Agatha Raisin und der tödliche Biss - M. C. Beaton - E-Book

Agatha Raisin und der tödliche Biss E-Book

M.C. Beaton

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Beschreibung

Das Opfer ist diesmal der Gärtner ...

Agatha hat sich verliebt - schon wieder! Diesmal ist es der hiesige Gärtner, George Marston, auf den sie ein Auge geworfen hat. Doch die Konkurrenz um seine Aufmerksamkeit ist groß. Mit ihrer schamlosen Entschlossenheit ist Agatha allerdings bereit, alles zu tun, um den Mann zu bekommen. Sie stürzt sich sogar in Unkosten und unterstützt einen Wohltätigkeitsball in der Stadt - nur um mit George tanzen zu können. Als der charmante Gärtner dort wider Erwarten nicht auftaucht, macht sich Agatha auf die Suche nach ihm und findet ihn mausetot in einem Komposthaufen vergraben. Todesursache: Biss einer Giftschlange. Für Agatha ist sofort klar: Es war Mord! Und sie wird alles daransetzen, seinen Mörder dingfest zu machen!


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Seitenzahl: 289

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Epilog

Über das Buch

Das Opfer ist diesmal der Gärtner … Agatha hat sich verliebt – schon wieder! Diesmal ist es der hiesige Gärtner, George Marston, auf den sie ein Auge geworfen hat. Doch die Konkurrenz um seine Aufmerksamkeit ist groß. Mit ihrer schamlosen Entschlossenheit ist Agatha allerdings bereit, alles zu tun, um den Mann zu bekommen. Sie stürzt sich sogar in Unkosten und unterstützt einen Wohltätigkeitsball in der Stadt – nur um mit George tanzen zu können. Als der charmante Gärtner dort wider Erwarten nicht auftaucht, macht sich Agatha auf die Suche nach ihm und findet ihn mausetot in einem Komposthaufen vergraben. Todesursache: Biss einer Giftschlange. Für Agatha ist sofort klar: Es war Mord! Und sie wird alles daransetzen, seinen Mörder dingfest zu machen!

Über die Autorin

M. C. Beaton ist eines der zahlreichen Pseudonyme der schottischen Autorin Marion Chesney. Nachdem sie lange Zeit als Theaterkritikerin und Journalistin für verschiedene britische Zeitungen tätig war, beschloss sie, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Mit ihren Krimi-Reihen um die englische Detektivin Agatha Raisin und den schottischen Dorfpolizisten Hamish Macbeth feierte sie große Erfolge in über 17 Ländern. Sie verstarb im Dezember 2019 im Alter von 83 Jahren.

M. C. BEATON

Agatha Raisin

und der tödliche Biss

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:Copyright © 2012 by M.C. BeatonPublished by Arrangement with M.C. BEATON LIMITEDTitel der englischen Originalausgabe: »Hiss and Hers«

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

M.C. BEATON® and AGATHA RAISIN® are registered trademarks of M.C. Beaton Limited

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2024 byBastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6–20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Textredaktion: Dorothee Cabras, Grevenbroich Umschlaggestaltung: Kirstin OsenauUmschlagmotiv: © Arndt Drechsler, LeipzigeBook-Erstellung: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-5624-2

luebbe.delesejury.de

Dieses Buch widme ich Char und John Sole,Niki und Michelle,in Liebe.

Eins

Privatdetektivin Agatha Raisin war in den Fängen einer heftigen Obsession. Ihre Freundin, die Vikarsfrau Mrs. Bloxby, dachte betrübt bei sich, dass die sonst so kluge Frau den Verstand zu verlieren schien, sobald sie sich verliebte.

Und Agatha hatte sich verliebt, in den Gärtner und gelegentlichen Handwerker des Dorfes Carsely, George Marston. Er hatte Agathas Garten in Form gebracht, und als er damit fertig gewesen war, hatte Agatha, sehr zu Mrs. Bloxbys Entsetzen, ihre vollkommen intakten Bücherregale zertrümmert, um ihn gleich wieder als Tischler anheuern zu können.

George Marston, ein früherer Army-Mann, war deutlich über einen Meter achtzig groß, hatte grüne Augen und dichtes blondes, leicht grau meliertes Haar.

Allerdings hatte Agatha erbitterte Konkurrenz in Gestalt anderer Frauen in dem Cotswolds-Dorf, und eine ganz besonders ernst zu nehmende. Jessica Fordyce, Hauptdarstellerin in einer seit Langem laufenden Krankenhaus-Fernsehserie, hatte sich ein Cottage im Ort als Wochenendhaus gekauft. Jessica war in den Dreißigern, zierlich und mit feuerrotem Haar, das ihr herzförmiges Gesicht umrahmte. Noch dazu war sie geistreich und witzig. Und bei ihr schien eine Menge Gartenarbeit anzustehen.

Agatha begann, sich über die Zeit zu ärgern, die sie fernab von Carsely bei der Detektivarbeit verbrachte. Sie leitete eine erfolgreiche Detektei in Mircester. Doch sie erinnerte sich, dass sie mit Anfang fünfzig frühzeitig in den Ruhestand gegangen und von London nach Carsely gezogen war, um das Leben zu genießen.

Ihr Aussehen bereitete ihr Sorgen. Wie sollten dichtes, schimmerndes braunes Haar und sehr passable Beine mit den Vorzügen einer Frau wie Jessica Fordyce konkurrieren? Letztere hatte große blaue Augen, während Agathas eher klein und bärenartig misstrauisch aus einem runden Gesicht in die Welt schauten.

Die Dinge erreichten einen Höhepunkt, als George Marston eines Abends anrief und sagte, er hoffe, sie für den nächsten Tag zum Mittagessen einladen zu können, um sich für ihre vorherige Einladung erkenntlich zu zeigen. »Aber gewiss werden Sie wieder bei der Arbeit sein«, sagte er.

»Ich bin aber am Wochenende frei!«, erwiderte Agatha.

»Leider habe ich da keine Zeit. Dann ein anderes Mal.«

Ich habe die Arbeit satt, dachte Agatha ärgerlich. Ich werde aufhören und mich ganz auf das Dorfleben einlassen.

Es klingelte an der Tür. Schweig still, mein Herz! Doch es war bloß Mrs. Bloxby.

»Kommen Sie rein«, sagte Agatha mürrisch.

Mrs. Bloxby bemerkte, dass Agatha vollständig geschminkt war und Schuhe mit hohen Absätzen trug. Neuerdings schien sie gar nicht mehr zu entspannen. Stets war sie makellos gekleidet und ihr Make-up ein wenig zu viel.

»Möchten Sie einen Drink?«, fragte Agatha. »Ich kann einen vertragen.«

»Dann nehme ich einen Sherry.«

Die Gute, dachte Agatha und humpelte ins Wohnzimmer. Irgendwie passte Sherry zu Mrs. Bloxbys ruhigem Blick und ihrer damenhaften Erscheinung.

»Warum ziehen Sie die Schuhe nicht aus?«, fragte Mrs. Bloxby, als die Drinks eingeschenkt waren. »Ihnen scheinen die Füße wehzutun.«

»Ach, na gut.« Agatha blickte sehnsüchtig zum Fenster, als hoffte sie, dort Georges große Gestalt zu sehen. Dann streifte sie die Schuhe ab und wackelte mit den Zehen. »Ich habe beschlossen aufzugeben«, sagte sie.

Mrs. Bloxby wirkte ungemein erleichtert. »Was für eine glänzende Idee! Er lohnt es wirklich nicht.«

»Wovon reden Sie?«

»Wovon reden Sie?«, erwiderte Mrs. Bloxby vorsichtig.

»Ich habe beschlossen, die Arbeit aufzugeben.«

»Warum das denn?«, fragte Mrs. Bloxby in beinahe jammerndem Ton, obwohl ihr der Grund klar war.

Agatha mied ihren besorgten Blick. »Ach, es ist so ein herrlicher Sommer, und … und … nun ja, die Wahrheit ist, dass ich eine Pause von der Detektivarbeit brauche.«

»Aber Mrs. Raisin, auch wenn Sie hervorragende Mitarbeiter haben, sind Sie die Detektei.« Zwar waren sie befreundet, siezten sich jedoch bis heute. Es war Tradition in dem Frauenverein von Carsely gewesen, dem sie zwar beide angehört hatten, den es allerdings inzwischen nicht mehr gab. Und sie blieben beim Sie.

Mrs. Bloxby wollte ihr sagen, dass es lächerlich war, einen erfolgreichen Job aufzugeben, um einem Gärtner nachzujagen. Doch in jahrelanger Gemeindearbeit hatte sie mit vielen Süchtigen zu tun gehabt, folglich wusste sie, dass sie exakt das Gegenteil von dem taten, was man ihnen riet. Und Agatha war so süchtig, als handelte es sich bei George Marston um eine Droge.

Am nächsten Morgen berief Agatha ein Meeting mit ihren Mitarbeitern ein. Nervös scharten sie sich um sie: Mrs. Freedman, die Sekretärin, und die Detektive Toni Gilmour, jung und hübsch, Simon Black, ebenfalls jung, mit den Zügen eines Hofnarren, Patrick Mulligan, groß und schwermütig, sowie der alte Phil Marshall, weißhaarig und mit freundlichem Gesicht.

»Ich habe beschlossen, einen längeren Urlaub zu nehmen«, sagte Agatha.

»Warum?«, wollte Phil wissen. »Sind Sie krank?«

»Nein«, antwortete Agatha. »Ich bin vollkommen gesund. Ich hätte nur gern eine Pause.«

Ich frage mich, wer er ist, dachte Toni. Seit Wochen trug Agatha Absätze, bei denen ein Knöchelbruch vorprogrammiert schien.

»Gehen wir die Fälle durch«, sagte Agatha brüsk. »Jeder von Ihnen kann eine meiner Ermittlungen übernehmen.«

»Wie lange wollen Sie wegbleiben?«, fragte Phil.

»Bis ich genug Auszeit gehabt habe«, antwortete sie leichthin, dachte indes: Bis George mir einen Antrag macht.

Sie fuhr fort, ihre Arbeit zügig zu verteilen, und als sie mittags ging, warteten alle, bis sie unten an der Treppe die Tür ins Schloss fallen hörten.

»Was ist los?«, wollte Patrick wissen.

Phil, der im selben Dorf wohnte wie Agatha, glaubte, die Antwort zu kennen. »Agatha hatte diesen Gärtner beschäftigt. Ich denke, sie ist verknallt. Aber das sind die meisten Frauen im Dorf. Wahrscheinlich hat Agatha das Gefühl, sie würde ihn verlieren, wenn sie so viel bei der Arbeit ist.«

»Vielleicht finde ich etwas über ihn, was sie kuriert«, schlug Simon vor. »Toni und ich könnten mal ein bisschen nachforschen.«

»Es ist zu viel zu tun«, widersprach Toni streng. Sie hatte nicht vergessen, dass Simon ihr seine Liebe gestanden hatte, dann zur Army gegangen war, sich mit einem weiblichen Sergeant verlobt und die Braut vor dem Altar versetzt hatte.

»Ich höre mich mal um«, sagte Phil. »Ich wohne ja in dem Dorf, auch wenn ich bei der vielen Arbeit, die Agatha uns dagelassen hat, nicht viel Freizeit haben werde. Am besten legen wir alle los.«

Agatha hatte festgestellt, dass der Seitenspiegel an ihrem Wagen nach innen gebogen war. Als sie ihn wieder richtete, konnte sie für einen Moment ihr Gesicht in dem Spiegel sehen. Sie erschrak, weil sie zwei fiese kleine Falten an ihrer Oberlippe bemerkte.

Rasende Eifersucht überkam sie bei dem Gedanken an die schöne Schauspielerin, die in ihr Dorf eingedrungen war. Im Gegensatz zu Agatha rauchte Jessica nicht. Sie unternahm an den Wochenenden gesunde, ausgedehnte Spaziergänge. Sie musste sich keine Gedanken um den körperlichen Verfall machen wie Agatha, deren Körper entschlossen zu sein schien, viereckig mit schlaffen Teilen zu werden.

Einen flüchtigen klaren Moment lang kam sie sich albern vor. Einem Gärtner nachjagen? Was für ein Klischee! Doch dann dachte sie an George, seine breite Brust, die starken Arme und diese muskulösen Beine, und sie kniff die Lippen zusammen.

Zurück in den Kampf!

Als sie nach Hause kam, wartete dort Bill Wong auf sie. Er war der Sohn eines chinesischen Vaters und einer englischen Mutter aus Gloucestershire, von denen er ein angenehm rundes Gesicht und hübsche Mandelaugen mitbekommen hatte. Und er war der erste Freund, den Agatha hier gefunden hatte, als sie einsam und reizbar in das Dorf gezogen war.

»Was führt dich her?«

»Nur ein Freundschaftsbesuch«, antwortete der Polizist. »Ich habe dich länger nicht gesehen.«

»Komm rein. Es ist ein schöner Tag, setzen wir uns in den Garten.«

Als sie mit Kaffee am Gartentisch saßen, rief Bill aus: »Ich habe deinen Garten noch nie so schön gesehen!«

»Ich habe einen guten Gärtner.«

Er sah sich um. »Kennst du die Namen all dieser Blumen?«

»Ich glaube, früher wusste ich sie mal, aber heutzutage sind die alle auf Latein.«

»Hast du nicht eine neue Hüfte?« Bill blickte zu Agathas Riemchensandalen mit den sehr hohen Absätzen.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Darüber rede ich nicht.«

»Aber du solltest daran denken. So hohe Absätze können nicht gut für dich sein.«

»Was ist in dich gefahren?«, fauchte sie. »Mutierst du jetzt zu einem fiesen, bevormundenden Ehemann?«

»Nein, nur zu einem besorgten Freund«, erwiderte er ruhig. »Wer ist es diesmal?«

»Was?«

»Die Absätze, das dicke Make-up, der enge, kurze Rock. Wer ist der Grund dafür.«

»Darf ich dich darauf hinweisen, dass ich mich immer gut kleide?«, gab Agatha zurück. »Reden wir von was anderem. Was machen die Verbrechen?«

»Da tut sich nicht viel. Die üblichen Komasäufer an den Wochenenden, Autodiebstahl, einige wenige Einbrüche, kein Mordfall für dich. Warum bist du an einem Werktag um diese Zeit zu Hause?«

»Ich nehme mir eine Auszeit«, antwortete Agatha. »Es ist ein herrlicher Sommer, und ich fand, dass ich mal ausspannen muss.«

»Wie ich sehe, ist James wieder da.« James Lacey war nicht bloß Agathas direkter Nachbar, sondern auch ihr Ex-Mann.

»Von ihm merke ich nicht viel. Was macht dein Liebesleben?«

»Momentan gar nichts«, antwortete er.

Es klingelte an der Tür, und Agatha sprang wie von der Tarantel gestochen auf, um hinzulaufen. Enttäuscht stellte sie fest, dass es ein anderer Freund von ihr war, Sir Charles Fraith. »Ach, du bist es«, sagte sie. »Bill ist im Garten.«

Charles trug ein hellblaues Hemd zu einer dunkelblauen Hose. Wie immer sah er gelassen und sehr gepflegt aus. Er ging voraus in den Garten. »Hallo, Bill. Wie steht es um die Kriminalität?«

»Nicht übel. Keine Morde für Agatha. Sie hat mir eben erzählt, dass sie eine Auszeit von der Arbeit nimmt.«

»Bist du hinter dem Gärtner her?«, fragte Charles unumwunden. »Bald werden sie dich ›Lady Chatterley‹ nennen.«

»War es bei ihr nicht ein Wildhüter?«, warf Bill ein.

»Ihr seid jetzt alle beide still!«, befahl Agatha. »Himmelherrgott, kann ich mir nicht einmal freinehmen, ohne dass ihr zwei gleich wieder spottet?«

Charles begann, über das Sommerfest zu reden, das bald auf seinem Anwesen stattfinden sollte, und erzählte lustige Anekdoten von den Kleinkriegen unter den Organisatoren. Bill hörte zu, lachte und entspannte sich wie eine Katze in der Sonne. Unterdessen war Agatha sich sicher, dass ihre Knöchel vom Gehen in den hohen Schuhen anschwollen.

Schließlich sagte Bill, dass er sich verabschieden müsse.

Charles blieb. Er wartete, bis er Bills Wagen wegfahren hörte, dann bemerkte er: »Hör mal, Agatha, nichts ist übler, als bedürftig zu wirken. Jeder im Dorf zieht sich der Hitze entsprechend an, nur du sitzt hier in mörderischen Schuhen, einem Kostüm und so viel Make-up im Gesicht, dass du aussiehst, als kämst du aus einem japanischen Noh-Theater. Ehrlich, mach dich mal locker, und mach es dir bequem! Du hast schöne Haut, doch die ist unter Schichten von Schminke versteckt. Du solltest deinen Ex besuchen. In den warst du mal verliebt.«

»Ich mag es nicht, wenn man mich belehrt«, erwiderte Agatha trotzig. »Geh einfach.«

Sobald sie allein war, begab sich Agatha nach oben in ihr Schlafzimmer. Sie zog sich aus, duschte gründlich und nahm eine hellbraune Bluse, Shorts und flache Ledersandalen aus ihrem Schrank. Anschließend trug sie eine dünne Schicht getönte Feuchtigkeitscreme und blassrosa Lippenstift auf. Sie überprüfte ihre Beine im Spiegel, ob sie noch makellos glatt rasiert waren, und kehrte zurück nach unten.

Dort setzte sie sich an ihren Schreibtisch. Wenn sie George Marston als Projekt betrachtete, als einen Klienten, den sie übernehmen wollte, könnte sie vielleicht auf etwas stoßen. Immerhin war sie einst eine sehr erfolgreiche Londoner PR-Beraterin gewesen.

Sie öffnete ihre E-Mails, und der Name Fordyce sprang ihr förmlich entgegen. Woher hatte die Kuh ihre E-Mail-Adresse? Jessica warb Spenden für einen neuen Bodenbelag im Gemeindesaal ein.

Agatha rief Mrs. Bloxby an und fragte, was es damit auf sich hatte. »Miss Fordyce möchte gern etwas für das Dorf tun. Und der Fußboden im Gemeindesaal muss wirklich dringend ausgebessert werden.«

»Wie kommt sie an meine E-Mail-Adresse?«

»Wahrscheinlich von einem früheren Frauenvereinsmitglied«, sagte Mrs. Bloxby. »Wissen Sie nicht mehr? Wir hatten alle die E-Mail-Adressen der anderen.«

»Richten Sie ihr aus, dass sie sich keine Gedanken mehr machen muss«, erwiderte Agatha. »Ich bezahle den neuen Bodenbelag, und dann können wir einen Wohltätigkeitsball veranstalten. Das wird lustig.«

»Ich dachte, Sie wollen sich ausruhen«, entgegnete Mrs. Bloxby vorsichtig.

»Abwechslung ist genauso gut wie Erholung«, antwortete Agatha leicht gereizt. »Wir machen es richtig klassisch, mit allem, was zu einem Ball gehört.«

Es ist verblüffend, dachte Mrs. Bloxby, dass sich solch eine für gewöhnlich knallharte Detektivin in einen romantischen Backfisch verwandeln kann, wenn sie eine Obsession packt.

Im Dorf gab es recht viele mittelalte bis alte Menschen. Und sie alle waren ganz aus dem Häuschen bei der Aussicht, sich für einen Ball herausputzen zu können. Ein Laden im nahe gelegenen Broadway, der Abendanzüge für Herren verlieh, erhielt eine wahre Flut von Anfragen.

Auch Agathas Mitarbeiter in der Detektei bekamen Einladungen. Toni war begeistert und fing an, in den Wohlfahrtsläden nach einem passenden Ballkleid zu stöbern. Phil Marshall hegte keinerlei Zweifel, dass der Ball zu Agathas ausgefeiltem Plan gehörte, Marston zu ködern. Der junge Simon träumte davon, Toni zu umwerben. Mrs. Freedman blickte an sich hinunter und dachte wehmütig daran, was für Kleider sie getragen hatte, als sie noch jung und schlank gewesen war. Patrick Mulligan hatte insgeheim beschlossen, sich irgendeine Krankheit auszudenken, um sich vor dem Ganzen zu drücken. Er mochte Agatha und fürchtete, wenn er hinginge, müsste er mitansehen, wie sie sich vollkommen lächerlich machte.

James Lacey, den Agatha dieser Tage zu meiden schien, fragte sich, wofür sie sich all die Mühe machte. Er war nicht überzeugt, dass Agatha keine Gefühle mehr für ihn hatte. Dabei war er ein eingeschworener Junggeselle und hatte nichts als Erleichterung empfunden, als die Scheidung durch gewesen war.

Andererseits war sein Leben ohne Agathas Bewunderung um einiges eintöniger geworden. Er gab nichts auf Tratsch und neigte dazu, jeden sofort abzuwürgen, der ihm irgendwelche Gerüchte erzählen wollte. Folglich hatte er keine Ahnung, dass Agatha immer noch verbissen hinter dem Gärtner her war.

Wie James selbst war auch George Marston bei der Army gewesen und kam hin und wieder auf einen Drink vorbei.

Eines Abends schaute der Gärtner wieder rein und setzte sich in einen Sessel in James’ Wohnzimmer, dessen Wände voller Bücherregale waren.

»Schmerzt das Bein?«, fragte James, der wusste, dass George ein Bein in Afghanistan verloren hatte und eine Prothese trug.

»Manchmal«, antwortete George seufzend. »Verfluchte Frauen! Was für ein Zirkus um einen Ball!«

James winkte ab. »Ach, das ist typisch Agatha. Ihre Energie ist schier unerschöpflich.«

»Was war eigentlich mit eurer Ehe?«, fragte George neugierig. James war groß, gut aussehend, hatte strahlend blaue Augen und schwarzes Haar, das bisher nur an den Schläfen leicht ergraute.

»Noch einen Drink?«

»Gerne«, antwortete George, der begriff, dass James nicht über seine Ehe mit Agatha reden wollte. »Mir ist nicht danach, zu diesem Ball zu gehen, doch anscheinend erwarten es alle von mir. Für welchen guten Zweck ist der überhaupt?«

»Das Geld geht an Save the Children. Deshalb sind die Karten auch ganz schön teuer.«

»Irgendwie komisch, eine Einladung zu bekommen, für die man bezahlen muss.«

»Auch das ist typisch Agatha. Sie ist wie ein Pitbull, wenn es ums Spendensammeln geht. Übrigens glaube ich, sie kommt gerade. Ich habe sie eben durchs Fenster gesehen.« Und schon ertönte die Klingel.

George stand auf. »Sei so nett und verrate ihr nicht, dass ich hier gewesen bin. Ich verschwinde durch die Hintertür.«

Er eilte aus dem Haus, während James vorn öffnen ging. Agatha wartete nicht ab, bis sie hereingebeten wurde, sondern drängte sich an James vorbei ins Wohnzimmer, wo sie sich umdrehte. »Wo ist er?«

»Wer?«, fragte James.

»George! Ich habe gesehen, wie er hergekommen ist.«

»War er und ist wieder gegangen«, sagte James. »Ich habe über den Zaun in deinen Garten geschaut, der sieht sehr gut aus. Muss da noch etwas gemacht werden?«

»Nein. Ich meine, ja.« Agatha wirkte verlegen. »Ein bisschen viel Unkraut.«

»Hast du seine Telefonnummer nicht?«

»Doch.«

»Dann ruf ihn an. Möchtest du einen Drink?«, fragte James.

»Gin Tonic, mit viel Eis.«

James fand, dass Agatha ohne ihre lachhaft hohen Schuhe viel besser aussah.

»Wie geht’s?«, wollte sie wissen. Sie nahm einen großen Schluck von dem Drink, den er ihr gereicht hatte, weil sie es eilig hatte, wieder zu gehen und einen Spaziergang durchs Dorf zu unternehmen. Eventuell arbeitete George ja irgendwo in einem der Gärten. Hatte sie ihn nicht einmal abends ins Haus der Glossops gehen sehen? Das konnte nur mit seiner Arbeit zu tun gehabt haben, denn Harriet war so alt wie Agatha und wahrlich keine Schönheit.

»Ich lege eine Pause bei der Reiseliteratur ein. Ich habe einen Auftrag für ein Buch über Admiral Nelson.«

»Aha?«, sagte Agatha zögerlich. »Ich hätte gedacht, dass es schon einen Haufen Bücher über Nelson gibt.«

»So ist es auch. Noch eines mehr wird nicht schaden, und mir macht es Spaß.«

»Was ist aus deiner Fernsehkarriere geworden? Wolltest du nicht etwas über Engländer machen, die im Ruhestand nach Spanien ausgewandert sind?«

James nickte. »Habe ich, es wurde bloß noch nicht gesendet. Und es war wenig vergnüglich. Angesichts der spanischen Rezession und des teuren Euro haben viele britische Ruheständler Probleme, sich über Wasser zu halten. Und der Herr verschone mich künftig mit Träumern. Vollkommen vernünftige Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben und auf einmal beschließen, eine Bar in Spanien zu eröffnen. Ohne jede Erfahrung und nicht bereit, so viele Stunden täglich zu arbeiten wie die Spanier. Natürlich … Gehst du schon?«

»Ich muss los. Mir ist eben etwas eingefallen.« Agatha stürmte aus dem Haus.

In einer Art Power-Walking, damit jeder dachte, sie würde Sport treiben, pflügte Agatha unter einem blasslila Abendhimmel durchs Dorf. Die Luft war schwer von Rosenduft. Einige Leute saßen in ihren Vorgärten und winkten ihr zu.

So viele neue Gesichter, dachte Agatha. Die Rezession bedeutete, dass viele verkauften und Reichere sich die Cottages unter den Nagel rissen. Wenigstens war kein Wochenende, sodass sie nicht Gefahr lief, auf Jessica Fordyce zu treffen.

Carsely bestand aus einer Hauptstraße, von der wenige Seitenstraßen abgingen, ähnlich der kleinen Seitengasse, in der Agatha wohnte. Es gab einen Lebensmittelladen, einen Pub, die Kirche, eine Grundschule und am Dorfrand eine Sozialsiedlung. Viele der Cottages waren reetgedeckt wie Agathas. Doch anders als im nahen Chipping Camden gab es keine Cafés, Restaurants, Antiquitätenhändler oder Souvenirläden. Deshalb blieben ihnen im Sommer die Touristenbusse erspart.

Es hieß, dass die vielen Neuzugezogenen das Dorfleben ruinierten, und doch war etwas an diesen alten Cotswolds-Dörfern, was die Leute an sie zu binden schien. Agatha selbst kam sich heute wie eine Auswärtige vor, wenn sie nach London fuhr. Ihr Weg führte sie zu Jessicas Cottage, das sich zwischen lauter georgianischen Bauten in einer Sackgasse parallel zur Hauptstraße befand. Am Eingang der Gasse blieb Agatha stehen. Jessicas kleiner roter Sportwagen parkte in der Einfahrt.

Während sie hinschaute, kam George Marston aus dem Haus und winkte zum Abschied. Agatha lief weiter, weil sie auf keinen Fall von ihm gesehen werden wollte.

Sie war enttäuscht, doch als sie nach Hause kam, rief sie George an.

»Hallo, Agatha«, sagte er munter. »Um diese Zeit wollen Sie sicher nicht, dass ich in Ihrem Garten arbeite!«

»Nein, ich habe beschlossen, mir eine Auszeit von der Arbeit zu nehmen«, antwortete sie. »Sind Sie morgen frei?«

»Nein, tut mir leid, da bin ich den ganzen Tag beschäftigt.«

Agatha biss sich auf die Unterlippe. Dann fiel ihr auf einmal ein: Was, wenn er nicht zum Ball kam? Es wäre alles vergebens! »Kommen Sie zu dem Ball?«, fragte sie so gelassen, wie sie konnte.

»Natürlich. Und Ihr erster Tanz gehört mir. Ich möchte mit niemand anderem tanzen. Jetzt muss ich ins Bett. Ich bin geschafft.«

Agathas rosarote Träume waren wieder da. Sie sah schon vor sich, wie sie beide unter den neidischen Blicken der anderen Frauen über die Tanzfläche schwebten.

Zwei Tage lang brachte heftiger Regen der ausgetrockneten Landschaft das dringend benötigte Wasser. Dann kehrte der Sommer in frischer Pracht zurück. Agatha reiste nach London, um sich ein Abendkleid zu kaufen. Fast einen ganzen Nachmittag verbrachte sie bei Harvey Nichols, ehe sie sich für ein goldenes Seidenkleid entschied, das mit kleinen goldenen Blättern bestickt war. Dazu kaufte sie hohe seidene Abendschuhe.

Agatha wollte an der Paddington Station in den Zug steigen, als sie plötzlich ein Stück entfernt auf dem Bahnsteig George Marston sah, der denselben Zug nehmen wollte. Agatha hatte eine Fahrkarte für die erste Klasse, eilte jedoch hin, um zu sehen, ob sie sich zu George in die zweite setzen konnte.

Als sie sein Abteil erreichte, stellte sie enttäuscht fest, dass er in weiblicher Begleitung war. Die Plätze um George und dessen Freundin herum waren alle besetzt, sodass Agatha sich unmöglich hineindrängen konnte. Und selbst wenn, würde sie der Fahrkartenkontrolleur auf ihre Erste-Klasse-Buchung hinweisen, und dann würde George annehmen, dass sie ihn verfolgte.

Traurig zog sie sich in die erste Klasse zurück.

Zum ersten Mal seit Beginn ihrer Obsession kam Agatha sich dumm vor. Sie war eine reiche Frau, trotzdem schien die horrende Ausgabe für den Ball irrsinnig zu sein. Und es war ja nicht so, als könnte sie das Geld irgendwie wieder hereinbekommen, denn die Erlöse gingen an Save the Children.

Als der Zug endlich in den Bahnhof von Moreton-in-Marsh einfuhr, fühlte Agatha sich klarer und sogar ein wenig erleichtert. Sie stieg in ihren Wagen, da erklang eine Stimme: »Können Sie mich mitnehmen?«

Erschrocken blickte Agatha auf. Es war George, der sie mit seinen grünen Augen ansah und lächelte.

»Natürlich«, antwortete Agatha. »Steigen Sie ein.«

»Mein Wagen ist in der Werkstatt«, erklärte er. »Jemand hatte mich zum Bahnhof gebracht.«

»Was hat Sie nach London geführt?«, fragte Agatha. George trug einen dunklen Anzug, ein gestreiftes Hemd und eine Krawatte.

»Ich hatte mich mit meiner Schwester getroffen. Wir mussten zur Bank und einiges regeln. Sie lebt in Oxford. Und Sie?«

»Ich habe mir ein Ballkleid gekauft.«

»Wollen Sie das immer noch machen?«, fragte er.

Agatha warf ihm einen verwunderten Blick zu. »Selbstverständlich! Alle freuen sich auf den Ball. Sie nicht?«

Er wiegte den Kopf. »Das ist eher nicht mein Ding.«

»Aber Sie kommen, oder?«

»Ja, das habe ich Ihnen doch versprochen, nicht?«, erwiderte er.

»Sie sehen müde aus«, bemerkte Agatha. »Möchten Sie noch auf einen Drink mit zu mir kommen?«

»Ja, ist gut. Übrigens wollte ich Sie etwas fragen.«

Agathas Obsession meldete sich mit Wucht zurück. Bei ihrem Cottage bat Agatha ihn, sich in den Garten zu setzen. Ihre Hände zitterten ein wenig, als sie die Drinks hinausbrachte: Bier für George, Gin Tonic für sich selbst. »Also«, sagte sie und nahm neben ihm Platz, »was wollen Sie mich fragen?«

»Sie sind doch Detektivin, nicht wahr? Da müssen Sie schon manchen schrägen Gestalten begegnet sein.«

»Ziemlich vielen, warum?«, hakte Agatha nach.

»Woran erkennt man einen Psycho?«

»Glauben Sie, einem begegnet zu sein?«

»Vielleicht.«

»Tja, es gibt eine Menge Bücher zu dem Thema, oder Sie können im Internet nachgucken«, erwiderte Agatha. »Das Problem ist, dass es meiner Meinung nach verschiedene Abstufungen gibt. Ich meine, ein Großindustrieller kann ein Psycho sein, der seine Störung ganz auf den Machtgewinn und Machterhalt konzentriert. Er bringt niemanden um. Ich schätze, ich würde nach Gefühl gehen. Werden Sie von jemandem bedroht?«

Er seufzte. »Ach, ich denke allmählich, dass meine Fantasie mit mir durchgeht.«

Es klingelte an der Tür. Widerwillig ging Agatha öffnen. »Oh, du bist es, James«, sagte sie matt.

»Ich habe George mit dir ins Haus gehen sehen und würde ihn gerne kurz sprechen«, antwortete er.

»Er ist im Garten.« Sie verfluchte James im Geiste, führte ihn aber nach draußen und bot ihm einen Drink an. James bat um einen Whisky mit Soda. Als Agatha mit dem Glas wieder in den Garten kam, waren James und George in ein Gespräch über ihre Zeit bei der Army vertieft.

Schließlich sah James zu Agatha. »Entschuldige, wir müssen dich zu Tode langweilen.«

»Und ich sollte sowieso gehen.« George stand auf.

»Ich setze mich auch lieber wieder an mein Manuskript«, sagte James.

»Ich fahre Sie nach Hause«, bot Agatha George an.

»Nein, schon gut. Ich gehe gern zu Fuß. Danke für den Drink.« Er bückte sich und küsste sie auf die Wange.

Agatha stand an ihrer Haustür und blickte den beiden nach. James ging in sein Cottage hinüber, und George wanderte die Gasse hinunter. Als wäre ihm bewusst, dass sie ihn beobachtete, drehte er sich an der Ecke noch einmal um und winkte.

Es war das letzte Mal, dass Agatha ihn lebend sah.

Zwei

Die Ballkarten waren alle verkauft. Toni kam mit ihrem alten Ford in Carsely an und musste sich in eine Parklücke ein gutes Stück vom Gemeindesaal entfernt zwängen. Große, teure Autos schienen so gut wie alle Parkplätze im Dorf eingenommen zu haben. Simon hatte angeboten, sie zu begleiten, und sie hatte abgelehnt. Jetzt wünschte sie, sie hätte es nicht getan, denn auf einmal war ihr unwohl dabei, allein in ihrem mitternachtsblauen Chiffonkleid zum Gemeindesaal zu gehen.

Auf einer kleinen Bühne spielte ein Orchester einen altmodischen Walzer. Toni blieb am Saaleingang stehen und fand, dass es wie ein Ball aussah, über den in einem der Klatschblätter berichtet wurde. Auf einer Seite war eine lange Bar aufgebaut. Toni sah Phil Marshall und Mrs. Freedman mit Simon dort stehen und gesellte sich zu ihnen.

»Sie sehen sehr hübsch aus, meine Liebe«, bemerkte Mrs. Freedman.

Agatha wirbelte in Charles Fraiths Armen vorbei. Ihr Gesicht war angespannt vor Sorge. Seit mehr als drei Tagen hatte sie George nicht gesehen. Er hatte ihr den ersten Tanz versprochen, und jetzt war er nicht einmal erschienen! Sie blickte hinüber zu Toni. Oh, noch einmal jung und schön sein!, dachte sie neidisch. Tonis weiße Schultern ragten aus Falten blauen Chiffons, und ihr helles Haar hatte sie hoch aufgesteckt. Jessica Fordyce stand ebenfalls an der Bar, umringt von Männern. Sie trug ein tief ausgeschnittenes und eng anliegendes schwarzes Kleid, und ihr rotes Haar schimmerte im Licht.

Als der Tanz endete, murmelte Agatha Charles etwas zu, dass sie sich die Nase pudern wolle, und verweigerte James den nächsten Tanz. Stattdessen ging sie nach draußen und schaute sich um. Immer noch trafen Leute lachend und plaudernd ein. Alle strömten herbei: fröhlich, teils in altmodischen Kleidern, aber ausnahmslos auf eine Weise entspannt, wie es Agatha, die sich ihrer schlichten Herkunft allzu bewusst war, nie sein könnte.

Plötzlich beschloss sie herauszufinden, was mit George war. Sie lief durch das Dorf zu seinem Cottage. Die Riemen ihrer hohen Sandalen schnitten ihr schmerzhaft in die Knöchel.

Georges Cottage befand sich auf einer kleinen Anhöhe oberhalb des Dorfes. Früher war es mal ein Landarbeiterhaus gewesen, ein kleiner, hässlicher Backsteinbau, ganz anders als die restlichen Gebäude im Ort aus dem goldenen Cotswolds-Stein. Agatha hämmerte an die Tür.

Nichts als Stille antwortete ihr.

Sie fragte sich, ob George in seinem Garten saß und entschieden hatte, den Ball zu schwänzen. Sie ging den Weg seitlich am Haus entlang nach hinten. Dort war alles ein Chaos aus wuchernden Sträuchern und Unkraut. Offensichtlich hielt George nichts davon, Zeit an seinen eigenen Garten zu verschwenden.

Agathas Enttäuschung fühlte sich wie ein Stein in ihrem Bauch an. Sie wollte sich schon umdrehen, als das Mondlicht etwas Glänzendes, Metallenes in dem Komposthaufen aufblitzen ließ.

Langsam neigte Agatha sich näher hin, ehe sie sich rasch wieder aufrichtete. Ihr Herz pochte schnell. Das Metall war Teil einer Beinprothese. Vielleicht war es eine alte, die George aus irgendwelchen Gründen auf den Kompost geworfen hatte.

Agatha griff nach einer Harke in der Nähe und fing an, den Kompost zur Seite zu harken. Noch ein Bein kam zum Vorschien – diesmal ein echtes.

Weinend und schluchzend kniete Agatha sich hin und begann, den stinkenden, bereits fauligen Bioabfall mit den Händen wegzuziehen.

Nach und nach kam Georges Leiche zum Vorschein. Er hatte eine Plastiktüte über dem Kopf, die an seinem Hals verschnürt war. Einen Moment lang hegte Agatha die absurde Hoffnung, dass es doch nicht George war. Doch dann wurde ihr klar, dass sie niemanden sonst kannte, der eine Beinprothese trug. Sie tastete nach einem Puls, fand aber keinen. Zu gern hätte sie ihm die Tüte vom Kopf gerissen, doch die kalte Stimme der Vernunft durchdrang ihre Panik und sagte ihr, dass sie es der Polizei überlassen musste.

Sie stand auf und verfluchte die Tatsache, dass sie ihr Handy in der Abendhandtasche im Gemeindesaal gelassen hatte. Rasch streifte sie die Schuhe ab, um zurück durch die mondhellen Straßen zu rennen, vorbei an reetgedeckten Cottages, bis sie den Gemeindesaal erreichte.

Die Band beendete gerade ein Stück, als Agatha Raisin in den Saal gelaufen kam. Sie eilte direkt zu Bill Wong, der mit James zusammenstand. »George Marston ist ermordet worden!«, japste sie.

»Bring mich hin«, sagte Bill.

»Ich komme mit«, erklärte James.

»Nein, bleib du hier«, entgegnete Agatha. »Und sorg dafür, dass die Leute auch bleiben. Leite du die Tombola, und erzähl es keinem.«

Sie lief mit Bill davon.

»Gehen wir«, sagte Toni, die alles beobachtet hatte, zu ihren Kollegen. »Es muss etwas Schlimmes passiert sein. Agatha ist kreidebleich, und ihr Kleid ist ruiniert.« Toni lief hinter Bill und Agatha her, dicht gefolgt von Phil, Simon und Patrick.

Bei Georges Cottage sagte Bill, der einen weißen Schutzoverall aus seinem Wagen geholt hatte: »Agatha, komm mit und zeig mir, wo die Leiche ist.«

Toni, Simon, Patrick und Phil warteten gespannt, bis Agatha wieder bei ihnen war. Charles kam angelaufen. »Was ist passiert?«

»Es ist George!«, schluchzte Agatha. »Ich glaube, es ist George. Er ist tot. Und ihm wurde eine Tüte über den Kopf gestülpt, und die wurde zugeschnürt.«

Streifenwagen und Zivilfahrzeuge der Polizei fuhren vor. Officers begannen, den Bereich abzusperren.

Inspector Wilkes kam auf die Gruppe zu. »Mrs. Raisin, Wong sagt, Sie haben die Leiche gefunden.«

»Sie ist im Garten hinten«, antwortete Agatha heiser.

»Constable Peterson nimmt Ihre vorläufige Aussage auf. Warten Sie hier«, forderte der Inspector sie auf.

Alice Peterson war eine hübsche junge Frau mit dunklen Locken und blauen Augen. »Möchten Sie sich in den Wagen setzen, Mrs. Raisin? Sie haben einen furchtbaren Schock erlitten.«

»Nein, ich bleibe hier«, antwortete Agatha. »Ich konnte den Kopf nicht sehen. Vielleicht ist er es ja nicht.«

»Ich glaube, Mr. Marston hatte eine Beinprothese. Haben Sie eine gesehen?«

»Ja, sein Hosenbein war hochgeschoben«, erwiderte Agatha. Sie trug scharlachroten Lippenstift, der sich nun in ihrem bleichen Gesicht gruselig ausnahm.

»Erzählen Sie mir einfach, was Sie wissen«, bat Alice.

Agatha schwankte ein wenig, und Charles legte einen Arm um sie. Während sie das wenige berichtete, was sie wusste, kam Agatha alles unwirklich vor. Die eigene Stimme hörte sich fremd für sie an.

Anschließend sagte Charles: »Ich habe meinen Wagen hergeholt und denke, du solltest dich reinsetzen, Agatha. Toni, du auch. Wenn sie die Tüte von seinem Kopf nehmen, muss ihn aber noch jemand identifizieren.«

Agatha und Toni warteten schweigend.

Es kamen keine anderen Dorfbewohner, denn seltsamerweise hatte die Nachricht den Gemeindesaal bisher nicht erreicht, und in der Nachtluft waren leise Orchesterklänge zu hören.

Toni war überrascht, dass Mrs. Bloxby nicht nachsehen gekommen war, wo ihre Freundin blieb. Doch die Vikarsfrau, die eine Tombola für den Ball organisiert hatte, hielt die Stellung. Sie dachte, dass Agatha sich auf die Jagd nach George gemacht hätte, und hatte nicht mitbekommen, wie sie mit Bill den Gemeindesaal verlassen hatte. Nun vermutete sie, dass Agathas Mitarbeiter losgegangen waren, um sie zurückzuholen.

Der Abend zog sich hin. Schließlich kam Wilkes nach vorn. »Wir haben die Tüte entfernt. Jemand muss den Toten identifizieren.«

»Ich mache das«, erklärte Agatha und stieg aus Charles’ Wagen. Ihre Freunde widersprachen energisch. »Nein, ich muss selbst sehen, dass es George ist«, entgegnete sie.

Im Garten war ein Zelt über dem Toten errichtet worden. In dem bizarren Licht der aufgestellten Halogenlampen war Georges geschwollenes und farbloses Gesicht deutlich zu sehen.

»Es ist George Marston.« Agatha schluckte und wurde zum Wagen zurückgeführt.

»Gehen Sie nach Hause«, sagte Wilkes, der ihr gefolgt war. »Wir kommen morgen zu Ihnen.«

Am nächsten Morgen schaltete Mrs. Bloxby das Radio ein, als sie ihrem Mann Frühstück bereitete. Entsetzt hörte sie die Nachrichten und ging zu Alf ins Arbeitszimmer. »Das ist furchtbar. George Marston ist ermordet worden!«

»Wann? Wie?«

»Weiß ich nicht. Ich habe mich gestern gewundert, dass Mrs. Raisin nicht mehr in den Gemeindesaal zurückgekommen ist.« Mrs. Bloxby bereute, dass sie gedacht hatte, Agatha hätte George nicht finden können und wäre mürrisch nach Hause gegangen. »Ich muss zu ihr und sehen, ob ich etwas tun kann«, sagte sie.

»Was ist mit meinem Frühstück?«, rief der Vikar, aber seine Frau war schon fort.

Die Polizei hatte Absperrband vor Agathas Cottage gespannt, um die Presse zurückzuhalten. Mrs. Bloxby nutzte ihren Status als Vikarsfrau, um den Wachhabenden zu überzeugen, dass man sie ins Cottage vorlassen musste.

Toni öffnete ihr; sie trug noch ihr Ballkleid. »Agatha ist im Wohnzimmer und macht ihre Aussage«, flüsterte sie.

»Wissen sie schon, wie er gestorben ist?«, fragte Mrs. Bloxby.