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Ein ADS vom unaufmerksamen Typ wird bei Kindern und Jugendlichen immer noch zu selten erkannt und behandelt. Dieses Standardwerk beschreibt Symptome, Ursachen, Diagnose und Therapie ausführlich und allgemeinverständlich. In der überarbeiteten 12. Auflage gibt die Autorin Antworten auf u.a. folgende Fragen: Wie funktioniert ein ADS-Gehirn? Wie wirken Medikamente und mit welchen Nebenwirkungen muss gerechnet werden? Warum haben so viele Betroffene eine Lese-Rechtschreib- und Rechenschwäche? Das Buch gibt bewährte Lern- und Verhaltensstrategien an die Hand, um die Aufmerksamkeit und schulische Fertigkeiten zu trainieren sowie das Selbstwertgefühl und die soziale Kompetenz zu steigern. Zusätzlich werden die wichtigsten Begleit- und Folgeerkrankungen wie Depressionen, Suchterkrankungen und Essstörungen, die auch das Jugend- und Erwachsenenalter betreffen, behandelt.
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Seitenzahl: 250
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Cover
Titelei
Vorwort zur 9. Auflage
Vorwort zur 4. Auflage
Vorwort zur 1. Auflage
1 Das hypoaktive Kind – was ist das für ein Kind?
2 Das ADS ohne Hyperaktivität – Informationen auf einen Blick über Ursachen, Diagnose und Therapie
Ursachen des ADS
Diagnose des ADS
Therapie des ADS
Zur Behandlung von Jugendlichen mit ADS
Zur Behandlung von Erwachsenen mit ADS
Fazit
3 Beispiele aus der Praxis – Symptomatik und therapeutische Strategien
Sandra, 8 Jahre, Schulversagen bei Lese-Rechtschreibschwäche, Sprachprobleme und Regression
Anna-Maria, 12 Jahre, Schulangst, Konzentrations- und Rechtschreibschwäche
Manuel, 8 Jahre, Probleme in der Fein- und Grobmotorik, im Arbeitstempo und in der sozialen Reife
Jennifer, 10 Jahre, Alpträume, Bauchschmerzen, beginnendes Stottern
Torsten, 12 Jahre, depressive Verstimmungen, Rechtschreibschwäche
Annette, 9 Jahre, Rechenschwäche
Mandy, 11 Jahre, Einnässen, Kopf- und Bauchschmerzen, gelegentliches Stehlen
Thomas, 7 Jahre, Lese-Rechtschreibschwäche
Marc, 11 Jahre, besucht mit überdurchschnittlicher Intelligenz die Lernbehindertenschule
Patrick, 9 Jahre, 3. Klasse, drohende Versetzung auf eine Lernbehindertenschule
Maximilian, ein 18-jähriger Gymnasiast mit Rechenschwäche
Diskussion der Beispiele
4 Wie erkenne ich, ob mein Kind ein ADS ohne Hyperaktivität hat?
Die wichtigsten Symptome eines hypoaktiven Kindes
Die Symptomatik im Überblick
Mütter schildern ihre Kinder
Björn in der 1. Klasse
Daniela und die Frage ihrer Mutter: Hat meine Tochter ADS?
Typische Zeugnisse von hypoaktiven Kindern
ADS und Hochbegabung
5 Neurobiologische Ursache des ADS
6 Die Diagnostik des hypoaktiven Kindes
Die Säulen der Diagnostik
Was verstehen wir unter Lernstörungen?
Psychopathologische Befunderhebung (wie leidet das Kind, wie auffällig ist es?)
Entwicklungsdiagnostik
Was heißt Fehlentwicklung?
Gestörtes beidäugiges Sehen
Das EEG und seine Besonderheiten beim ADS-Kind
Die Diagnostik im Überblick
7 ADS und Teilleistungsstörungen
Der Zusammenhang zwischen ADS, Lese-Rechtschreibschwäche und Rechenschwäche
Die Vererbung des ADS
ADS und Allergie
8 Die Therapie des ADS bei Hypoaktivität
Aufklärung der Eltern
Die Eltern als Co-Therapeuten
Verhaltenstherapie
Medikamentöse Therapie
Die Bedeutung von Entspannungsverfahren
Therapie von Jugendlichen und Erwachsenen
Familientherapie
Gruppentherapie
Warum bleibt die Behandlung eines hypoaktiven Kindes manchmal erfolglos und warum ist die Einnahme von Tabletten allein keine ausreichende Therapie?
9 Trainingsprogramme
Training der Daueraufmerksamkeit und Konzentration
Training der Grob- und Feinmotorik
Training bei Wahrnehmungsstörungen
Training schulischer Fertigkeiten – erfolgreich lernen trotz ADS
Langsames Arbeitstempo erschwert die Mitarbeit im Unterricht
Bewegung und Sport – ein notwendiger Bestandteil jeder ADS-Therapie
Lerntherapeutische Strategien bei Lese- und Rechtschreibschwäche
Wie kann ADS-Kindern beim Lernen geholfen werden?
Leseschwäche-Trainingsprogramme beim ADS
Training bei Rechenschwäche
Üben von Aufsatzschreiben
Das Anfertigen von Hausaufgaben
Selbstwertgefühl und soziale Kompetenz verbessern – zwei wichtige Ziele jeder ADS-Therapie
Soziales Kompetenztraining
10 So kommt Ihr Kind voran
Allgemeine Hinweise
Tipps im Umgang mit hypoaktiven Kindern
Wie die Schule erfolgreich in die Behandlung mit einbezogen wird
11 Was sind die Folgen einer unzureichenden oder fehlenden Behandlung von ADS mit Hypoaktivität?
Angststörungen
Zwangsstörungen
Impulshandlungen
Selbstwertkrisen
Depressionen
Essstörungen
Einnässen und Einkoten
12 Therapiebegleitende Maßnahmen
Ergotherapie
Logopädie
Sport und Bewegungstherapie
Neurobiofeedback
Ausblick
Literatur für Eltern und Therapeuten
Hilfreiche Internet-Adressen
Anhang: Mein Verhaltenstagebuch
Eine Hilfe für Kinder und Jugendliche zum alltäglichen Umgang mit ADS mit Hyper- oder Hypoaktivität
Die Autorin
Dr. med. Helga Simchen war zunächst Oberärztin der Kinderklinik und dann wissenschaftlich sowie klinisch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Neurologie der Medizinischen Akademie Magdeburg tätig. Dort arbeitete sie in enger Kooperation mit dem Institut für Neurobiologie und Hirnforschung auf dem Gebiet der Aufmerksamkeits-, Lern- und Leistungs- sowie Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen. In der ehemaligen DDR galt sie als Spezialistin für die Problematik der hyperaktiven Kinder. Schwerpunkte waren dabei die Früherfassung von Teilleistungsstörungen (z. B. Legasthenie), der Komorbiditäten des Hyperkinetischen Syndroms (HKS) sowie der Tic- und Tourette-Symptomatik. Im Vorstand der Gesellschaft für Rehabilitation war sie über viele Jahre als Arbeitsgruppenleiter tätig. Sie hielt Vorlesungen über Kinder- und Jugendpsychiatrie und Entwicklungsneurologie und hatte einen Lehrauftrag am Institut für Rehabilitationspädagogik. Ihr Arbeitsschwerpunkt waren die neurobiologischen und psychosozialen Ursachen der Aggressivität bei Kindern und Jugendlichen.
Dr. med. Helga Simchen hat eine abgeschlossene Ausbildung als Fachärztin für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Neurologie, Verhaltenstherapie und tiefenpsychologische Psychotherapie, Hypnose und Systemische Familientherapie. Der breite Fundus ihres Wissens und die täglichen Erfahrungen aus ihrer Spezialpraxis für ADS und Teilleistungsstörungen verleihen Frau Dr. Simchen eine besondere Befähigung, sich mit dem zukunftsweisenden Thema der Begleiterscheinungen und Folgeerkrankungen des ADS zu beschäftigen. Dabei behandelt sie nicht nur die betroffenen Kinder und Jugendlichen, sondern ebenso die mit dem ADS verknüpfte Problematik der Familie und des sozialen Umfeldes in deren Psychodynamik.
12., überarbeitete Auflage
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12., überarbeitete Auflage 2023
Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:ISBN 978-3-17-044060-9
E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-044124-8epub: ISBN 978-3-17-044125-5
ADS ist eine Persönlichkeitsvariante,die von Kindheit an die Entwicklung prägt:Zu deren Vorteil, wenn man frühzeitig aktiv gegensteuert,zu deren Nachteil, wenn man dem ADS hilflos und unverstanden ausgeliefert ist.
Noch immer werden Kinder und Jugendliche mit einem ADS ohne Hyperaktivität viel zu spät diagnostiziert und nicht intensiv und lange genug behandelt, denn sie fallen nicht durch störendes Verhalten auf, sondern sie haben vorrangig Probleme im Lernen und können ihre Interessen meist nicht sozial angepasst durchsetzen. Mit diesem Buch möchte ich den Betroffenen weit mehr als nur Ratschläge geben, denn diese erhielten sie bisher von allen Seiten genug. Das Besondere bei einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) mit und ohne Hyperaktivität ist, dass bei ausgeprägter Symptomatik Ratschläge und Vorsätze nur mit Hilfe individueller Lern- und Verhaltensstrategien erfolgreich umgesetzt werden können, was eine aktive und motivierte Mitarbeit in Form eines Selbstmanagements erfordert. Dafür möchte dieses Buch den Betroffenen, deren Eltern und Therapeuten eine konkrete Anleitung geben.
In den letzten Jahren hat sich sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie des AD(H)S sehr viel zum Positiven verändert. Fortschritte in den bildgebenden Verfahren führten zu neuen neurobiologischen Erkenntnissen, die in Verbindung mit den Erfahrungen aus der Praxis, Diagnostik und Therapie des ADS mit und ohne Hyperaktivität wesentlich verbesserten. Nicht mehr die Behandlung einzelner Symptome steht jetzt im Vordergrund, sondern eine ursachenorientierte Therapie mit individuellen Lern- und/oder Verhaltens-strategien. Je besser die Betroffenen, deren Eltern, Therapeuten und Lehrer die Besonderheiten der ADS-Problematik verstehen, umso erfolgreicher kann die Behandlung auf Dauer sein, d. h. über ein gutes Selbstwertgefühl und über ein altersentsprechendes Sozialverhalten zu verfügen. Voraussetzung dafür ist eine Reduzierung der Reizüberflutung des Gehirns, die eine Folge der AD(H)S-typischen Stirnhirnunterfunktion ist. Sie beeinträchtigt die Ausbildung dichter Lernbahnen, als eine Grundlage für schnelle Kommunikation zwischen wichtigen Gehirnzentren, wie dem Arbeitsspeicher und dem Langzeitgedächtnis. Gleichzeitig besteht beim AD(H)S in den Nervenverbindungen verschiedener Hirnbereiche ein Mangel an Botenstoffen, die für die Weiterleitung von Informationen in den neuronalen Bahnen wichtig sind. Deshalb ist z. B. Gelerntes nicht schnell und korrekt genug wieder abrufbar, eine wichtige Ursache für die AD(H)S-bedingten Teilleistungsstörungen, wie Leserechtschreib- und Rechenschwäche. Unter der Behandlung des AD(H)S, verbunden mit intensivem, motiviertem, regelmäßigem und gezieltem Üben können sich dann feste Lernbahnen entwickeln, die das Lernen erleichtern, weil Denken und Handeln sich automatisieren können und sich dadurch auch Teilleistungsstörungen verbessern.
Dieses Buch möchte vermitteln, wie man eine Therapie des ADS bei hypoaktiven Kindern erfolgreich gestalten kann, damit auch diese Kinder über ihr altersentsprechendes Lernpotential verfügen können und dieses nicht durch Resignation verloren geht. Nur eine Integration dieser Kinder in eine altersgerechte Gruppe kann verhindern, dass ihre angeborenen Fähigkeiten verkümmern. Es gilt, ihre individuellen Fähigkeiten zu erkennen und durch gezieltes Fordern und Fördern weiter zu entwickeln, um von ihnen profitieren zu können.
Mainz, Dezember 2016Dr. med. Helga Simchen
Seit 24 Monaten ist dieses Werk auf dem Markt und schon legt der Verlag hiermit die vierte Auflage vor. Die zahlreichen positiven Resonanzen von Kindern und Jugendlichen mit ADS und ihren Familien, die den Erfolg des Buches widerspiegeln, sind ein Anlass großer Freude und Dankbarkeit für mich.
Die letzten zwei Jahre haben – zum Glück aller Betroffenen – zahlreiche neue wissenschaftliche Erkenntnisse erbracht, welche die Diagnose des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms (ADS) stützen und die Richtigkeit der bisherigen Behandlung bestätigen. Der Bedarf an sachgerechter Information über das ADS ohne Hyperaktivität ist in den Familien und Schulen jedoch nach wie vor ungebrochen groß. Aus diesem Grund habe ich den Inhalt des Buches noch einmal aktualisiert und leicht erweitert. Einen neuen Schwerpunkt möchte ich dabei auf die Frühdiagnostik und Frühbehandlung des ADS ohne Hyperaktivität setzen, damit die betroffenen Kinder und Jugendlichen gar nicht erst über eine reaktive Fehlentwicklung in eine für sie ausweglose Situation gelangen. Diese Gefahr besteht, wenn Eltern infolge von falschen Informationen verunsichert werden, resignieren und auf professionelle Hilfe verzichten.
Der Zusammenhang von ADS, Lese-Rechtschreibschwäche und Rechenschwäche wird heute durch die medizinische Forschung und Praxis immer häufiger erkannt, wobei das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom die Ursache und nicht die Folge der Lese-Rechtschreibschwäche und Rechenschwäche ist. Dadurch bieten sich auch im Hinblick auf diese, neue und erfolgreichere Behandlungsmöglichkeiten.
Besonders die mittel- und langfristigen Folgen des ADS ohne Hyperaktivität, dem eine oft schwer einzuordnende Symptomatik eigen ist, sind nicht zu unterschätzen: Die typischen Symptome – ein nach innen gerichtetes »stilles« Leiden mit anhaltender Selbstbeschuldigung, innerer Verunsicherung, negativem Selbstbild und multiplen Ängsten – können bei Nichtbehandlung schwere psychische Störungen verursachen, die die Lebensqualität der betroffenen Kinder, Jugendlichen und deren Eltern wesentlich beeinträchtigen. Solche Störungen können z. B. Zwangserkrankungen, Angststörungen, affektive Störungen, Essstörungen, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen und vor allem Depressionen sein.1
Damit es soweit erst gar nicht kommt, habe ich diesen Ratgeber geschrieben. Möge er den Betroffenen, ihren Familien, Lehrern, Erziehern und Therapeuten eine gute Hilfe sein, die Problematik des ADS in ihrer ganzen Vielschichtigkeit zu verstehen. Allen betroffenen Kindern und Jugendlichen soll er den Weg zu einer erfolgreichen Therapie weisen.
Bedanken möchte ich mich schließlich vor allem bei meinem Mann, der mir immer ein guter Ratgeber ist, und bei meinem Lektor, Herrn Dr. Poensgen, der das Buch mit Sachverstand gestaltet hat.
Mainz, Februar 2004Dr. med. Helga Simchen
1Vgl. mein zweites Buch »Die vielen Gesichter des AD(H)S. Begleit- und Folgeerkrankungen richtig erkennen und behandeln«, das ebenfalls im W. Kohlhammer Verlag erschienen ist.
Manchmal wird die Seele eines Kindes schon geknickt,ehe sie sich entfalten kannund niemand bemerkt es.
In diesem Buch möchte ich über Kinder berichten, die nicht so auffallen wie ihre »Geschwister«, die Zappelphilippe, die aber mindestens genauso oder noch mehr leiden.
Das hypoaktive Kind wird für faul, dumm, unbegabt, verträumt, ungeduldig und widerspenstig gehalten. »Alle Erziehung nützt nichts – es wird nur noch schlimmer«, sagen die einen. »Es verwächst sich«, sagen die anderen, aber das ist nur selten der Fall. Eine Besserung bringt nur professionelle Hilfe.
Verhaltensauffälligkeiten in der Kindheit können den Weg bahnen für eine spätere psychische Erkrankung. Im Alter von sieben bis elf Jahren nehmen die psychischen Auffälligkeiten bei Kindern rapide zu. Daran ist nicht die Schule schuld, diese bringt nur durch ihre besonderen Anforderungen angeborene und erworbene Defizite des Kindes an das Tageslicht.
Das Buch ist das Ergebnis meiner langjährigen praktischen Tätigkeit und Erfahrung in der Diagnostik und Behandlung von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndromen. Dabei konnte ich auf meine vielschichtige und langjährige Ausbildung sowie auf meine frühere wissenschaftliche Tätigkeit auf diesem Gebiet zurückgreifen.
Nach intensivem Studium der aktuellen Fachliteratur und regelmäßigen Besuchen von Fachkongressen stellte ich immer wieder fest, dass über die Diagnostik und Therapie des hypoaktiven Kindes wenig bekannt ist. Ein ADS ohne Hyperaktivität wird zwar immer häufiger erwähnt, aber wie es konkret aussieht und behandelt wird, das wird nur selten beschrieben. So wundert es nicht, dass hypoaktive Kinder oft erst nach einem langen Leidensweg einen Arzt finden, der ihnen und ihrer Familie Aufklärung und Hilfe anbietet. Dabei werden diese Kinder in der Praxis schon seit ca. zehn Jahren erfolgreich behandelt, wenn auch nur bisher von wenigen Therapeuten.
Den vielen hypoaktiven Kindern und ihren Familien, deren Leidensweg ich kennengelernt habe, widme ich dieses Buch. Durch die therapeutische Begleitung konnte ich erfahren, wie aus leidenden Kindern und genervten Familien fröhliche Kinder und glückliche Eltern wurden. Dieser Weg ist nicht einfach, er fordert Mut, Kenntnisse und Vertrauen. Er hat viele Hindernisse, aber er lohnt sich. Einen Weg zum besseren Verständnis des hypoaktiven Kindes möchte ich mit meinem Buch aufzeigen. Diesen Kindern wünsche ich Eltern, die nicht aufgeben, sondern die Kraft, Mut und die nötigen Kenntnisse aufbringen, sich von alten und neuen Vorurteilen zu trennen. Ich wünsche den Eltern, dass sie für diesen Weg Begleiter finden, es gibt sie.
Mainz, Oktober 2001Dr. med. Helga Simchen
Es ist viel zu langsam – es ist verträumt – es vergisst viel – ist zu empfindlich – weint leicht – ist leicht ablenkbar – kann sich nicht konzentrieren – es lernt fleißig – es vergisst das Gelernte schnell – es kann zu Hause alles, versagt aber in der Schule – es schreibt im Diktat zu Hause zwei Fehler, in der Schule aber zwanzig Fehler – es macht stundenlang Hausaufgaben – es verrechnet sich dauernd – es hat Probleme in der Rechtschreibung, beim Rechnen und im Aufsatz schreiben – es kann Textaufgaben nicht lösen – es schreibt den Aufsatz viel zu lang oder viel zu kurz – es ist von sich enttäuscht – es glaubt von keinem geliebt zu werden – es kann viel mehr, als es zu Papier bringt – es macht lauter Leichtsinnfehler – es hat eine schlechte Schrift – es kann nicht gut zeichnen – es hat eine gute bis sehr gute Intelligenz und erhält trotzdem schlechte Noten – es will nicht mehr in die Schule gehen – es lernt nicht aus Fehlern – es sagt gleich: »das kann ich nicht« – es gerät schnell in Panik – resigniert – es wünscht sich die Kindergartenzeit zurück – es verfällt in Babysprache – es spielt am liebsten allein oder mit jüngeren Kindern – es klagt oft über Bauch- oder Kopfschmerzen – es spricht nicht über sich und verschließt sich – es hat wenig Freunde – es kann sich nicht behaupten – manchmal möchte es am liebsten tot sein.
Dabei macht kein einzelnes Symptom die Diagnose, sondern eine Summe von mehreren wesentlichen Faktoren, vom Facharzt untersucht und ausgewertet, kann nach Ausschluss vieler anderer möglicher Ursachen auf die richtige Diagnose hinweisen.
Viele Erkrankungen wie Depressionen, Zwangskrankheiten, Angststörungen, psychosomatische Beschwerden, Persönlichkeitsstörungen und Essstörungen kommen erst im Jugend- und Erwachsenenalter zum Ausbruch, nach dem sie sich schon über viele Jahre innerlich aufgebaut haben.
In wissenschaftlichen Untersuchungen konnte der Zusammenhang zwischen Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter und späteren psychischen Erkrankungen mehrfach nachgewiesen werden. Durch intensives Beschäftigen mit dem hypoaktiven Kind und seiner Problematik wird immer häufiger ein gemeinsames Auftreten von Lese-Rechtschreibschwäche und Rechenschwäche mit einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom diagnostiziert. Leider ist dieser Zusammenhang noch viel zu wenig bekannt, so dass eine entsprechende wirksame Hilfe vielen Kindern vorenthalten bleibt.
Bei diesen hypoaktiven Kindern dominieren nicht so sehr die Verhaltensstörungen, sondern die Lern- und Leistungsstörungen, worunter sie seelisch leiden (▸ Abb. 1), bis hin zu einem erheblichen Leidensdruck mit negativem Selbstbild, was sie krank macht.
Abb. 1:Ein 10-jähriges hypoaktives Kind (4. Klasse) berichtet über seine Schwierigkeiten
Vorwiegend Mädchen, aber auch Jungen, sind davon betroffen. Neben der Therapie der Lernstörung ist es vor allem wichtig, die psychische Situation dieser Kinder zu verbessern, um bleibende Schäden für das weitere Leben zu verhindern. Diese seelischen Folgen sind später gar nicht mehr oder nur unvollständig mit viel Aufwand zu korrigieren. Vor allem muss man frühzeitig die Diagnose stellen, um diesen Kindern zu helfen, ein gutes Selbstbewusstsein aufzubauen, das sie in der heutigen Zeit mehr denn je brauchen. Denn sie sind oft gut bis sehr gut intellektuell befähigt und spüren das auch. Sie haben aber Probleme, mit ihrem Arbeitstempo in der Schule mitzuhalten und am Unterricht teilzunehmen. Sie »triefen vor sich hin«, sind langsam, träumen und sind in Gedanken abwesend. Dabei gehen ihnen so viel wichtige Informationen verloren.
Die Fähigkeit zur Daueraufmerksamkeit und zur Konzentration besitzen diese Kinder, aber nur, wenn sie sich auf etwas ganz besonders konzentrieren und fasziniert sind.
Was die Ursache dieser Problematik ist und wie man diesen Kindern wirksam helfen kann, versuche ich in den folgenden Kapiteln zu erklären. Denn diese Kinder sind weder faul, dumm, fehlerzogen oder ungeliebt. Sie haben auch Eltern, die sich sehr um sie sorgen.
Es sind kluge Kinder, die fleißig lernen, aber trotzdem in der Schule versagen. Nicht selten droht ihnen eine Umschulung in die Lernbehindertenschule, wo sie – und das ist meine feste Überzeugung – nicht hingehören. Rechtzeitig behandelt sind sie lernmotiviert, glücklich und zufrieden über ihre neu erworbenen Fähigkeiten.
Zwischen dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität und dem ohne Hyperaktivität gibt es viele Varianten und Zwischenstufen im Erscheinungsbild. Diese haben jedoch die gleichen Ursachen und kommen nicht selten in ein und derselben Familie in verschiedenen Ausprägungen vor.
Der neueste Diagnoseschlüssel DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen) der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft teilt die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen ein in:
·
einen Mischtyp
·
einen vorwiegend unaufmerksamen Typ
·
einen vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Typ
Symptome der Unaufmerksamkeit
Das betroffene Kind ...
a)beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schulaufgaben, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten
b)hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten
c)scheint häufig nicht zuzuhören, wenn es von anderen angesprochen wird
d)führt oft Anweisungen anderer nicht vollständig aus und kann Schulaufgaben, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende bringen
e)hat oft Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren
f)vermeidet häufig, hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich häufig widerwillig mit Aufgaben, die länger andauernde geistige Anstrengungen erfordern
g)verliert häufig Gegenstände, die für Aufgaben oder Aktivitäten benötigt werden
h)lässt sich oft durch äußere Reize leicht ablenken
i)ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich
Das Prinzip dieser modernen Bildgebungsverfahren ist die Untersuchung des Zuckerstoffwechsels im Gehirn. Wenn das Gehirn arbeitet, verbraucht es Zucker, arbeitet es nicht, ist der Zuckerverbrauch minimal und kaum zu registrieren. Bei ADS-Kindern sieht man, dass das Stirnhirn und einige wichtige Hirnzentren kaum Zucker verbrauchen, auch dann nicht, wenn sie »arbeiten«. Erst die Gabe von stoffwechselanregenden Mitteln (Stimulanzien) aktiviert diese Zentren, so dass sie wie bei einem »gesunden« bzw. einem nicht betroffenen Kind funktionieren können. Ein typischer Befund bei allen ADS-Kindern.
Diese Untersuchungen wurden erst Ende der 1980er Jahre in den USA durchgeführt, Anfang der 1990er Jahre auch bei uns bekannt und in einzelnen Hirnforschungszentren kontrolliert und bestätigt. Sie sind aber nicht für die allgemeine Anwendung geeignet.
Neuerdings dient auch die funktionelle Magnetresonanztomografie der Erforschung des ADS. Das Prinzip beruht auf der Untersuchung der lokalen Änderung des Sauerstoffgehalts im Blut während der Hirntätigkeit. Hierbei wird der Anteil des Sauerstoffs im Blut als Kontrastmittel verwendet und über einen Rechner die Intensität der Hirntätigkeit ermittelt. Das sauerstoffreiche Blut in den aktivierten Hirnbezirken führt zur Signalverstärkung im registrierten Magnetfeld.
In den letzten Jahren konnte bei ADS-Patienten eine Dopamin-Transporterstörung mittels bildgebender Verfahren nachgewiesen werden, so z. B. in Philadelphia und in München.
Leider sind diese Untersuchungen sehr teuer, recht aufwendig und durch die Verwendung radioaktiv markierter Substanzen nur begrenzt einsetzbar und somit der Wissenschaft vorbehalten. Sie können nicht zur Diagnostik in der Praxis dienen und schon gar nicht bei Kindern.
Aber mit diesen Untersuchungen konnte erstmalig nachgewiesen werden: Gibt man Patienten mit einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ein Stimulans, so arbeitet ihr Stirnhirn wie bei Nichtbetroffenen. Damit wurde auch die Richtigkeit und Wirksamkeit der bislang durchgeführten Therapie mit Stimulanzien bestätigt.
Die Ursache der beeinträchtigten Funktion des Stirnhirns und einiger Nervenzentren beim ADS besteht auf Neurotransmitterebene. Neurotransmitter sind Botenstoffe (auch Überträgersubstanzen genannt), die eine Hirntätigkeit erst ermöglichen, wie z. B. Dopamin, Katecholamin, Acetylcholin, Noradrenalin, Serotonin und andere. Welche Substanz hierbei vorwiegend betroffen ist und das gestörte Gleichgewicht im Zusammenspiel der verschiedenen Botenstoffe bedingt, entscheidet, ob das Kind hypo- oder hyperaktiv ist. Beides sind also zwei verschiedene Seiten ein und derselben Veranlagung (Disposition). Ganz einfach gesagt, führt möglicherweise eine Störung des Dopamin-Noradrenalin-Systems zur Hyperaktivität, eine Störung im Serotonin-Noradrenalinstoffwechsel zusätzlich dagegen zur Hypoaktivität. Über den genauen Zusammenhang besteht jedoch weiterhin noch großer Forschungsbedarf.
Serotoninmangel begünstigt die Entstehung von Angst- und Zwangskrankheiten, Depressionen sowie eine Störung der Impulskontrolle. Es kommt aber letztlich wie bei einem Orchester auf das harmonische Zusammenspiel aller Botenstoffe an und darauf, dass im Bedarfsfall auch sofort ausreichend von jeder Sorte vorhanden ist.
Durch ihre mangelhafte neuronale Steuerung (infolge Reizüberflutung und Botenstoffmangels) können diese Kinder ihre Aufmerksamkeit nicht lange aufrechterhalten. Sie müssen sich ständig durch motorische Bewegungen, ständiges Reden, alles anfassen, stetes »Wackeln« mit irgendeinem Körperteil immer wieder aktivieren. Andere nicht äußerlich unruhige Kinder verfallen in ein Träumen, sie dösen einfach nur vor sich hin und sind auffallend antriebsschwach. Sie verspüren aber auch eine innere Unruhe und müssen immer Finger oder Füße bewegen, an der Kleidung spielen oder Nägel knabbern.
Das Stirnhirn filtert alle von außen kommenden Informationen, es werden nur die aufgenommen, die im Moment wichtig sind. Bei einer Unterfunktion des Stirnhirns gelangen dagegen viel zu viele Informationen in das Gehirn, auch solche, die unwichtig sind. Infolge dieser Reizüberflutung wird ein weit verzweigtes, feinmaschiges neuronales Netz ausgebildet. Die Anlage dichter Lernbahnen wird beeinträchtigt. Diese besondere Art der neuronalen Vernetzung ist bei allen ADS-Formen eine der Hauptursachen für die bestehenden Probleme beim Lernen und in der Verhaltenssteuerung. Alle aufgenommenen Außenreize werden aufgenommen und im Arbeitsgedächtnis abrufbereit zwischen gespeichert. Das Stirnhirn ist auch verantwortlich für die Verhaltens- und Impulskontrolle und für die Wahrnehmungsverarbeitung. ADS-Kinder haben Schwierigkeiten, einmal abgerufene Antworten zu überprüfen und eventuell zu korrigieren. Deshalb sagen sie im Affekt oft unüberlegt böse Worte, die ihnen hinterher leid tun. Sie haben eine oberflächliche Wahrnehmung und eine ungebremste, unkontrollierte Reaktion. Sie können schlecht »automatisieren«, deshalb lernen sie nicht aus Fehlern. Sie haben kein funktionstüchtiges Arbeitsgedächtnis.
Wann sollte man an das Krankheitsbild eines hypoaktiven Kindes (ADS) denken?
Welche Symptome zeigt das hypoaktive Kind?
·Es ist unkonzentriert.
·Es hat Störungen in der Feinmotorik.
·Es ist leicht ablenkbar und verträumt.
·Es hört schlecht, d. h. es hört gut, aber denkt und reagiert oft langsam.
·Es vergisst viel, es hat eine Merk- und Filterschwäche.
·Es ist affektlabil und weint leicht.
·Es regt sich schnell auf und ist schnell gekränkt.
·Es fühlt sich ungeliebt und missverstanden.
·Es macht stundenlang Hausaufgaben und arbeitet in der Schulstunde zu langsam.
·Es zeigt oft Ängste und Schuldgefühle.
Das hypoaktive Kind ist eher ruhig, verträumt, es kann dem Unterricht nur schwer folgen und sitzt stundenlang an seinen Hausaufgaben. Trotz guter oder sehr guter Intelligenz erreicht das Kind oft das Klassenziel nicht. Spätestens im dritten Schuljahr, wenn sich Probleme in der Rechtschreibung, im Rechnen als Folge seiner Beeinträchtigung der Konzentration, seiner visuellen und auditiven Wahrnehmungsstörungen bemerkbar machen, neigt dieses Kind zu Versagensängsten, Alpträumen und Selbstwertkrisen. Häufig besteht eine Schulangst mit Bauch- und Kopfschmerzen; auch Trennungs- und Dunkelangst können auftreten. Manchmal beginnt das Kind wieder einzunässen oder einzukoten.
Sehr intelligente Kinder und Jugendliche können ihre psychische Beeinträchtigung oft über viele Jahre kompensieren. Die Umgebung registriert erst viel zu spät, wie diese Kinder und Jugendlichen eigentlich leiden und sich oft bis an die Grenze der Belastbarkeit anstrengen müssen, um die gleichen Leistungen zu erbringen wie ihre Klassenkameraden. Manchmal machen erst depressive Verstimmungen oder Blackout-Reaktionen darauf aufmerksam. Oft wird die Ursache dieser Beschwerden lange nicht erkannt und nicht ernst genommen.
Hypoaktive Kinder sind zugleich sehr therapiemotiviert. Sie arbeiten fleißig, resignieren aber schnell, wenn der Erfolg ausbleibt. Für jede Hilfe sind sie äußerst dankbar.
Differenzialdiagnose
Wichtig ist es, das ADS von anderen Krankheitsbildern mit teilweise ähnlicher Symptomatik abzugrenzen, wie z. B.:
·intellektuelle Minderbegabung
·Schädigungen in der Schwangerschaft und unter der Geburt
·chromosomale Schäden
·Funktionsstörungen der Schilddrüse
·verwöhnende Erziehung mit wenig Arbeitsmotivation
·depressive Erkrankungen
·posttraumatische Störungen (z. B. Schädelhirntrauma mit organischer Schädigung des Gehirns)
·Zustand nach schweren Gehirninfektionen
·epilepsiebedingte Anfallsformen
·Trennungsproblematik mit schweren familiären Konflikten
·Narkolepsie im Kindesalter
Die Diagnostik des ADS ohne Hyperaktivität setzt neurologische, entwicklungs- und psychodynamische sowie psychiatrische Kenntnisse voraus und sollte nur den Fachleuten vorbehalten bleiben.
Wesentlich ist immer eine deutliche Differenz zwischen dem vorhandenen individuellen Leistungspotenzial und der real in der Schule, im Kindergarten oder zu Hause erbrachten Leistung. Es muss eine deutliche Diskrepanz zwischen dem intellektuellen Leistungsvermögen des Kindes und dem bestehen, was es wirklich leistet und wie es sich verhält.
Eine ausführliche Anamnese erbringt fast immer Hinweise auf eine familiäre Veranlagung (Disposition). Wenn man diese Kinder genau beobachtet, zeigen sie schon in den ersten Lebensjahren Auffälligkeiten. Ihre Mütter sagen sehr häufig: »Das Kind war von Anfang an anders.«
Was zeigen viele hypoaktive Kinder bereits im Kleinkind- und Vorschulalter für Besonderheiten?
·
motorische Auffälligkeiten im Säuglingsalter (krabbeln nicht, robben)
·
Auffälligkeiten in der Mundmotorik (beim Trinken, sabbern viel und lange)
·
Verzögerungen in der Sprachentwicklung
·
verstärktes »Motzen« im 2. Lebensjahr
·
wenig Kontaktaufnahme zu gleichaltrigen Kindern
·
unmotiviertes Weinen
·
Auffälligkeiten im Kindergarten: Rückzugs- und Regressionstendenzen, verbunden mit Problemen in der Fein- und Grobmotorik
·
sie malen und basteln nicht gern
·
sie ziehen sich aus dem Stuhlkreis zurück, weinen leicht, wirken ängstlich und unsicher
·
sie spielen allein in der Puppenecke, haben nur wenige Kontakte zu anderen Kindern, weil die Eingliederung in die Gruppe für sie zu anstrengend ist
·
sie haben oft über viele Jahre hinweg immer den gleichen Freund mit intensiver Beziehung
·
sie klettern nicht gern und lernen nur schwer Rad fahren und schwimmen
·
sie vergessen viel
·
ihre emotionale Steuerungsfähigkeit, Daueraufmerksamkeit und verbales Reaktionsvermögen sind unter Belastung vermindert
Diese Symptome müssen nicht alle bei hypoaktiven Kindern vorkommen! Aber aus der Summe vieler einzelner Symptome ergibt sich oft schon zeitig ein Verdacht, man muss nur darauf achten.
Wie wird nun das ADS mit Hypoaktivität festgestellt?
Hier sollte man unbedingt den Fachmann zu Rate ziehen, der erfahren und ausgebildet ist. Denn die Diagnostik basiert auf dem Erkennen und Beschreiben einzelner beeinträchtigter Hirnfunktionen, die möglichst über einen längeren Zeitraum von Jahren vorhanden sein sollten.
Das manifeste Bild eines ADS beinhaltet drei Ebenen:
·
die neuromotorischen Funktionen
·
die kognitiven Fähigkeiten
·
die Verhaltensproblematik
Dazu können die verschiedenen Formen von Teilleistungstörungen und sekundären Fehlentwicklungen kommen.
Die Säulen der Diagnostik sind:
·die körperliche Untersuchung
·die neurologische Untersuchung einschließlich EEG
·die Entwicklungsdiagnostik mit Suche nach Lernfähigkeits- und Teilleistungsstörungen
·das Überprüfen der Fein- und Grobmotorik
·die Leistungsdiagnostik mit Entwicklungs- und Intelligenztests
·die psychologische Diagnostik mit Suche nach Hinweisen auf eine beginnende Fehlentwicklung mit Hilfe psychometrischer Verfahren
·das Bewusstmachen und Erkennen von besonderen Fähigkeiten des Kindes
·das Kennenlernen der Familiendynamik und des sozialen Umfeldes
Die Diagnose eines ADS ohne Hyperaktivität kann weder mit Hilfe der sog. Conners-Skala noch mittels Fragebogen gestellt werden, sondern allein aus dem direkten Erleben des Kindes in verschiedenen Situationen, seiner Lebensgeschichte, der Familienanamnese, einer gründlichen neurologischen, psychiatrischen und psychologischen Untersuchung.
Informationen zur Conners-Skala und zum Conners-Fragebogen
Conners ist ein amerikanischer Arzt und ADS-Spezialist. Er hat verschiedene Tabellen mit typischen ADS-Symptomen zusammengestellt, die dann je nach Ausprägungsgrad bewertet werden können. Dadurch sind annähernd vergleichbare Angaben über die Schwere des Betroffenseins und den Behandlungsverlauf möglich. Dieser orientierende ADS-Check ist allerdings sehr subjektiv. Eine fachärztliche Diagnostik kann damit nicht ersetzt werden. Der Conners-Fragebogen ist eine Punktwert-Tabelle mit einzelnen Eigenschaften, die bei ADS-Kindern vermehrt vorkommen und in der Summe typisch für ADS sind. Hypoaktive Kinder erreichen oft nicht die für ADS geforderte Punktzahl, weil sie ein ADS ohne »auffällige« Hyperaktivität haben.
Eine frühzeitige Diagnose erlaubt eine rechtzeitige Behandlung. Diese wiederum verhindert, dass Entwicklungsphasen ungenutzt verlaufen und es beim betroffenen Kind zu Defiziten kommt, die später nicht wieder oder nur ganz schwer aufgeholt werden können.