Als wir unterm Kirschbaum saßen - oder: Ich bin Hermann - Monika Detering - E-Book

Als wir unterm Kirschbaum saßen - oder: Ich bin Hermann E-Book

Monika Detering

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Beschreibung

Das Beste kommt zum Schluss Ein altes Haus in Norddeutschland, eine turbulente Männer-WG – hierhin verschlägt es Hermann, 79, verwitwet. Er will das Leben noch einmal mit beiden Händen greifen, und dazu gehören für ihn auch das Kochen in der Gemeinschaftsküche, die Fahrten mit dem alten Trecker durch die blühenden Wiesen, und die Gespräche mit seinem Freund Adam unterm alten Kirschbaum. Doch Adam hütet ein Geheimnis – und dann taucht auch plötzlich noch Lila auf: Eine Frau wie ein Wirbelwind, zumindest fühlt es sich für Hermann so an. Alles gerät durcheinander, als er sich in Lila verliebt, denn Frauenbesuch ist in der WG nicht länger als zwei Tage erlaubt. Da sind die Herren strikt. Aber ist nicht jede Regel da, um gebrochen zu werden? Und jeder Tag die Chance auf einen neuen Anfang? Einfühlsam und klug erzählt – ein Roman über das Älterwerden, Gemeinschaft und die immer wieder überraschende Kraft von Liebe. Fans von Fredrik Backman, Dora Heldt und Carsten Henn werden begeistert sein! Ein Wiedersehen mit einigen liebgewonnenen Figuren erleben Sie im Roman »Heimweh nach dem Leben«, als eBook und Hörbuch erhältlich.

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Seitenzahl: 238

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Über dieses Buch:

Ein altes Haus in Norddeutschland, eine turbulente Männer-WG – hierhin verschlägt es Hermann, 79, verwitwet. Er will das Leben noch einmal mit beiden Händen greifen, und dazu gehören für ihn auch das Kochen in der Gemeinschaftsküche, die Fahrten mit dem alten Trecker durch die blühenden Wiesen, und die Gespräche mit seinem Freund Adam unterm alten Kirschbaum. Doch Adam hütet ein Geheimnis – und dann taucht auch plötzlich noch Lila auf: Eine Frau wie ein Wirbelwind, zumindest fühlt es sich für Hermann so an. Alles gerät durcheinander, als er sich in Lila verliebt, denn Frauenbesuch ist in der WG nicht länger als zwei Tage erlaubt. Da sind die Herren strikt. Aber ist nicht jede Regel da, um gebrochen zu werden? Und jeder Tag die Chance auf einen neuen Anfang?

Über die Autorin:

Monika Detering wollte Schiffsjunge, Malerin oder Schriftstellerin werden. Als Puppenkünstlerin arbeitete sie u. a. in New York, Washington und Philadelphia, aber auch auf Langeoog, Juist und Spiekeroog. Jahre als freie Journalistin folgten. 1997 erschien ihr erster Roman, viele weitere folgten. Neben Romanen veröffentlichte sie Krimis, Kurzprosa und Sachbücher. Sie gewann zahlreiche Preise, u. a. mit der Kurzgeschichte »Herrin verbrannter Steine« den 1. Preis des großen Wettbewerbs für Frauen aus deutschsprachigen Ländern. Monika Detering ist Mitglied bei den 42erAutoren.

Die Autorin im Internet: www.monikadetering-de.info/

Monika Detering veröffentlichte bei dotbooks die drei Fälle von Kommissar Weinbrenner, die auch im Sammelband »Liebesopfer« erhältlich sind, sowie ihren Spannungsroman »Bernd, der Sarg und ich«.

Bei dotbooks erscheinen außerdem ihre Romane »Heimweh nach dem Leben« – auch als Hörbuch bei Saga Egmont erhältlich – und »Das Versprechen eines Lebens«.

Gemeinsam mit Horst-Dieter Radke veröffentlichte sie bei dotbooks »Ein Sommer auf Hiddensee« und »Ein Sommer auf der Sanddorninsel« sowie mit Silke Porath zusammen »Das Geheimnis der Inselfreundinnen«.

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eBook-Neuausgabe Januar 2025

Dieses Buch erschien bereits 2017 unter dem Titel »Ich bin Hermann« bei Digital Publishers.

Copyright © der Originalausgabe 2017 dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98952-430-9

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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blog.dotbooks.de/

Monika Detering

Als wir unterm Kirschbaum saßen

Roman

dotbooks.

Vorbemerkung der Autorin

Liebe Leserinnen und Leser,

älter werden ist nichts Schlimmes. Es kann so schön und leicht wie diese Geschichte von Hermann sein. Hermann und Lila, zwar mit vielen Jahren behaftet, aber so jungen Herzen, erleben ihre letzte Liebe. Man sagt, dass diese Liebe die schönste sei.

Ich wünsche Ihnen schöne entspannte Lesestunden.

Ihre Monika Detering

Handelnde Personen

Hermann Haberstroh, 79 Jahre alt. Seit kurzem Witwer. Tischlermeister. Er will gerne achtzig Jahre alt werden.

Friedrich Amsel, 64 Jahre, derzeit Hermanns Teilzeitbiograf.

Adam Zwarg, Witwer, 82 Jahre, Besitzer des Uralt-Treckers mit dem Namen Lilofee.

Rudi Stekelbroich, 66 Jahre, Witwer, Hermanns langjähriger Freund, der ihn auf das Haus am Auenwald hinweist.

Hannes Overbeck, Single, 69 Jahre, liebt seinen Computer, raucht mit Vergnügen Gauloises (draußen!).

Olaf Drewitz, Single, 55 Jahre, Frührentner. Dicke altmodische Hornbrille, lesesüchtig, hilfsbereit, schlürt mit einem schmuddeligen Stoffbeutel herum.

Achim Katzfuß, 74 Jahre, redet gern. Wenn ihm keiner zuhören will, redet er mit den Blumen im Garten. Er war mal Redenschreiber für einen Politiker.

Manfred Lämmerhirt, 70 Jahre. Stammt aus Hamburg. Nennt sich Freddy in Anlehnung an Freddy Quinn. Er singt gerne und spielt leidlich Gitarre.

Lila Oelmann, Single, 75 Jahre, derzeit wohnungslos und Traktorbesitzerin, einst Märchenerzählerin.

Lukas Bärwald, 71 Jahre, Naturfotograf, der durch Europa reist und hier für einige Zeit bleiben wird

Sonja Haberstroh, 48 Jahre, Hermanns Tochter, lebt in Stralsund.

Frau Goldmann, um die 60, passt Hermann gern am Auenwald ab und quatscht ihn zu, hat aber durchaus recht pfiffige Ideen.

Elise Brockmüller, Rentnerin, Ruhrpottlerin, kommt manchmal mit Frau Goldmann und hat schlaue Sprüche auf Lager.

Kapitel 1

Hermann Haberstroh, seit kurzem Witwer, dachte über sein Leben nach. Ist das jetzt alles gewesen oder kommt da noch was? Diese Fragen stellte er sich zum wiederholten Mal, auch drei Tage nach seinem neunundsiebzigsten Geburtstag. Neunundsiebzig! Witwer! Bis auf diese eine Sache hatte er während seiner Ehe mit Paula keine Affäre gehabt. Hatte es an Paula gelegen oder an Gelegenheiten, sein Treuepotential auszutesten? Hermann beschloss, dass es an Paula gelegen haben musste. Die Jahre mit ihr waren gute Jahre gewesen.

Er fragte sich auch, ob er nicht einfach zu alt war. Ob er trotz seiner Trauer nicht mehr an die Zuneigung einer Frau denken durfte. Oder gar an die Liebe. »Ja ja, in unserem Alter!«, skandierten die älteren Nachbarn und meinten damit, dass ihm nichts Schönes mehr zustehen würde. Weil sie selbst nichts Schönes für sich hatten. Schaute er die Nachbarn genauer an, oder fragte, setzten sie einen klebrig mitleidigen Blick mit einem Hauch von Häme auf.

Er hatte Paula umsorgt, zuletzt auch gepflegt, soweit er es konnte, hatte ihr vorgelesen, hatte Paula einen Frühstückstisch getischlert, der neben ihr Bett passte. Er hatte Freunde eingeladen, damit sie nicht nur allein miteinander waren. Aber jetzt, fand er, musste noch etwas passieren bis zum Achtzigsten. Die Zeit raste und wurde knapper, er hatte das Gefühl, dass sie ihn drängte, bald zu sterben. »Kommt nicht in die Tüte!«, sagte er sich.

Er ging durch das Wohnzimmer, blieb vor dem deckenhohen Regal stehen, besah die vielen Bücher. Lesen war Paulas Domäne gewesen. Hermann mochte Holz und sein Werkzeug. Genau in diesem Moment elektrisierte ihn ein Gedanke, der nicht zu den vorherigen passte. Eigentlich. Er nahm die Hände aus den Hosentaschen und lief, so schnell er konnte, zu Amsel. Friedrich Amsel wohnte auf der anderen Straßenseite. Ungewöhnlich förmlich bat Hermann mit träumerischem Blick schon an der Tür, ihm seine neueste Idee erläutern zu dürfen.

»Aha. Dürfen? Wieder eine Idee? Heute die spannende Variante? Komm rein. Ein Bierchen?«

»Nicht am Vormittag. Das geht gegen meine Prinzipien. Müsstest du doch wissen.«

»Dann Kaffee?« Ohne eine Antwort abzuwarten, stellte Amsel die Kaffeemaschine an. »Eine Idee.« Er seufzte leise. Fragte dann lauter: »Hermann, was hast du dir ausgedacht? Fang nicht schon wieder mit neuen Regalen an! Oder willst du Vogelhäuschen mit Balkon basteln?« Er blickte amüsiert auf seinen Gast herab. Hermann war stämmig und muskulös, nur nicht so hochgewachsen wie sein Freund. Hermann nuschelte etwas.

»Bitte?«, fragte Amsel.

»Ich habe mir eine Holzdrechselbank gekauft.«

»Aber du drechselst doch gar nicht«, sagte Amsel.

»Wer weiß das schon? Die ganz großen Sachen stehen ja nicht mehr an. Wie so manches. Was brauche ich denn noch? Freunde, Holz, den Himmel, das Meer und mein Werkzeug.«

»Drechseln ... Ist es das, was du mir verklickern willst?«, fragte Amsel. »Dafür mache ich eine ganze Kanne Kaffee? Also, wirklich, Hermann! Ich glaube, das Alleinsein bekommt dir nicht.« Er goss das Getränk in zwei Becher. »Drechseln ... Setz dich.«

»Drechseln kannst du doch auch. Und gar nicht mal schlecht.« Hermann ließ sich in Amsels Küchensessel fallen und sackte auf den Fußboden, ehe die Sprungfedern sich ächzend wieder ein wenig in die Höhe begaben. Die waren hin, er vergaß das immer.

»Wie meinst du das jetzt, Hermann? Mach‘s nicht so dramatisch. Was willst du?«

»Du weißt, dass ich im nächsten September achtzig werde. Und diesen Geburtstag möchte ich auch erleben. Trotz Herzattacken. Da bitte ich dich, alles aufzuschreiben, was dieses Jahr bis zum Achtzigsten noch so passiert.«

»Wie bitte? Meintest du das mit Drechseln?«

»Ja, sicher. Ich mache jeden Abend Stichpunkte, was ich gedacht und erlebt habe. Und du schmückst das aus oder wie man das nennt. Ich kann dir auch in dein Diktiergerät sprechen.«

»Meine Autorenschaft als Drechseln zu bezeichnen! Ganz schön frech. Und bitte schön, was soll das alles am Ende werden?« Amsel fragte, obwohl er wusste, was Hermann wollte.

»Was wohl? Ein Buch! Bitte, schon allein wegen Sonja. Meine Tochter weiß alles besser und bevormundet mich. Die nervt bis zum Hirnplatzen, wenn sie denn mal anruft. Ich meine, sie kennt mich heute nicht mehr richtig. Ich bin nicht mehr der Papa von vor über vierzig Jahren. Und Sonja soll wissen, wie ich heute bin.« Ob das eine Drohung oder augenzwinkernd gemeint war, konnte Amsel nicht unbedingt heraushören. »Außerdem hätte ich dann Interessantes zum Lesen. Eine Geschichte über mich wäre amüsant.«

»Du stellst dir ein Buch für zwei vor. Für Sonja und für dich. Richtig? Das ist also Sinn der Sache?«

»Von mir aus können es alle lesen. Dann wissen die Leute, wie es einem als Mann geht, wenn man alt wird und niemanden mehr hat, den man umarmen kann.«

Amsel ging zum Küchenfenster. Er war nicht sicher, ob er das machen sollte. Hermann hatte viele Ideen und aus den meisten, eigentlich fast allen, war nie etwas Richtiges geworden. Nur aus seinen Möbelstücken. Außerdem reagierte er so manches Mal recht eigen. Amsel befürchtete, dass er später meckern würde und dann wäre die Arbeit umsonst gewesen. Denn Arbeit würde das werden. Natürlich würde er das Aufschreiben – wenn überhaupt – kostenlos machen. Freundschaftsdienst. Er fand aber, dass Hermann bestimmt noch zehn Jahre leben würde. Und so lange sollte ihre Männerfreundschaft auch halten. »Achtzig! Heute werden gestandene Männer neunzig und drüber.«

»Ich will nicht neunzig werden, ich will nur ein richtiges Buch. Nicht so ein flaches Ding, auf dem die Leute mit den Fingern wischen und drücken. Hab so was bei Stekelbroich, dem Rudi, gesehen.«

»Aber du kannst auf so einem Teil die Schrift vergrößern. Ich finde das sehr bequem«, erklärte Amsel.

»So‘n modernen Kram. Ich weiß nicht. Ich will Papier. Wenn schon … – Also, machst du es? Ich muss wieder rüber. Ich hab die Haustür nur angelehnt.«

»Nun warte mal. Da kommt schon keiner rein. Hier doch nicht.«

Hermann seufzte ungnädig. »Dass du dich jedes Mal mit dem Entscheiden so schwer tust. Dann hätte ich auch zu Hause bleiben können.«

»Ich lasse mir deinen Vorschlag durch den Kopf gehen. Wenn du Gedanken und Erlebnisse haben solltest, die andere interessieren könnten ... Könnten, habe ich gesagt«, setzte Amsel sofort hinterher, als er das Aufleuchten in Hermanns Augen sah. »Außerdem, wenn überhaupt ... Ach, vergiss es.« Er dachte daran, ob dafür ein Verlag zu begeistern war.

»Warte nicht zu lange, nachher bin ich tot, eh du überhaupt in die Pötte gekommen bist.«

Amsel hatte Bücher geschrieben. Ratgeber. Für Handwerker. Für Bastler. Es gab auch ein Buch mit Handwerkerwitzen von ihm. Aber Teilzeitbiograph? Das war nun etwas ganz Neues.

»Vielleicht überlebe ich das Jahr auch nicht. Ein langes Leben liegt nicht in meiner Familie. Mein Vater starb mit vierundvierzig. War ein depressiver Mann. Meine Mutter ein paar Jahre später. Konnte nicht ohne ihren Konstantin. Das Leben ist komisch, kompliziert, hinterhältig und herrlich. Weißt du, ich möchte mich in Frieden verabschieden und wissen, dass es danach noch Geschichten von mir gibt. Nur falls ich einundachtzig werden sollte – dann muss ich umdisponieren. Achtzig reicht mir. Ist lange genug.«

»Über achtzig müsstest du schon werden. Sonst kannst du dein Buch nicht mehr lesen.«

»Heißt das, du machst es?« – Hermann stand auf. »Bitte!«

Hermann bat selten.

»Ich gebe dir Bescheid.« Amsels kurzes Lächeln ließ Hermann hoffnungsfroh grienen. Beide sahen sich an.

Mitten in diese Übereinstimmung hinein knallte es laut. Genau zwei Mal. Als wenn jemand geschossen hätte. Amsel und Hermann rannten nach draußen und sahen, wie aus dem Miethaus drei Häuser weiter zwei Männer aus einem Fenster im ersten Stock sprangen und in das nahe Waldgebiet rannten. Hermann hatte die Hände wieder in den Hosentaschen und guckte. Amsels schmales Gesicht zuckte vor Aufregung. »Polizei rufen?«

»Besser ist es. Obwohl die ja schon weg sind. Die 110 oder 112? Ich hab so was noch nie gemacht.«

»Stell dich nicht zu doof an. Die 110!«

»Hol dein Handy«, forderte Hermann den Freund auf.

Schon hörten sie die Sirenen der Streifenwagen.

»Siehste, sind schon unterwegs.«

Es wurden immer mehr. Hermann zählte acht Streifenwagen, zwei Krankenwagen und zwei Notärzte.

»Das in unserer Straße«, wunderte sich Hermann besorgt. »Bestimmt eine Familiensache. Ich dachte, da wohnen ordentliche Leute.«

»Sieht nicht gut aus«, sinnierte Amsel.

»Himmeldieberge, ich hab meine Tür offen stehen!«

Schon eilte Hermann über die Straße.

***

Niemand hatte sein Haus betreten. »Wär’ ja wohl auch ...« empörte sich Hermann gegenüber der Jacke und dem dicken breiten Schal, die an der Garderobe hingen und hier hängen bleiben sollten. Die Sachen waren noch von Paula. »Oder was meinst du?«

Ihm genügte es, mit ihr zu sprechen. Natürlich erwartete er keine Antwort, er war ja durch Paulas Tod nicht verrückt geworden. Wieder ging er vor die Haustür. Nachbarn standen herum. Er mochte nicht dazu gehen. »So ein Gegaffe ist nichts für mich. Macht man nicht.« Deshalb ging er wieder rein.

Am nächsten Tag kam Amsel. Der wusste einiges, er hatte gefragt. »War eine Beziehungstat«, erklärte er Hermann. »Da drehte einer durch wegen Eifersucht, weil seine Freundin in der Wohnung mit einem anderen zugange war. Mit einer Schreckschusspistole hat der rumgemacht.«

»Da ist man nirgends mehr sicher«, überlegte Hermann. »Dann mach du bloß nicht bei dir rum, nachher kommt der abgelegte Freund und …Amsel, in unserer Straße, in der bisher noch nie was passiert ist. – Übrigens, machst du das nun? Mit dem Buch?«

»Nicht drängeln. Tschüss!«

***

Amsel überlegte eine Woche und drei Tage. So lange ging er dem Freund aus dem Weg. Dann aber spazierte er mit einer Flasche Rotwein zu Hermann rüber, der Besuch von Rudi Stekelbroich hatte.

Hermann war verunsichert. Denn Amsel sagte nicht, warum er mit Wein auftauchte. Vielleicht sagte er auch nichts wegen Rudi. Das konnte sein. Rudi erzählte gerade ausführlich und begeistert von diesem Haus im Auenwald, über das vor kurzem die Zeitung berichtet hatte. Ein Haus, in dem sieben alte Männer wohnen und keine Frauen einziehen dürfen. »Eine Wohnung wird dort gerade frei, das wär’ doch was für dich, Hermann.«

»Wieso denn? Ich wohne doch gut. Schließlich habe ich mit meiner Paula vierzig Jahre in unserem Häuschen gelebt. Was meinst du, was die sagen würde. Wo doch noch alles von ihr da ist. Das hätte doch woanders keinen Platz. Auch mein Werkzeug nicht. Ich und ausziehen. Und nur Männer? Warum wollen die keine Frauen? Sind die, na du weißt schon ...?«

Amsel grinste, Rudi auch.

Ärgerlich verkniff sich Hermann einen weiteren Kommentar. Er würde schon noch genauer nachhaken. Beim Rudi. Mit dem konnte er so etwas besprechen.

»Damit du es besser verstehst«, begann Rudi erneut. »Diese Männer wollen ihr Leben allein gestalten und zurechtkommen. Das heißt ja nicht, dass sie keine weiblichen Kontakte haben. Sie können auch Besuch von Freundinnen, Geliebten, Exfrauen oder Töchtern bekommen, nur möchten sie nicht, dass eine Frau im Haus wohnt und dadurch ihre Gemeinschaft durcheinanderbringt.«

»Aha«, brummte Hermann. »Ist eine schöne Gegend, in der das Haus steht. Ich gehe da manchmal spazieren. Hier ballern sie inzwischen mit Pistolen rum.«

Abwechselnd erklärten Hermann und Amsel dem Rudi, was es mit dem »Ballern« auf sich hatte.

Rudi drängte Hermann, sich die Wohnung einfach nur mal anzusehen. Die Männer diskutierten über ein Für und Wider. Amsel legte sein Aufnahmegerät auf den Tisch und schaltete es ein. Damit hatte er sich offiziell für den Job als Kurzzeitbiograph entschieden.

Während Rudi fragte: »Was ist das?«, erhob Amsel sich, mitsamt Glas und einem letzten Schluck, und verkündete: »Ab jetzt nehme ich Hermanns Leben auf. Alles, was bis zu seinem Achtzigsten passiert.« Er wandte sich an Hermann, der ihn mit offenem Mund anstarrte. »Sieh zu, dass du umziehst und das Haus verkaufst.«

»Ich verkaufe nicht«, moserte Hermann. »Wie stellst du dir das vor?« Er guckte grimmig erst Amsel, und dann Rudi an. »Ich! Will! Das! Nicht!«

»Mann, in dieser Gegend! So eine Immobilie reißen sie dir aus der Hand. Dann biste flüssig, kannst in Ruhe umziehen und entrümpelst alten Kram.« Amsel nickte aufmunternd. Immerzu. Das sah nach zwei Minuten etwas dämlich aus.

»Hör auf mit der Nickerei«, sagte Rudi.

Hermann zog seine weißen buschigen Augenbrauen zusammen. »Es wird nicht entrümpelt. Aber in unserer Straße ist es nicht mehr richtig sicher. Nachdem gestern ...«

»Guck, schon haben wir was aus deinem Leben. Mach Notizen, wie besprochen, und gib sie mir jede Woche. Schreib alles in den Computer. Das geht schneller, ist einfacher und du schickst mir das Doc in einer Mail.«

»Du meinst, mein restliches Leben hat längst begonnen? Sozusagen der Countdown?«

»So ist es.«

»Gott, oh Gott. Wenn Paula das wüsste.«

Nach einer langen Pause fragte Hermann: »Nicht, dass ich es nicht kann. Aber es wäre ganz schön, wenn du mir das noch mal genauer zeigst. Mit dem Computer. Ich hab so ein altes Ding. Geht das mit dem überhaupt? Ich habe den schon länger nicht mehr benutzt.«

Hermann überlegte weiter. »Kommen in das Buch auch peinliche Sachen?«

»Wenn es sie gibt, warum nicht? So peinlich kann doch nichts mehr bei dir werden«, beruhigte Amsel.

»Ich weiß nicht ...« In diesem Moment hätte Hermann das Ganze gerne als Schnapsidee abgetan. Er hatte so ein Bild vor Augen: Jede Menge Leute, die vor seinem Haus mit dem Buch in der Hand standen und seine Unterschrift haben wollten. Über ihn lachten. Ihn Tag für Tag belagerten. Da kann ich ja noch nicht einmal anständig pinkeln gehen!

Nur war Hermann ein Mann des Wortes – er brach keins, dass er einmal gegeben hatte. Und neben Amsel war auch noch Rudi da. Zwei Zeugen sozusagen, zwei Zeugen seiner hirnverbrannten Buchidee. Und Paula war eigentlich die dritte Zeugin.

»Was meinst du dazu?«, fragte er inwendig.

Er lauschte, er hielt den Kopf schräg.

Aber Hermann hörte keine Antwort von Paula.

Kapitel 2

Hermann ärgerte sich, dass Rudis Vorschlag sich wie ein Parasit in seinem Hirn eingenistet hatte, und der Gedanke an jene Wohnung im Auenwald beschäftigte ihn viel zu sehr. Lange genug hatte er sich Rudis Versuch, ihn zu begeistern, angehört. Werden die Auenwald-Bewohner ihre Wohnung nicht los? Hat die Macken? Bestimmt. Und ich soll dafür herhalten? Auch die Aussicht aufs Packen und einen Umzug war für ihn eine mittlere Katastrophe. Nicht, dass Rudi in meinem Namen eigenmächtig agiert! »Ich hab‘ doch hier eine Menge Platz«, sagte er zu der Jacke und dem dicken Schal an der Garderobe. »Warum sollte ichallesverkaufen? Nun sag doch auch mal was, Paula!« Er bewegte die Jacke hin und her. »Nur, weil in unserer Straße einer durchgedreht ist und geschossen hat? Meinst du, so etwas passiert jetzt öfter? Und kannst du dir vorstellen, dass bei uns einer einbrechen könnte? Du hast immer Angst davor gehabt, aber sei ehrlich, nie ist was passiert. Dann ist es doch unwahrscheinlich, dass ab nun Durchgeknallte unser Viertel terrorisieren.«

Damit war das Thema für ihn erledigt. Eigentlich. Denn ihm war, als würde Paula nicht richtig zuhören. »Stell dich nicht an. Bei Veränderungen kneifst du wie immer. Guck dir die Wohnung an«, glaubte Hermann zu hören. »Dich stört doch der Autoverkehr. Immer wolltest du ruhiger wohnen, wenn du in Rente bist. Biste nun lange genug. Also mach hinne.«

Hermann horchte in sich hinein. Es kam nichts mehr. Aber er hätte gern Paulas Meinung zu dem Thema ausführlicher wahrgenommen. Und nicht so kritisch ihm gegenüber. Seufzend ging er durch den Flur, ins Bad, klopfte gegen die hellgrauen Fliesen, einst Sonderpartie aus dem Baumarkt, (so sahen sie auch aus) schloss das Fenster, dass auf Kipp war, und ging weiter ins Wohnzimmer. Nach oben, wo sich Schlafzimmer, einstiges Kinderzimmer und auch ein weiteres Bad befanden, mochte er nicht gehen. Da oben hing diese lähmende Stille, klebrig wie Fliegenfänger. Hermann begann zu pfeifen, um die schwer lastende Lautlosigkeit zu beenden. Die Töne klangen wie ein Schluchzen. Nach dem kleinen Rundgang stand er vor der Tür, die in den Keller führte. Dort hatte er seine Werkstatt eingerichtet. Er blieb, wo er war, er mochte nicht hinuntergehen, er hatte alles geschraubt, gehobelt, erneuert, all das, was zu tun war, wenn ein Tischler im Ruhestand seiner Frau imponieren wollte.

Ich könnte der Küche eine neue Arbeitsplatte verpassen. Über die alte hat Paula ewig geschimpft. Sie sei fürchterlich verhunzt. Ein Schwall Freude darüber, etwas tun zu können, wallte auf. Er dachte an Ahorn, das helle Holz hatte Paula gemocht. Er blickte in den kleinen, etwas dunklen Raum, der schrecklich aufgeräumt war. Der Glanz der Herdplatten, des Schnellkochers, der Küchenmaschine, der Schrankfronten war ein trauriger, ein nutzloser. Mit seinen kräftigen Fingern strich Hermann über die Arbeitsplatte, überlegte und dann fiel die Vorfreude auf einen Moment Arbeit wie ein Sommersoufflé in sich zusammen. »Was brauche ich eine neue Platte, Paula sieht sie ja doch nie mehr.« Seit Tagen schon hatte er sich morgens Brötchen aus der nahen Bäckerei geholt, Wurst und Käse im Supermarkt und über den Tag verteilt gegessen. Draußen, hinten auf der winzigen Terrasse, neben dem morschen Brett. Er wollte im Haus nicht krümeln. »Pass doch mal auf, jetzt muss ich schon wieder saugen.« In ihren gesunden Zeiten hatte Paula ihn manches Mal gescheucht. Er hatte ein paar Flusen auf dem Fußboden nicht schlimm gefunden und meist erwidert: »Die paar Krümel? Ist doch albern, komm zu mir und erzähl was Nettes.« Ihre Geschichten hatten ihn immer zum Lachen gebracht.

Die Küche, ja. Bis auf das Kaffeekochen hatte er sie seit der Beerdigung nicht genutzt. Hermann hatte die Fantasie verlassen. Er konnte sich nicht mehr vorstellen, etwas Leckeres zu kochen und sich zu verwöhnen.

»Lad Amsel und Rudi ein und mach mal was!«

Zum zweiten Mal an diesem Tag durchzog Hermann eine kleine Vorfreude. Er nahm seine Jacke und ging zu Amsel. Der war aber nicht da, und sein Auto auch nicht. Er wollte nicht umsonst gegangen sein, deshalb machte er sich auf den Weg zu Rudi, der erstaunt fragte: »Ist was, Hermann?«

»Was soll sein? Ich will kochen, nicht alleine essen, ich möchte Gesellschaft und du sollst mitkommen.«

»So auf die Schnelle? Hermann! Das wird nix. Was ist in dich gefahren?«

»Um sieben bei mir!«

Und ehe Rudi etwas erwidern konnte, eilte Hermann zum Supermarkt.

Nach seinem Einkauf befiel Hermann eine lange versteckte Widerborstigkeit, sogar ein seltsamer Ärger auf Paula. Deshalb setzte er sich mit einer Flasche Bier und dick gebutterten Broten ins Wohnzimmer, aß, trank, rülpste und furzte, lachte zu laut, legte die Füße auf die Kante des Couchtisches und machte den Fernseher an.

Viel zu laut.

***

Etwas braten oder im Backofen grillen, das war Hermann fürs erste zu viel. Allein der Gedanke daran überforderte ihn. Während des Einkaufs war es, als würde ihn Paula in die Obst- und Gemüseabteilung führen. Bis zuletzt war das ihre bevorzugte Abteilung gewesen. Hermann griff mit sicherer Hand zu, wo er sonst sehr lange vor jedem Artikel zögerte und überlegte.

Zufrieden kam er nach Hause. Vor seiner Tür stand eine Frau, die er vom Sehen kannte. Die war auch auf Paulas Beerdigung gewesen.

»Ja?«, fragte er.

»Ich wollt‘ Sie mal fragen, ob Sie vermieten tun.«

»Warum das denn?«

»Ich will nicht zu meiner Tochter nach Berlin ziehen. Ich will in Ostwestfalen bleiben, lebe doch schon so lange hier.« Sie atmete tief durch. »Also, ich will mich kleiner setzen. Und da Sie doch inzwischen allein sind und man als Frau ja wissen tut, dass Männer alleine nur rumölen, also, da könnte ich Ihnen doch den Haushalt machen. Und dafür bräuchte ich keine Miete zahlen tun. Na?«

Erst wollte Hermann nach ihrem Namen fragen. Aber er war so sprachlos über diese Offerte, dass er die Frau nur anstarrte.

Das Anstarren schien sie anders aufzufassen. Sie begann mit einem Augenaufschlag von unten nach oben. »Ich bin doch auch sehr allein!«, hauchte sie und legte bedeutsam die Hand auf ihr üppiges Herzfleisch.

Hermann staunte und wandte verlegen den Blick ab. »Ich vermiete nicht und ich komme ausnehmend gut allein zurecht«, versuchte er, höflich zu reagieren. Ihm war auch, als wäre Paula dazugekommen, die warnend den Kopf schüttelte.

»Ich muss jetzt kochen, ich bekomme Gäste«, sagte er mit wichtiger Miene, schloss die Tür auf und verschwand blitzschnell dahinter.

In der Küche packte er alles aus, sah durch das Fenster, wie die Frau immer noch in seinem Eingang stand. »Nein, nein, nein«, beschwor er seine aufflammende Gutmütigkeit.

Sein Vor-sich-hin-Pfeifen beim Säubern des Rucolas hörte sich fröhlicher an als noch vor ein paar Stunden. Erleichtert hörte er, am Klackern der Schuhe, dass die Frau nach einigen Minuten ging.

Schwungvoll mixte er Rucola, Cocktailtomaten, Mango, Gurken und grünen Salat mit Walnusskernen, und machte dazu ein Dressing aus Balsamico-Essig und Honig. Es ging ihm so leicht von der Hand, es war, als ob er jeden Tag so etwas machen würde. Hermann probierte und konnte kaum fassen, dass es schmeckte. »Danke!«, flüsterte er. Der Dank galt Paula. Jetzt überlegte er, wie sie das mit dem Weißbrot immer gemacht hatte.

Rudi kam pünktlich. Verblüfft blickte er auf den Salat, staunte auch über das geröstete Weißbrot, den Bergkäse, den Ziegenkäse mit Thymian und den Schweizer Hartkäse. Rudi war auf Fleisch programmiert, eine Bratwurst hätte ihm auch gereicht, aber er verkniff sich jede Bemerkung, die in diese Richtung ging. Er sagte auch nichts über verschüttetes Olivenöl auf dem Fußboden, über Rucola-Blätter auf Hermanns ausgebeulter Jeans, und nichts zum Pullover, den Hermann schon seit Ewigkeiten trug. Er sagte nichts zu verstreutem Pfeffer und dass der Käse zu schwitzen begann, weil Hermann ihn nicht kühl gestellt hatte. Dass es in der Stadt einen Kochkurs für Senioren gab, verschwieg er auch. Die meisten Männer über Siebzig können nicht kochen. Insofern war Hermanns Werk eine Meisterleistung. Rudi machte den Freund nur darauf aufmerksam, dass sich ein fetter schillernder Brummer auf dem Salat niedergelassen hatte, und fragte: »Wirst du Vegetarier?«

»Wie? Willste die Fliege? Dann pack sie dir«, ranzte Hermann. Im Geheimen hätte er jetzt gern einen Sauerbraten gehabt. Aber er schaffte es, sich zusammenzunehmen. »Du solltest auch mal was Gesundes essen!«, sagte er und blickte demonstrativ auf Rudis Fettdepot in Magenhöhe. Dabei übersah er sein eigenes Polster für Notzeiten. »Käse und Wein haben Paula und ich oft in der Toskana gegessen«, fügte er hinzu und setzte sein Besserwisser-Gesicht auf.

»Gesund ist selten lecker«, murmelte Rudi und unterdrückte ein breites Grinsen, was ihm nicht gelang.

»Kannst ja mal überlegen, wie viele Tiere du in deinem Leben schon gegessen hast!«, moserte Hermann.

»Werd nicht komisch. Bisher hast du äußerst gerne Fleisch gegessen. Ich sage nur Rouladen! Bratwurst! Sauerbraten! Na? Erinnerst du dich oder ist Herr Alzheimer schon zu Besuch?«

Die Stichelei überhörte Hermann, aber sein Esszentrum schaltete sofort auf »Fleisch«. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Er blies die Wangen auf und kollerte: »Du bist so einen fiesen Möpp! Weißt genau, dass ich so was nicht kann. Höchstens, allerhöchstens ein Kotelett, und das wird bei mir eher eine Schuhsohle. Setz dich, iss und sei friedlich!«

Die Männer sahen sich empört an, wollten lospoltern, aber entschieden sich, zu lachen und konnten lange nicht damit aufhören.

Sie blieben in der Küche, krümelten, tranken einen schlichten italienischen Roten und endlich war Hermann zufrieden. Für heute. Sie trauerten um ihre weniger werdenden Haare, lästerten über ihre Pfunde, die sich angesammelt hatten. Sie dachten wehmütig an vergangene Lieben, an das, was ihnen geblieben war und tranken ihr Alleinsein für einige Stunden weg. Jetzt war Hermann auch bereit, dem Freund wegen der Wohnung am Auenwald noch einmal zuzuhören.

Rudi legte erneut die Zündschnur. »Falls du es noch nicht wissen solltest, ich werde auch in dem Haus wohnen. Schon in zwei Wochen ziehe ich ein. Ich bekomme Heiners Wohnung, der geht in das Pflegeheim da ganz in der Nähe. Geht leider nicht mehr anders mit ihm. Er will es auch so.«

»Pflegeheim? Wenn es nicht mehr geht, schieben die ihre Leute dahin ab?«, empörte sich Hermann.

»Hör auf, der Heiner hat es so gewollt. Also, hast du gehört, dass ich dahinziehen werde?«