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Ihr sinnlicher Kurzurlaub in Budapest Julia wachsen die Sorgen über den Kopf. Beziehung, Ehe, Wohnungsnot - das übliche Drama eben. Ein Tapetenwechsel ist da dringend nötig, und so beschließt sie, für ein paar Tage zu verreisen. Wo könnte sie besser die Seele baumeln lassen als in Budapest, das für seinen faszinierenden Jugendstil, die unwiderstehlichen Torten und erholsamen Spas berühmt ist? Als sie den attraktiven Gabor kennenlernt, ist an Erholung nicht mehr zu denken. Wider alle Vernunft verliebt sie sich in ihn, ohne zu wissen, ob sie ihn jemals wiedersehen wird und welche Absichten der vermeintliche Gentleman in Wirklichkeit hegt. Dabei wurde ihr Herz schon oft genug gebrochen ... Dieser Band ist nicht im Sammelband "Viele Küsse" enthalten
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Inhaltsverzeichnis
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Epilog
Copyright: Annabelle Benn 2019
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Sinnliche Küsse in Budapest
oder
Ein Gentleman zum Küssen
Julia ließ den Reiseführer sinken und blickte aus dem Fenster, als der Railjet den Wiener Hauptbahnhof verließ. Nun trennten sie nur noch zweieinhalb Stunden von dem Ziel ihrer kurzen Reise: Budapest. Sie war allein unterwegs, wie so oft in den letzten Jahren, wenn ihre Freundinnen entweder keine Zeit oder kein Geld hatten. Es war Mitte Februar und winterlich kalt. Auf der Fahrt von München hatte sie viele Schneefelder gesehen. Eisige Temperaturen wären ein krasser Kontrast zu der brüllenden Hitze, die bei ihrem bisher einzigen Besuch in der ungarischen Hauptstadt gewütet hatte. Zwölf Jahre war der halbe Tag inzwischen her, länger waren sie nicht geblieben. 24 und gerade mit dem Studium fertig war sie damals gewesen. Sie erinnerte sich nur noch an die Fischerbastei, die Burg, die erfrischend kühle Frischmarkthalle und die Gluthitze in der Stadt. Natürlich auch an Ferdinand und seine damals achtjährige Tochter Amelie, die die ganze Zeit so gequengelt hatte, dass sie früher als geplant an ihr Ferienhäuschen am Plattensee zurückgefahren waren. Zwölf Jahre war das nun her. Zwölf Jahre und so viel Leben – so viele Veränderungen, Verluste und mittlerweile nicht mal mehr ein richtiges Ziel. Abgesehen von Budapest für die nächsten vier Tage.
Seufzend zog sie die Naht ihrer Strümpfe zurecht. Sie mochte derartigen Schnickschnack, liebevolle Details und nahm die vermeintlichen Unannehmlichkeiten, die diese Dinge mit sich brachten, billigend in Kauf. Man musste sich zwar immer darum kümmern, aber die Schönheit an sich war es wert. Überhaupt liebte Julia Schönes, sei es in der Natur oder in der Kultur, wenn die Herstellung viel Arbeit und Kunstfertigkeit erforderte. Mehr als jeder andere erfreute sie sich an sinnlichen Genüssen, sei es an Musik, Architektur oder kunstvoll verzierten Torten. Von all dem, so hatte sie gelesen, sollte es in Budapest zuhauf geben, was mit ein Grund für die Wahl ihres Reiseziels gewesen war.
Sie hatten mittlerweile die Außenbezirke erreicht, und sie war sich sicher, dass auch diesmal niemand zusteigen würde. Folglich hätte sie für den Rest der Fahrt das luxuriöse Viererabteil der Business Class für sich allein. Sie stellte den mit Kunstleder gepolsterten Sitz wieder in die gemütliche Liegeposition und holte ihr Tagebuch hervor. Vor ein paar Wochen begrub sie Meditationsversuche endgültig und wandte sich stattdessen dem Schreiben zu. Man sollte auf etwa drei Seiten das niederschreiben, was einen beschäftigte, damit es sich dabei klärte. Aber so viel Julia auch schrieb, so wenig ordnete sich. Im Gegenteil: Das Chaos schien sich mit jedem Problem, das sie sich eingestand, nur noch zu vergrößern. Wie die Sache mit der Wohnung. Dem Beruf. Der mobbenden Kollegin. Dem langen Single-Dasein und den grauenhaften letzten Dates. Dem fortschreitenden Alter.
„Grüß Gott“, hörte sie da eine warme, volle Männerstimme. Ein wohliges Rieseln lief ihr über den Oberkörper, noch bevor sie aufsah. Vor ihr stand ein gepflegter, geschäftlich gekleideter Mann mit bitterschokoladenbraunem Haar und klaren, dunklen Augen. Er sah atemberaubend gut aus. „Ich hoffe, ich störe nicht, aber der Platz Ihnen gegenüber ist für mich reserviert.“
Julia gab sich Mühe, normal zu klingen, obwohl seine stattliche Erscheinung einige Unruhe in ihr auslöste. „Grüß Gott. Bitte, setzen Sie sich, Sie stören mich überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich freue mich über Gesellschaft.“ Breit lächelte sie ihn an. Der Fremde war so groß, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um in seine blitzenden Augen sehen zu können. Sein Gesicht war frischrasiert und die Haut bestimmt sehr weich. Auch der Rest von ihm war anziehend. Sehr anziehend sogar, stellte sie errötend fest, als ihr Blick über seinen dunkelblauen Wollmantel glitt.
„So eine charmante Einladung habe ich schon lange nicht mehr bekommen“, antwortete er, wobei seine Mundwinkel leicht zuckten, und schob seinen kleinen Koffer in das dafür vorgesehene Eck.
Eilig stellte Julia den Sitz aufrecht, weil sie diesem eleganten Mann gegenüber nicht halb liegen wollte. Er registrierte es, sagte jedoch nichts dazu.
„Fahren Sie nach Budapest?“, fragte er stattdessen und schlüpfte erst aus seinem Mantel, anschließend aus seinem Jackett. Alles war von feinster Qualität, auch das faltenfreie Hemd, das seinen wohl definierten Körper erahnen ließ. Das gefiel ihr genauso wie seine geschmeidigen, fließenden Bewegungen.
„Ja, Sie etwa auch? Entschuldigen Sie, dumme Frage, in einer der kleinen Ortschaften auf dem Weg dorthin werden Sie wohl kaum aussteigen“, korrigierte sie sich rasch.
Wieder lächelte er sie an. „Dann verbringen wir also meine gesamte Fahrt zusammen. Sehr schön.“ Er sah sie interessiert an, stützte die Arme auf die Oberschenkel und lehnte sich zu ihr vor. „Aber sagen Sie: Hat Ihr scharfer Verstand Sie schon das ein oder andere Mal in Schwierigkeiten gebracht?“
Erschrocken sog Julia Luft ein und wich von ihm zurück. „Wie meinen Sie das?“
In seinen Augen schimmerte Wärme und er schmunzelte leicht, was es ihr erschwerte, seine Worte zu deuten. „Ich meine damit, dass Sie mit Ihrer Aussage sowohl mich als auch die kleinen ungarischen Ortschaften, in der ich theoretisch zu tun haben könnte, beleidigen.“
„Ich – Wie bitte?“ Julia schnappte nach Luft. „Das ist doch nicht Ihr Ernst!“
Er aber verzog keine Miene und steckte nur die Hände ineinander.
„Warum nicht?“ Seine Stimme und der leichte Wiener Akzent, seine Ausstrahlung und der herbe Duft seines After Shaves benebelten Julias Sinne so sehr, dass es ihr schwerfiel, zu erkennen, ob er sich nur einen Scherz mit ihr erlaubte oder nicht.
Sie rang um Fassung. Ruhig antwortete sie: „Weil Sie auf mich nicht wie jemand wirken, der alles persönlich nimmt und wegen jeder Kleinigkeit beleidigt ist. Sie wirken auf mich selbstsicher.“
„Tu ich das?“, fragte er mit einer Stimme und einem Blick, der sie an weichen, kühlen Schlagobers auf einem heißen, scharfen Irish Coffee erinnerte.
Nun war Julia sich sicher, dass er mit ihr flirtete. Sie lehnte sich zurück, legte beide Hände auf die Lehnen und sah ihn grinsend an. „Ja. Sehr.“
Da lachte er richtig, er schüttelte sogar leicht den Kopf und Oberkörper dabei. „Verzeihen Sie bitte, ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich hatte nur gerade mit einer grauenhaften Zicke zu tun.“
„Und da wollten Sie sichergehen, dass ich nicht in die gleiche Kategorie falle, bevor Sie sich zu mir setzen?“ Lachend sah Julia ihn an.
„Jetzt haben Sie mich enttarnt. Genau so ist es. Also dann: auf angenehme zwei Stunden.“
Sein Blick strich über sie wie eine Hand, die sie vorsichtig erkundete. Wertschätzend und bewundernd wirkte es, nicht abschätzend oder prüfend.
Julias Atem stockte. „Ich verzeihe Ihnen, dass sie mich auf den Arm genommen haben“, konterte sie keck, um das Knistern in der Luft zu ersticken. Er war gerade mal ein paar Minuten hier, sie wusste nicht einmal seinen Namen und schon schlug ihr Herz schneller, wenn er sie nur ansah!
„Das sollten Sie nicht tun!“
„Warum denn nicht?“
„Weil ich Sie nicht darum gebeten habe“, sagte er ernst.
„Also …“, Julia holte tief Luft und schüttelte den Kopf. „Sie sind noch keine drei Minuten hier und verblüffen mich schon zum zweiten Mal restlos. Aber gut, Sie haben völlig Recht, danke für den Hinweis. Ich verzeihe Ihnen nicht. Warum auch? Wenn Sie mich fragen, soll man nämlich erst dann verzeihen, wenn man darum gebeten worden ist.“
Er hatte sich zurückgelehnt und hörte ihr interessiert zu. Dabei kniff er die Augen leicht zusammen und musterte sie eingehend. Dann entspannte er sich, und sein Gesicht leuchtete auf. „Wow, damit haben Sie mich jetzt ebenfalls binnen drei Minunten zum zweiten Mal aus dem Konzept gebracht.“ Nun lachte er auf und sie stimmte mit ein.
„Bevor wir uns weiter unterhalten: Darf ich mich vorstellen und Sie um Verzeihung bitten? Gabor Reh.“
Sie neigte den Kopf amüsiert zur Seite. Reh? „Dann verzeihe ich Ihnen jetzt, Herr Reh. Das ist wirklich ein sehr schöner und seltener Name! Julia Steindl“.
„Julia? Sehr schön. Der Name passt zu Ihnen.“ Sein Blick wanderte von ihren Lackschuhen über ihre Beine, an denen die Strumpfnaht perfekt saß, über ihren Rock hinauf zu ihrem langen, dunkelblonden Haar.
Sie lächelte. Es gefiel ihr, dass sie ihm gefiel, und ihr gefiel sein Wiener Charme. Mehr als das, er begeisterte und beschwingte sie geradezu. Sie sollte auf der Hut sein, wenn sie ihm nicht bis zur Ankunft restlos verfallen sein wollte. Aber nein – halt. Diese Zeiten waren vorbei. In den letzten Jahren ohne feste Beziehung hatte sie schmerzhaft erfahren und schließlich begriffen, dass ihr kurze, überstürzte und einmalige Geschichten nicht nur kein Vergnügen, sondern sogar unmäßig viel Leid bescherten.
„Sie sind nicht zufällig Italiener?“, fragte sie unvermittelt.
„Nein, wie kommen Sie darauf?“
Grinsend zuckte sie mit einer Schulter. „Ich kenne nur eine Handvoll Ungarn, aber von denen haben Sie den Charme nicht.“
Gabor legte den Kopf in den Nacken und lachte so herzlich auf, dass sich sein Brustkorb hob und senkte.