Allan Quatermains Abenteuer: König Salomos Schatzkammer -  - E-Book

Allan Quatermains Abenteuer: König Salomos Schatzkammer E-Book

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Beschreibung

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird Allan Quatermain, der bekannte Großwildjäger, von Sir Henry Curtis und seinem Gefährten Kapitän John Good angeheuert, um dessen jüngeren Bruder George zu suchen. Beide glauben, dass George nach Afrika gereist ist, um dort sein Glück zu machen. Nach einem Streit mit seinem Bruder Henry hat der mittellose und stolze Mann England verlassen, um nicht von seinem wohlhabenden Bruder abhängig zu sein. Auf der Suche nach den legendären Minen des biblischen König Salomo, Quelle seines unermesslichen Reichtums, hat sich George in das unerforschte Landesinnere begeben. Auf ihrer Rettungsexpedition treffen die drei Gefährten auf Umbopa, einen mysteriösen Afrikaner, der eine Menge über das unbekannte Gebiet zu wissen scheint. Umbopa willigt ein, die Gefährten auf ihre gefährliche Expedition zu begleiten … Diese Ausgabe dieses klassischen Abenteuerromans beruht auf der ersten Übersetzung aus dem Jahr 1888. Der Text wurde, dem Erzählstil angemessen, leicht modernisiert und in die neue deutsche Rechtschreibung übertragen, so dass er sich auch heute noch mit Vergnügen gelesen werden kann. Henry Rider Haagard (1856-1926) war einer der bedeutendsten britischen Abenteuerschriftsteller des 19. Jahrhunderts. Zunächst arbeitete er als Sekretär für den Gouverneur in Natal, Südafrika. Während seiner späteren Laufbahn als Beamter wurde Haggard mit den Auseinandersetzungen der Buren mit der einheimischen Bevölkerung konfrontiert. Er interessierte sich nicht nur für die Probleme des Landes, sondern auch für die Kultur der Zulu, die er in seinen Afrika-Romanen beschreibt. „King Salomo’s Mines“, ist das bekannteste Werk von Henry Rider Haagard, das sich auch heute noch großer Beliebtheit erfreut und hiermit erstmals als deutschsprachige E-Book-Ausgabe vorliegt.

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Seitenzahl: 280

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Allan Quatermains Abenteuer:

König Salomos Schatzkammer

Henry Rider Haggard

Hamburg

mach-mir-ein-ebook.de

2014

2. E-Book-Auflage, Oktober 2014

www.mach-mir-ein-ebook.de, Hamburg ISBN: 978-3-944309-44-6

Originalausgabe: King Salomon’s Mines, 1886.

Übersetzt von M. Strauß

Illustrationen von Edouard Riou

Cover: Thomas Baines: Pitso or War Council at Lake Ngami (1862).

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Schrift: »Crimson« von SIL International, diese Schriftart ist unter der Open Font License verfügbar.

Inhalt
Die Begegnung mit Sir Henry Curtis
Die Legende von König Salomos Minen
Umbopa tritt in unseren Dienst
Eine Elefantenjagd
Unser Marsch in die Wüste
Wasser! Wasser!
Die Salomostraße
Wir ziehen in Kukuanaland ein
König Twala
Festspiele in Kukuanaland
Wir tun Wunder
Krieg
Ignusi König
Goods Krankheit
Die Halle der Toten
Salomos Schatzkammer
Abschied von Kukuanaland

Die Begegnung mit Sir Henry Curtis

Es ist eine eigene Sache in meinen Jahren — fünfundfünfzig ward ich alt an meinem letzten Geburtstag — auf einmal ein Buch schreiben zu wollen. Ich bin neugierig, was es für ein Buch sein wird, wenn ich damit zu Ende bin, d. h. wenn ich es je zu Ende bringe. Ich habe schon viel im Leben gearbeitet, so dass ich mir schon recht bejahrt vorkomme. In frühester Jugend, in welcher andere Knaben zur Schule gehen, musste ich schon mein Brot durch Handel in den afrikanischen Kolonien verdienen. Seitdem habe ich fortwährend Geschäfte aller Art getrieben: gejagt, gefochten oder in den Gruben gearbeitet. Und trotz alledem sind es erst acht Monate her, dass ich zu Geld gekommen bin. Es ist viel Geld, das ich nun beisammen habe — ich weiß selbst noch nicht wie viel — aber ich möchte die letzten fünfzehn oder sechzehn Monate nicht noch einmal durchmachen, um es zu verdienen, selbst dann nicht, wenn ich vorher wüsste, dass ich alle Gefahren glücklich bestehen würde. Doch bin ich jetzt auch ein müder, abgespannter Mann und habe genug Abenteuer erlebt.

Warum schreibe ich eigentlich dieses Buch? Es schlägt nicht in mein Fach. Ich bin kein literarisch bewanderter Mann, und von Werken der Literatur kenne und bewundere ich nur das »Alte Testament« und die »Ingoldsby-Legenden«*).

Ich will versuchen, meine Gründe auseinanderzusetzen und prüfen, ob sie stichhaltig sind:

Erstens: Weil Sir Henry Curtis und Kapitän Good mich darum baten.

Zweitens: Weil ich hier in Durban liege mit Schmerzen im linken Bein. Seitdem ein verwünschter Löwe mich gepackt hat, bin ich diesen Schmerzen ausgesetzt. Es ist eine fatale Geschichte, wenn man fünfundsechzig Löwen in seinem Leben geschossen hat, dass einem der sechsundsechzigste das Bein wie Tabak zerkaut. Es bringt einen etwas aus der Übung, und ich bin, nebenbei bemerkt, ein Mann der Gewohnheit und liebe das nicht.

Drittens: Weil ich wünsche, dass mein Sohn Harry, welcher drüben in London im Hospital ist, um Medizin zu studieren, etwas zur Zerstreuung und Unterhaltung hat, denn wie auch diese Erzählung ausfallen mag, langweilig wird sie nicht sein.

Vierter und letzter Grund: Weil ich die wunderbarste Geschichte auf der Welt zu berichten habe. Es klingt kurios, dies zu behaupten, besonders in Anbetracht, dass kein Frauenzimmer darin vorkommt außer Foulata. Halt! Ich vergesse Gagaola, wenn man sie eine Frau nennen kann und nicht vielmehr einen Unhold. Auch war sie mindestens hundert Jahre alt und also nicht heiratsfähig, deshalb rechne ich sie nicht mit.

Wohlauf, ich will mich ins Joch spannen! Es ist eine schwere Arbeit, die ich mir gestellt habe, und ich fürchte, in den Schwierigkeiten, die ich vor mir sehe, stecken zu bleiben. Doch »sutjes, sutjes« — wie die Buren sagen — sachte, sachte, dann kommt man durch. Mit armseligen Ochsen kann man nichts machen, mit einem kräftigen Gespann gelingt es. Nun zum Anfang.

Allan Quatermain

Ich, Allan Quatermain aus Durban in Natal, einer guten, ehrenhaften Familie entstammend, bin mein ganzes Leben lang ein armer, reisender Handelsmann und Jäger gewesen. Ob ich mich meiner Abstammung würdig gezeigt habe und ein Ehrenmann bis jetzt geblieben bin — darüber mag der Leser urteilen. Der Himmel weiß es, ich habe danach gestrebt. Ich habe seiner Zeit manchen Menschen getötet, aber stets aus Notwehr. Niemals habe ich jemand leichtfertig erschlagen oder meine Hände mit unschuldigem Blut befleckt. Der Allmächtige gab uns das Leben, und ich glaube, er will, dass wir es nach Kräften verteidigen. Ich habe stets danach gehandelt, und so hoffe ich, dass, wenn meine Stunde schlägt, es mir nicht angerechnet wird, dass ich in vielerlei Gemetzel und Blutvergießen verwickelt war. — Es ist jetzt etwa achtzehn Monate her, seit ich die erste Bekanntschaft von Sir Henry Curtis und Kapitän Good machte, und zwar auf folgende Weise.

Ich kehrte von einer Elefantenjagd jenseits Bamangwato zurück und hatte Pech gehabt. Auf dieser Reise war mir alles missglückt, und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, bekam ich noch einen heftigen Fieberanfall. Sobald ich mich erholt hatte, zog ich zu den Diamantenfeldern, verkaufte, was ich an Elfenbein hatte, meinen Ochsenkarren gleichfalls, entließ meine Jägerburschen und bestieg den Postwagen zum Kap. Ich brachte eine Woche in Kapstadt zu, fand heraus, dass Sie mich im Hotel prellten, und nachdem ich dort alle Sehenswürdigkeiten in Augenschein genommen hatte, die botanischen Gärten inbegriffen, welche mir eine sehr segensreiche Einrichtung für das Land zu sein dünken, auch noch das neue Parlamentsgebäude besichtigte, von dem ich nicht das Gleiche behaupten kann, entschloss ich mich mit dem »Dunkeld« nach Natal zurückzukehren, der in den Docks auf das von England kommende Schiff »Schloss Edinburgh« wartete. Ich nahm meinen Kajütenplatz und ging an Bord.

Am Nachmittag trafen die Passagiere von »Schloss Edingburgh« ein. Wir lichteten die Anker und stachen in See. Unter den Passagieren, die sich an Bord befanden, waren zwei, die meine Neugierde erregten. Der eine, ein Mann von ungefähr dreißig Jahren, war vielleicht der breitschultrigste und kräftigste Mensch, den ich je gesehen hatte. Er hatte flachsgelbes Haar, ebensolchen großen Bart, schön geschnittene Gesichtszüge und große graue tiefliegende Augen. Ich sah kaum jemals einen schöneren Mann. Er erinnerte mich an einen alten Skandinavier. Nicht als ob ich viel über die alten Skandinavier wüsste (einen modernen Skandinavier behielt ich gut im Kopf, weil er mich um zehn Pfund betrog), aber ich sah einst Abbildungen alter skandinavischer Edelleute, die mir wie eine Art weißer Zulus vorkamen. Sie tranken aus großen Trinkhörnern, und ihre Haare fielen lang über den Rücken. Als ich meinen Freund, der an der Schiffstreppe stand, betrachtete, dachte ich, dass, wenn seine Haare länger wären, er eines jener Panzerhemden über seine großen breiten Schultern zöge, eine Streitaxt zur Hand nähme und aus einem Humpen tränke, so hätte er als Modell zu einem solchen Gemälde sitzen können. Wie unverkennbar sich das Blut kundgibt beweist, dass ich später Sir Henrys skandinavische Abkunft herausfand.

Auch erinnerte er mich an einen Bekannten, aber ich konnte mich im Augenblick nicht besinnen, an wen.

Sir Henry Curtis

Der andere, der sich mit Sir Henry unterhielt, war von diesem sehr verschieden: mittelgroß, stämmig und von dunkler Hautfarbe. Ich hielt ihn sofort für einen Marineoffizier. Ein Seemann ist schwer zu verkennen. Ich habe manchen Jagdstreifzug mit Seeleuten unternommen und immer gefunden, dass es die besten, tapfersten, angenehmsten Burschen der Welt sind, obgleich ihre Ausdrucksweise oft recht derb ist.

Ein Marineoffizier ist gewöhnlich ein Ehrenmann, wenn natürlich auch einmal ein räudiges Schaf darunter ist. Ich denke, dass es die weite, offene See ist und der Aufenthalt in Gottes reiner, freier Luft, was die Herzen besser und die Menschen so macht, wie sie eigentlich sein sollen. Ich hatte mich nicht getäuscht. Ich fand heraus, dass der Herr Marineoffizier war, ein Leutnant von 31 Jahren, dem nach siebzehnjähriger Dienstzeit die armselige Ehre zuteil wurde, mit Kapitänsrang abzugehen, da man ihn nicht befördern konnte. Das ist der Lohn, den man im Dienste der Königin zu erwarten hat: in die Welt hinaus gestoßen zu werden, um sein Brot zu suchen, gerade dann, wenn man, in der Blüte des Lebens, seinen Beruf richtig zu erfassen gelernt hat. Nun, mir braucht nichts daran gelegen zu sein. Ich für meinen Teil friste mein Leben lieber als Jäger, wenn auch die Pfennige oft ebenso rar sind, aber man ist wenigstens ein freier Mann und hat es nicht nötig, zu Kreuze zu kriechen.

Aus der Passagierliste ersah ich, dass sein Name »Good« war — Kapitän John Good. Er war eine sonderbare Erscheinung: breit, untersetzt, kräftig gebaut; sein Anzug dabei äußerst sorgfältig, ja zierlich. Das Gesicht war glatt rasiert, im rechten Auge trug er beständig ein Glas, das beinahe dort zu wachsen schien, denn es war an keinem Band befestigt. Nur, wenn er es putzte, nahm er es ab. Zuerst glaubte ich, er schliefe auch damit, aber ich stellte später fest, dass dies ein Irrtum war. Wenn er zu Bett ging, steckte er es in die Hosentasche, genau wie seine zwei Reihen der schönsten falschen Zähne, welche die Ursache waren, dass ich das zehnte Gebot verletzte, denn die meinen sind nicht von den besten. Doch ich greife vor.

John Good

Bald nachdem wir unter Segel gegangen waren, brach der Abend herein und brachte schlechtes Wetter. Ein scharfer Wind wehte vom Land her, und ein schottischer Nebel der schlimmsten Sorte vertrieb bald alle vom Deck.

»Dunkeld« ist ein leichtes Fahrzeug mit flachem Boden, welches daher heftig auf und ab ging. Es schien fast umzukippen, und es war unmöglich, umher zu gehen. Ich stellte mich deshalb in die Nähe der Maschine, wo es hübsch warm war, und vergnügte mich damit, das Pendel mir gegenüber zu beobachten, welches langsame Schwingungen nach vor- und rückwärts machte und den Winkel markierte, den das Schiff bei jeder Neigung auf die Seite beschrieb.

»Das Pendel zeigt falsch. Es ist nicht richtig beschwert«, sagte plötzlich eine Stimme neben mir, etwas verdrießlich. Als ich mich umdrehte, sah ich den Marineoffizier, von dem ich schon gesprochen habe.

»Wirklich? Was veranlasst Sie, das zu glauben?« fragte ich.

»Glauben? Ich glaube es nicht nur. Wenn das Schiff« — jetzt war es gerade nach einer bedenklichen Neigung auf die Seite wieder in die richtige Lage gekommen — bis zu dem Grad, wie das Ding da zeigt, herumgerollt wäre, so hätte es ausgeschaukelt gehabt. So ist die Geschichte mit diesen Handelsschiffsherren, die alle so verwünscht leichtsinnig sind.«

Da läutete es zum Mittagessen, worüber ich nicht böse war, denn es ist entsetzlich, wenn ein Offizier der königlichen Marine auf dieses Kapitel kommt. Ich kenne nur etwas noch Schlimmeres: Das ist, wenn ein Handelsschiffer seine offene Meinung über einen königlichen Marineoffizier abgibt. Kapitän Good und ich gingen zusammen hinunter zu Tisch. Wir trafen Sir Henry Curtis schon auf seinem Platz an. Kapitän Good setzte sich neben ihn und ich mich beiden gegenüber. Der Kapitän und ich gerieten bald ins Gespräch über das Jagen und alles mögliche. Er fragte mich viel, und ich antwortete so gut ich konnte.

Als er gerade auf Elefanten zu sprechen kam, rief plötzlich jemand in meiner Nähe: »Da sind Sie an den rechten Mann gekommen. Jäger Quatermain kann von Elefanten erzählen, so gut wie kein anderer.«

Sir Henry, welcher bisher schweigend unserem Gespräch zugehört hatte, zuckte sichtlich zusammen. »Verzeihen Sie, mein Herr«, sagte er, sich über den Tisch neigend, mit tiefer, wohlklingender Stimme, gerade wie man sie bei einer so stattlichen Erscheinung erwartete, »ich bitte sehr um Entschuldigung, aber ist Ihr Name ›Allan Quatermain‹?«

Ich antwortete, dass dem so sei. Der Hüne machte hierauf weiter keine Bemerkung, aber ich hörte ihn in seinen Bart brummen: »Glücklicher Zufall.«

Das Mittagessen war zu Ende. Als wir im Begriff waren, den Speisesaal zu verlassen, kam Sir Henry zu mir und forderte mich auf, mit in seine Kajüte zu kommen und dort eine Pfeife zu rauchen. Ich nahm seine Einladung an und folgte ihm mit Kapitän Good. Es war ein Sofa in der Kajüte mit einem kleinen Tisch davor. Sir Henry ließ eine Flasche Whiskey holen. Wir nahmen Platz und zündeten unsere Pfeifen an.

»Mr. Quatermain«, sagte Sir Henry Curtis, nachdem der Whiskey gebracht und die Lampe angezündet war, »vor zwei Jahren, ungefähr um diese Zeit, waren Sie, soviel ich weiß, an einem Ort Bamangwato im Norden der Transvaal-Republik?«

»So verhält es sich in der Tat«, antwortete ich etwas überrascht, dass dieser Herr so vertraut mit meinen Reisen war, von welchen ich nie vermutete, dass sie von allgemeinem Interesse wären.

»Sie machten Geschäfte dort, nicht wahr?« fiel Kapitän Good in seiner raschen Weise ein.

»So ist es. Ich hatte eine Wagenladung von allerlei Waren, ich schlug mein Lager draußen vor dem Ort auf und wartete, bis ich sie verkauft hatte.«

Sir Henry saß mir gegenüber auf einem Rohrsessel, die Arme auf den Tisch gestützt. Er sah mich mit seinen klaren grauen Augen durchdringend an. Sein Gesicht drückte Neugier und ängstliche Spannung aus.

»Haben Sie zufällig einen Mann Namens ›Neville‹ dort getroffen?«

»Ja, gewiss. Er spannte seine Ochsen dort für vierzehn Tage aus und schlug sein Lager in meiner Nähe auf. Vor einigen Monaten erhielt ich einen Brief von einem Advokaten, der anfragte, was aus ›Neville‹ geworden wäre. Ich antwortete nach bestem Wissen.«

»Ja«, sagte Sir Henry, »Ihre Erwiderung wurde mir zugeschickt. Sie sagten darin, dass jener Herr Bamangwato Anfang Mai verlassen hatte, mit einem Fuhrmann, einem ›voorlooper‹ und einem Eingeborenenjäger namens ›Jim‹. Letzterer habe gesagt, sein Herr beabsichtige, bis Inyati, der letzten Handelsstation von Matebeleland, zu reisen, wo er dann das Fuhrwerk verkaufen wolle, um zu Fuß weiter zu wandern. Sie sagten ferner aus, dass er in der Tat den Karren verkaufte, denn sechs Monate später hätten Sie denselben im Besitz eines portugiesischen Handelsmannes gesehen, welcher Ihnen erzählte, dass er ihn in Inyati von einem Weißen gekauft hätte, dessen Name ihm nicht mehr im Gedächtnis wäre. Er glaube, der weiße Mann sei mit seinem Diener, einem Eingeborenen, ins Innere auf einem Jagd-Streifzug.«

Ich bestätigte nochmals diese Aussagen. Dann sagte Sir Henry plötzlich nach einer Pause:

»Mr. Quatermain, voraussichtlich wissen Sie nicht und haben auch keine Vermutung, wohin mein — Mr. Neville seine Reise richtete und zu welchem Zweck?«

»Ich hörte darüber wohl etwas«, sagte ich und hielt inne, denn es betraf ein Thema, über welches ich nicht gern sprechen wollte.

Sir Henry und Kapitän Good sahen sich an, und Kapitän Good nickte.

»Mr. Quatermain«, sagte Ersterer, »ich will Ihnen eine Geschichte erzählen und Sie um Ihren Rat bitten und vielleicht auch um Ihren Beistand. Der Advokat, welcher mir Ihren Brief sandte, sagte mir, dass ich Ihnen unbedingtes Vertrauen schenken könne, dass Sie eine bekannte und geachtete Persönlichkeit in Natal seien. Besonders wurde mir Ihre große Verschwiegenheit gerühmt.« Ich verbeugte mich und trank einen Schluck Whiskey, um meine Verlegenheit zu verbergen, denn ich bin ein bescheidener Mann.

Sir Henry fuhr fort: »Mr. Neville war mein Bruder.«

»Ah«, sagte ich überrascht. Nun wusste ich, an wen mich Sir Henry vom ersten Augenblick an erinnert hatte. Sein Bruder war bedeutend kleiner und hatte einen dunklen Bart, aber er hatte dieselben grauen Augen, mit demselben Ausdruck darin, und auch die Züge hatten viel Ähnlichkeit.

»Er war«, fuhr Sir Henry fort, »mein jüngerer und einziger Bruder, und ich glaube nicht, dass wir, die letzten fünf Jahre ausgenommen, je einen Monat getrennt waren. Aber wie es manchmal zu gehen pflegt, stritten wir uns vor fünf Jahren über eine Familienangelegenheit. Wir wurden heftig, und ich muss gestehen, ich war sehr ungerecht gegen meinen Bruder.« Hier nickte der Kapitän bejahend mit dem Kopf. Das Schiff machte gerade eine große Schwankung zur Seite, so dass der Spiegel, der an Steuerbord aufgehängt war, einen Augenblick über unseren Köpfen hing. Ich saß da, mit den Händen in der Hosentasche, und, nach oben blickend, konnte ich den Kapitän noch mehrere Male zustimmend nicken sehen.

»Wie Sie wohl wissen werden«, fuhr Sir Henry fort, »fällt das Vermögen eines Mannes in England, wenn es nur aus Grundbesitz besteht und er ohne Testament stirbt, dem ältesten Sohn zu. Nun starb mein Vater plötzlich, gerade zu der Zeit, als ich mich mit meinem Bruder entzweite. Mein Vater hatte immer gezögert, sein Testament zu machen, bis es zu spät dafür war. Mein Bruder, der für keinen bestimmten Beruf erzogen wurde, stand hierdurch ganz ohne Vermögen da. Natürlich wäre es meine Pflicht gewesen, für ihn zu sorgen. Aber unser Streit war ein so erbitterter, dass ich es — ich gestehe es zu meiner Schande ein — nicht über mich bringen konnte, ihm Anerbietungen zu machen (hier seufzte Sir Henry schmerzlich). Nicht als ob ich ihm seinen Teil entziehen wollte, aber ich verlangte von ihm, dass er die ersten Schritte zur Wiederversöhnung tun sollte. Das tat er nicht. Ich muss um Entschuldigung bitten, Mr. Quatermain, dass ich Sie durch meine langen Auseinandersetzungen belästige, aber ich bin hierzu genötigt, um die Sache klar darzulegen, nicht wahr Good?«

»Gewiss, gewiss«, erwiderte der Kapitän. »Mr. Quatermain wird sicher über die Sache Schweigen bewahren?«

»Natürlich«, sagte ich, »denn ich bilde mir sogar auf meine Verschwiegenheit etwas ein.

Sir Henry fuhr fort: »Mein Bruder reiste mit wenigen hundert Pfund, die er sich erspart hatte und ohne mich davon in Kenntnis zu setzen, unter dem Namen ›Neville‹ nach Südafrika, in der Hoffnung, sich dort ein Vermögen zu erwerben. So erfuhr ich nachträglich. Ungefähr drei Jahre waren verstrichen, ich hörte in der ganzen Zeit nichts von meinem Bruder, obgleich ich verschiedene Male Briefe absandte, die ihn wahrscheinlich nie erreicht haben. Als die Zeit so dahin ging, wurde ich immer unruhiger über das Schicksal meines Bruders. Ich stellte fest, Mr. Quatermain, dass Blut stärker ist als Wasser.«

»Das ist wahr«, stimmte ich zu, indem ich an meinen Sohn Harry dachte.

»Ich fühlte, Mr. Quatermain, dass ich gern mein halbes Vermögen darum gäbe, wenn ich wüsste, dass mein einziger Bruder und Verwandter gesund und glücklich wäre und ich ihn wiedersehen würde. Da ich immer mehr in Sorge über sein Schicksal geriet und wissen wollte, ob er lebendig oder tot sei, stellte ich alle möglichen Nachforschungen an. Ihr Brief war bis jetzt das einzige Resultat derselben. Die Nachricht war ja sehr erfreulich, aber die Spur hörte zu früh auf. Kurz, um mit meiner Geschichte zu Ende zu kommen, zuletzt entschloss ich mich auszuziehen und selbst nach ihm zu forschen. Kapitän Good ist mir ein so treuer Freund, dass er mich begleitete.«

»Ja«, sagte der Kapitän, »— hatte nichts auf der Welt zu tun — von den Herren der Admiralität verurteilt, Hungers zu sterben bei halbem Sold – und nun, mein Herr, werden Sie uns doch mitteilen, was Sie von dem Herrn, genannt ›Neville‹, wissen.«

*) Thomas Ingoldsby, ein Pseudonym des Geistlichen Richard Barham (1788-1845), Verfasser einer Reihe humoristisch-fantastischer Erzählungen in Versen, die unter dem Titel »Ingoldsby-Legenden« erschienen. – Anmerkung des Übersetzers.

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