AD(H)S - Hilfe zur Selbsthilfe - Helga Simchen - E-Book

AD(H)S - Hilfe zur Selbsthilfe E-Book

Helga Simchen

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Beschreibung

In diesem Werk wird die große Bedeutung des Selbstmanagements als Bestandteil jeder AD(H)S-Behandlung praxisnah und anschaulich verdeutlicht. Betroffenen stehen dabei viele Möglichkeiten zur Verfügung, um ihre AD(H)S nicht nur als Krankheit zu akzeptieren, sondern ihre besonderen Fähigkeiten zu fördern. Aus ihrer über 30-jährigen Erfahrung als Kinder- und Jugendpsychiaterin/-psychotherapeutin vermittelt die Autorin nützliche und erprobte Strategien, wie betroffene Jugendliche und Erwachsene sich selbst und wie Eltern ihren Kindern gezielt helfen können, ihr Leistungsvermögen und ihr Sozialverhalten zu verbessern. Dadurch erhalten die Betroffenen mehr Selbstbestimmung und der Alltag mit Schule, Studium und Beruf kann selbstbewusst und erfolgreich gemeistert werden. Das Buch eignet sich auch als Hilfestellung für ein erfolgreiches Coaching von Menschen mit AD(H)S. Die 3. Auflage wurde überarbeitet und u.a. um neue Erkenntnisse über Begleit- und Folgeerkrankungen des AD(H)S einschließlich der Mediensucht ergänzt.

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Inhalt

Cover

Titelei

Vorwort

1 Anders sein und viele Fähigkeiten haben – das ist AD‍(H)‍S

1.1 Menschen mit AD‍(H)‍S haben besondere Fähigkeiten, über die sie meist nicht jederzeit verfügen können

1.2 Gut informiert sein über AD‍(H)‍S hilft, therapeutischen Strategien zu verstehen und eigene für sich zu entwickeln

1.3 Es sind immer die gleichen Probleme, die den Erfolg verhindern und einer Behandlung bedürfen

1.4 Probleme bewältigen durch aktive Mitarbeit mit individuellen Strategien

2 Nur wenn ich weiß, warum ich so bin, kann ich bewusst etwas dagegen tun

2.1 Am Anfang der Therapie steht die Problemanalyse des Betroffenen

2.2 Die neurobiologischen Ursachen des AD‍(H)‍S und deren Folgen

2.3 Das AD‍(H)‍S-Gehirn lässt sich therapeutisch verändern

2.4 Hürden nehmen, Klippen meistern, Hilfe zur Selbsthilfe

2.5 Verhaltenstherapeutische Strategien zur Selbsthilfe

2.6 Die große Bedeutung der Selbsthilfegruppen für AD‍(H)‍S-Betroffene

2.7 Strategien zur Verbesserung von Konzentration und Daueraufmerksamkeit

2.8 Gefühle besser steuern, aggressives Verhalten vermeiden

2.9 Verhaltensstrategien zum Beherrschen der äußeren und inneren Unruhe

3 Sport und Bewegung – wichtige Bestandteile jeder AD‍(H)‍S-Therapie

3.1 Warum Bewegung und Sport so wichtig sind

3.2 Praktische Anleitung zum Bewegungstraining

3.3 Welche Sportart ist bei AD‍(H)‍S zu empfehlen?

4 Erfolgreich lernen und studieren, den Lernprozess automatisieren

4.1 Sein eigener Therapeut sein

4.2 So gelingt bei AD‍(H)‍S das Lernen leichter

4.3 Die Bedeutung von Frühdiagnostik und Frühbehandlung

4.3.1 Was ist Eltern zu raten, wenn sie bei ihrem Kind AD‍(H)‍S vermuten?

4.3.2 Zur Frühdiagnostik des ADS ohne Hyperaktivität

4.3.3 Methodische Grundlagen der Frühdiagnostik – der Entwicklungstest ET 6 – 6-R

4.3.4 Warum sind Frühdiagnostik und gegebenenfalls Frühbehandlung erforderlich?

4.3.5 Therapeutische Strategien im Rahmen von Frühförderung und Frühbehandlung

5 Selbstwertgefühl und soziale Kompetenz auf Dauer verbessern

5.1 Individuelle Therapieziele erarbeiten

5.2 Positives oder negatives Selbstwertgefühl, wovon hängt das ab?

5.3 Die große Bedeutung der sozialen Kompetenz

5.4 Die wichtigsten Strategien zur Verbesserung der sozialen Kompetenz

5.4.1 Die Kinderzimmerordnung

5.4.2 »Mein Platz in der Familie«

5.4.3 Mein Wochenplan: »Was ich erreichen will« oder »Ich bin mein eigener Detektiv«

5.5 Die Eltern als Coach

5.5.1 Drohende Folgen einer verwöhnenden Erziehung

5.6 Die schwere Erziehungsarbeit der Eltern, besonders der Mütter, verdient große Anerkennung

5.7 Wie können Eltern ihrem AD‍(H)‍S-Kind helfen, damit für beide das Leben einfacher wird?

5.8 Ein schwieriges Problem, wenn die Mutter selbst ein ausgeprägtes AD‍(H)‍S hat

6 Konkrete Strategien zur Verbesserung von Leistung und Verhalten

6.1 Der Lern- und Leistungsbereich

6.1.1 Die Mitarbeit in der Schule und im Seminar verbessern

6.1.2 Strategien für ein erfolgreiches Studium mit AD‍(H)‍S

6.1.3 Hausarbeiten erledigen

6.1.4 Auswendiglernen, eine besondere Herausforderung

6.1.5 Gezielt üben, gute Aufsätze zu schreiben

6.1.6 Schriftliche Arbeiten termingerecht erledigen

6.2 Therapeutische Strategien zur Verhaltensänderung

6.2.1 Was beeinflusst die Entwicklung des Verhaltens?

6.2.2 Lieben und belohnen, ohne zu verwöhnen – ein schwieriger Spagat

6.2.3 Manchmal sind Sanktionen erforderlich, aber welche?

7 Besonderheiten bei der Behandlung von Jugendlichen

7.1 Behandlungsbedürftige AD‍(H)‍S-Symptome bei Jugendlichen

7.2 Therapieziel: eine altersentsprechende soziale Reife

7.2.1 Die Arbeit mit Gruppen

8 Erwachsene mit AD‍(H)‍S

8.1 Die AD‍(H)‍S-Symptomatik ändert sich

8.1.1 Diagnosefindung

8.1.2 Zeitmanagement – ein Problem für viele Erwachsene

8.1.3 Geschlechtsspezifische Besonderheiten der AD‍(H)‍S-Symptomatik

8.1.4 Auf der Suche nach einer Erklärung für das eigene Anderssein

8.2 Den richtigen Therapeuten finden

8.3 Therapeutische Möglichkeiten bei AD‍(H)‍S im Erwachsenenalter

8.4 Auf die richtige Berufswahl kommt es an!

8.4.1 AD‍(H)‍S und Mobbing – ein häufig gemeinsames Paar

8.4.2 Berufliche Schwierigkeiten, die bei AD‍(H)‍S oft auftreten

8.4.3 Arbeits-/Berufsunfähigkeit – ein nicht umkehrbares Schicksal?

9 AD‍(H)‍S bedeutet Stress von Anfang an

9.1 Den Umgang mit Stress erlernen, seine Folgen kennen und negativen Dauerstress vermeiden

9.1.1 Stress reduzieren durch aktives Entspannen

9.2 Langzeitfolgen von negativem Dauerstress

9.3 Strategien zur Vermeidung stressbedingter Krankheiten

9.3.1 Stress und Blackout-Reaktionen

9.3.2 Stress und Burnout

9.3.3 Stress und Schlafstörungen

9.3.4 AD‍(H)‍S – Stress – Muskuläre Verspannungen

9.4 Menschen reagieren unterschiedlich auf Stress

9.5 AD‍(H)‍S: eine Hauptursache für emotionalen Stress und für Essstörungen

9.6 Die eigenen negativen Stressfaktoren kennen und vermeiden

10 Versagen trotz sehr guter Intelligenz

10.1 AD‍(H)‍S und Hochbegabung – eine Balance zwischen hohem Selbstanspruch und ständiger Enttäuschung

10.2 Diagnostische Strategien bei Lern- und Verhaltensauffälligkeiten trotz sehr guter Begabung

10.3 Therapeutische Hilfen bei AD‍(H)‍S und Hochbegabung

11 Strategien zur Diagnostik und Behandlung von AD‍(H)‍S-bedingter Leserechtschreib- und Rechenschwäche

11.1 Wenn Üben allein nicht reicht, könnte AD‍(H)‍S die Ursache sein

11.2 Diagnostische Kriterien einer AD‍(H)‍S-bedingten Rechtschreibschwäche

11.3 Therapeutische Besonderheiten der AD‍(H)‍S-bedingten Rechtschreibschwäche

11.4 AD‍(H)‍S-bedingte Leseschwäche

11.5 AD‍(H)‍S-bedingte Rechenschwäche

12 Smartphones, Computerspiele, Fernsehen und AD‍(H)‍S

12.1 Auf den richtigen Umgang mit den Medien kommt es an

12.1.1 Strategien zum richtigen Umgang mit Computer, Fernsehen, Smartphone und sozialen Medien

12.2 Warum Fernsehen, Internet und Computerspiele das Lernen beeinträchtigen

12.3 Umgang mit der Sucht nach Fernsehen, Internet und Computer

12.3.1 Über die Schwierigkeiten, eine Computersucht zu erkennen und zu behandeln – Vier Fallbeispiele aus der AD‍(H)‍S-Praxis

13 Wie kann die Schule bei AD‍(H)‍S unterstützen und fördern?

13.1 Häufigkeit und Schwere der AD‍(H)‍S-Problematik nehmen zu

13.2 Was könnte von Seiten des Schulsystems und der Lehrer getan werden, um Kindern mit einer AD‍(H)‍S-Problematik die Schullaufbahn zu erleichtern?

13.3 AD‍(H)‍S-Kinder möchten so wie ihre Mitschüler sein. Sie wollen erfolgreich lernen, können es aber oft nicht, darunter leiden sie!

14 Die Wirkungsweise der Medikamente und was man darüber wissen sollte

14.1 Besonderheiten im Umgang mit Stimulanzien

14.2 Wie wirken Stimulanzien?

14.2.1 Methylphenidat

14.2.2 Atomoxetin

14.2.3 Amphetamine

14.2.4 Allgemeine Aspekte der Stimulanzienbehandlung

14.3 Wann sollte bei AD‍(H)‍S der Einsatz von Stimulanzien unbedingt erwogen werden?

14.4 Therapeutische Ziele einer multimodalen AD‍(H)‍S-Behandlung (mit Einbeziehung von Stimulanzien)

14.5 Empfehlungen zur Vermeidung von Nebenwirkungen der Stimulanzientherapie

14.5.1 Ein Hauptproblem: Die Appetitstörungen

14.5.2 Ein häufiges Problem: Kopfschmerzen

14.5.3 Erhöhung der Herzfrequenz (Tachykardie)

14.5.4 Bauchschmerzen

14.5.5 Einschlaf- und Durchschlafstörungen

14.6 Wichtige Hinweise zum Umgang mit Methylphenidat

14.6.1 Methylphenidat und die Einnahme anderer Drogen

14.6.2 AD‍(H)‍S und Tic-Symptomatik

14.6.3 AD‍(H)‍S und Krampfanfälle

14.6.4 Schilddrüsen-Überfunktion und Glaukom

14.6.5 Besonderheiten bei Auslandsreisen

14.6.6 Methylphenidat und Fahrverhalten

15 Wie können die wichtigsten Therapiefehler vermieden werden?

16 Leistungsstark, selbstbewusst und psychisch stabil – therapeutische Strategien und ein gutes Selbstmanagement machen es möglich

Literatur

Hilfreiche Websites

Zur Autorin

Dr. med. Helga Simchen war zunächst Oberärztin der Kinderklinik und dann wissenschaftlich sowie klinisch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Neurologie der Medizinischen Akademie Magdeburg tätig. Dort arbeitete sie in enger Kooperation mit dem Institut für Neurobiologie und Hirnforschung auf dem Gebiet der Aufmerksamkeits-‍, Lern- und Leistungs- sowie Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen. In der ehemaligen DDR galt sie als Spezialistin für die Problematik der hyperaktiven Kinder. Schwerpunkte waren dabei die Früherfassung von Teilleistungsstörungen (z. B. Legasthenie), der Komorbiditäten des Hyperkinetischen Syndroms (HKS) sowie der Tic- und Tourette-Symptomatik. Im Vorstand der Gesellschaft für Rehabilitation war sie über viele Jahre als Arbeitsgruppenleiter tätig. Sie hielt Vorlesungen über Kinder- und Jugendpsychiatrie und Entwicklungsneurologie und hatte einen Lehrauftrag am Institut für Rehabilitationspädagogik. Ihr Arbeitsschwerpunkt waren die neurobiologischen und psychosozialen Ursachen der Aggressivität bei Kindern und Jugendlichen. Dr. med. Helga Simchen hat eine abgeschlossene Ausbildung als Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Neurologie, Verhaltenstherapie und tiefenpsychologische Psychotherapie und Systemische Familientherapie. Der breite Fundus ihres Wissens und die täglichen Erfahrungen aus ihrer Spezialpraxis für ADS und Teilleistungsstörungen verleihen Frau Dr. Simchen eine besondere Befähigung, sich mit dem zukunftsweisenden Thema der Begleiterscheinungen und Folgeerkrankungen des ADS zu beschäftigen. Dabei behandelt sie nicht nur die betroffenen Kinder und Jugendlichen, sondern ebenso die mit dem ADS verknüpfte Problematik der Familie und des sozialen Umfeldes in deren Psychodynamik.

Helga Simchen

AD‍(H)‌S – Hilfe zur Selbsthilfe

Lern- und Verhaltensstrategien für Schule, Studium und Beruf

3., überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

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3., überarbeitete Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-044144-6

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-044145-3epub: ISBN 978-3-17-044146-0

Vorwort

Anders sein und viele Fähigkeiten haben, das ist AD‍(H)‍S. Menschen mit AD‍(H)‍S haben besondere Fähigkeiten, außergewöhnliche Wege zu gehen. Sie brauchen dazu Selbstvertrauen, erreichbare Ziele, viel Motivation, Eigeninitiative und Kenntnisse, um das Beste aus ihrem Leben zu machen. Wenn es ihnen gelingt, ihre Pläne selbstbewusst, zielstrebig und sozial angepasst durchzusetzen, können sie von ihren besonderen Fähigkeiten profitieren.

AD‍(H)‍S als eine Persönlichkeitsvariante prägt alle Altersstufen und kann bei ständiger Überforderung und negativem Dauerstress zur Krankheit werden. Um das zu verhindern, ist eine Frühbehandlung erforderlich, die immer eine aktive Mitarbeit der Betroffenen erfordert, egal ob mit oder ohne Tabletteneinnahme. Eine Anleitung zur Durchführung eines erfolgreichen Selbstmanagements, das jedem offensteht und möglich ist, möchte dieses Buch sowohl den Betroffenen als auch deren Eltern, Erziehern, Therapeuten und Partnern vermitteln.

Konkrete Hilfen zur Selbsthilfe, die sich in der AD‍(H)‍S-Praxis bewährt haben und ohne die keine AD‍(H)‍S-Therapie auf Dauer erfolgreich sein kann. Eine solche aktive Mitarbeit ist bei vielen anderen chronischen Erkrankungen schon längst fester Bestandteil der Behandlung. Bei AD‍(H)‍S dagegen ist noch immer viel zu wenig darüber bekannt, was man alles selbst tun kann und muss, um AD‍(H)‍S nicht als Schicksal oder Krankheit zu erdulden, sondern es als Chance nutzen, von seinen besonderen Fähigkeiten zu profitieren, die viel zu häufig unerkannt bleiben und noch immer viel zu früh ungenutzt verkümmern.

Einfache, aber wissenschaftlich fundierte und in der Praxis erprobte therapeutische Strategien ermöglichen Leistungsvermögen und Sozialverhalten zu verbessern, und zwar in jedem Alter – auch dann, wenn gerade kein Therapeut verfügbar ist. Wie können Studierende mit AD‍(H)‍S oder Berufstätige erfolgreicher sein, welche Berufe sind bei AD‍(H)‍S zu empfehlen, welche Sportarten und welche Therapien, und was bewirken die Medikamente? Diese Fragen beantwortet das vorliegende Buch.

Erfolgreiches Handeln setzt spezielle Kenntnisse und aktive Mitarbeit voraus. Es gilt, die jeweils individuell wichtigsten Lernmethoden für sich herauszufinden, um sie dann fest in den Alltag zu integrieren. Wie man am besten gehirngerecht lernt und welche Strategien dabei erfolgreich sind zur Verbesserung von Leistung und Verhalten, darüber wird ausführlich informiert. Weil Erfolge der Motor für motivierte Mitarbeit sind, kann jeder mit den im Buch beschriebenen problemorientierten Selbsthilfe-Strategien unabhängig von einem Therapeuten sofort beginnen, um kostbare Zeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.

Erfolgreich sein mit AD‍(H)‍S bedeutet auch, im Leistungs- und Verhaltensbereich das Niveau zu erreichen, über das man verfügen könnte, wenn man kein AD‍(H)‍S hätte. Dazu sollte man wissen, was AD‍(H)‍S überhaupt bedeutet und was man konkret selbst tun kann, um seine bereits vorhandenen Defizite erfolgreich anzugehen. Da es immer noch zu wenig Lern- und Verhaltenstherapeuten für AD‍(H)‍S gibt und keine noch so gute Therapie jederzeit immer und über Jahrzehnte zur Verfügung stehen wird, ist es von größtem Wert, über eine Anleitung zur Selbsthilfe zu verfügen, die – wenn man sie verstanden hat – auch gut umsetzen kann. Das Buch soll Anleitung zum Handeln sein und informieren, was man trotz seiner AD‍(H)‍S-Problematik in Eigeninitiative alles tun kann, um den eigenen Ansprüchen und den Anforderungen seines sozialen Umfeldes gerecht zu werden. Denn AD‍(H)‍S ist eine genetisch bedingte besondere Art der Vernetzung von Nervenbahnen im Gehirn, was einer Reifungsstörung mit Beeinträchtigung der Ausbildung dichter Lernbahnen und deren Zentren im Langzeitgedächtnis entspricht. Dadurch entstandene störende Symptome lassen sich reduzieren, je früher man mit einem regelmäßigen Lern- und Verhaltenstraining beginnt. Vieles kann dabei allein oder mit Hilfe eines Coachs erreicht werden. Die dafür notwendigen Informationen sind Inhalt dieses Buches. Es ist sowohl für Anfänger und Einsteiger in die AD‍(H)‍S-Problematik als auch für AD‍(H)‍S-erfahrene Betroffene, Eltern, Erzieher und Therapeuten gedacht. Auch Lehrer werden angesprochen, denn die Schule ist für Kinder und Jugendliche mit AD‍(H)‍S das wichtigste Bewährungsfeld und nicht selten für sie eine mit negativem Dauerstress besetzte Institution. Während der Schulzeit gerät bei den meisten Betroffenen ihr Selbstwertgefühl in eine Negativspirale. Ein weiteres Anliegen des Buches ist die Information über mögliche Zusammenhänge von AD‍(H)‍S und Leserechtschreib- und Rechenschwäche, Essstörungen und Hochbegabung, um diesen Betroffenen neue therapeutische Möglichkeiten aufzuzeigen, die bisher zu wenig genutzt wurden.

In den letzten 20 Jahren habe ich über die gesamte AD‍(H)‍S-Problematik bundesweit und im Ausland viele Vorträge gehalten. Deren Inhalt und die Erfahrungen aus einer fast 30-jährigen anfangs wissenschaftlichen, seit 1995 praktischen Tätigkeit sind prägende Bestandteile dieses Buches. Nach Aufgabe meiner Praxis im Mainz hatten es besonders meine jugendlichen und erwachsenen Patienten schwer, einen Therapeuten zu finden. Für sie schrieb ich noch einmal auf, was ich ihnen als ihr Therapeut immer wieder versucht habe zu vermitteln. Nun wünsche ich mir, dass dieses Buch für alle AD‍(H)‍S-Betroffenen zur konkreten Hilfe wird, um bei ihrem täglichen Bemühen selbstbewusst, mit sich zufrieden und mit guter Lebensqualität ihre persönlichen Ziele verwirklichen zu können.

Klein-Winternheim, im Frühjahr 2024Helga Simchen

1 Anders sein und viele Fähigkeiten haben – das ist AD‍(H)‍S

Menschen mit AD‍(H)‍S gleichen Edelsteinen, die wie Diamanten strahlen können, wenn sie rechtzeitig einen Schliff und eine passende Fassung bekommen. Sie müssen lernen, ständig an ihrer Ausstrahlung zu arbeiten, um nicht zu verblassen.

1.1 Menschen mit AD‍(H)‍S haben besondere Fähigkeiten, über die sie meist nicht jederzeit verfügen können

Menschen mit AD‍(H)‍S faszinieren durch die Vielfalt ihrer Symptomatik, von der sie selbst auch profitieren können, wenn sie frühzeitig lernen, richtig damit umgehen. Sie können aber auch stark unter dieser Symptomatik leiden, wenn sie sich ihr hilflos ausliefern. Das Krankheitsbild AD‍(H)‍S erfordert einen hohen Anspruch an Diagnostik und Therapie. Seine neurobiologischen Ursachen und die Zusammenhänge von AD‍(H)‍S bedingten Funktionsstörungen und deren Symptomatik kennen, sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung. Ohne Mitarbeit der Betroffenen gelingt eine AD‍(H)‍S-Therapie auf Dauer nicht. Das erfordert die Kenntnis ihrer Besonderheiten, denn die Betroffenen sind sehr feinfühlig, sehr kritisch, sie hinterfragen alles und erwarten eine gründliche und verständliche Information, um zu verstehen, warum gerade sie diese Probleme haben und was sie dagegen tun können. Sie spüren ganz genau, ob sie verstanden und ihre Beschwerden ernst genommen werden. Sie erwarten Hilfsangebote, die sie verstehen und somit auch akzeptieren können.

Deshalb empfiehlt es sich, die Betroffenen beim ärztlichen oder psychologischen Erstkontakt nicht nur über ihre Problematik zu befragen, sondern auch ihre positiven Eigenschaften und ihre besonderen Fähigkeiten zu erkunden, um diese als Ressourcen für die angestrebte Therapie einzusetzen. Über viele positive Fähigkeiten verfügen alle AD‍(H)‍S-Betroffenen, die als »strategische Stützpfeiler« therapeutisch zu benutzen sind. Deshalb immer nach diesen sehr wertvollen Fähigkeiten suchen und Beispiele für deren praktische Anwendung gemeinsam erarbeiten und notieren.

Menschen mit AD‍(H)‍S besitzen viele positive Fähigkeiten, die sie sich möglichst erhalten sollten:

Kreativ sein, alles hinterfragen und »mehrdimensionales« Denken

Sehr interessiert an allem Neuen und wissbegierig sein

Über eine ausgeprägte Phantasie mit viel Kreativität zu verfügen

Sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und dulden keine Ungerechtigkeit

Ihre Fähigkeit, Situationen und Menschen schnell zu durchschauen

Von einer Sache fasziniert, können sie konzentriert, ausdauernd und »bärenstark« arbeiten, sie »hyperfokussieren«, dann sind sie vorübergehend konzentrierter als andere, aber eben nur vorübergehend, solange die Sache für sie neu und interessant ist

Sie haben ein gutes visuelles Gedächtnis mit einem außergewöhnlichen bildhaften Vorstellungsvermögen

Bei motivierter Tätigkeit profitieren sie von ihrem flexiblen Verstand und können viele neue Ideen entwickeln, auf die andere nicht so schnell kommen

Sie sind sehr sozial, sofort hilfsbereit und spüren, wenn jemand in Not ist

Diese positiven Fähigkeiten sollten Ärzte bzw. Psychologen zeitig erkennen und fördern, damit sie erhalten bleiben und als Grundlage für die aufzubauende therapeutische Beziehung dienen. Im weiteren Verlauf der Anamneseerhebung sollten folgende Fragen gestellt werden, deren inhaltliche Beantwortung wichtig für Planung und Verlauf einer späteren Therapie sind.

Denn folgende persönliche Gegebenheiten beeinflussen den Behandlungserfolg wesentlich, wenn die Betroffenen z. B.:

Ihre AD‍(H)‍S-bedingten Besonderheiten kennen, sowohl positive als auch negative

Ein mögliches Schulversagen vermeiden und dabei ihr Selbstvertrauen einigermaßen erhalten konnten

Rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wurden

Einen kompetenten Therapeuten fanden, der ihnen zeigte, wie sie ihre Probleme lösen konnten, der sie zur Mitarbeit anleitete und dazu motivierte. Denn ohne eigene Mitarbeit ist kein dauerhafter Erfolg möglich

Eltern oder Partner haben, die über Geduld, Verständnis, ausreichend Kraft und Toleranz verfügen

Einen guten Coach haben, der ihnen bei der Bewältigung von Alltagsaufgaben hilft und ihnen Anleitung zur Einhaltung von Struktur, Regeln und Ritualen im Tagesablauf gibt

Über ein Selbstwertgefühl und eine soziale Kompetenz verfügen, die noch nicht so stark gelitten haben oder besser, noch altersentsprechend vorhanden sind

Bisher noch keine Therapieabbrüche hatten

Einen Beruf oder eine Beschäftigung haben, die abwechslungsreich ist, fasziniert und Erfolge ermöglicht

Besondere Lernmethoden für sich entwickelten und erfolgreich praktizieren

Ihre Lern- und Arbeitsbedingungen akzeptieren und sie eine berufliche Perspektive haben

Möglichst nicht ständig einer zu starken Reizüberflutung ausgesetzt sind

Sich bemühen, erst zu überlegen, bevor sie etwas sagen und sehr kritisch gegenüber Menschen sind, die sich ihnen als Freunde anbieten

Sich nicht ausnutzen lassen, »nein« sagen und sich abgrenzen können

Bei der Diagnosestellung gilt es die Schwere des Betroffenseins zu erfassen, denn sie bestimmt Art und Dauer der Therapie. In der Praxis kann das AD‍(H)‍S mit keinem einzelnen Test oder einzig und allein mit Hilfe einer Punkteskala diagnostiziert werden. Die wichtigsten Kriterien müssen immer erfüllt sein, die zur Standardisierung der Diagnostik konkret in den wissenschaftlichen Leitlinien benannt sind und dort auch immer wieder aktualisiert werden. So hat das 2013 erschienene Diagnostische und Statistische Manual der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (DSM V) das Alter, vor dem die ersten AD‍(H)‍S-Symptome vorhanden sein müssen, um ein AD‍(H)‍S bestimmen zu können, vom 7. auf das 12. Lebensjahr verlegt. Für die AD‍(H)‍S-Diagnose bei Erwachsenen müssen ab dem 17. Lebensjahr nur noch 5 statt 6 von 9 Kriterien, sowohl für den Unaufmerksamkeits-Subtyp als auch für den Subtyp mit Hyperaktivität/Impulsivität, vorhanden sein.

Wichtige Bestandteile der AD‍(H)‍S-Diagnostik sind:

die aktuelle Problematik, die Stärke der Beeinträchtigung und den Leidensdruck erfassen

die Lebensgeschichte der Betroffenen und ihrer Familie in Bezug auf AD‍(H)‍S erfragen

die vom Therapeuten selbst gemachte aktuelle Beobachtung des Verhaltens und der Leistungsfähigkeit notieren

den Verlauf von Kindheit und Schulzeit erfragen

die Auswertung der Schulzeugnisse

die neurologische Untersuchung

die psychometrische Testung, einschließlich der intellektuellen Ausstattung

das Vorhandensein von reaktiven Fehlentwicklungen, Wahrnehmungs- und Teilleistungsstörungen, sowie weitere Begleit- und Folgeerkrankungen nicht übersehen

1.2 Gut informiert sein über AD‍(H)‍S hilft, therapeutischen Strategien zu verstehen und eigene für sich zu entwickeln

Die zehn wichtigsten Symptome – ein Kind mit ausgeprägter AD‍(H)‍S-Symptomatik:

ist unaufmerksam und leicht ablenkbar

ist hyperaktiv und in der Reaktion zu schnell oder verträumt und zu langsam

ist impulsiv, handelt, ohne nachzudenken

ist vergesslich mit schlechtem Kurzzeitgedächtnis

wirkt zerstreut, hat eine geringe Eigenorganisation

kann Regeln nur schwer einhalten und lernt nicht aus Fehlern

hat eine schlechte Arbeitsorganisation

ist stimmungslabil, zeigt eine »Achterbahn« seiner Gefühle

leidet unter seinem Selbstwertgefühl, traut sich wenig zu

ist in seinem Sozialverhalten nicht altersgerecht entwickelt

Das Erscheinungsbild des AD‍(H)‍S kann sehr unterschiedlich sein und trotz seiner vielen positiven Seiten können die negativen Symptome überwiegen. Diese verursachen einen Leidensdruck und beeinträchtigen die altersgerechte Entwicklung von Selbstwertgefühl und Sozialverhalten auf Dauer. Die Kernsymptome, wie auffällige innere oder äußere Unruhe, beeinträchtigte Konzentration und Daueraufmerksamkeit, schlechte Merkfähigkeit, hohe Ablenkbarkeit verbunden mit unüberlegtem Handeln, sollten immer nachweisbar sein. Das alles verbunden mit zu großem Energiepotenzial oder Antriebsschwäche, Zurückgezogenheit, Überempfindlichkeit, zu langsamen und verträumten Handeln, Kraftlosigkeit, Selbstbeschuldigung und Versagensängsten kann AD‍(H)‍S sein, je nach Erscheinungsform. Die wesentlichen neurobiologischen Ursachen sind jedoch bei allen gleich. Die Verschiedenheit in der Symptomatik ist genetisch bedingt und erfordert in einigen Bereichen auch eine unterschiedliche Herangehensweise, wodurch Diagnosestellung und Behandlung manchmal schwierig sind und nicht nach einem Schema erfolgen können!

Zwischen den beiden Haupttypen des ADS mit und ohne Hyperaktivität – ADHS und ADS – gibt es viele Zwischenformen (Subtypen) mit unterschiedlicher Symptomatik.

Die typische Symptomatik beim ADS mit Hyperaktivität (ADHS) wird dominiert von innerer und äußerlicher Unruhe, Unbeständigkeit, einem Mangel an Konzentration, Daueraufmerksamkeit und Flexibilität bei der richtigen Auswahl von Handlungsmustern sowie Impulsivität. Diese Verhaltensauffälligkeiten haben neurobiologische Ursachen, deren Behandlung auch neurobiologisch orientiert erfolgen sollte.

Worunter leiden Menschen mit ADHS und was würden sie gern ändern?

Ihre ständige Unruhe und den nicht zu unterdrückenden Bewegungsdrang

Ihre deutliche Beeinträchtigung von Konzentration und Daueraufmerksamkeit

Ihre hohe Ablenkbarkeit und Vergesslichkeit

Ihre Schwäche, Verhalten, Kraft und Sprache angemessen steuern zu können

Ihre zu spontanen und überschießenden Reaktionen, sowohl verbaler als auch körperlicher Art, die sie selbst schwer bremsen und kontrollieren können

Ihre Unfähigkeit, in kritischen Situationen schnell und sozial angepasst zu reagieren

Ihre Unfähigkeit, etwas zügig anzufangen sowie das Angefangene auch zu beenden

Ihre emotionale Labilität mit veränderter Eigenwahrnehmung (»Ich war das nicht, die anderen haben Schuld«)

Ihren Drang, vieles gleichzeitig zu machen, keine Prioritäten zu setzen

Ihr schnelles Arbeitstempo bei fehlendem Zeitgefühl

Ihre verzögerte Entwicklung in der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung, bei der sozialen Reife und den motorischen Funktionen

Das ist eine ganze Reihe von möglichen Problemen, die aber längst nicht immer alle vorhanden sein müssen. Erst aus der Summe der genannten Symptome und vor allem aus der gründlichen ärztlichen Untersuchung mit mehreren Patientenkontakten kann die Diagnose gestellt werden. Wobei die wichtigen Symptome, wie Hyperaktivität, Konzentrationsschwäche und Ablenkbarkeit nicht immer beim ersten Kontakt sichtbar vorhanden sein müssen, denn wenn alles neu und interessant für den Betroffenen ist, kann er kurzzeitig hochkonzentriert sein.

Kinder und Jugendliche ohne Hyperaktivität, auch »hypoaktiv« oder wissenschaftlich als »ADS vom unaufmerksamen Typ« bezeichnet, leiden vorwiegend unter Lernschwierigkeiten und sozialer Ausgrenzung, weniger unter nach außen hin auffallender und somit störender Hyperaktivität.

Diese Betroffenen leiden jedoch meist mehr als die Hyperaktiven, ihre häufigsten und typischen Symptome sind:

Sie sind im Denken und Reagieren zu langsam, wirken manchmal regelrecht umstellungserschwert

Sie können Handlungsabläufe und kognitive Fähigkeiten nur zeitlich verzögert abrufen

Sie haben immer zu viele Gedanken und zu viele visuelle Bilder im Kopf

Sie träumen vor sich hin und »klinken« sich aus dem aktuellen Geschehen aus, dadurch bekommen sie weniger vom sozialen Umfeld (Unterricht! Vorlesung!) mit

Sie merken sich Nebensächlichkeiten oft sehr gut, besonders wenn diese emotional eingebunden sind

Sie sind leicht ablenkbar, erfassen und behalten Wichtiges nicht

Sie sind sehr empfindlich, schnell gekränkt und weinen leicht

Stress blockiert ihr Handeln und Denken

Sie sind innerlich und auch äußerlich unruhig, aber letzteres meist viel diskreter

Sie suchen immer zuerst die Schuld bei sich und entwickeln zeitig ein schlechtes Selbstwertgefühl

Sie leiden unter Versagensängsten und Schwierigkeiten bei der sozialen Eingliederung

Sie können sich nicht sozial angepasst schnell genug verteidigen

Ihr Arbeitstempo ist ausgesprochen langsam, ihr Antrieb gering

Sie wiederholen immer wieder die gleichen Beschäftigungen, um ihre Gedanken auszurichten und ihre innere Unruhe abzureagieren (z. B. malen, lesen, spielen mit Puppen oder Legosteinen, Nägel knabbern)

Sie ziehen sich zurück, man kommt nur sehr schwer an sie heran

Sie führen einen täglichen, aber meist erfolglosen Kampf um Anerkennung und Erfolge, bis sie schließlich resignieren

Sie sind innerlich verunsichert, psychisch labil und werden leicht zum Mobbingopfer

Ohne wirksame Hilfe läuft mit zunehmender Belastung für sie alles schlechter als erwartet, trotz eifrigen Übens und Lernens erleben sie viele Misserfolge

Sie fühlen sich hilflos, vor allem unverstanden und ausgegrenzt

Alle die aufgeführten Symptome zeigen sich stärker unter Belastung, weshalb sie in der Schule, die Leistung und ein entsprechendes Verhalten abfordert, stärker und früher auftreten als im häuslichen Milieu. So sind es häufig die Lehrer, die diese Auffälligkeiten zuerst bemerken und dann eine typische AD‍(H)‍S-Symptomatik meist unbewusst sehr gut beschreiben. Im Zeugnistext beschreibt eine Lehrerin ihren Schüler mit fast allen typischen ADS-Symptomen wie folgt:

»Kevin arbeitet im Unterricht kaum mit, lässt sich leicht ablenken, muss immer wieder zur Weiterarbeit aufgefordert werden und hatte Mühe mit seiner Zeit zurechtzukommen. Ständiger Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit lähmte seine Arbeit. Beim Erfassen neuer Inhalte brauchte er viel Zeit. An die Inhalte zurückliegender Unterrichtsstunden erinnerte er sich meist nur lückenhaft. Bei der Gruppenarbeit, im Umgang mit den Mitschülern und bei der Mitarbeit war er sehr zurückhaltend.«

1.3 Es sind immer die gleichen Probleme, die den Erfolg verhindern und einer Behandlung bedürfen

Symptome, nach denen gefahndet werden sollte, um sie rechtzeitig behandeln zu können

a)

Im Bereich der Wahrnehmungsverarbeitung

Mangel an Konzentration und Daueraufmerksamkeit

Geringe Merkfähigkeit bei oberflächlicher Wahrnehmung und Vergesslichkeit

Große Ablenkbarkeit, fehlendes Durchhaltevermögen

Blicksteuerungsschwäche, beeinträchtigtes beidäugiges Sehen bei Blickänderung zur Seite

Hören: Nebengeräusche werden nicht ausgeblendet, sondern gleich stark wahrgenommen, Wichtiges wird überhört

b)

Im Bereich des Verhaltens

Innere und äußere Unruhe

Gefühlsschwankungen mit Impulssteuerungsschwäche

Selbstwertproblematik mit innerer Verunsicherung

Soziale Konflikte infolge beeinträchtigter Verhaltenssteuerung

Unüberlegtes und spontanes Handeln

Negativer Dauerstress bei niedriger Frustrationstoleranz

Der Antrieb ist extrem gesteigert oder reduziert

c)

Im Bereich der motorischen Fähigkeiten

Ständiger Bewegungsdrang

Defizite in der Grob- und Feinmotorik

Koordinationsprobleme einzelner Muskelbereiche, die Sprache, Schrift und Sehfähigkeit betreffen können

d)

Als mögliche Folgen der o. g. Probleme:

Selbstwertproblematik

Sozialer Reiferückstand

Pubertätskrisen

Teilleistungsstörungen

Angst- und Zwangsstörungen

Suchtentwicklung

Depressive Verstimmungen

Essstörungen

Um diese Symptome zu erkennen, ist das in ▸ Abb. 1.1 dargestellte Diagnoseschema zu empfehlen, das von mir in der Praxis über viele Jahre erfolgreich angewendet wurde und sich besonders für die Diagnostik des ADS ohne Hyperaktivität im Kindes- und Jugendalter bewährt hat. Denn diese Betroffenen werden noch immer viel zu oft nicht erkannt oder für depressiv gehalten und dann mit entsprechenden Medikamenten behandelt.

Abb. 1.1:Diagnoseschema des AD‍(H)‍S bei Kindern und Jugendlichen

Das AD‍(H)‍S als eine Reifungsstörung hinterlässt Spuren, die mit zunehmendem Alter ihr Erscheinungsbild ändern können. Z. B. werden die nach außen gerichtete Hyperaktivität und die motorischen Auffälligkeiten dann meist geringer.

Allen Altersstufen gemeinsam sind bei AD‍(H)‍S folgende neurobiologisch bedingte Funktionsstörungen, die je nach Schwere des Betroffenseins unterschiedlich ausgeprägt sein können:

Mangelhafte Automatisierung der kognitiven Abläufe zwischen Arbeits- und Langzeitgedächtnis

Sich nicht konzentrieren können

Die Daueraufmerksamkeit konstant aufrecht zu halten

Eine ständige innere Unruhe und viele Gedanken im Kopf

Schlechte Merkfähigkeit, Vergesslichkeit

Probleme in der Gefühlssteuerung

Innere Verunsicherung mit Selbstbeschuldigungen bei schlechtem Selbstwertgefühl

Mangelnde Fähigkeit, sich sozial angepasst zu verteidigen

Probleme, sich zu entscheiden

Schlechtes Zeitgefühl

Überempfindlichkeit gegenüber Stress

Beeinträchtigungen in der feinmotorischen Abstimmung und in der Koordination

Hieraus ergeben sich die Schwerpunkte der Behandlung von AD‍(H)‍S. Dabei ist es wichtig, dass die Betroffenen wissen, warum sie so sind und was sie selbst ganz konkret dagegen tun können. Sie müssen die Ursache ihres Verhaltens verstehen und begreifen, damit Hilflosigkeit mit innerer Verunsicherung und Selbstverachtung gar nicht erst aufkommen. Deshalb kann nur eine mehrdimensionale (multimodale) Behandlung den Lebenslauf und die Lebensqualität dauerhaft verbessern und ist bei einem ausgeprägten AD‍(H)‍S unbedingt zu empfehlen.

Für AD‍(H)‍S-Kinder besteht das Hauptproblem darin, sich nicht konzentrieren können. Sollen beispielsweise in einer Freistunde Hausaufgaben gemacht werden, tritt diese Schwierigkeit im besonderen Maße zutage. Das Ergebnis sieht dann häufig entsprechend aus (▸ Abb. 1.2).

Abb. 1.2:Beispiel einer Hausaufgabe eines 11-jährigen AD‍(H)‍S-Kindes, die in einer Freistunde angefertigt wurde. Das AD‍(H)‍S-Kind konnte sich überhaupt nicht konzentrieren, weil es viel zu laut und unruhig war.

1.4 Probleme bewältigen durch aktive Mitarbeit mit individuellen Strategien

An sich zu arbeiten, damit kann jeder sofort beginnen, auch wenn er (noch) kein diagnostiziertes AD‍(H)‍S, aber ähnliche Probleme hat – vielleicht bei einer entsprechenden Veranlagung oder wenn die Diagnostik noch aussteht, um die Zeit sofort für sich positiv zu nutzen. Die Anwendung gezielter Lern- und Verhaltensstrategien ist für alle – Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen – hilfreich, sie wird von vielen schon täglich erfolgreich praktiziert und ist gar nicht so schwer, wie es anfangs scheinen mag. Haben sich diese Vorgehensweisen nach mehrfachem Üben erst einmal automatisiert, d. h. verselbständigt, sind sie viel weniger anstrengend.

Im Folgenden gebe ich einen Überblick über in der Praxis bewährte Erziehungsstrategien, die Schwierigkeiten in allen Leistungs- und Verhaltensbereichen wirkungsvoll reduzieren.

Strategie Nr. 1: Tages- und Wochenstruktur mit schriftlich festgelegtem Tages-/Wochenplan einführen

Beginnen mit einer Aufgliederung des Tagesablaufs und der Zuordnung von Tätigkeiten

Eine Liste anfertigen von den Aufgaben bzw. Arbeiten, die heute unbedingt erledigt werden müssen

Einen Wochenplan für alle wichtigen Aufgaben machen und diesen möglichst einhalten

Klare Ziele definieren, die in dieser Woche auch erreichbar sind und wenn erledigt, dann abhaken

Täglich schriftlich seine Erfolge kurz notieren

Positive Abendreflexion im Familienkreis, wo jeder kurz über das spricht, was er heute gut gemacht und erledigt hat und was unbedingt noch morgen zu erledigen ist

Mit Disziplin, Selbstvertrauen und viel Lob sich immer wieder motivieren, den Tagesplan auch einzuhalten

Sein Verhalten und seine Leistungen versuchen, realistisch zu beurteilen

Bei Konflikten nach Lösungswegen und Vermeidungsstrategien suchen

Sich in der Familie um eine warmherzige und vertrauensvolle Atmosphäre bemühen

Keine Vorwürfe dulden, keine Beschuldigungen, aber Kritik annehmen und Selbstkritik üben

Seine Vorsätze ständig aktualisieren und schriftlich formulieren

Den Terminkalender in der Familie miteinander abgleichen

Strategie Nr. 2: Konzentration verbessern

Für Ruhe sorgen, Reizüberflutung vermeiden

Eine Aufgabe möglichst mit konkreter Zeitvorgabe angehen

Keine Störung zulassen, Handy und Medien ausschalten

Sich innerlich auf diese Aufgabe einstellen

Sich befehlen: »Ich muss mich jetzt konzentrieren« (wichtigste Selbstinstruktion!), keine anderen Gedanken zulassen

Keine überflüssigen Dinge auf dem Arbeitstisch, die ablenken

Nach Erledigung sich loben und eine zeitlich festgelegte Pause machen

Diese Strategien aufgabenbezogen mehrmals täglich wiederholen, Schwierigkeitsgrad und Dauer der Aufgabe allmählich erhöhen.

Strategie Nr. 3: Umgang mit unruhigen und verhaltensauffälligen Kindern

Als Eltern selbst immer Ruhe bewahren

Eindeutige Regeln von Anfang an schriftlich festlegen und einhalten, keine Ausnahme dulden! Einmal Ausnahme ist immer Ausnahme!

Alle unnötigen Reize aus der Umgebung vermeiden, sonst kann sich das Kind nicht konzentrieren und wird ständig abgelenkt

Das Kind konsequent, aber liebevoll ohne emotional spürbare Erregung führen

Wer sich aufregt provoziert das Kind, es reagiert mit Stress, was die Situation verschärft und endlose Diskussionen auslösen kann, auf die man sich nicht einlassen sollte

Zuwendung durch Blick- und Körperkontakt signalisieren

Viel Bewegung zulassen, Bewegungsspiele kurz einbauen

Abwarten und Beenden einer Tätigkeit zuerst mit Hilfe von Spielen üben

Abwarten und eine Belohnung aufschieben können, sollte zeitig gelernt werden

Rituale einführen, sie erleichtern den Umgang

Selbständigkeit fördern und auch einfordern, nur Anleitungen dazu geben

Kurze Spiel- und Arbeitszeiten mit Steigerung von Dauer und Schweregrad

Bei Verweigerung Steuerungshilfen einsetzen, werden sie nicht angenommen, Tätigkeit unterbrechen und sich abwenden. Warten bis das Kind von selbst kommt, dann ganz ruhig und freundlich das eben Verweigerte einfordern. Keine andere Tätigkeit mit ihm beginnen, sture Konsequenz zeigen! Die braucht das Kind, denn es prüft ständig, wie weit es gehen kann und ob die gestellten Grenzen auch wirklich eingefordert werden

Dem Kind zeigen, wie es seinen inneren Frust abreagieren kann. Z. B. das Zimmer verlassen, auf ein Kissen schlagen, in die Luft boxen, auf dem Hof Ball spielen usw.

AD‍(H)‍S-Kinder brauchen Grenzen, sie geben ihnen Sicherheit. Wer nachgibt, ist der Verlierer und das nicht nur für den Augenblick!

Aggressives Verhalten oder Verhalten allgemein, was nicht erwünscht ist, nicht beachten! Es wird dadurch aufgewertet. Oft will das Kind damit nur provozieren, auf sich aufmerksam machen oder sein Gefühl der langen Weile unterbrechen. Das Kind sich erst beruhigen lassen, zeitversetzt und entspannt das Geschehen besprechen und kurze, klare Verhaltensregeln als Schlussfolgerungen benennen

Niemals viel reden, kein Polemisieren oder Vergangenes wieder hervorholen!

Ein Stoppsignal vereinbaren und dessen Einhaltung verlangen und üben

Strategie Nr. 4: Wie verhalte ich mich, wenn mein Kind trotzt?

Möglichst Anlässe zu trotzigem Verhalten vermeiden, Absprachen treffen

Konsequenz in der Erziehung! Bei inkonsequenter Erziehung lernt das Kind seinen Willen über die Trotzreaktion durchzusetzen

Nichtbeachten der Reaktion, sich abwenden, Blickkontakt meiden, Stimme senken, Ruhe bewahren, sich räumlich trennen für kurze Zeit

Gleichgültiges Begegnen des Kindes nach dem Trotzanfall

Aber weiterhin auf das Erledigen der gestellten Forderung bestehen

Bewusste Förderung des kindlichen Willens, indem man versucht, seinen eigenen Willen zu dem des Kindes zu machen. Das kostet Überzeugungsarbeit, die dem Kind aber das Gefühl der freien Entscheidung gibt, damit es sich nicht eingeengt fühlt

Strategie Nr. 5: Ordnung im Kinderzimmer herstellen

Anleitung zur Selbständigkeit, Kind nur anlernen, wie man am effektivsten aufräumt und Ordnung hält, nur dranbleiben und kontrollieren. Das Kind muss selbst aufräumen, nicht seine Mutter oder seine Geschwister!

Termin zum Aufräumen vereinbaren, am besten täglich vor dem Abendessen oder vor der vereinbarten Fernsehzeit

Keinen Stress erzeugen, keine Vorwürfe machen, aber selbst auch Ordnung halten!

Aufräumstrategie in drei Etappen:

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1. Etappe: Alles vom Fußboden aufheben, was dort nicht hingehört

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Das Aufgehobene gleich an Ort und Stelle legen

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Alles möglichst nur einmal in die Hand nehmen, damit es nicht von einer Ecke in die andere gestapelt wird

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2. Etappe: Sortieren, was sich im Zimmer auf den Möbeln befindet und dort nicht hingehört:

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Schmutzwäsche in die Wäschetruhe

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Saubere Wäsche in den Schrank

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Bücher in das Regal

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Schreibsachen in die Schreibtischfächer oder in die Schulmappe

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Benutztes Geschirr in die Küche

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Leere Flaschen in die dafür vorgesehene Kiste

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3. Etappe: Die Schreibtischplatte völlig leerräumen, damit beim Arbeiten nichts ablenkt oder stört und ausreichend Platz vorhanden ist

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Auf den Schreibtisch soll nur das liegen, was aktuell unbedingt zum Arbeiten oder Lernen gebraucht wird!

Solche und/oder ähnliche Strategien können Eltern mit ihren Kindern oder auch für sich selbst aufschreiben und an die Tür oder anderswo gut sichtbar aufhängen. Anfangs etappenweise aufräumen und die erledigten Tätigkeiten abhaken, denn der Arbeitsablauf soll sich automatisieren, damit er dann ohne Anleitung, ständige Ermahnungen oder Strafandrohungen erfolgen kann. Dabei jeden Stress oder Streit vermeiden, beides blockiert die Motivation.

Diese Strategien zeigen zumeist rasch einen therapeutischen Erfolg, sie können allen nutzen, ob mit oder ohne AD‍(H)‍S. Werden sie schon praktiziert, ist schon ein Meilenstein auf dem Weg zum Therapieerfolg geschafft.

Weitere wichtige Strategien für ein Selbstmanagement bei der AD‍(H)‍S-Behandlung sind:

Eine AD‍(H)‍S-Diagnose sollte mit umfassender Information über Ursachen, deren mögliche Vor- und Nachteile und den therapeutischen Möglichkeiten rechtzeitig erfolgen

Die neurobiologischen Ursachen des AD‍(H)‍S akzeptieren und verstehen, um sich nicht durch unwissenschaftliche Polemik verunsichern zu lassen

Eine autoritative Erziehung praktizieren mit guter Vorbildwirkung, Grenzen setzen und Strukturen vorgeben und deren Einhaltung konsequent einfordern

Gemeinsam mit den Betroffenen nach vorherigen Problemanalysen wie z. B. »Was stört mich?«, »Wie kann ich das ändern?«, »Warum musste das so kommen?«; Problemlösungsstrategien entwickeln

Sich selbst motivieren können, um gestellte Therapieziele zu erreichen

Eine gute soziale Einbindung mit Verständnis und Vertrauen als wichtige Basis schaffen

Selbst gemachte positive Erfahrungen im Umgang mit Stress und zur Konfliktvermeidung immer wieder erfolgreich anwenden

Seine Lernbahnen durch ständiges Wiederholen und Üben festigen

Lernen mit aktiver Pausengestaltung nach Plan

Regelmäßig Sport und Entspannungsübungen betreiben, um Stress abzubauen und sich zu konditionieren

Medikamentöse Therapie, sofern notwendig, als eine wichtige Hilfe akzeptieren und bei Bedarf rechtzeitig, regelmäßig und lange genug anwenden

Routinemäßig Selbstinstruktion und Kontrolltechniken praktizieren

Seine Fähigkeiten kennen und lernen, sie erfolgreich einzusetzen

Misserfolge und Kritik tolerieren können, um negativen Dauerstress und Selbstwertkrisen zu vermeiden

Mit Hilfe der AD‍(H)‍S-Therapie nicht nur die Konzentration, sondern auch gezielt Selbstwertgefühl und Sozialverhalten verbessern

Exkurs »Autoritative Erziehung« – Was bedeutet sie und warum ist dieser Erziehungsstil für Kinder und Jugendliche mit ausgeprägtem AD‍(H)‍S besonders geeignet?

Eine autoritative Erziehung erfolgt mit Konsequenz und Liebe, klaren Regeln und Anforderungen, muss aber gleichzeitig mit einem hohen Maß an Vertrauen und Zuwendung einhergehen. Dieser Erziehungsstil wird von den Erziehungswissenschaftlern als optimal angesehen. Er wurde in den 1960er Jahren entwickelt und seitdem erfolgreich praktiziert. Hierbei wird das Kind in seinen Bedürfnissen und Gefühlen geachtet, lernt aber gleichzeitig klare Grenzen kennen, in denen es sich in Ruhe entwickeln kann.

Eltern, die ihre Kinder autoritativ erziehen, stellen hierbei große Anforderungen an diese, sie fördern und fordern sie. Sie fordern die Einhaltung von Regeln, wobei sie ihre Kinder aber auch als ernst zu nehmende Gesprächspartner akzeptieren und mit Hilfe gemeinsamer Absprachen lenkend auf ihr Kind oder ihren Jugendlichen einwirken. Dieser Erziehungsstil stellt große Anforderungen an soziale und intellektuelle Kompetenzen, an Eigenkontrolle und Unterstützung. Dabei beharren die Eltern auf ihren Forderungen auch gegen den Willen ihrer Kinder und Jugendlichen. Für entstehende Konfrontationen werden gemeinsam Lösungswege erarbeitet. Das verbessert die Selbstsicherheit, Kommunikationsfähigkeit und die soziale Kompetenz der Kinder. Dieser Erziehungsstil fördert erfahrungsgemäß die eigenen Fähigkeiten und das Erlernen von verantwortungsvollen Bewältigungsstrategien zur Problemlösung am besten.

Ich empfehle diesen Erziehungsstil den Eltern betroffener Kinder und Jugendlicher mit AD‍(H)‍S und habe damit gute Erfahrungen gemacht. In vielen Familien wird dieser Erziehungsstil schon seit Generationen erfolgreich praktiziert, ob mit oder ohne AD‍(H)‍S. In jedem Fall ist auch hierbei die Vorbildwirkung der Eltern das A und O für das Gelingen der Erziehung.