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Der Tod eines Kindes ist für Eltern eine Katastrophe. Zerbricht daran auch die Partnerschaft? Roland Kachler und Christa Majer-Kachler kennen diese Frage aus eigener Erfahrung. Sie zeigen Wege auf, wie sich die unterschiedliche Trauer der beiden Partner zu einem Ganzen finden kann. Dabei darf das verstorbene Kind weiterhin zum Leben des Paares gehören. Einfühlsam unterstützen sie Paare auf dem gemeinsamen Trauerweg hin zu einer neu gelingenden und vertieften Partnerschaft.
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Seitenzahl: 254
Roland Kachler/Christa Majer-Kachler
Gemeinsam trauern – gemeinsam weiter lieben
Das Paarbuch für trauernde Eltern
© KREUZ VERLAG
in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013
Alle Rechte vorbehalten
www.kreuz-verlag.de
Umschlaggestaltung: Verlag Herder
Umschlagmotiv: Nina Malyna – Fotolia.com
ISBN (E-Book) 978-3-451-80013-9
ISBN (Buch) 978-3-451-61171-1
Inhalt
Einleitung
Kapitel 1»Das Schlimmste ist uns geschehen«Was es heißt, ein Kind zu verlieren
Kapitel 2»Kann uns die Trauer trennen?«Die Trauer als Gefährdung und Herausforderungfür die Partnerschaft
Kapitel 3»Du bist ganz nah bei uns«Wie unser verstorbenes Kind in der Partnerschaftpräsent ist
Kapitel 4»Wo bist du mit deiner Trauer?«Gemeinsam mit der Trauer leben lernen
Kapitel 5»Deine und meine Trauer gehören zusammen«Die Balance im komplementären Trauern
Kapitel 6»Ich sehe dich wieder als meinen Partner«Wie wir als verwaiste Eltern wieder ein Liebespaar werden
Kapitel 7»Wie gehen wir mit den anderen um?«Wir als Paar und unsere Beziehungen zu anderen
Kapitel 8»Wo ist unsere Liebe?«Wie wir unsere Liebe stärken können
Kapitel 9»Ich will dich und mich wieder spüren«Wie unsere Sexualität wieder lustvoll werden kann
Kapitel 10»Was wird aus unserer Liebe?«Wie unsere Partnerschaft weiter wachsen kann
Ergebnisse der Umfrage zur Partnerschaft von trauernden Eltern
Literatur
Hinweise
Der Tod eines Kindes stellt für Mütter und Väter eine existenzielle Katastrophe dar. Sie als betroffene Eltern haben dies leider erfahren müssen. Wo immer Sie beide sich einzeln und als Paar auf Ihrem Trauerweg befinden – wenn Sie zu diesem Buch greifen, müssen Sie diese schlimmste aller schlimmen Zumutungen des Lebens durchleben. Jede und jeder von Ihnen erlebt dies als Mutter und Vater, als Partner und Partnerin. Sie sind beide gleichermaßen getroffen und Sie trauern beide; vielleicht auf ganz unterschiedliche Weise. Sie empfinden einen Schmerz, der Sie einzeln, aber auch als Paar und Familie tief trifft. Alle Lebensbereiche sind davon durchdrungen.
Mit diesem Buch möchten wir Ihren Blick auf Ihre Partnerschaft lenken. Wir wollen Sie in Ihrer Trauer begleiten. Sie halten das erste deutschsprachige Buch in der Hand, das Paare, die ein Kind verloren haben, so ausführlich und in verschiedenster Hinsicht fundiert unterstützt. Kurz: Sie werden das erste Paarbuch für trauernde Eltern lesen. Und wir sind sicher, Sie werden das mit großem Gewinn für Ihre Partnerschaft tun.
Wer ein Kind verliert, verliert das Wichtigste – aber verliert sie oder er daraufhin auch noch ein zweites Wichtiges, nämlich die Partnerschaft? Wer ein Kind verliert, verliert das Liebste – verliert er nun auch noch seinen Liebsten, also seine Partnerin oder seinen Partner?
Wer ein Kind verliert, wird sofort mit dieser Frage konfrontiert – aus der eigenen Befürchtung, aber auch durch die Umwelt und die psychologische Literatur, in der immer wieder bedrohliche Trennungsraten von verwaisten Eltern genannt werden. Die Frage ist durchaus berechtigt, spüren wir doch beim Tod unseres Kindes, dass nichts mehr so bleibt, wie es bisher war. Alles scheint an ein Ende zu kommen, alles scheint plötzlich und unaufhaltsam zu zerbrechen. Bedroht und gefährdet eine solche existenzielle Katastrophe nicht unser gesamtes Leben, und damit auch unsere Partnerschaft?
Um es vorweg zu sagen: Der Tod eines Kindes ist wohl die größte Belastung für jedes Elternpaar, dennoch führt er nicht zu einer erhöhten Trennungs- oder Scheidungsrate von Paaren. Es gibt inzwischen einige Untersuchungen aus Amerika, die zeigen, dass das Gegenteil richtig ist: Die Trennungsrate ist niedriger als in der Durchschnittsbevölkerung. Zwei Untersuchungen der Compassionate Friends, einer amerikanischen Vereinigung verwaister Eltern, zeigen, dass die Trennungs- und Scheidungsrate bei trauernden Eltern etwa bei 16 bis 18 Prozent liegt. Dem steht eine Scheidungsquote von 50 Prozent in der Gesamtbevölkerung gegenüber. Unsere Befragung deutet in dieselbe Richtung.
Dies ist eine wichtige Botschaft, besonders für trauernde Paare, aber auch für die ehrenamtlichen und professionellen Trauerbegleiter und Trauerbegleiterinnen, die verwaiste Eltern beraten. Die Ergebnisse der Studie heben den Druck der bedrohlichen – und eben doch falschen – Zahlen auf und geben trauernden Paaren den Raum, sich in der Trauer Zeit für ihre Partnerschaft zu lassen.
Wir können Ihnen auch als selbst betroffenes Paar die Zuversicht mitgeben, dass Ihre Partnerschaft mehr als eine gute Chance hat, nicht nur weiter zu bestehen, sondern sich zu vertiefen. Das braucht Zeit, Geduld und Arbeit an der Paarbeziehung. Genau darin wollen wir Sie als trauerndes Paar mit diesem Buch unterstützen und begleiten.
Bisher gab es in Deutschland keine Untersuchung, in der trauernde Paare befragt wurden, wie sich der Tod ihres Kindes auf die Partnerschaft auswirkt. Wir haben über verschiedene Zugänge, besonders über Selbsthilfegruppen, unseren Fragebogen verteilt und viele Antworten erhalten. Wir wurden dadurch reich beschenkt und wollen das Geschenk in diesem Buch weitergeben. Wir danken all denen, die uns geholfen haben, die Fragebögen zu trauernden Eltern zu bringen, und wir danken natürlich den trauernden Müttern und Vätern, die uns geantwortet haben. Ebenso danken wir unserer Tochter Miriam für ihre Unterstützung beim Erstellen und Auswerten der Fragebögen.
Die Ergebnisse sind als wichtige Hintergrundinformation in das Buch eingeflossen, manchmal kommen die betroffenen Eltern auch selbst zu Wort. Den gesamten Fragebogen und die wichtigsten Ergebnisse finden Sie kurz zusammengefasst am Ende dieses Buches.
Trotz der großen Anzahl von zurückgesandten Fragebögen ist unsere Befragung nicht ganz repräsentativ. Dennoch lassen sich aus den Ergebnissen viele hilfreiche Schlussfolgerungen für trauernde Paare ableiten. Zudem haben wir beide viele trauernde Paare persönlich erlebt und begleitet. Auch diese Erfahrungen gehen in das Buch ein.
Dieses Buch ist auch unser ganz eigenes Buch. Vor zehn Jahren verunglückte unser Sohn Simon tödlich und wir erlebten und erleben als Eltern und als Paar das, was alle verwaisten Eltern und Paare erleben. Wir sind einzeln und gemeinsam als Paar diesen schweren Weg gegangen und können nun auf eine zehnjährige Erfahrung mit der Trauer zurückblicken. Wir lassen Sie direkt teilhaben an unserer Geschichte. Vielleicht finden Sie sich in manchen Erfahrungen wieder und spüren, dass Sie mit Ihren eigenen Trauer- und Paarprozessen nicht allein sind. Vielleicht haben Sie aber auch ganz andere Erfahrungen als trauerndes Paar gemacht – dann können Sie uns das gerne mitteilen. Es gibt keine richtigen oder falschen Wege.
Wichtig ist, dass sich jedes Paar seinen ganz eigenen Trauerweg erlaubt und zu ihm steht. Jedes Paar hat seine eigene Paargeschichte, aber auch seine besondere Geschichte mit seinem verstorbenen Kind, sodass jeder Trauerweg individuell aussehen wird.
Wir versuchen in diesem Buch, unsere Erfahrungen zu reflektieren und zu verstehen. Dazu haben wir einerseits den neuen Traueransatz von mir, Roland Kachler, und andererseits Erkenntnisse aus der Partnerschaftspsychologie und eine lange Erfahrung in der Paartherapie herangezogen.
Wie schreibt man zusammen ein Buch? Wie schreibt man gemeinsam über ein Thema, das uns persönlich, aber auch unsere Partnerschaft immer wieder an Grenzen brachte? Wir wussten, dass dies kein einfaches Unterfangen werden würde. Würde das Schreiben dieses Buches nochmals unsere Differenzen in der Trauer um unseren Sohn zutage bringen? Würde es unsere Partnerschaft neu belasten?
In vielen Gesprächen haben wir zunächst das Thema, den Aufbau und die Kapitelstruktur des Buches besprochen. Wir haben jedes Kapitel durchdiskutiert. Danach hat jede(r) von uns jeweils ein Kapitel geschrieben, das anschließend vom anderen überarbeitet wurde. So sind nun in jedem Kapitel die Stimmen von uns beiden zu einer Melodie zusammengeführt. Nur unter den Zwischenüberschriften »Ich als Mutter und Frau« und »Ich als Vater und Mann« hören Sie unsere jeweils eigene Stimme und sehen unsere unterschiedlichen Perspektiven. Trotz aller Befürchtungen hat uns die Arbeit an diesem Buch nicht entzweit, sondern uns zu einer neuen Offenheit und zu einer tieferen Verbundenheit geführt.
Es gibt viele gut gemeinte Ratschläge, die trauernden Paaren helfen sollen, ihre Partnerschaft und Ehe zu retten. Manches erscheint hilfreich, manches soll vor allem die Umwelt, die ehrenamtlichen und professionellen Helfer, in ihrer Ratlosigkeit entlasten. Doch bisher gab es nirgends ein grundlegendes Konzept, das aus einem einfühlsamen Verständnis der Elterntrauer und der Psychologie und Psychotherapie von Paaren entstanden ist. Wir legen in diesem Buch das Modell eines komplementären Trauerns vor. Es hilft den Paaren zunächst, sich von den vielen Vorurteilen über die scheinbar unüberbrückbaren Unterschiede der »männlichen« und »weiblichen« Trauer zu lösen. In unserem Konzept des komplementären Trauerns werden die Unterschiede der Trauer nicht geleugnet oder verschwiegen, sondern in einen konstruktiven Dialog miteinander gebracht. In Kapitel 5 finden Sie viele konkrete Hilfestellungen, wie Sie als Paar eine gute Balance zwischen Ihren unterschiedlichen Weisen des Trauerns finden können.
Dieser neue Ansatz des komplementären Trauerns wird auch für viele ehrenamtliche und professionelle Begleiter von verwaisten Elternpaaren neue Perspektiven auf die Paartrauer, ein neues Verständnis und konkrete Handlungsanleitungen für ihre Begleitungsarbeit ermöglichen.
Nie hört man trauernde Paare in Beratungen oder Selbsthilfegruppen über ein zentrales Partnerschaftsthema reden, nämlich über die Sexualität. Der Tod eines Kindes und die Trauer scheinen die partnerschaftliche Sexualität zu einem Tabuthema zu machen. Wir widmen diesem so wichtigen Thema ein ganzes Kapitel (Kapitel 9). Unsere Befragungen zeigen, dass trauernde Paare sehr unterschiedlich mit ihrer Sexualität umgehen. Manche Paare leben ihre Sexualität weiter und finden darin Nähe und Geborgenheit. Manche Paare unterbrechen ihre Sexualität für längere Zeit und haben es dann schwer, sie wiederzufinden. Manche Paare stellen ihre Sexualität ganz ein.
Wir ermutigen Sie, offen und direkt über Ihre Sexualität zu sprechen. Wie in jedem Kapitel bekommen Sie auch hier konkrete Ideen und Handlungsimpulse, damit Sie eine Form Ihrer Sexualität finden, die nach dem Tod Ihres Kindes für beide Partner stimmt.
Sie werden dieses Buch vielleicht schon sehr früh nach dem Tod Ihres Kindes, vielleicht aber auch erst Jahre später in die Hände bekommen haben. Wenn Sie sich in den ersten beiden Trauerjahren befinden, genügt es, die ersten fünf Kapitel zu lesen, dazu können Sie die ersten Abschnitte in Kapitel 9, dem Kapitel über die Sexualität, anlesen; später können Sie die Kapitel 6 und 7 dazunehmen. Die Kapitel 8 bis 10 sind eher für die späteren Trauerjahre hilfreich. Natürlich können Sie diese Kapitel auch schon vorher lesen, vielleicht wird dann aber manches für Sie noch nicht nachvollziehbar sein. Betrachten Sie sie als Vorausschau auf eine zukünftige Entwicklung, die Ihre Partnerschaft nehmen kann. Zugleich kann Ihnen die Lektüre schon jetzt Hoffnung machen, die ersten schweren Jahre nach dem Tod Ihres Kindes zu überstehen und die Weichen zu stellen für ein gelingendes Paarleben, in dem es auch wieder gemeinsames Glück geben darf.
Wir wissen, dass Menschen unterschiedlich mit Büchern umgehen. Diesen Unterschied darf es auch für dieses Buch geben. So lesen zum Beispiel einige Männer wenig oder ungern, insbesondere wenn es um persönliche und emotionale Themen geht. Es gibt wohl kein traurigeres und schmerzlicheres Thema als den Tod unseres eigenen Kindes. Das Lesen dieses Buches wird deshalb immer wieder auch wehtun. Das könnte ein Grund sein, warum manche trauernde Väter das Buch nicht lesen wollen oder (noch nicht) lesen können. In diesem Fall sollte man dem Partner Zeit lassen. Auf keinen Fall sollten Sie Ihren Mann zum Lesen dieses Buches drängen. Sie können sich wünschen, dass er es sich anschaut und zumindest teilweise liest, vielleicht könnte es auch ein Geburtstagswunsch sein, den Ihr Mann Ihnen erfüllen kann. Aber geben Sie Ihrem Mann auch die Freiheit, das Buch nicht zu lesen.
Umgekehrt sollten Sie als Mann versuchen, Ihre Abneigung gegenüber diesem Buch zu überwinden. Wir können Ihnen versprechen, dass die Sicht und die Perspektive von Männern nicht nur berücksichtigt, sondern ausdrücklich gewürdigt werden. Vielleicht schauen Sie als trauernder Vater und Partner nur kurz in das Buch hinein, vielleicht picken Sie sich das heraus, was Sie unmittelbar anspricht, vielleicht legen Sie das Buch zunächst einmal weg. Legen Sie es in Sichtweite, bis Sie vielleicht doch den inneren Impuls spüren, zu lesen. Sie als Partnerin könnten ab und an Ihrem Mann etwas aus dem Buch erzählen. Aber achten Sie darauf, dass es nicht zu viel wird und auf den Partner keinen Druck ausübt.
Die optimale Verwendung dieses Buches sei natürlich nicht verschwiegen: Sie lesen es kapitelweise gemeinsam, tauschen sich darüber aus und machen die eine oder andere Übung. Beginnen Sie mit der Lektüre am besten an einem Wochenende oder in einem Kurzurlaub, sodass Sie beide Zeit für das Lesen, für das Zulassen der Gefühle und für das gemeinsame Gespräch haben.
Wie immer Sie dieses Buch benutzen, wir sind sicher, dass Sie beide einen hohen Gewinn haben werden – und natürlich auch Ihre Partnerschaft und Liebe. Lassen Sie sich einladen, in aller Trauer Ihre Partnerschaft und Liebe nicht zu vergessen, sondern sie zu stärken, um sie trotz allem Schweren so bald als möglich wieder gemeinsam zu leben und zu genießen.
Christa Majer-KachlerRoland Kachler
Herbst 2012,in der Zeit des zehnten Todestages unseres Sohnes Simon.
Das einjährige Mädchen ist lebendig, fröhlich, aufgeweckt – kurz: der Augenstern der Eltern. Sie, die lange auf dieses, ihr einziges Kind gewartet hatten, sind überglücklich. Über Nacht bekommt ihre Tochter hohes Fieber. Mit großer Sorge und voller Angst bringen die Eltern ihre Tochter in die Klinik. Sie spüren die Bedrohung, doch in der Klinik werden sie vertröstet, Ärzte sind selten zu sehen, die Untersuchungen verzögern sich. Am anderen Morgen liegt ihre kleine Tochter tot in ihrem Bettchen.
Das Leben fügt uns Menschen viele schwere Erfahrungen und Schicksalsschläge zu. Die verschiedenen Erfahrungen sollten nicht gegeneinander abgewogen oder bewertet werden. Dennoch: Der Tod eines Kindes ist sicherlich eine der schlimmsten Erfahrungen, die Menschen machen müssen. Wir betroffenen Eltern wissen und spüren das sofort. Der Tod eines Kindes stellt alles, aber auch wirklich alles infrage. Er ist eine tiefgreifende, alles verändernde Katastrophe. Das Leben ist danach ein völlig anderes. Wir wissen nicht, wie wir den Tod unseres Kindes überleben können.
Es gibt viele Gründe, warum der Tod eines Kindes eine derart überwältigende Lebenskatastrophe darstellt. Einige seien hier genannt, damit wir uns und unsere Reaktion wenigstens zum Teil verstehen können:
Der Tod unseres Kindes nimmt uns das Liebste, was uns im Leben geschenkt wird. Niemand ist uns so sehr vertraut wie unser Kind. Keinen anderen Menschen kennen wir von seiner Zeugung und Entstehung an, seit seinem ersten Atemzug, seinem ersten Schrei, seinen ersten kleinen Schritten. Auch der frühe Tod eines Kindes in der Schwangerschaft oder bei der Geburt ist schmerzlich (siehe S. 21), gerade weil hier keine gemeinsamen Erfahrungen erlebt werden durften.
Keine Beziehung ist so intensiv und so nahe wie die zu unserem Kind. Wir Mütter haben es in unserem Mutterleib gespürt und erlebt, wie es heranwuchs, wir haben es gestillt und in den Nächten getröstet. Wir Männer haben seine Geburt miterlebt, es in den Armen getragen, gefüttert und versorgt.
Um kein anderes menschliches Wesen haben wir uns so viele Gedanken und Sorgen gemacht, so viel Fürsorge aufgebracht und Mühe auf uns genommen. Wir haben Mitgefühl, Einfühlung und Nähe erlebt. Dabei ist eine Bindung erwachsen, die tief in unserer Seele und in unserem Körper gespeichert ist. Die tausendfach geübte Empathie hat unser Kind zu einem Teil von uns werden lassen, sodass wir mit dem Tod unseres Kindes auch uns selbst verlieren. Wir sind nicht mehr die, die wir zuvor waren.
Mit einem Kind ist Hoffnung und Zukunft verbunden. Später werden wir immer wieder in Situationen kommen, in denen wir uns vorstellen, dass unser Kind jetzt dieses oder jenes tun und erleben könnte. Unsere bei ihrem Tod vierjährige Tochter würde heute eingeschult werden, unser damals fünfzehnjähriger Sohn würde die Schule abschließen oder den Führerschein machen. Immer wieder erleben wir neu, dass unser Kind nicht mehr lebt und nicht mehr leben darf. Wir verlieren die gemeinsam erhoffte und gewünschte Zukunft mit unserem Kind; wir verlieren aber auch einen Teil unserer eigenen Zukunft.
Unser Kind ist immer auch Lebensinhalt und Lebensaufgabe. Auch wenn wir unsere Kinder nicht zu unserem Lebenssinn machen sollten, so sind sie doch zentraler Inhalt und Mittelpunkt unseres alltäglichen Lebens – dies umso mehr, je kleiner die Kinder sind.
Mit dem Tod unseres Kindes verlieren wir auch unsere bisherige Familie. War es unser einziges Kind, gibt es nun plötzlich gar keine Familie mehr. Haben wir noch andere Kinder, sind wir nur noch eine »Restfamilie«, die eine ganz andere ist und in der immer etwas fehlen wird.
Als fürsorgliche, schutzgebende Eltern erleben wir eine tiefe Ohnmacht: Wie gerne hätten wir den Tod unseres Kindes verhindert, wie sehr hätten wir es vor dem Schlimmsten beschützen, wie sehr hätten wir ihm helfen wollen. Doch das, was uns als Eltern auszeichnet, gerade das war nicht möglich und hat uns die Grenzen unserer Fürsorge brutal aufgezeigt. Manchmal ist dies mit dem Gefühl des Versagens und der Scham verbunden, insbesondere wenn sich unser Kind selbst das Leben nahm.
Mit dem Tod unseres Kindes geht uns das Urvertrauen verloren. Gerade wer Kinder hat, muss davon ausgehen, dass letztlich alles doch noch gut ausgeht. Und nun haben wir erlebt, dass dieses so selbstverständliche Vertrauen in das Leben durch den Tod unseres Kindes zerstört ist. Das Vertrauen, dass unser Kind behütet und beschützt ist, wurde enttäuscht.
Wir erleben eine tiefe Vergeblichkeit. All das, was wir für unser Kind getan haben, was wir ihm geschenkt haben, wie wir es gefördert haben – all das ist nun vergeblich. Unser Kind darf das, was wir ihm gegeben haben, nicht weiterleben und weiterführen. Wir Eltern dürfen nicht erleben, wie unsere tausendfachen Bemühungen im Leben unseres Kindes Früchte tragen können.
Wir sind mit einer Sinnlosigkeit konfrontiert, die sich kaum lösen lässt. Die rasenden Fragen nach dem Warum zermartern unser Gehirn – eine Antwort scheint es nicht zu geben. Welchen Sinn sollte es machen, dass unser Kind sterbenskrank wurde und leiden musste? Welchen Sinn sollte der plötzliche Tod unseres Kindes machen? Welchen Sinn sollte der Tod eines jungen, blühenden und hoffnungsvollen Lebens haben? Einen Sinn für den Tod unseres Kindes scheint es nicht zu geben und wird es wohl nie geben, auch wenn wir für unser weiteres Leben allmählich wieder einen Sinn finden werden.
Als verwaiste Eltern erleben wir eine Ungerechtigkeit: Warum stirbt überhaupt ein Kind? Warum gerade unser Kind? Warum gerade wir, warum unsere Familie? Ist es gerecht, dass ein Kind sterben muss, wo doch so mancher alte Mensch sterben will und nicht darf? Auch darauf wird es wohl keine Antwort geben, und wieder bleiben wir mit einer unlösbaren Frage zurück.
Sie sagen mir, dass mein Sohn tot sei, und es ist, als senke sich eine Glasglocke über mich. Die Welt mit ihren Geräuschen, Ansprüchen und Menschen ist weit weg und nur noch gedämpft wahrnehmbar. Unter der Glasglocke bin ich allein mit meiner Trauer.
Ich liege im Bett und höre, wie vom Baum des Nachbarn die Nüsse auf die Erde fallen. Ich lausche auf Schritte, die sich dem Haus nähern, aber nie wieder zu unserer Haustüre führen werden. Ich warte auf das vergnügte Lachen meines Sohnes, das ich nie wieder hören werde. Ich stehe auf und fange an, das Haus zu putzen, mein Mann kommt dazu und hilft mir. Alles ist besser, als schlaflos im Bett zu liegen …
Ich stehe im Supermarkt und versuche einzukaufen. Hier ist die Schokocreme, die mein Sohn so geliebt hat und die ich aus Sorge um seine Gesundheit immer rationiert habe, da ist die Pizza, die er so gerne mochte. Was kaufe ich ein? Alles erinnert mich an ihn, nie mehr werde ich ihm seine Lieblingsgerichte kochen können, nie mehr wird er mir helfen, die Körbe aus dem Auto zu holen. Nie mehr wird er neugierig beim Auspacken helfen und sich mit Begeisterung auf die Süßigkeiten stürzen …
Ich stehe im Blumenladen. Es ist der 23. Dezember und ich weiß nicht, was ich kaufen soll – was schenkt man seinem verstorbenen Kind, das Geschenke so sehr geliebt hat, zu Weihnachten?
Ich gehe nach Hause. Rings um mich wünschen sich die Menschen »Frohe Weihnachten!«. Viele wünschen es auch mir und ich denke, wie können sie mir das wünschen?
Ich habe mein Kind neun Monate in meinem Körper getragen, es über die Nabelschnur ernährt, es geboren und gestillt, es war in einer Weise mit mir verbunden, wie nur ein Kind mit seiner Mutter verbunden sein kann. Ich habe es gewickelt, gekleidet, ernährt und erzogen. Ich habe es geliebt und ich habe mit ihm gestritten, alles, was ich für das Kind und mit dem Kind getan habe, war auf Zukunft ausgerichtet. Es ist unvorstellbar, dass das alles jetzt vorbei sein soll.
Ich lese die Zeilen meiner Frau. Sie hat zuerst ihre Erfahrungen für dieses Buch niedergeschrieben. Was soll ich noch schreiben? Genauso habe ich es auch erlebt, ausgenommen die Erfahrung der Schwangerschaft und der Geburt. Das unterscheidet mich als Vater von meiner Frau. Aber ist das ein großer Unterschied? Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich, wie wir in einem kleinen Warteraum in der Klinik sitzen und um das Leben unseres Sohnes bangen. Nach seinem Motorrollerunfall liegt er seit einer Stunde auf der Intensivstation und kämpft um sein Leben. Gelähmt, mit trockenem Mund sitze ich da. Ich bete, ich mache Gott Versprechungen, ich hoffe. Ich gehe zur Verwaltung und will wissen, was los ist. Da sehe ich einen Polizisten in seiner grünen Uniform. Ich weiß nicht, was das bedeuten solle, und doch ahne ich es. Dann kommt eine jüngere Ärztin zu uns und sagt uns, dass unser Sohn nicht mehr zu retten war. Ich will schreien und bin doch wie gelähmt. Wir wollen zu unserem Sohn. Dies wird uns zunächst verweigert. Wir kämpfen darum, ihn zu sehen. Dann dürfen wir zu ihm. Er liegt wie schlafend da und ist doch tot. Tiefes Mitgefühl und Liebe zu meinem Sohn branden in mir auf, dann Schmerz, dann das Gefühl wahnsinnig zu werden. Mein Blick fällt auf einen durchsichtigen Plastiksack zu Füßen meines Sohnes: seine Kleider, ein zerschundener Schuh. Nun noch einmal: Schmerz bis zum Wahnsinn.
Von einem Trauma reden wir, wenn wir in eine Situation der Todesbedrohung, der Ohnmacht und des Kontrollverlusts geraten. Das Trauma lähmt und verwundet unsere Seele. Wir erleben häufig eine innere Unruhe, Nervosität und Übererregung, sodass wir schlecht schlafen. Oft haben wir sogenannte Flashbacks. Das sind Bilder aus der Traumasituation wie zum Beispiel die Bilder vom Überbringen der Todesnachricht, die uns immer wieder überfallen.
Beim Tod unseres Kindes erleben wir über die Empathie mit unserem Kind seine Todeserfahrung und seine Ohnmacht ebenso wie unsere eigene Ohnmacht, den Tod unseres Kindes nicht verhindern zu können. Dazu kommt, dass die Bindung zu unserem Kind abgebrochen wird. Hier sprechen wir von einem Bindungstrauma. Daher können wir sagen, dass der Tod unseres Kindes durchaus traumatische Qualität hat, insbesondere dann, wenn wir ihn miterleben mussten. Wenn wir also neben Schmerz und Trauer eine massive Übererregung spüren und immer wieder eindringende Bilder vom Sterben unseres Kindes oder von anderen Situationen wie die der Überbringung der Todesnachricht (vgl. unten) erleben, dann sollten wir auch an eine Traumatisierung durch den Tod unseres Kindes denken. Sollten die Symptome über ein halbes Jahr lang anhalten, brauchen wir neben der Trauerbegleitung psychotherapeutische Unterstützung, in der mithilfe einer Traumatherapie unsere Traumatisierung direkt behandelt wird.
Unser Kind zu verlieren ist schlimm genug, doch gibt es besondere Umstände, die es noch schwieriger machen. Dabei ist es wichtig, sich klarzumachen: Für jedes Elternteil ist der Verlust eines Kindes die maximale Katastrophe. Da jedes Kind einmalig ist, ist auch jeder Verlust einmalig. Vergleiche sind deshalb wenig hilfreich. Bei jedem Tod eines Kindes gibt es zudem ganz besondere, erschwerende Umstände. Diese sind für Außenstehende nicht immer zu erkennen. Auch deshalb sollten gerade wir verwaisten Eltern uns nicht gegenseitig vergleichen. Trotzdem gibt es unterschiedliche Verlustsituationen, die jeweils ihre eigenen Besonderheiten und Erschwernisse mit sich bringen:
Tod unseres Kindes in der Schwangerschaft und bei der Geburt
Der Verlust in der Schwangerschaft oder bei der Geburt wird in seiner Schwere häufig unterschätzt. Gerade weil wir noch keine gemeinsame Geschichte mit dem Kind haben, bleibt so viel an Leere, nicht gelebter Hoffnung und fehlender Zukunft. Es gibt praktisch keine gemeinsamen Erlebnisse mit dem Kind, die wir als Erinnerungen behalten könnten und die uns helfen würden, das Kind in uns zu bewahren. Hier ist auch die Gefahr der unterschiedlichen Trauer zwischen den Partnern sehr hoch, weil die Väter noch kaum eine innere Beziehung zu ihrem Kind aufbauen konnten. Die Frauen dagegen haben das Kind, seine ersten Bewegungen und sein Wachstum im Mutterbauch gespürt. Sie trauern schon deshalb häufig intensiver als die Väter, die sich wiederum oft schuldig fühlen, weil sie anders trauern. Eltern, die ein Kind in der Schwangerschaft oder bei der Geburt verlieren, werden von ihrer Umwelt meist nicht als trauernde Eltern wahrgenommen und erhalten daher selten genügend Mitgefühl und Unterstützung.
Tod unseres Kindes durch Suizid
Die Selbsttötung des eigenen Kindes trifft Eltern in ihrem innersten Selbstverständnis als Eltern. Wie kann es sein, dass unser Kind sich das Leben nimmt? Haben wir die Signale seiner Suizidalität übersehen oder unterschätzt? Warum konnten wir unser Kind nicht vom letzten Schritt abhalten? Haben wir etwas in seiner Erziehung versäumt? Haben wir gar etwas falsch gemacht und sind wir mitverantwortlich für diesen so unverständlichen Schritt unseres Kindes? Allein mit diesen bohrenden Überlegungen stellen sich Eltern so sehr infrage, dass die Verzweiflung nach dem Suizidtod eines Kindes besonders intensiv aufbricht. Die Schuldthematik bedrängt Eltern für lange Zeit. Nach dem Suizid eines Kindes ist das Risiko, dass sich die Eltern gegenseitig Vorwürfe machen, sehr groß. Eltern sollten sich klarmachen, dass zunächst das Entsetzen, die Verzweiflung, der Schmerz und die Trauer im Vordergrund stehen. Es ist schwer genug, diesen Gefühlen standzuhalten. Deshalb sollten die Eltern sich gegenseitig im Aushalten dieser Gefühle unterstützen. Natürlich steht die Frage nach dem Warum von Anfang an drängend im Raum. Immer wieder wird diese Frage die gemeinsamen Gespräche beherrschen und auch die Partnerschaft für längere Zeit dominieren. Das ist zunächst ganz normal, allmählich sollten die Eltern diese Fragen aber begrenzen, damit auch die Themen ihrer Partnerschaft wieder mehr Raum einnehmen können.
Tod unseres Kindes durch Gewalt
Wird ein Kind umgebracht, dann sind die Vernichtungsenergie des Todes und seine Sinnlosigkeit besonders stark zu spüren. Bilder und Vorstellungen dessen, was das Kind erleben musste und wovor es nicht geschützt werden konnte, quälen die Eltern. Oft erleben sich Eltern dabei selbst als vernichtet und in ihrem Leben ausgelöscht. Hier ist es besonders wichtig, dass die Partner eine Einheit bilden, die sich gegen diese Vernichtungserfahrung der Gewalt zusammenschließt. Auch wenn der gewaltsame Tod des eigenen Kindes immer unfassbar und sinnlos bleiben wird, könnte das Elternpaar für sich allmählich einen Sinn darin finden, sich nicht auch noch als Paar trennen zu lassen. Vielleicht können die Elternpaare im Weiterleben der gemeinsamen Liebe einen Sinn für sich sehen. Dann könnte die Liebe des Paares ein kleines, aber doch wichtiges Zeichen gegen die Gewalt darstellen.
Traumatisierende Umstände beim Tod unseres Kindes
Häufig wird übersehen, dass Eltern beim Tod ihres Kindes nicht nur den schmerzlichen Verlust, sondern auch traumatisierende Situationen erleben. Wenn Eltern zum Beispiel den Unfalltod oder den plötzlichen Kindstod ihres Säuglings miterleben müssen, wenn die Todesnachricht in wenig einfühlsamer Weise überbracht wird oder wenn Eltern in ihrem Schmerz unsensibel behandelt werden, werden sie nicht selten traumatisiert. Eine Traumatisierung verstärkt oder blockiert die Trauer häufig, umgekehrt führen Trauergefühle immer wieder in die Ohnmachtsgefühle der Traumatisierung und vertiefen diese. Wie schon ausgeführt, sollten Eltern in diesem Fall eine psychotherapeutische Begleitung suchen, in der sowohl mit der Trauer als auch mit dem Trauma gearbeitet wird.
Tod unseres Kindes nach langer Krankheit
In dieser Situation können Eltern ihre Kinder über längere Zeit begleiten und sich bewusst verabschieden. Sie werden dabei hoffentlich von ambulanten oder stationären Angeboten der Kinderhospizarbeit unterstützt. Auch wenn sich Eltern und ihr Kind gut verabschieden konnten, bleiben der Tod des Kindes und seine dauerhafte Abwesenheit eine unendlich schmerzliche Realität.
Dazu kommt, dass die Zeit der Sterbebegleitung für beide Eltern sehr anstrengend ist, weil es immer wieder Hoffnungen auf Heilung und dann erneute Enttäuschungen gibt, ganz zu schweigen von den vielen organisatorischen und pflegerischen Tätigkeiten. Häufig stellen sich Eltern die Frage, ob sie genug für ihr Kind getan und alle medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Während der anstrengenden Zeit der Sterbebegleitung steht die Partnerschaft der Eltern häufig schon über lange Zeit im Hintergrund. Die Eltern sind deshalb besonders gefährdet, sich als Partner emotional zu verlieren.
Plötzlicher Tod unseres Kindes durch Unfall oder plötzlichen Kindstod
Die Plötzlichkeit des Todes lässt den Eltern und dem verstorbenen Kind keine Chance, sich zu verabschieden. Das Entsetzen und die Schockstarre sind bei plötzlichen Verlusten besonders heftig. Diese Gefühle können sich auch lähmend auf die Partnerschaft auswirken. Oft bleiben viele Fragen offen, häufig die Frage, warum wir den Unfall oder den plötzlichen Kindstod nicht verhindern konnten. Manchmal hinterlässt ein ungelöster Konflikt oder ein Streit mit dem verstorbenen Kind Schuldgefühle in uns oder belastet unsere innere Beziehung zu unserem Kind.
Jede dieser Verlustsituationen hat ihre eigenen Besonderheiten, die zum Teil in der Literatur beschrieben sind. Hier soll noch einmal betont werden, dass diese Verlustsituationen nicht nur für die Väter und Mütter, sondern auch für die Paarbeziehung eine besondere Belastung darstellen. Deshalb ist es ratsam, dass sich Eltern sowohl einzeln als auch als Paar fachkompetente Hilfen suchen.
Grundsätzlich gilt für den Verlust eines Kindes: Wie immer unser Kind sterben musste, diese Erfahrung stellt für uns als Eltern, aber auch für uns als Paar eine ungeheuer schwere, oft traumatisierende Belastung dar, für die wir uns Begleitung und Unterstützung erlauben sollten. Dasselbe gilt auch für die betroffenen Geschwisterkinder mit ihrer ganz eigenen Trauererfahrung und Situation in der »Restfamilie«.
Der Tod unseres Kindes löst bei uns zunächst Entsetzen, Erstarrung, Schock und Lähmung aus, insbesondere dann, wenn unser Kind ganz plötzlich und unvorhersehbar gestorben ist. Aber auch wenn wir unser Kind über eine lange Krankheit gepflegt haben und uns von ihm verabschieden konnten, lässt der Tod Leere und Lähmung zurück. Zugleich durchbrechen der Verlustschmerz und die intensive Anfangstrauer den Schock und die Lähmung immer wieder. Der Schmerz und die Trauer brechen in großen Wellen über uns herein und überfluten uns. Wir sind in diesen Trauerwellen in unserem Körper nur noch Schmerz; die Trauer zieht uns in ihre Tiefe und scheint uns verschlingen zu wollen.
Neben dem Schock, dem körperlichen Schmerz und den Trauerwellen können in uns schockierende, aber doch ganz normale Wünsche auftauchen:
Wir wollen nicht mehr leben, weil ohne unser Kind alles sinnlos erscheint.
Wir wollen unserem Kind nachsterben, um es in seinem Tod nicht alleinzulassen und um bei ihm zu sein.
Wir haben keine Kraft zum Leben und sehnen uns danach, dass alles vorbei ist. Die Lähmung des Anfangsschocks raubt uns unsere Energie, unsere Zuversicht und unseren Lebenswillen.