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Grubengespenster, Werwölfe, Hexen ... Tauchen Sie ein in die Sagenwelt des Ruhrgebietes: ein Buch über Grubengespenster und Heilige, über Werwölfe und Opfersteine, über Windmüller und verfeindete Ritter, über Schildbürgerstreiche und verborgene Schätze, über zänkische Bäcker und hartherzige Weiber, über Zwerge und Wichtel, über tanzende Hexen und den Teufel selbst ... Sagenhaft mehr als 100 Sagen und Legenden bietet dieses neue Werk!
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Seitenzahl: 214
Vorwort
I. Das Ruhrgebiet – Land der Flüsse, Burgen und Legenden
1. Leben an der Ruhr vom Mittelalter bis heute
II. Einige typische alte Gerichte
2. Vor dem Lesen soll man lecker essen…
III. Von Werwölfen, die sich in Schwerte, Bochum und anderswo an der Ruhr tummelten
3. Der Werwolf von Ergste
4. Werwölfe im Bochumer Osten
5. Die verhexte Liebschaft
IV. Eine Stadt am Fluss – Mülheim an der Ruhr
6. Der Schatz auf Birkhofs Weide bei Mülheim
7. Der Grenzsteinversetzer von Dümpten
8. Der Name Styrum
9. Der Städtekrieg mit Ruhrort (Mülheimer Fassung)
10. Die Geister in der Matthiasnacht
11. Die Geisterandacht
12. Der Bopp von Broich
13. Die Eichensaat
14. Prinzessin Luise auf Burg Broich
15. Der grausame Schlossherr
16. Die Sage von dem Fräulein von Rodenschild
17. Die geheime Richtstätte zu Horst
V. Über Grubengespenster, Heilige und umgedrehte Köpfe in Essen
18. Das Grubengespenst von Kupferdreh
19. Der Name Baldeney
20. Der Name »Werden« und die Gründung der gleichnamigen Abtei
21. Der umgedrehte Kopf
22. Der Untergang der Neu-Isenburg
23. Die schlafenden Jungfrauen
VI. Von Opfersteinen, der Pest und Schön-Elsken
24. Der Pestbalg zu Bottrop
25. Der ›Pestbote‹ bei Hagen
26. Der Opferstein auf dem Donnerberge in Bottrop
27. Die weiße Frau von Haus Dahlhausen
28. Die Jobsiade und der Kortum-Brunnen
29. Der Horkenstein
30. Die Düwelsteene
31. Die Kapelle zum heiligen Ägidius an der Kluse bei Baldeney
VII. ›Op der Mutte‹ und des Bergmanns unterirdische Welt
32. ›Op der Mutte‹ – das älteste Steinkohlenbergwerk an der Ruhr
33. Steigerlied: Glück auf!
34. Der Bergalte von Dahlhausen
35. Zeche Radbod (Ein Nachtstück)
36. Der Teufel als Lehrhauer
VIII. Von Windmüllern, verfeindeten Rittern, Weckenteig und anderem Allerlei
37. Der schlaue Müller
38. Warum die Hasen so lange Ohren haben
39. Die drei Krähen im Wappen der Langendreer
40. Der Schatzgräber von der Grimberger Blitzkuhle
41. Pflugräder aus Weckenteig
42. Asciburgium, die Schifferstadt
IX. Schildbürgerstreiche und Wandersagen
43. Wie ein durchreisender Landstreicher den Bürgern riet, das Tageslicht in ihr Rathaus zu bringen, und sie betrog
44. Die Bürger werden der Ursache der Finsternis in ihrem Rathause endlich inne und schaffen selbige ab
45. Die Bürger besäen einen Acker mit Salz, dass es wachsen solle
46. Wie einiges Vieh auf den Salzacker gekommen ist und wie selbiges fortgetrieben wurde
47. Wie das Salz gewachsen und reif geworden ist und die Bürger es nicht abschneiden konnten
X. Burgen, Geister und Schätze zwischen Hagen und Iserlohn
48. Die Sage vom Schatz im Raffenberge
49. Die Stunenburg und der Frauenstuhl
50. Der Alte in Hagen
51. Hol über!
52. Der Bockskamp
53. Nachtgeist zu Kendenich
54. Die weiße Jungfrau von Elsey
55. Die Familie Hackenberg
56. Der Goldberg bei Hagen
XI. Zänkische Weiber, hartherzige Bäcker und Wundertropfen in Dortmund und Umgebung
57. Der hartherzige Bäcker von Dortmund oder Brot zu Stein
58. Die Strafe der zänkischen Weiber zu Dortmund
59. Die wunderbare Errettung von Dortmund
60. Der Fluch des Bischofs
61. Die Wundertropfen zu Lünen
62. Bruder Guardian und die Chorstühle in St. Agnes zu Hamm
63. Das Neunuhrläuten in Hamm
64. Die Gotteslästerer in Körbecke
65. Johann mit den Bellen
66. Der unheimliche Wallmeister von Recklinghausen
67. Die weißen Jungfern bei Recklinghausen
XII. Kreuz und quer, von Castrop und Rauxel bis Hünxe
68. Von der ›Klockenkuhle‹ und dem ›Hexenänneken‹
69. Das goldene Pferd
70. Des Teufels Leibzucht
71. Das Marweib zu Ickern
72. Das Marienbild zu Neviges
73. Der Ritter mit dem eisernen Halsband
74. Der Burggraf von Dahl
75. Jan Frithoff
76. Das Kruzifix in Stromberg
XIII. Der Weg zur Hölle, Schwurfinger und Burgen zwischen Rhein, Ruhr und Wupper
77. Der Hellweg bei Ispey
78. Der vergrabene Schatz
79. Die Sage von den Glassteinen
80. Der Höllenhund in der Hohen Mark
81. Die Lilie zu Kamp
82. Das glühende Gespann an der Fossa Eugeniana
83. Nibelung von Hardenberg und der Zwerg Goldemar
84. Riesen an der Ruhr
85. Der hilge Pütgen
86. Die Wolfs- und die Feeneibe zu Dahlhausen
87. Schwurfinger wachsen aus dem Grabe
88. Der Kleine zu Remscheid
89. Die Sagen vom Deesenberge
XIV. Von Schanhollen, Hollen, von Zwergen und Wichteln
90. Die Schanhollen
91. Schanhölleken in Germinghausen
92. Der Schuster und das Schanhölleken
93. Der Bauer mit dem Schanhölleken im Bett
94. Das Wunderöl
95. Das Zwergjunkerlein an der Kohlfurt
96. Die dankbare Zwergin im Isholz
97. Der Deichzwerg
98. Heinzelmännchen in Schelsen
XV. Wo der Teufel ist, sind tanzende Hexen nicht weit
99. Das Hexenbeschwören
100. Hexentanzplätze
101. Die Hexentaufe bei Steele an der Ruhr
102. Das verwünschte Schloss
103. Teufel als Raben
104. Der Teufel als Oheim
105. Der eingesperrte Teufel
106. Der in der Luft fahrende Kärrner
107. Der Wasserteufel bei Altenberg
108. Die Hexen von Speldorf
109. Die Hexenrache
110. Der Teufel auf der Zeche
111. Der Teufel in der Kirche zu Unna
112. Der Teufelsstein zu Erle
113. Der Teufel und der Schuster
114. Das Mädchen, das eine Hexe war
Verwendete Quellen und Urtexte von in diesem Band vorgestellten Sagen und Legenden
Die Städte und Dörfer, Burgen und Schlösser entlang der Ruhr haben bis in die heutige Zeit ihren Schatz an alten Geschichten und Sagen bewahrt. So viele Mythen und Legenden gibt es hier, die gepflegt, weitergegeben und neu erzählt werden. Seien es die Sagen über Raubritter auf ihren Burgen oder über das erste Bergwerk, seien es die Geschichten von versunkenen Schlössern, die von machthungrigen Schlossherren bewohnt waren. Und so manches Gespenst spukt immer noch, wie das Stollengespenst in der Zeche Vereinigte Himmelsfürster Erbstollen bei Essen. Eine weiße Jungfrau seufzt in Elsey am Brunnen auf dem Kirchplatz herzzerreißend. Schanhollen (Zwerge) halfen den Bauern und auch der Teufel war nicht untätig und machte sich mit allerlei Seelengeschäften und Getöse bemerkbar. Geschichten über Hexen habe ich ebenfalls gefunden, so manche mit fantastischen Elementen und Übernatürliches gibt es auch.
Die durchweg altertümliche Lesart habe ich behutsam modernisiert und der heutigen Sprache angepasst. Etliche Geschichten habe ich neu erzählt. Die Quellenangaben finden Sie am Ende des Buches. Neben den Sagen längst verstorbener Autoren und Heimatdichter fühle ich mich den Sagensammlungen von Dirk Sondermann verpflichtet. Ihr reichhaltiger Fundus war für meine Arbeit von großem Wert. Auch danke ich Bettina und Christian Klusemann, die mir einen Teil ihrer Familienchronik zur Verfügung stellten – ein Bonbon, das mir half, die Sage »Die Kapelle zum heiligen Ägidius an der Kluse bei Baldeney« großzügig ergänzen zu können.
Die vorliegende Sagensammlung ist sicher für die Bewohner des Ruhrgebiets besonders interessant, ging doch am 21. November 2018 eine Ära zu Ende – auf dem Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop wurde die letzte Steinkohle gefördert. Vielleicht liest manch einer mit Wehmut die Sage über »›Op der Mutte‹ – das älteste Steinkohlenbergwerk an der Ruhr« oder singt die allerletzte Strophe vom »Steigerlied«, gefunden in einem alten Kohlenkasten: »Glück auf / Glück auf / kein Steiger kommt / denn der letzte hat das Licht ausgemacht / denn der letzte hat das Licht ausgemacht / jetzt ist Ruhe im Schacht / ist Ruhe im Schacht.«
Und zu guter Letzt schickte mir mein Autorenkollege Horst-Dieter Radke noch den ›Senf‹ von seinem ›Hebbert‹, als ich gerade fertig geworden war: »Weisse«, sacht Hebbert zu dem Koczinski aus Gelsenkirchen, »weisse, der Pott is ja nun mal so ein Konglomerat von allet Möglichen aus so vielen Ecken, dat dat allein schon sagenhaft is. Jeder, weisste ja, hat wat zu azählen. Un eina azählt dat anners als der vorherige. Da kommt so manch’ Dönekes zusammen. Un siehste, da kannze gleich ein Sagenbuch zusammenstellen …«
Monika Detering
Viele Flüsse durchziehen das Land zwischen Wesel, Recklinghausen, Hamm und Hagen bis Mülheim. Namensgeber des Ruhrgebietes aber ist die Ruhr, so nehme ich sie stellvertretend für alle Flüsse in dieser Region.
Die Ruhr, ein windungsreicher Fluss, entspringt bei Winterberg, an der Stelle, wo der Ruhrkopf liegt, fließt weiter in Ost-West-Richtung und wird von beiden Seiten durch die Gebirgszüge des Rheinischen Schiefergebirges begrenzt, fließt auf Arnsberg zu und wird auf dem Weg von kleinen Gebirgsflüssen gespeist. Bei Wickede knickt sie gen Westen ab und rauscht an Fröndenberg, Menden, Holzwickede, Iserlohn und Schwerte vorbei, windet und kurvt sich um die südlichen Stadtteile von Dortmund und passiert den Hengstey- sowie den Harkortsee. In Duisburg-Ruhrort mündet die Ruhr in den Rhein.
Im Mittelalter schützte die Ruhr die Anwohner vor militärischen Angriffen. Die Übergänge an den Flüssen, die sich an den Handelsstraßen zwischen dem Bergischen Land und der Hellwegzone befanden, mussten unangreifbar gemacht werden. So wurden an den Hängen des Ruhrtals Burgen und Adelssitze erbaut. Sehr bekannt ist das Schloss Broich, das wohl die älteste erhaltene Bastion aus der Karolingerzeit ist. Als die Wikinger 883 Duisburg eroberten und ihr Winterlager aufschlugen, ließ zeitgleich der ostfränkische Herzog Heinrich ein Sperrfort bauen. So sicherte die Burg den Fluss und den Hellweg. Letzterer war einer der wichtigsten Verkehrswege im Mittelalter. Schon im Frühjahr 884 konnte Heinrich mit seinen Soldaten die Wikinger aus Duisburg vertreiben. Somit war es mit der Bedrohung vorbei, die Anlage wurde aufgegeben und erst am Ende des 11. Jahrhunderts durch die Edelherren von Broich neu genutzt: Sie wurde wiederaufgebaut und vergrößert und erlebte im Laufe der Jahrhunderte eine wechselvolle Geschichte. In der heutigen Zeit wird das Schloss für städtische Repräsentationszwecke genutzt, es kann auch für private Feiern gemietet werden. Der Geschichtsverein und das Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr betreuen eine historische Ausstellung, die im Hochschloss als Teil des dezentralen stadthistorischen Museums präsentiert wird. Schloss Broich mag so als Beispiel für die Nutzung weiterer Burgruinen stehen – wie auch in Dortmund die Hohensyburg, in Wetter die Burg Wetter und die Burg Volmarstein, in Witten das Schloss Steinhausen, die Burg Hardenstein und die Isenburg, in Essen die Burg Altendorf und die Neue Isenburg sowie in Mülheim das Schloss Styrum und etliche mehr.
Und auch für einige Handwerke war der Fluss von Nutzen, so war Mülheim an der Ruhr schon um 1650 für seine Lederherstellung bekannt. Als in der Nähe des Flusses die erste Kohle gefunden wurde, die man zudem gut fördern konnte, da sie nicht zu tief lag, wie dies in anderen Gegenden der Fall war, siedelten sich schnell Industriebetriebe an. So wurde die Ruhr schon im 18. Jahrhundert als Transportmittel genutzt und war Deutschlands meistbefahrener Fluss.
Der Fürst Pückler-Muskau schwärmte im Jahr 1826 von dem Ort Steele bei Essen: »… Jedes Dorf umgibt ein Hain schön belaubter Bäume, und nichts übertrifft die Üppigkeit der Wiesen, durch welche sich die Ruhr in seltsamsten Krümmungen schlängelt. Ich dachte lachend, dass, wenn einem prophezeit würde, an der Ruhr zu sterben, er sich hier niederlassen müsse, um auf eine angenehme Weise diese Prophezeiung zugleich zu erfüllen und zu entkräften …«
Noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren die Städte nur durch bescheidene Wege miteinander verbunden, aber die Orte des Ruhrtals wurden als Kornmärkte zwischen dem landwirtschaftlich genutzten Raum um den Hellweg und dem Eisen verarbeitenden bergisch-märkischen Raum geschätzt.
Die Eisenbahn löste in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Ruhr als bevorzugten Transportweg ab. Fabriken entstanden und immer mehr Schiffe fuhren, sodass Abwasser den Fluss stark verschmutzte und dieser zur Trinkwassergewinnung nicht mehr zu gebrauchen war. Es entstanden Kläranlagen und Wasserwerke.
Aber Wanderer finden auch heute noch im Ruhrtal schöne Wiesentäler und können getrost darauf vertrauen, dass ihnen dort nichts geschieht. In der Vergangenheit lauerten hier allerdings Räuber, die die Mülheimer Bürger allzu gerne ausraubten.
Heute ist das Ruhrgebiet mit rund 5,1 Millionen Einwohnern und einer Fläche von 4 435 Quadratkilometern der größte deutsche Ballungsraum. Mit seinem dicht besiedelten Umland und den Ballungsgebieten an der Rheinschiene, die weit bis in die Kölner Bucht hinein reichen, bildet es die Metropolregion Rhein-Ruhr, in der auf einem Gebiet von rund 7 000 Quadratkilometern etwa zehn Millionen Menschen leben.
Ein sehr altes Gedicht erzählt von der Ruhr:
O Ruhr, die aus Westfalens Forst
Den Jagdhund erst getränkt!
O Ruhr, auf die vom Uferhorst
Sich Rheinlands Habicht senkt!
Das wilde Pferd aus Duisburgs Busch,
Dem schlanken Hirsch verwandt,
Noch unlängst kams mit raschem Husch
Nach deiner Flut gerannt.
Auch in Dortmund gibt es ›Westfälischen Panhas‹, der regional unterschiedlich zubereitet wird. Ich fand dieses alte traditionelle Gericht im Kochbuch von Henriette Davidis von 1879 (Praktisches Kochbuch für die Deutschen in Amerika: zuverlässige und selbstgeprüfte Anweisungen zur Bereitung der verschiedenartigsten Speisen und Getränke, zum Backen, Einmachen u.s.w.):
Rindfleischwurst. Rindfleisch wird sehr weich gekocht, das beste Fleisch von Haut und Sehnen befreit und ganz fein gehackt. Dann gibt man fette, kräftige Fleischbrühe, Salz, Muskat und gestoßene Nelken dazu. Hat man Rollenbrühe, so gibt diese derselben einen angenehmen Geschmack. Die Masse muss nicht zu mager, recht saftig sein. Man füllt sie in dünne Rindsdärme, kocht sie ¼ Stunde in Brühe, legt sie 5 Minuten in kaltes Wasser und hängt sie völlig erkaltet an einen luftigen Ort.
Anmerkung: Diese Wurst wird vorzüglich fein und saftig, wenn man zu einem Pfund gehacktem Fleisch gut drei Unzen altes Weißbrod ohne Rinde, in heißer Fleischbrühe eingeweicht, und gut drei Unzen geschmolzenes Rindermark nimmt. In Ermangelung desselben kann man auch gekochten, feingehackten frischen Speck nehmen.
Rezepte aus der heutigen Zeit mit Knochenbrühe, Schweineblut und Buchweizenmehl kennen Sie sicher selbst.
Ebenso fand ich Pfefferpotthast, der schon im Jahr 1378 erstmalig in Dortmund in dem Bericht über Agnes von der Vierbecke erwähnt wurde. »Pfeffer«, »Pott« und »Hast« – diese Wörter ergeben den Namen. Hast steht dabei für das Stück Rindfleisch, das natürlich in den Pfefferpotthast gehört, Pott sagt aus, dass eben nur ein Topf für das Gericht benötigt wird, und aller Wahrscheinlichkeit nach deutet »Pfeffer« auf eine kräftig gewürzte Brühe hin.
In Henriette Davidis Kochbuch steht dazu:
Pfeffer-Potthast. Hierzu werden hauptsächlich die sogenannten kurzen Rippen genommen, solche in ½ Hand große Stückchen gehauen, in nicht zu reichlichem Wasser und nicht zu vielem Salz ausgeschäumt. Dann fügt man so viel klein geschnittene Zwiebeln dazu, dass die Sauce dadurch sämig wird, gibt reichlich Pfeffer und Nelkenpfeffer (ungestoßen), einige Lorbeerblätter und späterhin auch einige Zitronenscheiben hinzu. Sollte der Sauce, welche zwar ganz gebunden, aber auch nicht zu dicklich sein darf, auch nach Pfeffer und Zitrone schmecken muss, noch Sämigkeit fehlen, so kann man zuletzt etwas feingestoßenen Zwieback gut durchkochen lassen. Fleischklößchen, in klarer Fleischbrühe oder gesalzenem Wasser gekocht, beim Anrichten ins Ragout gelegt, machen dies Gericht noch angenehmer. Es werden gekochte Kartoffeln dazugegeben.
In Mülheim wird gern auf alte Rezepte zurückgegriffen. Da gibt es das Mölmsche Gericht ›Schniedeskurraasch‹, das im Hochdeutschen vielleicht »Schneiders Courage« heißen würde oder ganz simpel eben »Bohnen-, Möhren-, Kartoffeln-Durcheinander«. Aber ›Schniedeskurraasch‹ hört sich sehr viel fantasievoller an.
›Jan em Saacke‹, da stellt man sich so manches vor, es ist aber eine cremige Kartoffelsuppe mit Graupen und Trockenobst.
Die Gelsenkirchener kennen sicher den ›Schlodderkappes‹, ein Reviergericht aus Spitzkohl und Kartoffeln mit frischer Bratwurst oder ›Kuschelmusch‹, einen Auflauf mit Fisch, Meerrettich und so manchen Resten aus der Küche.
Vor dem Lesen der Sagen und Legenden sei hier, stellvertretend für alle Orte im Ruhrgebiet, noch folgendes Lied vorgestellt:
Frete mack Spaass
Wat sölle wei vamiddag eete?
Ssu fröög et morges Mann un Frau!
Et Eete derf me nee vercheete
ssö-ös schleit dä Mage fies Radau!
Drüm schäpp ick ouk wat Leckres op
in Mölm, in Stirm un Speilerop,
in jeder Stroote Düar an Düar,
Mag jeder chään, wat ick ssett vöar!
Wie lecker schmack dä ssuure Kappes
mit vier, fief Eele Mettwoas drin.
Dat üss gewees en dumme Lappes,
dän do nee ees en Kuh häut drin!
Un Rubbedubbedub off Hammeleck,
un Ertessupp mit Ferkes-Speck,
do itt me meistens ssich de baas:
Joo Keiner, freete dat mack Spaass!
Ouk Steelmoos üss en nette Ssaake,
et stink zwar, kümb et ut däm Faat.
Merr mutt me ssich dodrut nicks maake,
et schmack, et üss en wahre Staat!
Dä Chird un Hinnerk, Wimm un Jan
verschlinge öahren Hinkemann!-
Bei ssu‘n Gemöös schmack wirklich chutt
en Stückske van‘ne Ferkesfutt!
Et Ssunndags, do kümb meistens Broode
un Ssupp un Erple op dä Deesch.
Dat üss in Mölm ssu einmool Moade,
chrad ees Karfriedaags mit Stockfeesch.
Dat Fleisch üss meis van Kuh un Kalv,
merr ouk van Lukas half un half,
dän leewert ouk manch Pöölsche mit,
dän ees op Padsfleisch heet AppŽtit!
Schniedeskurraasch un Jan im Ssacke,
fehlen op keinen Huusmannsdeesch.
Ouk Pannekooke bruun gebacke
un Erpelschloot off bleine Feesch!
Kannmilk Pannas off Uffelte,
dat chiff et dückes tum ›Ssupee‹,
ouk Pullewoos un Weck un Ei
un noch der Ssaake mancherlei!
Es wird zur Melodie von »Was blinkt so freundlich in der Ferne?« gesungen. Der Text stammt von Hermann Falkenburg.
In diesem Lied steckt die Mölmsche (Mülheimer) Speisekarte. Da gibt es ›Hammeleck‹, eine Kartoffel-Gemüsesuppe, oder auch die bereits vorgestellten Gerichte ›Schniedeskurraasch‹ und ›Jan im Ssacke‹. ›Bleine Feesch‹ sind rohe Bratkartoffeln; ›Kannmilk‹, natürlich, das ist Milch, frisch von der Kuh; ›Uffelte‹ sind Kartoffelpuffer, ›Pullewoos‹ heißen hier Würstchen, ›Choos‹ ist eine Gans. ›Schafau‹ nennt man den Kohl, ›Lukas‹ steht für den Mülheimer Pferdemetzger und ›Pöölsche‹ ist eine Portion.
Zum Nachtisch gibt’s Geschichten.
Es ist schon über dreihundert Jahre her, da streunte ein Werwolf durch das Dorf Ergste. Mit dem Teufel hatte er sich verbündet, konnte sich in allerlei Gestalten verwandeln und verübte boshafte und gefährliche Streiche. Er hatte ein großes Vergnügen daran, sich in einen Wolf zu verwandeln, um dann Schafe, Kühe und anderes Vieh aus den Ställen und von den Weiden zu rauben und zu töten. Die Bauern fürchteten ihn sehr. Keiner aber konnte dem Werwolf etwas tun, denn der wurde durch den Teufel geschützt.
Wieder einmal war er in den Stall eines Bauern eingebrochen, um Schafe zu stehlen. Das sahen die beiden Söhne des Landmannes. Sie fürchteten sich nicht vor dieser bösen Kreatur. Der eine warf eine Schere und der andere ein Messer über ihn, immer kreuzweise, und sie fingen die Werkzeuge flink wieder auf, ehe der Werwolf sie packen konnte. Da war er gezwungen, seine natürliche Gestalt anzunehmen und auch, sich gefangen nehmen zu lassen. Man brachte ihn nach Limburg zum peinlichen Halsgericht1. Die Limburger Richter beschlossen, dass er in die Lenne geworfen werden solle. So würden alle sehen können, ob er ein Zauberer war: Bliebe er an der Oberfläche, war er ein Zauberer, sackte er auf den Grund des Flusses, müsste er von allen Vorwürfen freigesprochen werden. Lange Zeit hielt der Beschuldigte sich oben, tauchte nicht unter und der Richter sowie das gaffende Volk wollten ihn schon als Werwolf verurteilen. Da aber ersann er eine List. Er wandte sich an den Teufel und erbat sich flehentlich dessen Hilfe. Der Teufel half sofort. Er verwandelte eine Nähnadel, die der Angeklagte bei sich hatte, in ein schweres Beil, das ihn sogleich auf den Grund des Flusses hinabzog, wo er zu ertrinken drohte. Der Richter staunte, doch wurde ihm dadurch deutlich, dass dieser vermeintliche Werwolf wohl kein richtiger war. Dieser wurde also gerettet und der Richter gab ihn frei. Denn wäre er ein Wesen, das sich mit dem Teufel verbündet hätte, wäre er nicht untergegangen.
Aber danach trieb er es weiter wie zuvor. Die Bauern waren wütend, überfielen ihn, als er fest schlief, und zündeten ihn an. Als er erwachte, wollte er sich schnell verwandeln – doch es war zu spät und so verbrannte er elendig. Die Bewohner des Dorfes vergruben seine Asche weit außerhalb des Friedhofes. Aber hier spukt er Nacht für Nacht und jammert wie einer, der gerade brennt. Spazieren Sie einmal in der Nacht durch Ergste. Immer noch spukt hier der Werwolf und winselt gar fürchterlich.
Zu allen Zeiten hat der Werwolf den Menschen Angst eingeflößt: Ein zwitterhaftes Fabelwesen, das sich in einen Wolf und einen Menschen verwandeln kann. Und jedermann weiß, dass er sich mit dem Teufel verbündet hat. Schon im 16. Jahrhundert schrieb Olaus Magnus in seinem Werk Historia de gentibus septentrionalibus (»Geschichte der nördlichen Völker«), dass es im Norden sehr wohl Menschen gebe, die sich bei Vollmond in Wölfe verwandelten. Sie brächen ein und fräßen die Vorräte der Leute auf. An der Grenze zwischen ihrer eigentlichen Heimat Litauen und Kurland hätten sie wohl eine Mauer errichtet. Hier träfen sie sich jährlich und zeigten ihre Kraft dadurch, dass sie darüber sprängen. Wer zu fett sei, diese Probe zu bestehen, werde von den übrigen ausgelacht. Adlige und Vornehme gehörten ebenfalls zu ihnen. Kurze Zeit darauf würden sie sich wieder in normale Menschen zurückverwandeln.
Es gibt Geschichten, die davon berichten, dass der Werwolf auch abgewehrt werden kann. Eine Variante besagt, dass, wenn ein Kind ein Stück Stahl über den Werwolf wirft und dieses auf der anderen Seite schneller auffangen kann als der Werwolf selbst, es der Gewinner dieses Zweikampfes ist. Schafft das Kind es nicht, das Stahlstück wieder in den Griff zu bekommen, so fällt es dem Werwolf zum Opfer und dieser lebt nach dem Zusammenstoß weiter.
Zur Zeit der Hexenverfolgungen wurden nicht nur Frauen, sondern auch Männer angeklagt, verurteilt und hingerichtet. Es waren häufig Hirten, die beschuldigt wurden, sich in einen Werwolf verwandeln zu können. In Bedburg bei Köln fand 1589 der bekannteste Werwolf-Prozess statt, den es in der Kriminalgeschichte gab: Peter Stubbe, auch Stübbe oder Stump genannt, wurde gemeinsam mit seiner Tochter und seiner Geliebten hingerichtet. Er soll mindestens dreizehn Kinder umgebracht und sich an zwei Mädchen vergangen haben, so lautete die Anklage. Offen bleibt jedoch die Frage, ob es sich hier um einen echten Werwolf-Prozess gehandelt hatte oder um ein inszeniertes Gerichtsverfahren, um sich damit des politisch unbequemen Mannes zu entledigen.
1»Peinliches Halsgericht«: So nannte man die Blutgerichtsbarkeit im 17. Jahrhundert, auch als »Recht des Schwertes« bekannt, ebenso als »Blutbann«, »Hochgerichtsbarkeit« (»Hohe Gerichtsbarkeit«), »Halsgerichtsbarkeit« oder »Grafschafts-/Vogteirecht«. Wenn eine Person wegen Mordes, Meineid, Ketzerei, Notzucht, Urkundenfälschung oder anderer Vergehen, die mehr als vier Silbergroschen wert waren, auffiel, tagte das peinliche Halsgericht. Der Deliquent wurde durch den Strick oder das Schwert getötet. Der Begriff »peinlich« bezieht sich auf »Pein«.
Man erzählte sich in Bochum, dass es in etlichen Orten, in vielen dunklen Winkeln gespukt habe. Da gab es den Mann mit dem Kopf unter dem Arm, da gab es Menschen, die sich in Tiere verwandeln konnten. Auch von Hexenplätzen war die Rede. Am häufigsten aber sprachen die Harpener vom Werwolf, den sie auch »Klüngelpelz« nannten.
An einem Abend unternahm der Berginvalide B. zusammen mit dem alten Dirkhinnerk Sch. eine Runde über die Felder, denn es gab dort Diebstähle und die wollten sie verhindern. Dabei kamen sie auch ins Harpener Bockholt. Nach einer kurzen Strecke sprang plötzlich ein Werwolf vom Baum herunter, dem Bergmann direkt in den Nacken. Voller Entsetzen und Furcht schrie dieser: »Dirkhinnerk, schlag ihn, so schlag ihn doch!« Dieser tat, wie ihm geheißen, traf den Werwolf jedoch nicht, denn dieser wurde durch geheime Zauberkräfte geschützt. Immer wieder versuchte er, diese unheimliche knurrende Gestalt zu treffen, aber mit einem Mal war der Werwolf verschwunden und ließ sich nicht mehr blicken.
Anderen erging es ähnlich. So um 1850 hatte der Bergmann Diedrich Sch. Schichtende auf der Zeche Präsident und machte sich auf den Heimweg. Er wohnte in Harpen. Als er in die Ladbecke kam, stand plötzlich eine Kreatur vor ihm. Sie sah wie ein großer Hund oder wie ein Wolf aus und wollte ihm auf den Rücken springen. Der Bergmann stand stocksteif da. Was sollte er tun? Da fiel ihm ein, dass ein gewisser Janhinnerk im Rufe stand, ein Werwolf zu sein. Sagte man nicht, die geheime Kraft eines Werwolfes weiche, wenn er mit Namen angerufen werde? So schrie er also, so laut er konnte: »Janhinnerk, Janhinnerk, bliv mi van de Hut!« (»Janhinnerk, bleibt mir von der Haut!«). Vergebens. Sofort sprang das schwarze Wesen auf ihn zu. Der Bergmann versuchte, sich mit seinem Stock zu verteidigen, doch der brach mit einem lauten Geräusch entzwei. Jetzt hatte Diedrich nur noch die Grubenlampe, mit der er sich wehren konnte. Damit schlug er wie besessen auf den Werwolf ein. Die Lampe traf den ledernen Gürtel, den das Tier um den Leib trug. Der Werwolfsgürtel sprang auf und damit war alle Zauberkraft verloren und der Spuk zu Ende. Vor dem höchst erstaunten Bergmann stand wirklich der so entlarvte Janhinnerk. Diedrich aber hatte ihm so schwere Wunden zugefügt, dass Janhinnerk lange krank war und Wochen später seinen Verletzungen erlag.
Auch in Harpen sollen die Werwölfe ihr Unwesen getrieben haben. Einer von ihnen saß abends am Steg, in der Nähe der St. Vinzentius-Kirche. Der Steg führte über den Bach ganz in der Nähe des Hexenplätzchens an der Wiescherstraße. Dort sprang ein Werwolf einem Mann auf die Schultern und ließ sich tragen, so lange, bis das Opfer nach Luft schnappte und der Schweiß ihm am ganzen Körper herunterrann. Selbst vor dem alten Kirchhof der Vinzentius-Kirche machten die Tiere nicht Halt und auch in der Grumme (oder Grume) wurden Werwölfe gesehen.