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Beven wünscht sich, dass endlich was vorangeht in ihrem Leben. Heiraten, Haus kaufen, Kinder kriegen, Karriere machen und endlich mehr Geld in der Tasche haben – dafür wäre es allmählich wirklich Zeit! Doch abgesehen davon, dass sie ihr eigenes Unternehmen gegründet hat, dümpelt ihr Leben vor sich hin. Schuld daran ist die Beziehung zu Caden. Denn der verträumte Ire würde lieber einen Tag blaumachen und mit ihr im Tayto-Park Achterbahn fahren, als sich um seine Karriere kümmern! Wie, bitteschön, soll man mit so einem Kindskopf eine Familie gründen können? Gar nicht, findet Beven, und trennt sich von ihm. Dumm nur, dass ein paar Wochen später sämtliche Schwangerschaftstests „Baby, Baby, Baby!“ schreien. Was nun? Abtreiben? Das Kind weggeben? Es allein großziehen? Oder sich auf den erfolgreichen, charmanten, wenn auch geheimnisvollen Amerikaner Jack Cooper einlassen?
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Annabelle Benn
~ Kapitel 1 ~
Zehn Jahre zuvor
Damals war mein Haar sehr lang. So lang, dass es mir beim Gehen um die Hüften strich. Für gewöhnlich ließ ich es einfach offen, weil ich mich nicht für modische Trends interessierte und keinen Nerv für aufwendige Frisuren hatte. Ich fand den natürlichen Look einfach toll. So wuchs meine Mähne wild immer weiter, und der Pony wurde so lang, dass er meine Augen verdeckte, bis ich ihn hinter die Ohren streichen konnte. Meine Mutter warnte mich immer vor Spliss, aber wie alles, vor dem sie mich warnte, war es mir egal.
Normalerweise würde ich wegen solchen Äußerlichkeiten wie meinen Haaren nicht sentimental werden, doch ist es so, dass mein Haar das Erste war, was Caden an mir bemerkte, wie er in all den darauffolgenden Jahren immer wiederholte. Mein Haar ist mit ein Grund, weshalb wir ein Paar wurden.
Wahrscheinlich lag das daran, dass Caden sein Haar ebenfalls wild wachsen ließ. Seins war im Gegensatz zu meinem jedoch dunkel und lockig. Als ich ihn das erste Mal über den Innenhof vom Trinity College zu mir herüberstarren sah, reichte es ihm beinahe bis zu den Schultern.
Ich weiß noch, dass ich dachte: „Der Kerl muss dringend mal wieder zum Friseur“, doch ihm war ein Haarschnitt damals genauso egal wie mir.
Er hatte mich schon eine ganze Weile angestarrt, nicht nur angesehen. Ich saß auf einer der Bänke vor der Bücherei, trank eine Cola und quälte mich gerade durch einen Pflichtroman für meinen Literaturkritik-Kurs, während ich auf meine Freunde wartete, die gerade in Vorlesungen saßen. So sehr ich mich jetzt auch anstrenge, so wenig kann ich mich an den Titel des Buches erinnern. Es muss schrecklich langweilig gewesen sein, zumindest war es bei weitem nicht so aufregend und lebensverändernd wie Caden.
Ich sah auf, weil ich spürte, dass mich jemand ansah, Caden. Ich war mir sogar sicher, dass ich den Mann noch nie zuvor gesehen hatte. Dabei war es nicht nur sein Haar, das mir auffiel, sondern auch seine Augen, die so anders als die aller übrigen Jungs waren, die ich kannte. Ich weiß, es ist eigenartig, dass mir das aus der Entfernung auffiel. Erst später sah ich, dass sie blau waren, hell und klar, voller Güte und Neugierde auf das Leben.
Er saß auf dem Gras, hatte die Beine vor sich ausgestreckt und den zurückgelehnten Oberkörper auf die Hände gestützt. Er war von Freunden umgeben, denn anders als ich, war er selten allein unterwegs, aber das wusste ich damals noch nicht. Dennoch schien er nicht wirklich bei ihnen zu sein, denn sein Blick ruhte nun schon eine ganze Weile auf mir. So, als gäbe es nichts anderes, wohin er schauen könnte.
Ich war mir sicher, dass mich noch nie zuvor jemand so angesehen hatte. Als ob er nicht nur mein Äußeres sähe, sondern tief in mich hineinschauen würde. Als ob er mein Innerstes erforschen und Dinge über mich herausfinden wollte, die nicht einmal mir selbst bewusst waren. Ich schauderte und wurde mit einem Mal verlegen und nervös. So nervös, dass ich nicht mehr wusste, wie ich den schlechten Roman halten sollte, sodass ich ihn aufgeschlagen beiseitelegte.
Ich wunderte mich selbst über meine heftige Reaktion, denn ich wurde ständig von Jungs angemacht und war die Aufmerksamkeit und die Flirtereien gewöhnt. Ich hätte meinen Blick einfach von Caden wenden sollen, aber ich konnte es nicht. Stattdessen starrte ich weiter zu ihm hinüber, und auch er sah stur weiter nur mich an, als ob wir einen wortlosen Wettbewerb austragen würden: wer zuerst wegschaut.
Irgendwie war das Ganze ziemlich verrückt. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er einfach ein komischer Kauz oder ob er ernsthaft an mir interessiert war. Fest stand nur, dass nichts an ihm normal war. Er war keine Schönheit, hatte aber etwas beinahe Magisches und Unwiderstehliches an sich. Ich überlegte, ob es normal war, dass man einen Menschen, von dem man beachtet oder bewundert wird, einschätzen können will, kam aber zu keinem Ergebnis. Ich merkte nur, dass ich mehr von ihm wissen wollte.
Doch egal, wie ich die Lage zu drehen und wenden versuchte: Er sah nicht gerade wie ein Hauptgewinn aus. Er war groß, sehr groß sogar, und gut gebaut. Er wirkte sportlich, trug aber normale und ein wenig achtlose Kleidung. Sein Haar war, wie gesagt, ungekämmt, und auf seinem Kinn und den hohen Wangen wuchsen bestimmt Bartstoppeln, zumindest schloss ich das daraus, dass diese Stellen das Sonnenlicht anders reflektierten. An ihm war nichts, aber auch gar nichts Auffälliges, abgesehen von seinem Haar.
Er starrte mich noch immer an, und als er schließlich aufstand, sah ich blitzschnell weg.
Ich hielt mich wieder an dem schlechten Buch fest und starrte auf die Zeilen, die vor meinen Augen Polka tanzten. Deutlich spürte ich, dass er auf mich zukam, und meine Wangen glühten mit einem Mal wie Tomaten in der Sahara. Nie zuvor war ich so aufgeregt gewesen, nur, weil mich gleich ein fremder Mann ansprechen würde.
„Du hast wunderschöne Haare“, war das Allererste, was er zu mir sagte. Eine sachliche Beobachtung, die mich überraschte, weil sie so gar nicht zu ihm zu passen schien, und irgendwie doch. Er stand direkt vor mir, und erst nach einigen Atemzügen sah ich zu ihm. Vom ersten Augenblick an war mir klar, dass er keine Spielchen spielte. Er tat nicht so, als ob wir uns nicht angestarrt hätten, er zog keinen flotten Spruch vom Stapel und verschanzte sich auch nicht hinter falscher Höflichkeit, sondern sagte geradeheraus das, was er dachte. Das beeindruckte mich damals enorm.
„Oh“, war alles, was ich denken und sagen konnte, weil er mich komplett aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.
Er stand vor mir, die Hände tief in den Hosentaschen, und beugte sich aus seiner beachtlichen Höhe weit zu mir herunter. Er lächelte bis zu den Augen, und für einen Sekundenbruchteil war mir, als ob es ihm Spaß machte, dass ich mich seinetwegen unbehaglich fühlte.
„Es ist verrückt, ich weiß, aber dein Haar scheint einen eigenen Willen zu haben“, fügte er hinzu. Seine Stimme war tief und im Gegensatz zu seinen Worten angenehm. Das Blau seiner Augen war zwar durchdringend, aber zugleich warm und herzlich.
Ich legte das Buch auf die Bank und holte tief Luft. Endlich fasste ich mich ein wenig. „Es ist wie Stroh“, antwortete ich krächzend, fasste eine dicke Strähne, hielt sie mir vors Gesicht und rieb sie zwischen den Fingern. „Ich würde dir ja gern anbieten, dass du sie anfasst und dich selbst überzeugst, aber das wäre wirklich verrückt, oder nicht?“
Sein Blick wurde noch durchdringender und sein Lächeln noch breiter, bevor er völlig ruhig antwortete: „Ja, das wäre wirklich verrückt. Aber wenn du willst, darfst du mein Haar gern anfassen.“
Ich spürte, dass ich noch stärker errötete, denn obwohl diese Unterhaltung so unschuldig wie nur irgendetwas war, fühlte sie sich weitaus bedeutsamer an. Die Anziehungskraft, die ich schon so stark gespürt hatte, als wir noch weit voneinander entfernt saßen, steigerte sich nun, da er unmittelbar vor mir stand, ins Unermessliche.
„Was hältst du davon, wenn wir es gleichzeitig tun?“, schlug ich gegen den Kloß in meinem Hals vor und nun wurde auch mein Nacken krebsrot.
„Das Haar des anderen anfassen?“
Ich nickte.
Er kam mir noch näher. Seine breiten Schultern blendeten den Rest der fahlen Nachmittagssonne vollständig aus, und völlig aus dem Nichts fragte ich mich, ob ihm meine Sommersprossen auffielen.
„Gute Idee“, fand er, und bevor ich verstand, was er tat, sank er direkt vor mir auf ein Knie und streckte die Hand aus. „Okay, dann mach du auch.“
Meine Finger zitterten, als ich meinen Arm hob. Kurz vor seinem Kopf hielt ich inne. Er sah mir so tief in die Augen, dass ich einen Moment lang keine Luft holen konnte.
Er lächelte. „Warte kurz. Bevor ich dein Haar berühre, und egal wie gut es sich anfühlt, will ich dir noch sagen, dass du mehr bist als dein Haar. An dir ist mehr faszinierend als nur das“, sagte er sanft, und mir wurde warm ums Herz.
Dann berührten wir das Haar des anderen.
~ Kapitel 2 ~
Jetzt war mein Haar glatt, glänzend und viel kürzer. Es reichte mir gerade mal über die Schultern und erforderte viel Zeit und Pflege. Zehn Jahre waren seit dem denkwürdigen Tag in Trinity vergangen, und heute war ich mir nicht mehr sicher, ob Caden meine Haare überhaupt noch bemerkte. Mit Sicherheit konnte ich nur sagen, dass er seine Finger nicht mehr durchzog und es wie seidene Fäden hindurchgleiten ließ. Doch das war natürlich nicht das Einzige, was sich seitdem geändert hatte.
Es war früh am Morgen und ich lag hellwach im Bett und starrte an die Decke, während ich an die längst vergangenen Jahre im College dachte. Wie sehr wir uns verändert hatten, wie sehr sich alles um uns herum verändert hatte. Es war eine wunderschöne, einzigartige Zeit am Trinity gewesen, aber ich war mir nicht sicher, ob ich sie vermisste. Zumindest könnte ich heute nicht mehr so leben wie damals. So sorglos, ohne jede Verantwortung und ohne irgendeinen Plan, einfach in den Tag hinein. Ich hatte geglaubt, ich wäre so ein Mensch, aber als ich zu arbeiten begann, bemerkte ich schnell, dass es nicht so war. Bei der Erinnerung daran, wie chaotisch ich als Studentin gewesen war, wurde ich unruhig.
Ich drehte meinen Kopf, sah Cadens Rücken, der sich unter den gleichmäßigen Atemzügen ruhig hob und senkte, und wurde traurig.
Wie nah wir einander gewesen waren. Ganz anders als heute, wo manchmal Tage vergingen, ohne dass wir uns sahen. Ich meine damit nicht nur, einander mit dem Herzen, sondern wirklich sahen. Das Erschreckende dabei war, dass es mir nicht mal richtig auffiel. Er ging oft nach der Arbeit direkt mit seinen Freunden ins Pub, während ich oft so lange arbeitete, dass der eine schon schlief, wenn sich der andere dazulegte.
Wenn ich heute mit früher verglich, dann fragte ich mich, wie wir so hatten werden können. Nämlich genau so, wie wir nie hatten werden wollen. Natürlich war viel passiert, aber im Großen und Ganzen verschwamm alles zu einem dicken Brei. Nur hier und da stachen ein paar großartige Ereignisse heraus, wie unsere Abschlüsse, Cadens dreißigster Geburtstag, der Umzug in diese schöne Wohnung, die großen Reisen, die Hochzeit von seiner Schwester, der Tod seiner Oma, aber das war im Wesentlichen alles, woran ich mich erinnerte. Der Rest versank im Alltag. Im Alltag, der mit der Zeit immer stressiger geworden war. Wir hatten zu arbeiten begonnen und schleichend unsere Arbeits-Persönlichkeiten entwickelt. Zumindest ich. Ich nahm meinen Beruf und meine Zukunft ernst. Caden hingegen war Student geblieben, auch wenn er jetzt bei einer Bank arbeitete.
Von einer plötzlichen Unruhe erfasst, schwang ich die Beine aus dem Bett und setzte mich auf. Ich sollte keine Zeit verschwenden und grübelnd hier rumliegen. Wenn ich schon wach war, konnte ich genauso gut aufstehen und einfach mehr aus dem Tag machen. Es waren ohnehin nur noch ein paar Minuten, die mir meine Schlaflosigkeit an Vorsprung verschafft hatte.
Caden schien nicht zu bemerken, dass ich nicht mehr neben ihm lag. Noch immer hoben und senkten sich seine breiten Schultern. Wie so oft hatte ich keine Ahnung, wann er nach Hause und ins Bett gekommen war. Während mein Laptop neben dem Bett stand, weil ich beim Arbeiten eingeschlafen war, war er wieder mit seinen Freunden aus gewesen. Freunden. Allein beim Gedanken an die Gruppe schauderte es mich. Ich war froh, dass er mich nicht gefragt hatte, ob ich mitkommen wollte. Er wusste, dass ich sie nicht besonders mochte und sie obendrein für einen schlechten Einfluss hielt. Sie waren ein Haufen in die Jahre gekommener Schulkinder, die sich weigerten, erwachsen zu werden. Keiner hatte einen richtigen Job oder ein Ziel im Leben. Sie taten so, als wären sie noch immer im College. Aber – haha! Überraschung! Keiner von uns war mehr am College, die meisten von ihnen waren sogar schon über dreißig. Es war höchste Zeit, dass sie anfingen, dementsprechend zu leben, doch keiner machte auch nur einen Rührer in diese Richtung. Sie waren mir egal, es ging mir um Caden, um sein und damit auch um mein Leben! Ich wollte heiraten, Kinder, ein Haus. Zumindest hatte ich es gewollt. Mit Entsetzen stelle ich fest, dass ich mir nicht mehr so sicher war. Immer wieder hatte ich versucht, Caden von seinen Kumpels loszueisen und auf einen besseren Weg zu bringen, doch er klebte an ihnen wie Harz im Haar.
Ich zog gerade das Kleid, das ich heute tragen wollte, aus dem Schrank, als ich Cadens verschlafene Stimme hörte. „Hey, wo willst du denn so früh schon hin?“
„Na, in die Arbeit natürlich!“ Ich erschrak selbst darüber, wie barsch ich klang.
Ich stand am Fußende des Bettes und wickelte mich enger in den flauschigen schwarzen Morgenmantel, während ich das Kleid beinahe wie einen Schutzwall an mich drückte. Es war Ende Januar und am frühen Morgen ganz schön kalt, auch wenn der Winter bislang ungewöhnlich mild gewesen war. Bald würden wir die Heizung anstellen müssen.
„Hey, komm zurück ins Bett! Es ist doch noch nicht mal sieben!“ Er rollte sich auf den Rücken, rieb sich die Augen und streckte sich genüsslich. Es hätte süß wirken können, und früher wäre ich bestimmt ohne Zögern zu ihm zurück ins Bett gehüpft. Aber das war früher. Heute war heute, und heute hatte ich Termine und Dinge zu erledigen.
„Komm schon“, rief er mit seiner kindischen Stimme, die mich so auf die Palme brachte, und streckte die Hände nach mir aus. „Ich befehle dir fünf Minuten Kuschelzeit!“
„Ach Caden“, stöhnte ich „Nicht jetzt! Ich muss echt los, und du doch auch. Du kommst wieder zu spät, wenn du so trödelst. Komm, steh auf!“
Wir hatten einmal überlegt, in beiden En-suite Badezimmern Duschen zu installieren, damit wir uns gleichzeitig fertig machen konnten, aber das wäre reine Geldverschwendung gewesen, weil er jetzt fast nie mehr morgens duschte, was mir nicht gefiel. Ob er zumindest jeden Abend duschte? Erneut schauderte ich und wandte mich von ihm ab.
„Das passt schon, ich schaffe das locker. Außerdem ist es Damian egal, wenn wir nicht auf die Minute pünktlich sind. Also – komm zurück und knuddel mich!“ Damian war sein Chef.
Er fand das lustig und grinste, als hätte er den Witz des Tages gerissen. Ich hingegen fand das zum Heulen.
Energisch steckte ich mir das Haar hoch, damit es in der Dusche nicht nass würde. „Sorry, ich hab’s echt eilig. Ich muss nämlich pünktlich sein.“
„Du? Aber du bist doch die Chefin! Du kannst so spät zur Arbeit kommen, wie du willst! Oder- hey - schau doch mal aus dem Fenster! Die Sonne scheint! Es ist mild, fast wie im Frühling! Komm, Beven, lass uns blau machen! Sag, was hältst du davon? Es ist Mittwoch, und wir könnten im Tayto Park fahren für den halben Preis Achterbahn, Karussell und alles andere fahren! So wie früher! Komm, sag ja! Das wird ein Spaß!“ Schwungvoll setzte er sich auf und klopfte aufgeregt mit der Hand auf das Bett.
Mein Blick glitt über seinen nackten Rücken. So nachlässig er in sämtlichen Dingen war, so nachlässig war er auch, was Sport betraf. Aber sein Metabolismus war so gut, dass er nicht mal ins Fitness oder sonst wohin gehen musste, um nach wie vor einen tollen Körper zu haben. Zweifelsfrei gehörte er zu den Männern, die mit Würde alterten, wenn man mit dreißig schon vom Altern sprechen konnte. Im Gegenteil. Die Veränderung stand ihm gut. Sein Haar war jetzt ordentlich, seine Züge waren eine Spur erwachsener und insgesamt wirkte er männlicher. Er sah nicht mehr wie der Junge aus, in den ich mich verliebt hatte, auch wenn er es vom Verhalten her geblieben war. Wie sehr ich mir wünschte, dass sein Verhalten seinem Aussehen nachzöge!
„Komm, sei nicht albern. Ich mache bestimmt nicht blau, und wir fahren heute nicht in den Tayto Park. Ich muss mein Unternehmen vorwärtsbringen, und du musst schauen, dass du deinen Job behältst!“, rief ich verärgert und ging ins Bad. Ich hatte nicht erwartet, dass er mir folgen würde, aber er tat es.
„Hey, Beven, schon gut. Aber dann komm heute Abend wenigstens mal wieder mit was trinken“, sagte er in versöhnlichem Ton und sah mir mit unverhohlener Erregung beim Duschen zu. Zehn Jahre und er stand immer noch auf mich. Das war schön, aber auch nervig, weil ich wollte, dass er das Leben endlich nicht mehr als einen einzigen großen Vergnügungspark betrachtete, sondern ernster nahm.
„Geht ihr schon wieder weg?“
„Ja, warum nicht?“
„Na, gestern habt ihr Isaacs neues Auto gefeiert, und heute? Adams neuen Kühlschrank?“ Die Bitterkeit in meiner Stimme konnte ihm nicht entgangen sein, aber er ließ sich nichts anmerken. Scheinbar völlig entspannt lehnte er im Türrahmen und sah mir weiter zu. Die Uhr tickte, aber er hatte noch nicht einmal begonnen, sich die Zähne zu putzen.
„Ach, komm doch einfach auf ein oder zwei Drinks mit in die Confession Box.“
Die Confession Box war sein Stammlokal, seitdem ich ihn kannte. Ich seufzte und spülte den Duschschaum ab.
„Ist das ein Ja?“, fragte er hoffnungsvoll.
„Ich muss arbeiten. Mal schauen.“
„Du musst immer arbeiten!“
„Ja, muss ich!“
„Du arbeitest dich noch in dein eigenes Grab!“
„Ich versuche, mein Business am Leben zu halten!“
„Aber zwei Stunden ohne deinen Laptop werden dich nicht in die roten Zahlen treiben, Beven, sei vernünftig!“ Seine Stimme war nun ernst. Dabei war er nie ernst.
Mir wurde seltsam zumute. Verstohlen blinzelte ich durch die nasse Duschtür. „Nur einmal, Caden“, gab ich ebenso ruhig zurück. „Nur einmal hätte ich gern, dass du vernünftig bist. Es ist Mittwoch. Du warst gestern Abend aus, und am Abend davor, ebenso wie am Samstag und am Freitag. Würde es dich umbringen, einmal zu Hause zu bleiben?“
Er zuckte die Schultern. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. „Nein, würde es nicht. Heißt das, dass wir zusammen essen? Soll ich was kochen? Wir könnten einen Film anschauen und es uns auf dem Sofa gemütlich machen. Würde dir das gefallen?“ Er sagte das so, als würde er die Antwort bereits kennen.
Ich stieg aus der Dusche, und nun starrten wir uns unverhohlen feindselig an, während ich mich abtrocknete.
Sein Vorschlag hätte mir gefallen sollen, aber er tat es nicht. Warum? Weil ich wusste, dass wir kein Gesprächsthema finden würden? Er würde mir lauter Belanglosigkeiten erzählen, während ich Emails mit Kundenanfragen beantworten würde. Die meisten trafen am Abend ein, weil die Menschen da Zeit hatten, um sich um ausgefallene, exklusive Geschenke Gedanken zu machen. Genau das boten wir nämlich an. Unsere individuelle Beratung war das Herzstück der von Whatever your heart desires, dem Unternehmen, das ich selbst gegründet hatte. Nur so konnten wir die astronomischen Preise für, sagen wir, einen Tag an den Cliffs of Moher mit Champagner Picknick oder das Auftreiben von einer original Chanel 2.55 Tasche verlangen. Wir hatten uns auf das Erfüllen von ungewöhnlichen, unvergesslichen persönlichen Geschenken spezialisiert. Menschen, die so viel Geld ausgaben, erwarteten einen hervorragenden Service, rund um die Uhr. Sie würden keine vierundzwanzig Stunden auf eine Antwort warten. Das war ein großes Problem, das wusste ich, aber ich konnte es nicht ändern, weil die Einnahmen für eine weitere Kraft nicht reichten.
Caden schien noch immer auf eine Antwort zu warten. Ich spürte, dass er bereits wusste, wie sie lauten würde, doch nun würde ich ihn überraschen. „Nein, du hast recht. Gehen wir was trinken. Wir treffen uns in der Confession Box“, sagte ich.
Er lächelte nicht, obwohl er genau das bekommen hatte, was er wollte. „Gut. Sie haben nämlich schon oft nach dir gefragt“, war alles, was er sagte. Ich hielt mich gerade noch davon ab, mit den Augen zu rollen und begann, mich anzuziehen. Caden stand noch immer wie angewachsen da und sah mir dabei zu.
„Was ist denn mit dir? Musst du dich nicht auch allmählich fertig machen?“
„Kein Stress, nicht so eilig. Ich trink erst mal in Ruhe einen Kaffee.“
Nun schnaubte ich doch laut. Und rollte doch die Augen. So ruhig wie möglich presste ich hervor: „Caden. Damian mag nicht besonders streng sein, okay, aber du solltest den Bogen trotzdem nicht überspannen.“
„Tu ich nicht, keine Bange“, gähnte er und tappte in die Küche.
Ich konnte es nicht fassen und rang nach Atem.
Er saß noch immer mit einer großen Tasse vor sich am Tisch, als ich fertig gestylt an ihm vorbeiging.
„Und du? Trinkst du nichts? Kein Tee, Kaffee?“, fragte er stirnrunzelnd.
„Mach ich unterwegs“, gab ich zurück, woraufhin er mir grinsend einen befüllten Thermobecher reichte.
„Nimm den.“
Ein kurzes Lächeln flog zwischen uns hin und her.
„Danke.“
„Bitte. Dann bis heute Abend?“
„Ja, bis heute Abend.“
~ Kapitel 3 ~
Die Confession Box befand sich in Dublins Ausgehbezirk, in Temple Bar. Wie gesagt trafen sich Caden und seine Kumpel schon seit dem College dort. Genauso wenig wie sie sich geändert hatten, hatte sich dort etwas verändert. Der Bartender kannte alle mit Namen, alle Stammgäste kannten einander, jeder wusste, was der andere tagein, tagaus tat und trank, und niemand gab Trinkgeld. Der Beichtstuhl war nicht nur so etwas wie ihr Wohnzimmer: Es war ihr Wohnzimmer!
Ich war gerade auf dem Weg dorthin. Zwar waren seit meiner letzten Beichte Jahre vergangen, aber genauso unwohl wie damals war mir, als ich an der Ampel am Fuße der Ha’Penny Bridge stand. Es schaltete gerade auf Grün und der Buzzer piepte hektisch und laut, aber ich blieb wie angewurzelt stehen. Bis zum Pub waren es nun wenige Minuten. Caden hatte mir schon zwei Mal geschrieben, um sicherzugehen, dass ich käme. Jedes Mal hatte ich bestätigt, dennoch sträubte sich alles in mir. Ich wollte einfach nicht hin.
Der Arbeitstag war so anstrengend wie immer gewesen, und obwohl wir taten, was wir konnten, boomte es nicht wirklich. Ich stand unter enorm viel Druck, um unsere neue Marketing Kampagne in die Puschen zu bringen und ordentlich Geld in die Kasse zu spülen. Der Großteil meines Ersparten steckte in Whatever your heart desires, das ich vor rund einem Jahr gegründet hatte. Das Geld dafür hatte ich in einem Großraumbüro eines großen, internationalen Betriebs verdient, dessen Name mit G beginnt und den einige lieben, andere hassen. Sechs Jahre lang hatte ich mir dort den Hinten abgearbeitet, bis ich endlich genügend beisammen hatte, um mir meinen Traum zu verwirklichen: Menschen mit persönlichen, unvergesslichen Luxusgeschenken eine Freude zu bereiten. Es war ein Traum, ja, wenn auch einer, der leider öfter Tendenzen zum Albtraum zeigte. Das lag vor allem daran, dass ich irrtümlicherweise davon ausgegangen war, wesentlich schneller wesentlich mehr zu verdienen. Ich hatte erwartet, mich durch die Selbstständigkeit nicht nur von meinen unmenschlichen Chefs und den korsetteng geschnürten Konzernrichtlinien zu befreien. Nein, ich war auch davon ausgegangen, dass ich mit diesem großen Schritt Caden in die richtige Richtung ziehen würde. Ich hatte gehofft, dass er ebenfalls mehr arbeiten, das Leben und den Beruf ernster nehmen und mehr Einsatz bringe würde. Wir sollten doch am gleichen Faden ziehen und uns ein Polster für, sagen wir, die Karenzzeit aufbauen. Denn ich wollte Kinder, und bitte vor 35. Meine Oma war mit 42 Großmutter geworden. Gut, so eilig hatte ich es nicht, aber so alt wollte ich nicht werden, um überhaupt Mutter zu werden! Caden liebte Kinder. Er hatte ein großes Herz und war ein guter Mensch. Was war also das Problem? Er arbeitete nicht mehr, sondern eher noch weniger. Er bummelte, bildlich gesprochen, nach wie vor über eine Blumenwiese, bis er zu einem Baum kam, unter dem seine Freunde mit ein paar Bierflaschen auf ihn warteten.
Ach, wo war ich nur mit meinen Gedanken? Die Ampel sprang wieder auf Rot. Nun musste ich warten und fühlte mich mit einem Mal gehetzt. Ich war ohnehin schon spät dran und sollte nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Aber es war nun mal so, dass ich nicht in den Pub wollte. Ich wusste, dass Cadens Freunde mich genauso gern mochten wie ich sie, nämlich gar nicht. Das wusste er doch genau! Warum also lag ihm so viel daran, uns zusammenzubringen? Das verstand ich nicht. Wieder einmal. Wie so oft in letzter Zeit. Der Beeper legte wieder los, und diesmal setzte ich mich mechanisch in Bewegung. Ungläubig fand ich mich wenig später vor der roten Doppelflügeltür stehen. Von drinnen drangen schon Musik und Stimmgewirr zu mir. Ich wollte nicht hineingehen, doch es war zu spät, um jetzt noch umzudrehen. Isaac, einer von Cadens Freunden, stand gerade beim Rauchen davor und hatte mich gesehen.
„Hey!“, grüßte er und hob die Hand.
„Hi“, grüßte ich mit einem gezwungenen Lächeln zurück und, um von ihm wegzukommen, trat ich ein.
Caden stand mit dem Rest seiner unheilvollen Bande an einem Tisch in der Nähe der Tür. Sie saßen nie, sondern standen immer. Er sah mich sofort. „Hi!“, rief er lächelnd und winkte mir zu. Seine Augen strahlten. Warum freute er sich so? Ich war so nah an einer Entscheidung gewesen, die er damit wieder zunichtemachte. Er hielt ein Pint Guinness in einer Hand und streckte die andere zu mir aus. Beim Lächeln bildeten sich Grübchen in seinen Wangen. Ja, er sah gut aus. Gut, charmant, humorvoll. Warum genügte mir das nicht mehr? Ich schluckte. Er kam zu mir, legte einen Arm um mich, zog mich an sich und küsste mich auf die Stirn. Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Er roch so vertraut, sein Körper war warm, weich und gleichzeitig stark. Kurz fühlte ich mich wie zu Hause.
„Wir warten schon alle auf dich“, murmelte er in mein Haar und küsste mich auf den Scheitel. Ich suchte seinen Blick und nach einer Antwort darauf, ob er es ernst meinte, fand jedoch kein Anzeichen dafür, dass es nicht so sein sollte. „Komm, gehen wir zu ihnen.“ Er legte eine Hand auf meinen Rücken und dirigierte mich zum Tisch. Mein Glück dauerte nur wenige Sekunden, denn sofort war ich wieder da, wo ich angefangen hatte: Ich wollte nicht hier sein. Ich wollte das alles nicht. Aber es war zu spät. Sie hatten uns gesehen und winkten schon. Phil, Sabrina, Bobby und Isaac, der unbemerkt an uns vorbeigehuscht sein musste. Warum setzten sie sich nie hin und unterhielten sich richtig wie alle anderen Menschen in unserem Alter? Sie standen immer nur rum und kommentierten dies und das.
„Hey, schaut mal, wer da ist!“, rief Caden stolz und zugleich begeistert.
„Hallo alle miteinander“, nuschelte ich grinsend in die Runde. Mein Blick blieb an Sabrina hängen. Ihr rundes Gesicht war vor Eifersucht angespannt. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie auf Caden stand, und das schon, seitdem ich sie kannte. Manche Menschen quälten sich eben gern, aber wem sagte ich das.
„Beven! Das ist ja eine Überraschung! Beinahe hätte ich dich nicht erkannt!“, rief Phil als Anspielung darauf, wie lange wir uns nicht gesehen hatten. Alle lachte dröhnend. Phil kam zu mir und umarmte mich fest. Er roch nach Bier, sein Blick war glasig. Kein Zweifel, er war bereits betrunken und es war gerade mal acht Uhr.
„Was trinkst du?“, erkundigte Bobby sich, der schon wieder auf dem Weg zur Bar war.
„G&T“, antwortete Caden für mich, obwohl das schon lange nicht mehr stimmte. Schon letztes Weihnachten war ich auf Weißwein umgestiegen, was ihm offenkundig entgangen war. Nun gut, mea culpa, ich war wohl nicht oft genug mit ihnen unterwegs. Ich sagte nichts, weil ich nicht zickig dastehen wollte.
Bobby kam mit dem Drink zurück.
„Chin chin“, riefen alle und prosteten mir zu. Sofort unterhielten sie sich jedoch weiter über Hurling, als ob ich nicht da wäre. Binnen weniger Minuten leerte ich mein Glas, aber es ging mir nicht wirklich besser. Stattdessen spürte ich Sabrinas bohrenden Blick. Ich sah zu ihr und fixierte sie kühl. Ihre Nasenspitze glänzte und ihr Lächeln schien auf ihren Lippen, auf denen Überreste eines dunkelroten Lippenstiftes klebten, festgefroren. Auch sie hatte eindeutig schon einen im Tee.
„Du siehst super aus. Das Kleid steht dir hervorragend“, sagte sie, woraufhin ich errötete. Eher aus Ärger, weil ich genau wusste, dass sie es nicht so meinte.
„Danke“, erwiderte ich kühl. „Wie läuft es bei der Arbeit?“
Sie verzog das Gesicht, schaute an sich herab und wickelte eine splissige lila-schwarz gefärbte Strähne um den Zeigefinger.
„Ach, ich hab schon im Juli dort aufgehört. Seitdem bin ich arbeitslos. Ich dachte, was soll der ganze Scheiß, verstehst du, was ich meine? Ich brauchte echt mal `ne Pause. Die habe ich mir ja auch wirklich verdient.“
Ich biss die Zähne aufeinander. „Ja, klar, warum nicht, natürlich verdienst du eine Auszeit auf Kosten der Steuerzahler.“ Ich schaute zu Pat, dem Bartender, hob einen Finger und ignorierte Sabrinas Blick, mit dem sie Schwächere als mich hätte töten können.
Aber das war mir egal. Ich hatte es so satt.
Wie ich es durch die nächste Stunde schaffte, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass einige G&Ts im Spiel waren und dass Caden die ganze Zeit über den Arm um mich gelegt hatte.
„Ja, geil! Ich glaube, das müsste gehen. Was meinst du, Beven?“, rief er begeistert.
„Wie bitte? Was hast du gesagt?“ Ich war in Gedanken weit weg an einem schöneren Ort, gewesen.
„Eine Rucksacktour durch Kambodscha. Wir alle zusammen, im Herbst.“
„Wie bitte?“ Mir blieb die Luft weg. Er musste mich auf den Arm nehmen.
„Das wird ein Riesenspaß!“, riefen alle durcheinander. „Vier Wochen Strand, Schnaps, Spaß!“
„Aber nicht im Ernst.“ Entsetzt starrte ich Caden an.
„Doch, mein voller Ernst! Das wird super!“
„Im Leben nicht! Wie stellst du dir das überhaupt vor? Ich habe eine Firma, da kann ich doch nicht einfach vier Wochen weg! Und du auch nicht. Du kriegst doch auch nicht so lange Urlaub!“
„Ach“, er winkte ab und mir schwante mit einem Mal Übles.
„Sag mal – hast du deinen Job überhaupt noch?“, fragte ich in die plötzlich entstandene Stille hinein. Niemand schien mich zu hören, da alle auf das blaue Samtschächtelchen starrten, das Caden gerade aus der Hosentasche zog.
Mein Herz hörte kurz auf zu schlagen. Das ergab keinen Sinn, jagte mir aber einen Mordsschrecken ein. Von plötzlicher Panik befallen schrie ich: „Sag mir, dass du deinen Job noch hast!“
„Sch, hör doch auf damit“, versuchte er, mich zu beruhigen, um die Situation oder unsere Beziehung zu retten. Aber auch die wollte ich mit einem Mal nicht mehr retten. Ich fühlte mich elend und wollte nur noch hier weg. Etwas Großes, Mächtiges lag in der Luft. Vor Angst wurde ich still und meine Augen groß. Er verstand das falsch und räusperte sich. „Beven, du bist …“
Jäh fuhr wieder Leben in mich. Ich erkannte, was das werden sollte: Ein Antrag! Um Gottes Willen. „Nein!“, rief ich entsetzt. „Ich will dich nicht heiraten!“
Genau in dem Moment war das Lied zu Ende. Es schien totenstill im Pub. Mir war, als hätte jeder im Pub uns gehört und würde mich anstarren. Auch Caden starrte mich an, mit einem Ausdruck aus Ungläubigkeit und grenzenlosem Horror.
„Was?“, stieß er schließlich benommen aus.
„Ich meine, falls du mich fragen wolltest, ob ich dich heiraten will, dann lautet meine Antwort nein“, keuchte ich und musste mich am Tisch festhalten, weil ich so stark zitterte.
„Beven …“
„Caden …“
„Es ist aus“, sagte ich gegen die lauter werdende Musik, aber er hörte mich. Er zuckte zusammen, öffnete und schloss den Mund und aus seinen Augen wich der Glanz. Seine Gesichtszüge und Schultern sackten Richtung Boden.
Was hatte ich da getan? Gesagt, was ich dachte. Endlich war es raus. Aber es war grausam. Es tat entsetzlich weh. Mir und ihm. Ich ertrug den Anblick nicht. Mir war elend zumute, wo ich mich doch erleichtert fühlten müsste.
Ich durfte jetzt keinen Rückzieher machen, durfte keine Schwäche zeigen, musste zu meinem Wort stehen. Warum nur musste das hier vor versammelter Mannschaft passieren? Hatte er mich unter Druck setzen wollen? Oder kannte er mich mittlerweile so wenig?
Ich riss mich zusammen. „Es tut mir leid. Aber wir hätten uns schon vor langer Zeit trennen sollen. Wir passen überhaupt nicht zueinander. Wir leben völlig aneinander vorbei. Meine Uhr tickt. Ich will andere Dinge als du. Wir – es ist besser so. Es ist das einzig Richtige“, hörte ich mich sagen und fragte mich, wen ich überzeugen wollte. Ihn oder mich? Ich wusste, dass ich in allen Punkten recht hatte. Bestimmt fühlte ich mich nur wegen der ungewohnten Situation, wegen seiner Freunde und dem vielen Alkohol so schlecht.
„Sei bitte still“, presste er hervor, woraufhin ich schwieg.
Stumm starrten wir auf den schmutzigen Boden. Nach einer Weile sah ich auf. „Es tut mir leid, Caden. Aber es ist vorbei“, sagte ich leise, drehte mich um und ging mit schwerem Herzen wie eine Schlafwandlerin aus dem Pub.
Immerhin weinte ich nicht, auch wenn ich mich schwer wie Blei und wenn sich die Welt um mich herum dumpf anfühlte.
~ Kapitel 4 ~
Du hast was getan?