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Ovids "Amores" sind das zeitlich letzte Werk der Gattung Liebeselegie. Mit ihnen eifert ihr Autor Catull, Properz und Tibull nach und führt die Liebeselegie zur Vollendung. Thematisiert wird die Liebe zu einer Frau namens Corinna, samt ihren Höhe- und Tiefpunkten, Liebesbekundungen und Seitensprüngen. Amüsante Alltagskrisen, wie der Ausfall des Haars nach dem Färben, finden sich in den "Amores" genauso wie ernste Themen, wie Corinnas Schwangerschaftsabbruch. Ovids Werk zeichnet damit ein facettenreiches, geradezu selbstironisches Bild der Beziehung zwischen Liebenden und damit auch der römischen Gesellschaft. Ungekürzte und unbearbeitete Gedichte in der Originalsprache, mit Übersetzungen schwieriger Wörter, Nachwort und Literaturhinweisen.
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Seitenzahl: 102
P. Ovidius Naso
Amores
Liebesgedichte
Ausgewählt und herausgegeben von Antje Sucharski
Reclam
2015 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen.
Made in Germany 2017
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-960696-5
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019902-2
www.reclam.de
Einleitung
Zur Benutzung dieser Ausgabe
Ovid: Leben und Werk
Die Amores und die römische Liebeselegie
Amores (Auswahl)
Buch 1
1,1 Programmatisches Bekenntnis zur Liebesdichtung
1,2 Bekenntnis zur Liebesdichtung: Naso verliebt
1,9 militat omnis amans
1,10 Habgier der Geliebten: Geschenke
1,11 Liebesbrief mit Einladung an die Geliebte
1,12 Absage der Geliebten
1,14 Preis für weibliche Schönheit: Haarausfall
1,15 Selbstverständnis des Elegikers: Unsterblichkeit
Buch 2
2,1 Selbstverständnis des Elegikers: Liebesdichtung versus Epik
2,2 Der Liebhaber besticht den Wächter der Geliebten
2,4 Hommage an die Frauen Roms
2,6 Klagelied auf den toten Papagei der Corinna
2,7 Affäre mit der Dienerin Cypassis: Eifersucht der Geliebten
2,8 Fortsetzung der Affäre mit Cypassis
2,10 Zwischen zwei Frauen: Wunschvorstellung vom Tod beim Liebesakt
2,13 Abtreibung: Bittgebet an Isis um Rettung Corinnas
2,14 Plädoyer gegen Abtreibung
Buch 3
3,2 Liebeswerben: Beim Wagenrennen im Circus
3,3 Umgang mit Untreue: Täuschung und Enttäuschung
3,4 Umgang mit Untreue: Einsperren?
3,10 Fest der Ceres: Keuschheit zu Ehren der Göttin?
3,11 Trennungs- und Distanzierungsversuche
3,14 Liebeslehre: Untreue und Ehrlichkeit
3,15 Poetologisch-biographischer Abschluss (Siegel des Buches)
Anhang
Abkürzungen und Symbole
Lernwortschatz
Verzeichnis der Eigennamen
Prosodie und Metrik
Besonderheiten der Dichtersprache
Stilistik
Literaturhinweise
Hinweise zur E-Book-Ausgabe
Die vorliegende Textauswahl aus den Amores Ovids baut auf Reclams Standardwortschatz Latein (Reclams Universal-Bibliothek 19780) als verbindlichem Referenzwortschatz auf. Vokabeln, die nicht im Standardwortschatz aufgelistet sind, werden im Kommentar übersetzt, Wörter, die sich vom Standardwortschatz ableiten lassen, sind mit einem Herleitungshinweis versehen. Spezialbedeutungen werden stets angegeben, Vokabeln, die innerhalb weniger Verse mehrfach vorkommen, werden nur bei ihrem ersten Auftreten aufgeführt. Außerdem bietet der Kommentar in knapper Form für die Übersetzung unerlässliche Hintergrundinformationen.
Eigennamen (→ENV) und Vokabeln, die mindestens dreimal vorkommen, sind im Lernwortschatz (→V) aufgelistet. Während der Kommentar nur die Informationen enthält, die für das unmittelbare Textverständnis unabdingbar sind, kann mithilfe dieses Lernwortschatzes eine vertiefende Wortschatzarbeit erfolgen.
Grundlage der metrischen Analyse sind die in Kommentar und Lernwortschatz angegebenen Naturlängen. Für die sprachlich-stilistische Analyse gibt es im Anhang eine Einführung in Prosodie und Metrik und eine Aufführung ausgewählter Spezifika der Dichtersprache. Ergänzend wird ein Überblick über rhetorische Stilmittel mit Beispielen aus den Elegien angeboten.
Zu den verwendeten Abkürzungen und Symbolen siehe hier.
Die im Band Römische Liebeselegien (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 19863) bereits gedruckten Amores-Passagen wurden mit Ausnahme Am. 1,1 und 3,15 in diesem Band vernachlässigt: Am. 1,3 (Werbung: Unsterblichkeit der Geliebten), 1,4 (Eifersucht beim convivium), 1,5 (Erfüllung der Liebe), 1,13 (Bitte um Fortsetzung der Liebesnacht), 2,5 (Eifersucht und Liebeskummer), 3,9 (Nachruhm des Elegikers: Totenklage um Tibull).
Liebe und Erotik stehen im umfangreichen literarischen Werk des römischen Dichters Ovid (43 v. Chr. – 17/18 n. Chr.) immer wieder im Mittelpunkt. Bereits in den Amores, seinem Erstlingswerk, bringt er das genuin römische Genre der Liebeselegie zum Höhepunkt (vgl. dazu auch den Band Römische Liebeselegien).
Wie viele antike Autoren lernen wir Ovid, weil verlässliche Datierungen fehlen, weitgehend durch sein Werk kennen. Besonders das 10. Gedicht im vierten Buch der Tristia (Klagelieder) wird als fiktive Autobiographie gelesen. Dennoch darf man, auch wenn sich das lyrische Ich in den Amores »Naso« nennt, die mehr oder weniger engen – in der Forschung umstrittenen – Bezüge nicht von der Hand zu weisen sind und wir die Bezeichnungen traditionell im Kommentar übernehmen, nicht von der Identität des lyrischen Ichs mit der historischen Person P. Ovidius Naso ausgehen.
Publius Ovidius Naso wird am 20. März 43 v. Chr. in Sulmo (heute Sulmona), ca. 135 Kilometer östlich von Rom, geboren. Stadt und Staat befinden sich nach dem Tod Caesars im Jahre 44 v. Chr. in einer Umbruchsituation mit zunächst offenem Ausgang. Der blutige Bürgerkrieg um die Nachfolge Caesars und der Aufstieg des Caesarerben Octavian zum Kaiser Augustus prägen das Werk bedeutender Dichter der augusteischen Klassik wie Vergil und Horaz. Ovid allerdings ist, als in der Schlacht bei Actium 31 v. Chr. die Entscheidung zugunsten Octavians fällt, erst im 13. Lebensjahr. Er repräsentiert somit eine neue Generation, für die die pax Augusta bereits selbstverständlich ist.
Als Angehöriger des finanzkräftigen Landadels – er gehört zum Ritterstand – erhält Ovid bei den bekanntesten Rhetoriklehrern eine profunde Ausbildung in Rom und erweitert seinen Horizont auf Bildungsreisen durch das Imperium Romanum. Die fundierte rhetorische Ausbildung spiegelt sich in der bildgewaltigen und sprachlich-stilistisch anspruchsvollen Dichtung Ovids und in seinem psychologischen Einfühlungsvermögen wider. Nach bescheidenem juristischen Engagement entscheidet sich Ovid gegen eine politische Laufbahn und folgt seiner Berufung zum Dichter. Schnell macht er als interessanter Nachwuchspoet auf sich aufmerksam und findet in M. Valerius Messalla Corvinus einen einflussreichen Förderer und Zugang zu dessen literarischem Kreis, dem auch der Liebeselegiker Tibull und die Dichterin Sulpicia angehören. Auch mit Properz, dem Elegiker aus dem Dichterkreis um Maecenas, und anderen Intellektuellen unterhält er Kontakte.
Bereits mit den Amores (Liebeselegien) gelingt Ovid der Durchbruch als Autor. Das Werk erscheint zunächst in fünf Büchern, die wahrscheinlich sukzessive schon vor 15 v. Chr. veröffentlicht werden. Erhalten ist nur die in drei Büchern um die Zeitenwende veröffentlichte zweite Auflage. Die Lehrgedichte Ars amatoria (Liebeskunst), Remedia amoris (Heilmittel gegen die Liebe) und die fragmentarisch überlieferte Schrift Medicaminafaciei femineae (Die Pflege des Gesichts) lassen sich – Datierungsfragen sind allerdings in der Forschung umstritten – zwischen 1 v. Chr. und 2 n. Chr. verorten. In den erotischen Lehrgedichten werden in Form eines praktischen Ratgebers zahlreiche Aspekte der Liebeskunst durchgespielt, deren Erlernbarkeit wird suggeriert. Schwer einzuschätzen ist die Qualität seiner nur in Fragmenten überlieferten Tragödie Medea. Die Heroides (Briefe der Heroinen) verdeutlichen dann den Übergang zu einer ernsteren Liebesauffassung und zur programmatischen Verschmelzung der Gattungen, die später im Epos Metamorphoses ihren Höhepunkt erreichen wird. Bei den Heroides handelt es sich um 15 Liebesbriefe mythologischer Frauen an ihre untreuen Liebhaber.
In der zweiten Schaffensperiode verfasst Ovid zwischen 1 und 8 n. Chr. die Metamorphoses (Verwandlungen),ein Epos in fünfzehn Büchern, und bearbeitet in den unvollendeten Fasti die ersten sechs Monate des römischen Festkalenders, die das Zusammenwirken von Tradition, Geschichte, Mythologie und Religion zum Inhalt haben. Auch in den Metamorphoses, einer komplexen Darstellung von der Entstehung der Welt bis in die eigene Gegenwart unter Augustus in mehr als 250 Verwandlungssagen, zeigt sich die Liebe immer wieder als Gravitationszentrum, und der Dichter setzt den Dialog mit seinen früheren Werken fort.
In der pulsierenden Metropole Rom führt Ovid, in dritter Ehe verheiratet, bis über seinen 50. Geburtstag hinaus das inspirierte Leben eines produktiven und erfolgreichen Dichters mit großem Freundes- und Bekanntenkreis. Hart und unvorbereitet trifft ihn deshalb das Verbannungsurteil des Kaisers Augustus. Bei einer Relegation durch kaiserliches Edikt behält der Verurteilte zwar seine bürgerlichen Rechte und sein Vermögen, muss die Stadt Rom aber innerhalb einer kurzen Frist verlassen. Ovid wird nach Tomi (heute Rumänien) am Schwarzen Meer – für damalige Begriffe an den Rand der zivilisierten Welt – verbannt. Die Gründe für das Exil bleiben bis heute ungeklärt. Ovid selbst spricht von carmenet error (Tristia 2,207). Bei der Dichtung (carmen) handelt es sich vermutlich um die Ars amatoria, die aus den Bibliotheken entfernt wird, weil sie das restaurative moralpolitische Programm und die Ehegesetze des Kaisers Augustus in Frage stellt. Der Irrtum (error) bezieht sich möglicherweise auf politische Intrigen, in die Ovid als Mitwisser von moralischen Fehltritten innerhalb des Kaiserhauses oder von versuchten Eingriffen in dynastische Bestrebungen verwickelt ist. Die Tatsache, dass die Verbannung nach dem Tod des Augustus durch dessen Nachfolger Tiberius nicht aufgehoben wird, stützt die letztgenannte Hypothese. Die jüngere Ovid-Forschung diskutiert allerdings die Frage, ob die Verbannung des Dichters historisches Faktum oder nur literarische Fiktion ist.
Die dritte Schaffensperiode Ovids umfasst die Jahre im Exil. Es entstehen fünf Bücher Tristia (Klagelieder) zwischen 8 und 12 n. Chr. und danach vier Bücher Epistulae ex Ponto (Briefe vom Schwarzen Meer). Umstritten ist die Urheberschaft Ovids für das Schmähgedicht Ibis und die Halieutica, ein Lehrgedicht über Fische. Die literarisch überhöhte Darstellung des Lebens im Exil und die Versuche, den Kontakt nach Rom nicht abreißen zu lassen, verdeutlichen, dass Ovid bis zu seinem Tod (17/18 n. Chr.) die Hoffnung, in die urbs zurückzukehren, nicht aufgibt.
Ovid bezeichnet sich in seiner Autobiographie als tenerorum lusor amorum (Tristia 4,10,1) und bekennt sich damit zur Liebesdichtung als poetologischem Programm. Er variiert in seinen Werken das Genre der Liebeselegie inhaltlich und formal virtuos und fordert dafür selbstbewusst die epischen Dichtern wie Homer oder Vergil zuteilwerdende Anerkennung ein.
Im Distichon verfasste Elegien hatten in der griechischen Dichtung bereits seit dem 8. Jh. v. Chr. eine lange Tradition. Ab dem 5. Jh. v. Chr. wurden darunter Klagegesänge verstanden. Entscheidend für die Entstehung der römischen Liebeselegie war der Einfluss des griechischen Dichters Kallimachos, der im 3. Jh. v. Chr. in Alexandria, dem kulturellen Zentrum des Hellenismus, wirkte. Dieser poeta doctus wurde mit seinen perfekt ausgefeilten erotischen Epigrammen zum Vorbild für die römischen Autoren.
Nicht einmal fünfzig Jahre, ab Mitte der 40er Jahre v. Chr. bis zur Zeit um Christi Geburt, wurden römische Liebeselegien verfasst. Sie entstanden als poetischer Protest junger Intellektueller gegen die degenerierten politischen Verhältnisse am Übergang zweier Gesellschafts- und Wertesysteme. Die traditionellen römischen Werte werden dabei in das Ideal einer alternativen Lebensform überführt, die das Individuum gegenüber dem Staat aufwertet. Im Zentrum der stark subjektiv gefärbten Liebeselegie steht das Leiden und Klagen des unglücklich Liebenden (amator), der beispielsweise die ganze Nacht vor der verschlossenen Tür seiner Geliebten (puella/domina) ausharrt. Die Grundelemente des elegischen Wertesystems sind:
a) Ewige Liebe (foedus aeternum): Postuliert wird die ewige Liebe, die über den Tod hinaus anhält.
b) Liebe als Lebensform (v. a. militia amoris): Alternativ zum traditionellen cursus honorum oder zur Militärlaufbahn versteht sich der Elegiker als miles amoris (Soldat für die Liebe).
c) Liebe als Sklavendienst (servitium amoris): Der Elegiker ordnet sich der Geliebten wie ein Sklave unter, obwohl er sozial höher als die dem Milieu der Freigelassenen zugehörige puella steht.
Die programmatische Abgrenzung von den traditionellen römischen Vorstellungen über Liebe, Ehe und Sexualität provozierte die Zeitgenossen. Die römische Ehe war eine Zweckbeziehung, in der sich die mater familias im häuslichen Bereich um die familia kümmern und die Erben aufziehen musste. Es wurde deshalb zunehmend akzeptiert, dass der Mann außerhalb der Ehe geistige und sexuelle Befriedigung bei Sklavinnen, Freigelassenen oder Prostituierten suchte. Durch die römische Expansion in Griechenland und im Nahen Osten etablierte sich darüber hinaus in Rom der Frauentypus der hochgebildeten, politisch einflussreichen Hetäre (griech., ›Gefährtin‹), die mit Angehörigen der römischen Oberschicht oft langjährige eheähnliche Verhältnisse unterhielt. Da in der römischen Gesellschaft das Verhältnis der Geschlechter durch die Machtverhältnisse definiert war, manifestierte sich der provokative Bruch mit der Tradition vor allem im lebenslangen Bekenntnis und in der sklavischen Unterordnung des Elegikers unter eine Frau dieses neuen Frauentypus.
Als Wegbereiter der römischen Liebeselegie gilt C. Valerius Catullus (um 84–54 v. Chr.), dessen Epigramme bereits Merkmale der römischen Liebeselegie aufweisen. Als eigentlicher Begründer wird von den antiken Autoren Cornelius Gallus (69–26 v. Chr.) verehrt. Seine vier Bücher Amores auf seine Geliebte Lycoris sind fast vollständig verlorengegangen. In stiller Übereinkunft werden die Elegien des Sextus Propertius (um 50–15 v. Chr.) in der Forschung als für das Genre der Liebeselegie repräsentativ betrachtet. Sein literarisches Werk umfasst vier Bücher mit insgesamt über 90 Elegien, in denen die Geliebte unter dem Pseudonym Cynthia angebetet wird. Das Werk des zeitgleich wirkenden Elegikers Albius Tibullus (um 59/54–19/17 v. Chr.) besteht aus zwei Büchern mit nur 16 Gedichten, in deren Mittelpunkt Delia, Nemesis, aber auch der Geliebte Marathus stehen. Hinzu kommen mit dem Corpus Tibullianum zwei weitere unter seinem Namen überlieferte Bücher.
Ovid ist mit den Amores der zeitlich letzte Vertreter und Vollender der römischen Liebeselegie. Nach der Zählung der Handschriften enthält die zweite Auflage der Amores insgesamt 49 Elegien. Mehrere Herausgeber gehen aber – nach Auflösung von 2,9 in zwei Einzelgedichte – von 50 Elegien aus. Diskutiert wird außerdem die Echtheit der Elegie 3,5. Betrachtet man Inhalt und Aufbau der drei Elegienbücher (1. Buch: 15; 2. Buch: 19; 3. Buch: 14 bzw. 15 Elegien) lassen sich auffällige Parallelen zwischen Properz und Ovid feststellen. Das erste Buch thematisiert den Beginn der Liebesbeziehung zwischen amator und puella, im zweiten Buch erleben wir Affären mit anderen Partnern und im dritten Buch Versuche, sich von der Beziehung loszusagen bzw. – bei Ovid – alternative Arrangements jenseits des servitium amoris