Aki hatte sich entschlossen, bei May Edmundsons Projekt zu helfen, nicht als Technikerin, Aki hatte sich den schwersten Part ausgesucht: Sie machte sich jeden Tag die Hände schmutzig, aber sie war glücklich. Zusammen mit Römerinnen war sie auf den Feldern dabei, half beim Anbau und lernte Dinge, die die Pilotin Aki nie zuvor gesehen hatte. Schließlich stammte sie aus dem Großraum Tokio. Da gab es nur künstlich angelegte Parks. Von Bonsai-Kunst oder Japan-Gärten hatte die Amazone auch keine Ahnung gehabt. Nun lernte sie Landwirtschaft mit bloßen Händen.
„Du glaubst nicht, was das für ein tolles Gefühl war, als ich die Halme sprießen sah. Nachdem ich selbst gesät hatte.“ Aki sprudelte vor guter Laune, ihre Freundinnen waren froh, dass sie wieder lachen konnte. Und Aki war es schließlich, die Zula, alias Zulawesi Makombe, überreden musste.
„Was, Brautjungfer? Spinnst Du? Dafür hab´ ich keine Zeit. Ich muss nach Ceres. Die brauchen da eine Ärztin für Kinder. Keine Ahnung, was genau los ist, aber unser alter Chef, Captain Sondermann hat angefragt. Das ist viel wichtiger, meinst du nicht? Außerdem, ich in meinem Alter als Brautjungfer? Menschenskind, ich sehe beschissen aus in solchen Kleidern!“ Zula, zuvor vorübergehend die Bordärztin der Horizont, gehörte zu den ursprünglich zehn Amazonen. Aber als Ärztin und als bei weitem die Älteste war sie die Außenseiterin geblieben. Aki aber blieb hartnäckig. „Hör mal, dass Arwana nicht mitkommt, ist schlimm genug. Aber wir haben so viel mit Chet erlebt, da sind wir es ihm einfach schuldig, auch Linda, selbst wenn wir sie nicht so gut kennen. Aber sie hat nun mal uns gewählt, verdammt! Und keine Bange: Knallbonbonfarbene Kleider gibt’s nicht, wir kommen in unseren Uniformen, oder was wir so haben. Außerdem: Wann kommen wir mal in so großer Runde zusammen?“ Aki hatte selten eine so lange Rede gehalten, Zula hatte schließlich genickt. „Verdammt selten, du hast recht. Sollte man sich eigentlich nicht entgehen lassen. Na, schön, aber direkt im Anschluss nach der Trauung muss ich los. Ich bereite alles vor.“
„Wie kommst du nach Ceres?“
„Es wird eine richtige Nostalgie-Reise, ich nehme die alte Hydra.“
„Menschenskind. Da würde ich gern mitkommen.“
„Wäre schön, Aki. Aber bist du wieder flugtauglich? Wenn wir da eine Ausnahme ...“
„Schon gut, schon gut.“ Aki behielt ihre undurchdringliche Miene bei. Zula spürte, dass sie tief enttäuscht war. „Aki, wenn du gesund bist, ganz gesund, dann ... dann schreibe ich dich persönlich fit, damit du Dynas fliegen kannst. Ich verspreche es. Hoch und heilig, verdammt! Aber jetzt haben General Weißkamm und Onkel Tolja ihre Hand im Spiel, die entscheiden.“
„Wer kommt denn mit als Besatzung?“
„Wo du gerade fragst. Komisch, ich kriege erst morgen die Liste, aus dem Büro des Gouverneurs. Ich hoffe nur, dass sie mir keinen Idioten mitschicken! Weißkamm wusste nichts Genaues. Sagte er, oder er will es mir nicht sagen.“
„Na, das wird schon gut gehen. Notfalls setzt du den Blödmann vor die Tür, wenn er dir dumm kommt.“
Zula grinste. „Meine Güte, dir muss es wieder ziemlich gut gehen. Solche Sprüche hatten sonst nur Rus oder Anna drauf.“
* * *
Jetzt warteten die beiden Frauen auf ihren Einsatz, zusammen mit ihren Freundinnen, dazu kam die junge Wasserkönigin May Edmundson. Sie war die Einzige, die ein Kleid trug, sie hatte zudem Make-up aufgelegt. Vorsichtig lächelte sie nun die Amazonen an. „Äh ... Ich könnte etwas ähnliches für alle organisieren.“ Sie zeigte auf ihr Kleid. „Ich habe einiges mitgebracht.“
Megan Riordan fasste sich als erste. Sie wusste, dass die Wasserkönigin eine der mächtigsten Frauen auf dem Mars war, zudem war sie verknallt in Chet, zumindest war sie es früher gewesen. Wobei ich ja aufpassen muss, hier mit Steinen zu werfen. Schließlich waren Chet und ich uns nicht ganz unsympathisch. Meine Güte, es ist erst knapp zwei Jahre her. Wenn Chet damals nicht schon seine Linda gekannt hätte ...
„Keine Bange, May. Wir fühlen uns ganz gut in unseren Klamotten. Es ist ja nicht so, als ob die meisten auf dem Mars keine anderen Sorgen hätten als die Frage: Was zieh ich an? Und wir tragen Overalls und Uniformen, dafür haben wir uns entschieden. So kennen uns Chet und Linda. Wenigstens bleiben uns rosa Kleidchen erspart.“
Rus Achmetowa schnaubte, die Amazone gehörte nicht zu den Zarten. Bei über 1,80 Meter Körpergröße war es kein Wunder, sie war auch Bob-Anschieberin gewesen, entsprechend breit war ihr Kreuz. „Wir kommen klar. Und Pampe im Gesicht brauchen wir nicht. Wir sehen auch so blendend aus. Keiner, den ich frage, wird es wagen, anderes zu behaupten.“
„Weil du ihn sonst ungespitzt in den Boden rammen würdest!“ Sandy, die Schottin, hatte jetzt das Eis gebrochen, alle lachten, May lächelte die Amazonen an. „Ich verstehe jedenfalls, warum ihr so gut mit den Männern in den Raumschiffen auskommt. Schätze, ihr werft sie raus, wenn sie euch dumm kommen!“
„Genau, Schätzchen!“ Rus klopfte May kurz freundschaftlich auf die Schulter, was der Wasserkönigin fast das Schlüsselbein gebrochen hätte. Bester Laune begaben sich die Frauen an den Altar, wo Pater John Wilcox sie lächelnd empfing. Gemeinsam warteten sie nun auf den Bräutigam, die improvisierte Seitentür öffnete sich, niemand wollte von draußen über die Schleuse direkt in die Halle kommen. Das hätte gedauert, außerdem wären die Duster unverzichtbar gewesen. Und auf hässliche Druckstellen im Gesicht war niemand für diese Zeremonie erpicht. Daher also die Seitentür, die zu einem Nebenraum führte, der sonst als Lager diente.
Leise Musik, natürlich vom Vid, begleitete den Auftritt von Chet Morrow. Mit Tom Atkins an seiner Seite schritt er langsam an Freunden und einigen Offiziellen vorbei. Neben Letta und Sir Hektor hatten Gouverneur Halvorsson, General Antoli Onkel Tolja Anduri mit einigen seiner Männer, die Makis, sowie Besatzungsmitglieder der Horizont und der Aurora, des zweiten Carriers, über den der Mars jetzt verfügte, Platz genommen.
Chet war zu aufgeregt, als dass er gesehen hätte, wie sein Chef-Pilot Panou Kayake lächelte. Oder, dass ihm der Kapitän der Aurora, Phil Dickens, zunickte. Starr schaute Chet zum Altar, setzte darauf, dass Tom alles geregelt hatte. Hoffentlich hat er wirklich die Ringe dabei.
Dass er die letzten zehn Minuten dreimal seinen armen Freund mit der Frage genervt hatte, war dem jungen Commander nicht mehr bewusst, es war, als ob er gerade Watte im Hirn hätte. In Gedanken versuchte er sich immer wieder an die Worte zu erinnern, die er gleich sprechen sollte. Ich, Chester Morrow, nehme dich, Linda Moham ... äh... zur Frau, äh... Verdammt, wie weiter?
Hilfesuchend blickte er zu Tom, sah dann die lächelnden Gesichter der Brautjungfern. „Ich ... ich ...“
„Oh, nein, Chet. Du wirst jetzt nicht kneifen!“ Tom zischte es durch die Zähne.
„Will ich ja nicht. Nur ich fühle mich total unsicher!“
„Ich hab schon gedacht, es wär was Ernstes!“ Tom schaffte es, nicht zu grinsen, er tätschelte kurz Chets Arm. „Alles klar, mein Freund. Du schaffst das!“
Die Musik setzte ein, es war die berühmte Melodie, die alle nur als here comes the bride kannten. Wer wollte schon wissen, dass es aus Wagners Lohengrin stammte? Die Tür öffnete sich, Chet starrte, wollte keinen Augenblick verpassen. In seiner besten Uniform führte General Simon Weißkamm langsam Linda Moham zum Altar. Seit Jahren war der alte Offizier so etwas wie ein Vaterersatz für die junge Agentin gewesen, daher war es keine Frage, dass sie sich für ihn entschieden hatte, als Chet und sie endlich den Bund fürs Leben schließen wollten. Weißkamm lächelte, Linda strahlte. Chet war sie noch nie so schön vorgekommen, wie in diesem Moment. Linda trug ein weißes Kleid, einziger Farbtupfer waren ein paar Blumen, die sie in der Hand trug. Eine ungeheure Seltenheit auf dem Mars. Chet konnte sich nicht sattsehen an seiner Linda, erst Toms kurzer Ellbogenstoß brachte ihn zurück in die Realität, dies hier war keine Kirche auf der Erde, nur eine Halle. Ihre Familienangehörigen, so sie denn noch lebten, waren nicht anwesend. Chets Bruder Frank war hier auf dem Mars in Behandlung, manchmal hatte er lichte Momente, zu anderen Zeiten aber erkannte er niemanden. Chet hatte ihn gefragt, aber Frank war wieder in einem seiner Alpträume gefangen gewesen.
Neben Pater John Wilcox stand in seinem einst prächtigen, aber jetzt irgendwie verloren aussehenden Habit, Gouverneur Steingrimur Halvorsson. Er lächelte. Die heutige Zeremonie war eine, die Hoffnung verbreiten sollte: Er war für den zivilrechtlichen Teil der Trauung zuständig. Chet blickte zu den Zuschauern. Schade, dass Cayden nicht kommen wollte.
Der Halbsodoraner wollte nicht ruhen, bis er die Hintermänner des Attentats identifiziert hatte. Den Killer an Bord hatten sie gefunden, Hal Terney, ein Techniker, der zuvor nie aufgefallen war. Und jetzt war er tot, getötet durch die unheimlichen Fähigkeiten des Sodoraners. Was Chet nicht öffentlich gemacht hatte. Offiziell war Terney beim Versuch, den Commander und dessen Kameraden zu ermorden, in Notwehr getötet worden, mit einem Nadlerschuss. Der Grund für Terneys unfassbare Tat war Rassenhass gewesen. Viele an Bord hatten lange ähnlich gedacht wie Terney, Cayden Vaughan hatte sich verächtliche Sprüche gefallen lassen müssen, war nirgendwo aufgenommen worden, im Gegenteil: Einmal hatten mehrere Männer ihn zusammengeschlagen. Nur Gaius Longinus, der Römer an Bord, hatte auf seiner Seite gestanden. Der Tod Terneys hatte für einen Umschwung gesorgt auf der Horizont. Viele Besatzungsmitglieder schämten sich ihrer Sprüche, waren endlich bereit, Cayden eine Chance zu geben. Natürlich war das Misstrauen nicht einfach verschwunden, dafür waren die Erinnerungen an die Taten und Drohungen einiger Sodoraner zu frisch. Aber man glaubte inzwischen, was Chet betonte: Wie bei den Menschen gab es bei Sodoranern verschiedene Fraktionen. Diejenigen, die auf der Erde aufgenommen werden wollten, ein friedliches Zusammenleben suchten. Dafür gab es einige, die weiterhin planten, die Menschheit zu unterjochen. Letztere waren für fürchterliche Verwüstungen verantwortlich gewesen, sogar für die Zündung einer Atombombe. Der Spruch über Leichen gehen taugte für diese Fraktion. Das Problem für viele Menschen blieb: Wer war wer? Weswegen es sich viele Menschen einfach machten: Sie wollten keine Sodoraner in ihrer Nähe, Basta! Es war die Angst vor dem Unheimlichen, den Kräften der Sodoraner. Und das machte die Mission Chets so schwierig, Cayden an Bord zu integrieren. Zugleich waren beide sicher, dass hinter Terneys Aktion mehr gesteckt hatte, es musste eine Organisation geben. Die Bombe an Bord der Horizont war zu komplex gewesen. Und Terneys Sprüche kurz vor seinem Tod hatten Chet eine Richtung vorgegeben, sie führte ihn die Welt fanatischer Sekten. Das Problem war: Davon gab es nach der Katastrophe genügend. Manche bestanden aus nicht mehr als einem Vid-Blog, andere hatten tausende Anhänger. Die Sekte Terneys verfügte tatsächlich über zum letzten Opfer bereite Anhänger, sowie über Verbindungen. Sie stellte damit eine große Bedrohung dar, die unbedingt bekämpft werden musste.
Kaum, dass er nach seinen Verletzungen wieder aufstehen konnte, hatte sich Cayden zurück zum Dienst gemeldet. Verbrachte seine Zeit nun damit, ixx-Listen zu prüfen, Vid-Protokolle zu sichten, Überwachungsvids anzusehen. Immer in der Hoffnung, Verbindungen aufzudecken. Eines aber hatte Chet untersagt: Cayden durfte Menschen nicht mit seinen Fähigkeiten verhören. Bisher hatte sich der Sodoraner darangehalten.
Zugleich bestand General Weißkamm darauf, die Horizont erst wieder auf längere Mission zu schicken, wenn zweifelsfrei feststand, dass es keine weiteren Helfershelfer an Bord gab. Und das konnte dauern.
Tja, wenigsten war dieser Zwangsaufenthalt für etwas gut: Ich hab endlich die Zeit gefunden, meine Linda zu heiraten.
Chet verpasste keinen Einsatz, als er das Ehegelübde ablegte. Kein Stottern, kein Äh, kein Zögern. Und beim Kuss machte er auch kein dummes Gesicht. Am liebsten hätte er Linda in die Arme genommen. Erst, als er von Tom ein paar heftige Klapse auf den Rücken erhielt, merkte er, dass er nun verheiratet war. Wirklich!
Nur eine Kleinigkeit hab ich nicht hingekriegt. Das mit dem Namen! Es war die letzte Klippe gewesen. Beinahe wäre ihr Familienschiff daran zerschellt, schon bevor es zur Hochzeit auslaufen konnte. Chet erinnerte sich noch an den Dialog, an Lindas vorwurfsvolle Stimme.
„Wieso soll ich deinen Namen annehmen, Liebster?“
„Nun ... äh, ... weil ... es ...“
„Komm, Chet. Du willst mir jetzt nicht wirklich mit der ollen Kamelle von den Traditionen kommen? Im 22. Jahrhundert? Da musst du dir was Besseres ausdenken. Wieso sollen sich meine Leute, mein Umfeld im Dienst, an einen neuen Namen gewöhnen? Und komm mir nicht damit, ich könnte meinen Namen anhängen, oder voranstellen. Morrow-Moham? Oder Moham-Morrow? Wie blöd klingt das denn?“
„Nun, es wäre schön, wenn unsere Kinder ...“
„Och, Chet. Für so altmodisch habe ich dich nicht gehalten. Überhaupt: Wieso nimmst du nicht meinen Namen an? Chet Moham, das klingt toll und viel vornehmer, meinst du nicht?“
Die Debatte war in eine Richtung gegangen, die Chet ganz und gar nicht gepasst hatte.
„Wenn ich das mache, sieht es aus, als ob ich unter dem ... äh... Pantoffel stehe. Also, nein, nein! Das ist eine Sache, die geht nicht, Linda. Meine Autorität!“
„Jetzt hör auf, Chester Morrow! Wenn du glaubst, eine Namensänderung würde dazu führen, dass dich deine Leute nicht mehr respektieren, hast du wirklich ein Problem, Himmel noch eins!“
„Linda, bitte, lass uns nicht weiter streiten. Also, du willst nicht meinen Nachnamen tragen. Und ich nicht deinen, wenn wir über so etwas keine Einigung finden, dann ...“
„Chet, hör auf! Wir beide wollen zusammenleben, richtig, mit eigenen Möbeln und so. Nicht so, wie an Bord des Schiffes, wo jeder mitbekommt, wann ich komme oder gehe.“
„Gut Linda, das hatten wir schon. Ich möchte es ja auch. Aber wir beide wissen, wir werden es nicht schaffen, ständig zusammen zu sein. Ich werde demnächst wieder mit der Horizont Einsätze fliegen. Du wirst auf der Erde oder dem Mars ermitteln. Das heißt, wir behalten jeder unser Umfeld. Dann ...“
„Sollten wir auch unsere Namen behalten! Genau das wollte ich sagen!“
„Da bin ich aber froh, dass wir den gemeinsamen Nenner gefunden haben. Also, statt Miss Moham heißt es Mrs. Moham. Und wir werden uns eine gemeinsame Unterkunft auf dem Mars suchen, oder auf der Erde.“
„Oh, Chet, genauso möchte ich es, sollen sich die anderen doch das Maul zerreißen wegen des Namens. Darauf kommt es nicht an. Nur auf uns!“
* * *
Gouverneur Halvorsson schmunzelte jetzt, als er auf die Urkunde blickte, enthielt sich aber jedes Kommentars. Dafür beendete er die Zeremonie, als er ein Zeichen an die Zuschauer gab. Flavia und Lucrezia, beide mit weißen Kleidern, die an ihre Togen erinnerten, und mit einem Kranz im schwarzen Haar, erhoben sich. Jede trug einen Korb in der Hand. Chet wunderte sich einen Moment, woher die Blüten stammen mochten. Die jungen Römerinnen stellten sich vor das frisch vermählte Paar, fingen an, weiße Blüten, teilweise auch lilafarbige mit kräftig-gelben Stempeln auf den Boden zu werfen. Tatsächlich waren es keine Blumen, sondern stammten von Pflanzen aus Mays riesigem Gewächshaus.
Na, so eine Erinnerung haben wir tatsächlich nötig, in all dem Chaos. Wenigstens ein Lichtblick!
Chetbot Linda den Arm, die hängte sich ein, gemeinsam schritten sie über die Blüten, bis zu den Zuschauern, die sich alle um das Paar drängten. Selbstredend war Onkel Tolja der Schnellste. Schon hatte er der Braut links und rechts ein Küsschen aufgedrückt. Onkel Toljas Vorrecht, wie er das nannte. Dann umarmte er Chet mit einer Heftigkeit, dass dem jungen Commander die Luft wegblieb. „Wunderbar, ganz wunderbar, mein Junge, dass du dich endlich getraut hast.“ Er schaute Chet ins Gesicht. „Meine Güte, siehst ja ganz blass aus. Höchste Zeit für ein kleines Wässerchen. Zur Aufmunterung, es verleiht dir wieder Farbe. Na‘sdrowje!“
Chet sah auf die kleine, runde Flasche in seiner Hand, nahm einen winzigen Schluck und keuchte. „Verdammt, Onkel Tolja! Wo hast du das her?“
„Frag nicht, mein Junge. Besser, du weißt es nicht. Nur so viel: Wir kämpfen nicht nur gegen Plünderer. Ach, was gäbe ich für einen guten Wodka.“
Onkel Tolja machte Platz für andere Gratulanten, schnell fand sich Chet in einem Kreis lächelnder Gesichter wieder, während Linda von den Mädchen abgeschirmt wurde. Jetzt kam May Edmundson, sie umarmte Chet, drückte ihn vielleicht einen Moment länger als üblich. Aber sie lächelte, als sie ihn wieder losließ. Chet schaute sie an. „Das hast du toll hingekriegt, May, Danke für alles. Meine Güte, der Aufwand, dazu noch die Blüten. So was muss heute ein Vermögen kosten.“
„Oh nein, Chester. Die Blüten gibt’s als Zugabe unseres Projektes. Hast du sie nicht erkannt?“
„Äh ... nein. Was sind es für welche?“
„Ganz einfach: Kartoffeln, also natürlich nur die Blüten davon. Wir haben es geschafft, sie wachsen tatsächlich in unserer Erde. Oh, Chet, das musst du ... also, ihr müsst euch das ansehen. Du und Linda!“
Chet bückte sich, hob eine Blüte auf. „Das ist ja wirklich eine gute Nachricht. Und dazu so feierlich überbracht.“ Er schaute zu den Römerinnen. „Wie geht es ihnen? Gibt es immer noch Probleme wegen deines Projektes?“
Auch May schaute zu Flavia und Lucrezia, letztere war weniger scheu, sie unterhielt sich mit Sergej Novikov, einem der altgedienten Rauminfanteristen, der lange wegen einer Verletzung ausgefallen war, wie sich Chet erinnerte. „Schau hin, Lucrezia versucht wieder, Kontakt zu Infanteristen aufzunehmen. Sie will unbedingt Kriegerin werden. Es verstößt aber gegen alle Konventionen ihrer Umgebung. Es wird schwer werden, Chet. Diese Menschen leben in zwei Welten. Sie kommen mit festen Vorstellungen, die jetzt erschüttert werden. Sie sollen sich hier zurechtfinden. Und alles möglichst schnell. Ich hab was darüber gelesen, jemand hat den klugen Satz geschrieben: Wir wollten Arbeitskräfte, doch es kamen Menschen! Chet, diese Römer sind in Teilen unglaublich weit von uns entfernt in ihrem Denken, auch und gerade, was Frauen angeht.“ Chet nickte nur, May fasste kurz nach seinem Arm. „Tut mir leid, dass ich wieder von Schwierigkeiten rede. An so einem Tag sollten wir das draußen lassen.“
„Apropos draußen!“ Steingrimur Halvorsson hatte sich zum Brautpaar durchgekämpft, bat nun einen Moment um Ruhe. „Liebe Linda, lieber Chet! Die Zeiten sind leider nicht so, dass wir euch ein großes Geschenk machen könnten. Dabei hättet ihr es weiß Gott verdient. Ihr habt ja nicht mal eine Hochzeitsreise geplant!“ Ein Raunen ging durch den Raum. „Tja, aber manchmal können ein paar ältere Herren etwas ändern.“ Er wies auf Simon Weißkamm und Onkel Tolja, die simultan zu grinsen begannen, was bei General Weißkamm nur alle Jubeljahre einmal vorkam.
„Was ... äh ... bedeutet das?“ Chet klang nicht begeistert, wie immer, wenn er nicht wusste, was auf ihn zukam.
„Nun, mein Junge, auf meine Anregung hin hat Onkel ... äh... General Anduri darauf bestanden, dass wir dich ablösen!“ Chet schaute derart entgeistert, dass der Gouverneur und die Umstehenden zu lachen begannen.
„Meine Güte, du müsstest dich im Spiegel sehen, mein Junge!“ Onkel Tolja hieb Chet auf die Schulter. „Hör auf, grimmig zu schauen, du bekommst Urlaub, richtigen Urlaub!“
Gouverneur Halvorsson sah gnädig über die Unterbrechung hinweg. „Ja, und General Weißkamm konnte überzeugt werden, auf seine beste Mitarbeiterin zu verzichten.“ Linda wurde blass. „Keine Bange, dahinter steckt keine Verschwörung. Naja, eine kleine, aber sie ist zu eurem Besten.“ Der Gouverneur schaute in die Menge, entdeckte Zulawesi Makombe. „Stabsärztin Makombe, einen Moment ihrer Zeit, bitte!“ Zula schaute ihn verblüfft an, kam vorsichtig nach vorn. „Wie uns bekannt ist, sollen sie unser Team auf Ceres verstärken, es geht da um Kinderkrankheiten. Aber da es sich, wie mir alle Verantwortlichen versichern, dabei um keinen Notfall handelt, reisen sie mit der Hydra.“ Zula nickte. Linda, Chet und andere rätselten, was das eine mit dem anderen zu tun habe.
Halvorsson setzte seine Erklärung fort. „Nun, wir können euch Turteltäubchen leider keinen schönen ruhigen Ort auf Erde oder Mars anbieten für die Flitterwochen. Ich schätze, die gute alte Hydra auf ihrer Reise nach Ceres und zurück wird reichen müssen. Hier habt ihr genug Platz und Zeit nur für euch.“ Chet schaute verblüfft, Linda wusste einen Moment nicht, ob sie sich freuen sollte. Immerhin: Mit Chet fast alleine. Ohne die Hilfe von Onkel Tolja und General Weißkamm wäre er nie draufgekommen.
Sie schaffte ein Lächeln, bevor sie herausplatzte: „Aber, wenn er ständig im Cockpit sitzt ...“
„Keine Bange, liebe Linda. Auch da haben wir dran gedacht. Chet ist genauso Gast auf dieser Reise, wie Sie, meine Liebe!“
General Weißkamm übernahm die Erklärung. Er hatte zwei Discpaper in der Hand. „Die Mindestbesatzung der Hydra beträgt drei Piloten, damit fehlen neben Miss Makombe noch zwei Köpfe. Ich denke, es ist an der Zeit, zwei junge Damen nach einigen Wirrungen und Missverständnissen wieder in unseren Kreis aufzunehmen. Miss Anna-Maria Cruz und Miss Aki Kawabata. Treten sie vor!“
Linda war beim Wort Missverständnisse zusammengezuckt, war es doch sie gewesen, die die Amazonen zu ihrem Abenteuer überredet hatte. Anna und Aki hatten nach ihren traumatischen Erlebnissen auf dem Kometen Encke, bei denen sie gefangen genommen und über Tage als Geiseln gehalten worden waren, ihre Pilotenlizenz verloren. Statt sich auf eine Übergangszeit als Bodenpersonal einzulassen, hatte Anna gedroht, den Dienst ganz zu quittieren. Darauf war Linda mit der Idee gekommen, sie sollten sich mit den Plünderern einlassen, nur zum Schein natürlich, um deren Mitarbeiter, Schmuggelwege und deren Führung enttarnen zu können. Eben ein klassischer Undercover-Einsatz. Nur, dass Anna und Aki keine ausgebildeten Agenten waren. Und Linda hatte die Idee ohne das Wissen ihrer Vorgesetzten in die Tat umgesetzt. General Weißkamm hatte vor Wut geschäumt, als er viel zu spät von der Eigenmächtigkeit erfahren hatte.
Nur dank des Erfolges, dass sie einen Großteil des letzten geheimen Netzes des Milan enttarnen konnten, war Linda mit einer Ermahnung davongekommen. Und die Amazonen, die während ihres Einsatzes ein aufgebrachtes Schmugglerschiff zurückgestohlen sowie ein Schiff der Behörden abgeschossen hatten, mussten nicht in Haft. Sie waren aber auch nicht zurück in den Dienst berufen worden, deswegen wurden Anna und Aki derzeit nur als Miss und nicht mit ihren ehemaligen Dienstgrad Leutnant angesprochen.
Und jetzt dürfen wir wieder fliegen.
Anna hatte tatsächlich Tränen in den Augen, Aki schaffte es, wie fast immer, sich nichts anmerken zu lassen. Nur ein Muskel zuckte in ihrem nach jüngsten Operationen wieder glatten Gesicht. Von den Narben, die von den Misshandlungen auf Encke erzählten, war äußerlich nahezu nichts geblieben. Der tickende Muskel auf der Wange zeigte aber, wie angespannt sie war. Weißkamm übergab die Disc-Paper an Onkel Tolja, er war derzeit der Vorgesetzte aller Raumfahrer. Die Ansprache hielt aber General Weißkamm, aus alter Verbundenheit. Schließlich waren die Frauen einst unter seiner Leitung ausgebildet worden. Weißkamm hielt die Zeremonie kurz, er drückte Anna und Aki ihre erneuerte Pilotenlizenz in die Hand, ernannte sie einmal mehr zu Leutnants. Zurück im Dienst, hieß das. „Natürlich ist es nach einer ... hm ... Übergangszeit üblich, nicht gleich wieder im Cockpit eines Dynas zu beginnen. General Anduri war so nett, auf meinen Wunsch die Besatzung der Hydra zu bestimmen. Anna-Maria und Aki, euer erster Auftrag nach der Rückkehr lautet: Bringt die Hydra sicher nach Ceres!“
Bevor Anna etwas sagen konnte, stand Onkel Tolja grinsend vor ihr, nahm sie in die Arme, dann drückte er auch Aki. „Jetzt sind aber genug Worte gewechselt und Tränen vergossen worden, Täubchen. Lasst uns feiern!“
Statt der dezenten, feierlichen Hintergrundmusik dröhnte nun Rock aus den Lautsprechern. Chet schaffte ein kläglich klingendes: „Nicht schon wieder!“
Es war nahezu der letzte sinnvolle Satz des Bräutigams an diesem Tag.
„Ich muss es schaffen! Ich muss es schaffen!“ Lucrezia feuerte sich selbst an. Zwei Stunden war sie bereits unterwegs, auf dem Display schien sich der Pfeil, der ihren Anzug markierte, nicht bewegt zu haben. Das Ziel, diese Kuppel über einem Bergwerk, Lucrezia stellte sich darunter schwitzende, halbnackte Männer mit Schaufeln und Hacken vor, die in der Erde wühlten, war längst nicht in Sichtweite. Eben hatte sie kurz ihr Vid angestellt, doch das Störsignal war nicht leiser geworden. Lucrezia war den Tränen nahe, sie zog die Nase hoch.
Heulen nutzt nichts. Tib würde auch nicht heulen. Sie wollte mit dem Arm über die Nase wischen, erwischte nur ihren durchsichtigen Helm. Aquarium nannte es die Einheimischen, zur Verwunderung der Römer, die darunter ganz andere Becken verstanden. Lucrezia meinte jetzt, Tibs Stimme zu hören.
Wenn du die Richtung hast, merk dir eine Besonderheit in der Landschaft. Geh genau drauf zu, so kommst du nicht vom Weg ab. Das hab ich bei den Soldaten gelernt.
Lucrezia schnaufte. Sie wollte Soldatin werden, Vater hatte anfangs darüber gelächelt. Als sie nicht aufhörte, davon zu sprechen, war er böse geworden. Dann war der Abend des Überfalls gekommen. Lucrezia und ihre Schwester waren alleine gewesen, als die Männer eindrangen. Einer der Gangster wollte sich an Flavia vergehen. Mit Lucrezias Entschlossenheit hatten die Schufte nicht gerechnet, sie hatte den Dolch ihres Vaters genommen, dann dem Mann, der ihre Schwester entehren wollte, in die Seite gerammt. Als sie mit Flavia flüchten konnte, hatte sich der Sterbende das Messer herausgezogen, dann nach ihr geworfen, dabei ihren Rücken getroffen. Es war zum Glück nur eine Schnittwunde gewesen. Und Cesarina ... May ... verbesserte sich Lucrezia in Gedanken, hatte dafür gesorgt, dass neben der Wunde auch ihre Krankheit behandelt wurde, Lucrezia litt an Skoliose, einer Verkrümmung des Rückgrates. Seit ihr Rücken vorsichtig mit Gymnastik und Stützen geradegerückt wurde, war sie gewachsen, und zugleich wuchs ihre Entschlossenheit.
Was Esther oder Svetlana können, will ich auch. Ich werde fliegen lernen!
Lucrezia stapfte weiter. Obwohl sie sich hier immer leicht fühlte, und auch Dinge, wie die schweren Krüge, tatsächlich hier leicht zu heben waren: Das Laufen im roten Sand strengte fürchterlich an, zumal sie stets auf den Weg achten musste, überall waren Felsen und Steine. Wer unachtsam war, stolperte, Lucrezia war bereits zweimal gestürzt.
Wenn ich nicht aufpasse, wird der Anzug beschädigt. Und ich ersticke.
Lucrezia sprach immer öfter mit sich selbst, es lenkte sie ab von dem monotonen Marsch. Wieder war eine Stunde vorbei, Lucrezia blieb erneut stehen, aktivierte das Vid. Unverändert heulte das Störsignal, verärgert stellte sie das Vid ab, tastete mit den Lippen nach dem, was die Menschen Strohhalm nannten, obwohl er aus allem anderen bestand, nur nicht aus Stroh. Sie saugte zwei, drei Schlucke Wasser, dann erschrak sie, als sie einen weiteren Zug nehmen wollte.
Götter! Mein Wasser ist alle! Ich hab es mir nicht eingeteilt. Jetzt ...
Lucrezia bekam Panik, einen Moment lang zumindest, dann ärgerte sie sich.
Ich habe nicht aufgepasst. Tib hat nichts davon erzählt, dass so etwas passieren kann. Tja, Bruder. Du hast ja auch einen ganz anderen Anzug. Lucrezia stapfte weiter. Was Flavia und May gerade machen? Hoffentlich frieren sie nicht.
Es war Nachmittag auf dem Mars, die Temperaturen sanken bereits deutlich. Lucrezia hörte ein Summen, es waren die Lüfter im Anzug. Sie verteilten jetzt wärmere Luft, sie spürte den Hauch auf ihren Wangen.
Die Hälfte des Weges muss ich doch geschafft haben? Sie rechnete verzweifelt. Die Maße der anderen Menschen waren ihr längst nicht vertraut, Kilometer, Kilogramm, dazu diese komische Zeitrechnung. Ein Tag mit 24 Stunden und einer Zugabe! An jedem Abend. Kaum ein Römer fand sich bisher damit zurecht.
May hat gesagt, es sind etwa 30 Kilometer. Tib hat gesagt, wenn er schnell geht, schafft er sechs Kilometer und mehr in einer Stunde, ich bin nicht viel langsamer als er. Also muss ich die Hälfte geschafft haben. Ich muss einfach so weit sein! Für Flavia und für May.
* * *
„Chef, das müssen Sie sehen!“ Luc Bonnier hob überrascht den Kopf, normalerweise klang V. J. Singh, sein Leitender Ingenieur, so, als ob ihn nichts aus der Ruhe bringen könne, nun wirkte der Sikh mit dem zeremoniellen Turban aufgeregt. Bonnier, der Leiter des Bergbauunternehmens, ging zu seinem Ingenieur, der gerade durch weitere Anzeigen auf dem Schirm scrollte.
„Was ist passiert? Wieder Nummer 5?“
Die Abbaumaschine hatte zuletzt Aussetzer gehabt, rätselhafte Probleme, die von den Technikern nicht erklärt werden konnten. Deswegen war Bonnier mit seinem Stab vor Ort. Ansonsten lebte in der Mine nur eine kleine Gruppe von Ingenieuren, die sich in drei Schichten ablösten. Das Graben nach Erz geschah automatisch, so wie der Abtransport, dafür hatten sie Last-Gyros programmiert, die einer festen Route folgten, bis zur Siedlung Neuanfang, wo Bonnier sein Hüttenwerk unterhielt. 600 Kilometer durch die Wüste, dank GPS war es kein Problem für die Gyros. Nur heftige Staubstürme unterbrachen manchmal den Abbau.
„Nein, keine Bange, Nummer 5 ist okay, Chef! Aber da draußen bewegt sich etwas. Oder hat sich zumindest bewegt. Ich bin ... ganz sicher. Warten Sie, ich zeige es Ihnen!“ Singh tippte eine Sequenz, auf dem Schirm war nun ein Wärmebild zu sehen, mit rötlichen, dunklen Bereichen.
„Wie können Sie da etwas erkennen? Das ...“ Bonnier stockte. Eindeutig, da gab es eine Bewegung. Bonnier brauchte keine Beweise mehr. „Verdammt, da ist jemand draußen, zu Fuß! Sieht aus, als hätte er Probleme. Ist nichts auf den Frequenzen zu hören?“
„Gar nichts. Alles wie tot!“