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Narzisstische Persönlichkeiten prägen unsere Öffentlichkeit und Gesellschaft – doch während Narzissmus ein viel diskutiertes Phänomen ist, weiß man kaum etwas über seine Entstehung. Etwa, ob es eine Erziehung gibt, die Narzissmus fördert. Eltern möchten einfühlsame, selbstbewusste Kinder – und fördern doch durch unbewusste Prozesse narzisstischen Charakterzüge. Der Psychologe und Bestsellerautor Roland Kachler zeigt auf, wie Kinder und Jugendliche zu kleineren und größeren narzisstischen Egos werden können. Und er gibt konkrete Hilfestellung, um diese Fehlentwicklungen zu verhindern oder umzukehren. Dabei fließen Erfahrungen aus seiner 25-jährigen Tätigkeit als Leiter einer Erziehungsberatungsstelle ein.
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Seitenzahl: 151
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Roland Kachler
Am besten ganz normal
Kinder vor Narzissmus schützen
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2019
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Sabine Hanel
Umschlagmotiv: © Bildnummer 500404593 (Getty Images)
Satz: Arnold & Domnick, Leipzig
E-Book Konvertierung: le-tex publishing services Gmbh; Leipzig
ISBN (E-Book) 978-3-451-81608-6
ISBN (Print) 978-3-451-60073-9
Inhalt
Narzissten und Narzisstinnen heute überall
Narzissmus: Zwischen Größenwahn und Minderwertigkeit
Was ist Narzissmus? Zwischen normalem Narzissmus und einer Störung
Was ist eine narzisstische Persönlichkeitsstörung?
Narzisstische Superkids – heute ganz normal?
Narzissmus – eine normale »Kinderkrankheit«?
Können schon Kinder narzisstisch gestört sein?
Was unsere Kinder narzisstisch werden lässt – ein Überblick
Was Sie als Eltern konkret tun können
Kinder zu sehr verwöhnen? Die Nahrung des kindlichen Narzissmus
Was Verwöhnung bedeutet – zu viel ist zu viel!
Warum verwöhnen wir unsere Kinder?
Wie die Verwöhnung den kindlichen Narzissmus füttert 46
Schlaraffenland und die Prinzessin auf der Erbse
Narzisstische Unzufriedenheit und Anspruchsdenken
Weniger ist mehr – Verzicht lernen
Kinder sind nicht nur Superkids
Zu viel Lob und Anerkennung – ein süßes narzisstisches Gift
Zu viel Bewunderung – unheimliches Treibmittel der Grandiosität von Kindern
Zu viel Lob und Bewunderung – das falsche Selbst entsteht
Warum Bewunderung die elterliche Liebe niemals ersetzen kann
Was Sie als Eltern konkret tun können
Kinder ganz oben auf dem Gipfel: Müssen unsere Kinder die Besten sein?
Du bist der Beste oder die Beste – Erziehung zur Grandiosität
Dir steht nur das Beste zu – Erziehung zum narzisstischen Egoismus
Grandios anspruchsvolle Eltern – grandiose narzisstische Kinder?
Wie aus den Superkids arrogante und rücksichtslose Kinder werden – und sie dabei einsam und unglücklich sind
Was Sie als Eltern konkret tun können
»Hier bestimme ich!«: Allmächtige Kinder auf dem Familienthron
Das Kind im Zentrum der Familie: Alles richtet sich nach dem Kind
Die kleinen großen Chefs der Familie
Warum es kein Märchen zu kleinen Tyrannen gibt?
Zu viel Macht macht Kinder riesengroß
Wie narzisstische Macht Kinder ungenießbar macht
Was Sie als Eltern konkret tun können
Wenn Kinder gebraucht werden – sehr wichtig und dabei doch überfordert
Kinder als Spiegel der Eltern – Kinder für den Narzissmus der Eltern
Kinder als Plombe für die Eltern – Kinder als Ausgleich für einen Mangel in unserem Selbst
Kinder als Helfer und Retter für die Eltern: Wenn Kinder zu früh erwachsen sein müssen
Kinder als Verbündete: Wenn Kinder uns Stärke verleihen sollen
Wenn Kinder gebraucht werden: Wie der Minderwertigkeitsnarzissmus entsteht
Was Sie als Eltern konkret tun können
Selfies, Handy, Internet und Co – Blow-ups für jugendliche Superkids
Selfies über Selfies – der moderne Spiegel für den Narzissmus der Kinder
Castingshows und YouTube: Wer ist die Beste, die Schönste … im ganzen Land?
Handy, Facebook, WhatsApp und Co: Die Illusion des Geliebtseins
Ego-Shooter und andere Spiele: Der Rausch der Selbsterweiterung und Allmacht
Machen die sozialen Medien unsere Jugendlichen narzisstisch?
Was Sie als Eltern konkret tun können
Pubertäre narzisstische Jugendliche – Macho-Jungs und Model-Mädchen?
Pubertäre Großartigkeit, Größenwahnsinn und Überheblichkeit – Abwehr der eigenen Minderwertigkeit
An Grenzen gehen und Grenzen austesten – das eigene Selbst spüren wollen
Zwischen Schönheits-OPs und Muckibude: Der Körper als narzisstischer Spiegel und Schaufenster des Selbst
Zwischen Macho und Model: Sexualität als narzisstische Macht
Was Sie als Eltern konkret tun können
Keine kleinen Narzissten – sondern starke und freundliche Kinder
Nicht narzisstisch, sondern freundlich
Der Begriff »narzisstisch« ist in aller Munde. Spätestens seit der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA. Auch wenn sich für Psychologen Ferndiagnosen verbieten, so fallen sogar Laien die ausgeprägten narzisstischen Züge in der Persönlichkeit des Präsidenten auf. Man kann sie gar nicht übersehen. Nicht wenige Psychologen attestieren diesem Präsidenten deshalb nicht nur einen ausgeprägten Hang zum Narzissmus, sondern eine ausgewachsene narzisstische Persönlichkeitsstörung. Er inszeniert sich ganz wie der bekannte Comicheld als »Superman«. Auch viele andere populistische Staatslenker scheinen Narzissten zu sein, und unter unseren eigenen aktiven oder ehemaligen Politikern finden sich ebenfalls genügend Narzissten. Nicht umsonst ist der eine oder andere Politiker zum vierten oder fünften Mal verheiratet, nicht umsonst scheinen die eigene Karriere und der eigene Vorteil an oberster Stelle zu stehen.
Aber auch Frauen erliegen dem Reiz des Narzissmus. So sonnen sich weibliche Filmstars und Filmsternchen, Modells und Dschungelcampqueens im Glanz der Bewunderung und dem Blitzlichtgewitter der Fotografen. Ihr Körper ist designed auf Wirkung, ihre Gesichter sind nicht selten das Produkt von chirugischen Eingriffen. Jede scheint im Spiegel der Eitelkeiten die Schönste im ganzen Land zu sein. Auf dem Laufsteg einer Heidi Klum werden die nächsten Modells und ihr Körper zur Schau gestellt. Die im Fernsehen zuschauenden jungen Mädchen sehen schon früh, wie toll es scheinbar ist, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der begierigen Augen der anderen zu stehen. Wundert es da, dass sie selbst zu Supergirls werden wollen?
Aber nicht nur die VIPs in den Medien, in der Politik und im Schönheitssalon, sondern wir selbst sind alle in den vergangenen 20 Jahren selbstbezogener geworden. Auch wir müssen uns in ein gutes Licht rücken, auch wir müssen uns gut darstellen, auch wir müssen uns gut verkaufen. Wir wollen und müssen mindestens gut, besser noch super sein. Unter »super« ist gar nichts mehr gut, nicht der letzte Urlaub, nicht das letzte Event und zuletzt auch wir selbst nicht. Wir selbst und damit unsere ganze Gesellschaft ist narzisstischer geworden. Dafür gibt es viele Hinweise und Untersuchungen. Gerade unter den heute 30-Jährigen sowie unter den heutigen Jugendlichen ist der Narzissmus zur zentralen Persönlichkeitseigenschaft geworden. Forscher in den USA bezeichnen diese Generationen deshalb als die generation me.
Nun stellt sich die beunruhigende Frage, woher diese Entwicklung kommt. Oder noch schärfer gefragt: Woher kommen die vielen Narzissten und Narzisstinnen? Vom Himmel werden sie nicht fallen, und allein die neuen Medien können auch nicht der Grund sein. Es wäre schlicht zu einfach, würden wir nur die narzisstisch gewordene Gesellschaft dafür verantwortlich machen.
Also müssen wir uns der Erziehung zuwenden, ja: der Erziehung unserer eigenen Kinder. Machen wir Eltern oder unsere eigene Erziehung unsere Kinder zu Narzissten? Wollen wir – vielleicht ganz unbewusst – Kinder, die toll, super und stark sind? Wollen wir – aber auch die Kinder selbst – Superkids, die einfach zu handhaben sind und die es im Leben selbst nur gut, also super haben sollen? Wollen wir selbst Supereltern sein?
Nun soll hier nicht wieder eine Elternbeschimpfung gestartet werden. Auch deshalb, weil wir Eltern keine narzisstischen Kinder wollen. Wir wollen liebevolle, aber eben auch selbstbewusste Kinder. Dennoch entwickeln sich dann wohl ungewollt und unbewusst Kinder und Jugendliche mit narzisstischen Zügen, die wir so nicht wollten und die uns auch nicht gefallen. Es muss also starke unbewusste Prozesse in unserer Erziehung und in unserer Einstellung geben, die unsere Kinder narzisstisch werden lassen.
Deshalb sollten wir als Eltern uns und unsere Erziehung selbstkritisch prüfen. Wir sollten als Eltern verstehen, wie unsere Kinder und Jugendliche zu kleineren und größeren narzisstischen Egos werden können. Und vor allem: Wir sollten auch verstehen, wie aus unseren Kindern selbstbewusste, aber einfühlsame Menschen werden können.
Kennen Sie einen narzisstischen Menschen? Auf diese Frage hin wird Ihnen vermutlich kaum ein Mensch in Ihrem Umfeld einfallen, den Sie eindeutig als narzisstisch bezeichnen würden. Das überrascht vielleicht, wenn die Diagnose stimmen sollte, dass es heute in unserer Gesellschaft viele narzisstische Menschen gibt. Doch bei genauerem Überlegen gibt es dafür verschiedene Erklärungen. Sie verkehren vermutlich nicht unter den Celebrities von Film und Mode, genauso wenig wie in den obersten Führungsetagen großer multinationaler Unternehmen oder in den Parteivorständen der wichtigen Parteien.
Bei allen anderen Menschen, übrigens natürlich auch bei uns selbst, sind narzisstische Tendenzen in aller Regel nicht so massiv ausgeprägt, sodass sie nicht sofort ins Auge fallen. Man braucht also schon einen geschulten Blick für narzisstische Persönlichkeitszüge anderer Menschen, aber natürlich auch für eigene narzisstische Tendenzen. Schon nach der Lektüre dieses ersten Kapitels werden Sie rascher narzisstische Menschen erkennen und vielleicht – auch wenn das ein wenig unangenehm ist – Ihre eigenen narzisstischen Anteile sehen können. Doch das ist gerade für Sie als Eltern wichtig, damit Sie diese eigenen Anteile bei der Erziehung Ihrer Kinder kontrollieren oder zurücknehmen können.
Es gibt noch andere Gründe, warum der Narzissmus anderer nicht sofort ins Auge fällt. Unter anderem deshalb, weil wir heute genau wissen, dass ein zu massiv gezeigtes narzisstisches Verhalten inzwischen nicht mehr gut ankommt. Gerade narzisstische Menschen sind sozial intelligent genug, um ihre narzisstischen Züge zu verbergen oder sie klug für sich einzusetzen, ohne dass dies zu sehr auffällt oder andere abstößt. Gerade in unserer heutigen Gesellschaft braucht man tatsächlich auch narzisstische Fähigkeiten, wie sich zum Beispiel ins rechte Licht zu rücken, sich charmant in den Vordergrund zu spielen oder sich bewundern zu lassen.
Wir haben es also mit vielen erfolgreichen Narzissten zu tun, die nicht negativ auffallen. Deshalb gibt es im Übrigen kaum Menschen, die eine psychotherapeutische Behandlung wegen ihrer narzisstischen Persönlichkeit brauchen. Nur wenn narzisstische Menschen zum Beispiel in ihrer Partnerschaft scheitern und sie in der Not einsehen können, dass ihr eigener Narzissmus am Scheitern beteiligt war, begeben sie sich – oft mit viel Widerstand – in eine Psychotherapie.
Schließlich zeigen sich narzisstische Züge sehr häufig erst in längeren Arbeits- oder Liebesbeziehungen. Vielleicht haben Sie erst nach einiger Zeit begriffen, dass sich eine Kollegin immer wieder in den Mittelpunkt stellt oder massiv nach Komplimenten fischt. Vielleicht haben Sie erst allmählich verstanden, dass hinter dem zunächst bewunderten Chef doch ein machtgieriger, auf sich bezogener Mensch steht. Narzisstische Züge von Menschen enthüllen sich oft erst allmählich. Dann aber sehr massiv – und sie können für die anderen mit großen Nachteilen und erheblichem Leiden verbunden sein.
Lassen Sie uns nun den Narzissmus und die Menschen, die ihn in sich tragen, genauer verstehen. Das ist wichtig, um die Gefahren einer narzisstischen Entwicklung unserer Kinder zu erkennen und ihnen rechtzeitig entgegenzusteuern.
Die Begriffe »narzisstisch« und »Narzissmus« werden unterschiedlich, manchmal in sehr verwirrender Weise gebraucht. Ich will versuchen, Klarheit in das Durcheinander der Begriffe zu bringen:
Der Begriff »narzisstisch« beschreibt zunächst einen wichtigen Aspekt unserer ganz normalen Entwicklung, die jeder von uns durchlebt. Jede und jeder von uns muss ein eigenes Selbst entwickeln und sich zu sich selbst verhalten. »Narzisstisch« beschreibt deshalb zunächst die ganz normale und wichtige Fähigkeit, uns als Selbst zu fühlen, uns auf uns selbst zu beziehen, uns selbst freundlich zu sehen und ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Diese narzisstische Entwicklung beginnt schon beim Säugling und geht dann über verschiedene Phasen bis zum jungen Erwachsenen. Sie werden hier in diesem Buch die aufeinanderfolgenden Phasen und Themen in der Selbstentwicklung kennenlernen.
Der Begriff »narzisstisch« beschreibt eine wichtige Persönlichkeitseigenschaft. Jede und jeder von uns besitzt diese narzisstische Seite. Jeder von uns muss sich seiner selbst bewusst sein und muss sich selbst lieben lernen – also eine ganz normale Selbstliebe entwickeln. Wenn diese Persönlichkeitseigenschaft im Rahmen bleibt, fällt sie nicht auf, ist aber für unser Selbstwertgefühl sehr wichtig. Sie kann allerdings so ausgeprägt sein, dass sie einen Menschen ganz beherrscht. Das bezeichnen wir dann umgangssprachlich als narzisstisch, oder wir nennen diesen Menschen einen Narzissten.
Der Begriff »narzisstisch« wird auch zur Beschreibung der narzisstischen Persönlichkeitsstörung benutzt. Die narzisstischen Seiten dieses Menschen sind dann so massiv, dass sie sein Denken und Fühlen beherrschen und den Blick auf sich selbst einschränken. Wir können hier von einem krankhaften oder pathologischen Narzissmus sprechen.
Das Problem liegt darin, dass zunächst nur die anderen Menschen, wie die Partner oder die Angestellten eines Chefs, unter dem Narzissmus dieser Menschen leiden. Die narzisstisch gestörten Menschen können mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung lange Zeit scheinbar gut leben.
Sie wissen sicherlich, woher der Begriff Narzissmus kommt: Sigmund Freud und andere vor ihm haben die griechische Sage von Narziss aufgegriffen, um die Entstehung des Narzissmus, also der übermäßigen Selbstliebe, zu beschreiben und zu verstehen.
Narziss – der Junge, der im eigenen Spiegelbild ertrinkt
Narziss wird von der Wassernymphe Leiriope geboren. Der Seher Teiresias weissagt, dass Narziss nur alt werde, wenn er sich nicht selbst erkennen würde. Narziss wächst heran und wird von anderen Jünglingen und Mädchen umworben. In seinem Stolz lehnt er jede Annäherung ab, auch die der Bergnymphe Echo. Echo wird darüber tief traurig und zu einem fernen Echo ihrer selbst. Dafür wird Narziss von der Rachegöttin Nemesis mit einer unstillbaren Selbstliebe bestraft. Als Narziss später an einem klaren Teich seinen Durst stillen will, beugt er sich über das Wasser und sieht darin das Bild eines schönen jungen Mannes. Er ist von diesem Anblick bezaubert, kann aber nicht erkennen, dass der Teich ihn selbst spiegelt. So verliebt sich Narziss in sein eigenes Bild. Er will diesem Jüngling im Spiegel des Teiches nahekommen und beugt sich deshalb voller Liebessehnsucht über das Wasser, bis er in den Teich stürzt und ertrinkt.
Dieser Mythos beschreibt, wie sich narzisstische Menschen in sich selbst und das eigene Spiegelbild verlieben und dabei in eine einsame und tödliche Selbstbezogenheit geraten. Das zentrale Symbol dieser Erzählung ist dabei der Spiegel. Auch heute spiegeln sich die Menschen, nun aber nicht mehr in einem Teich, sondern im Glanz ihrer Erfolge, im Auge der Kameras oder im Spiegel der Selfies auf dem Handy. Dabei bleiben sie in einer oberflächlichen, narzisstischen und damit selbstzerstörerischen Selbstliebe gefangen.
Wir werden sehen, dass die Spiegelung des Kindes in den Augen und im Gesicht der Eltern sehr wichtig für die Entstehung des Selbst im Kind ist. Natürlich stellt sich für Sie als Eltern deshalb die Frage: Wie können Sie Ihr Kind so spiegeln, dass das Kind sich nicht wie Narziss in das eigene Spiegelbild verliebt?
Menschen mit einer ausgeprägten narzisstischen Persönlichkeit oder gar einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung haben folgende deutlich sichtbare und spürbare Eigenschaften:
Selbstzentrierung verbunden mit Selbstbewunderung und Selbstüberschätzung: Alles dreht sich um das eigene Selbst, das großartig und grandios ist. Es kann gar nicht großartig genug sein, deshalb wird alles dafür getan, noch besser und größer vor sich selbst und anderen dazustehen. Narzisstische Menschen haben deshalb Fantasien von grenzenlosem Erfolg, Macht, Glanz, Schönheit und idealer Liebe.
Anerkennungs- und Bewunderungssucht: Narzissten sind geradezu süchtig, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und von anderen bewundert zu werden. Narzisstische Menschen verlangen nach übermäßiger Bewunderung durch andere, zugleich bewundern sie sich in ihren Erfolgen oder in ihrer Schönheit selbst. Manche Narzissten streben dies ganz offen und direkt an und stehen überall sofort im Mittelpunkt, wenn sie einen Raum betreten. Andere machen dies etwas subtiler, indem sie nach Komplimenten fischen oder ihre Leistungen und Verbindungen zu wichtigen Menschen andeuten.
Selbstüberhöhung und Anspruchsdenken: Narzissten denken, dass Ihnen alles zusteht, immer nur das Beste und am besten gleich. Sie erwarten eine bevorzugte Behandlung und ein automatisches Erfüllen ihrer Wünsche durch andere. Für sie gelten häufig auch nicht die Regeln, die für andere gelten. Da sie in ihrer Selbstüberhöhung etwas Besonderes sind, müssen sie sich nicht an diese Regeln halten, die sie dann mit gutem Recht überschreiten oder brechen.
Abwertung und Missachtung anderer: Narzissten werten andere Menschen offen oder aber verdeckt ab. Sie selbst stehen über den anderen und sind etwas Besseres. Die anderen sind nicht so klug, nicht so kompetent, nicht so hübsch und nicht so charmant wie sie selbst. So schwingt in der Abwertung immer auch eine Verachtung der anderen Menschen mit.
Funktionalisierung und Ausbeutung anderer: Narzissten brauchen die anderen, damit diese sie bewundern und anerkennen. Oft werden die anderen für die Anerkennung missbraucht und ausgebeutet. Narzissten interessieren sich in der Regel nicht wirklich für andere Menschen, sondern nur dafür, wie die anderen ihnen und ihrer Selbsterhöhung dienen können. Extrem ausgeprägte Narzissten verfügen oft über kein oder nur ein geringes Einfühlungsvermögen; andere Narzissten nutzen ihre durchaus vorhandene Empathie, um andere Menschen für sich zu gewinnen und dann auszubeuten.
Es lassen sich noch andere Aspekte von narzisstischen Menschen nennen, beispielsweise die Bereitschaft, rasch Führungspositionen zu übernehmen. Häufig erscheinen narzisstische Menschen überheblich oder arrogant. Sie selbst sind dabei oft neidisch, weil sie anderen Menschen deren Erfolg oder Glück nicht gönnen können. Meist wird dabei – auch von den Betroffenen selbst – übersehen, dass narzisstische Menschen sehr einsam sind. Sie sind dann in die Narzissmusfalle getappt:
Wichtig zu wissen!
Die Narzissmusfalle für Erwachsene
Bringen Erwachsene aus ihrer Kindheit eine narzisstische Prägung mit oder kommen sie in eine wichtige berufliche oder gesellschaftliche Position, besteht die große Gefahr, dass sie in die Narzissmusfalle geraten. Jede Aufmerksamkeit und Beachtung wird dann begierig aufgenommen und stärkt das grandiose Selbst. Zugleich wirkt die Bewunderung anderer wie eine Droge, berauschend und euphorisierend. Die Betroffenen tun dann alles dafür, noch mehr im Zentrum der Beachtung und Bewunderung der anderen zu stehen. Nun dreht sich das Karussell immer schneller, und die Bewunderten werden süchtig nach der Bewunderung anderer. Dabei spüren sie gar nicht, dass die anderen die Anerkennungssucht ablehnen und deshalb sich von den Narzissten emotional distanzieren. Der narzisstische Mensch wird inmitten der noch vorhandenen Claquere sehr einsam. Gegen diese Einsamkeit gibt es nur ein probates Gegenmittel, nämlich die erneute und verstärkte Bewunderung der anderen. Nun ist die Narzissmusfalle zugeschnappt, und aus ihr gibt es kaum ein Entrinnen.
Nach dieser Beschreibung erscheinen Ihnen narzisstische Menschen nun vielleicht als sehr abschreckend. Das sind sie aber keineswegs, denn sie haben viele andere, durchaus auch konstruktive und positive Eigenschaften und Fähigkeiten. Deshalb müssen wir mit dem Begriff »narzisstisch« vorsichtig sein, zumal nicht alle der hier genannten Merkmale auf jeden narzisstischen Menschen zutreffen. Natürlich entscheidet wie in vielen Lebensbereichen die Dosis darüber, ob narzisstische Tendenzen noch erträglich oder schon unerträglich für die Betroffenen, aber auch deren Umfeld sind.
Beachten Sie bitte!
Narzisstische Menschen sind heute oft sehr einnehmend und charmant. Sie können eine Gesellschaft unterhalten und scheinen zunächst auch anderen Menschen gegenüber zugewandt zu sein. Doch nach einer gewissen Zeit spürt das Gegenüber, dass es nur dazu da ist, Bewunderung zu schenken und zu applaudieren. Kommt das Gegenüber diesem erst versteckten, dann offenbar werdenden Verlangen nicht nach, wird es fallen gelassen.
Die genannten narzisstischen Eigenschaften beschreiben den grandiosen Narzissmus. Wie passt es nun dazu, dass fast alle Narzissten auch sehr verletzlich und kränkbar sind? Wenn sie kritisiert werden oder eine erhoffte Anerkennung nicht bekommen, werden sie gereizt, manchmal richtig wütend.
Offenbar verbirgt sich hinter der Grandiosität eine unsichere und verletzliche Seite. Die Grandiosität scheint die verletzliche Seite bei narzisstischen Menschen zu schützen. Aber da es doch immer wieder zu Misserfolgen, Zurückweisungen oder Kritik kommt, werden Narzissten in ihrem grandiosen Selbstbild getroffen, das sie dann zumindest zeitweise nicht aufrechterhalten können.