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Lies dich in eine romantischere Welt Veronika liebt Italien und freut sich, beruflich ein paar Tage im nord-italienischen Triest zu verbringen. Sie erwartet verwinkelte Gassen, imposante Gebäude, traumhafte Kulissen, köstlichste Leckereien und die italienische dolce vita. Gleichzeitig fürchtet sie sich vor ihrem desaströsen Hang, sich in weit entfernt lebende Männer zu verlieben. Nein, verlieben wird sie sich diesmal ganz bestimmt nicht, das schwört sie sich hoch und heilig. Doch dann hilft ihr der charmante, humorvolle und gut aussehende Luca aus der Patsche, und mit ihm scheint alles anders zu sein. Oder doch nicht? Die einzelnen Bände der Kuss-Reihe bauen nicht auf einander auf und können völlig unabhängig voneinander gelesen werden.
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Kapitel 1
In den Lautsprechern knackste und rauschte es, dann ließ der Fahrer zufrieden „Udine autostazione“ verlauten. Endlich Italien! Veronika hatte ihr Ziel erreicht. Glücklich kniff sie kurz die Augen zusammen und holte tief Luft, bevor sie sich von ihrem bequemen Sitz erhob.
In bester Urlaubslaune kletterte sie aus dem Postbus und nahm ihren bronzefarbenen Koffer in Empfang. Ihre erste Fahrt in den seit einigen Jahren so beliebten Fernreisebussen war überraschend angenehm verlaufen. Sie war erster Klasse gereist, was bedeutete, dass es an ihrem Platz einen Tisch, Strom und Internetzugang gab. Das war nicht nur sehr bequem, sondern auch sehr vorteilhaft, denn so hatte sie unterwegs nicht nur die ersten Zeilen für den Artikel „Was man von uns aus mit dem Zug erreichen kann“ verfasst, sondern auch den Anfang ihrer nächsten erotischen Kurzgeschichte, die den Arbeitstitel „Goodbye Tristesse, welcome Triest“ trug. Natürlich war der Titel zu lang, zu sperrig, zu wenig sexy, aber er gab der Geschichte den richtigen Rahmen.
Veronika schrieb nämlich nicht nur für ihr Leben gern, sondern auch für ihren Lebensunterhalt. Als freie Journalistin war sie für zwei Frauenmagazine sowie für eine beliebte Lokalzeitung tätig. Zusammen mit drei weiteren Kolleginnen arbeitete sie an der neuen Reihe über Nah-Reise-Ziele, die man mit dem Zug erreichen konnte. Veronika liebte diese Serie, weil sie ihr erlaubte, alle vier Wochen einen neuen Ort, der höchstens zehn Stunden Zug-Fahrt von Salzburg entfernt lag, erkunden konnte. Streng genommen atmete sie also aus beruflichen Gründen italienische Luft ein. Dass man auf ihrer jetzigen Tour von Villach bis Udine mit dem Bus fuhr, spielte keine Rolle, denn die österreichische Bahn verkaufte das Ticket als eins. Außerdem hielt der Bus direkt vor dem Bahnhof, sodass man rasch und bequem umsteigen konnte. Das alles hatte sie bereits lobend notiert. Doch damit würde sie ihren Artikel nicht beginnen. Nein. Sie würde diese Bemerkung am Schluss des Artikels bringen, und die Leser gleich zu Beginn der Lektüre in sinnlichen Eindrücken baden lassen.
So, wie sie selbst es jetzt tat. Die anderen Passagiere waren schon davongeeilt, doch Veronika blieb einige Atemzüge auf dem Bahnhofsvorplatz stehen, reckte das Gesicht in die warme Spätsommersonne, die von einem beinahe wolkenlosen Himmel strahlte. Sie atmete tief durch und war dankbar für die schönen Dinge in ihrem Leben.
Ach, Italien ... Alles war hier anders, schöner, südlicher, sinnlicher. Die Luft, die immer etwas milder war, sanfter um den Körper strich und scheinbar immer den Geruch von frischgebrühten Kaffee mit sich trug. Die Männer und Frauen, die mit einer natürlichen Eleganz gesegnet waren, die sie scheinbar mühelos feminin bzw. maskulin wirken ließ. Überhaupt der gesamte italienische Sinn für Ästhetik, die hier alle Lebensbereiche durchdrang und prägte. Und erst das Essen, die Musik, die Mode, die Landschaft, ach und die Architektur!
Mit ihren mittlerweile 41 Jahren war Veronika sich durchaus bewusst, dass sie in schwelgerische Rosarot- Malereien verfiel und stark übertrieb, sobald sie an ihr persönliches gelobtes Land dachte. Aber durfte man denn nicht mehr träumen, wenn man so dem Alltag entfliehen konnte? Und wer ertrug den Alltag schon auf Dauer, besonders dann, wenn man mal wieder Single war?
Hach, Single hin oder her, davon würde sie sich die Laune nicht verderben lassen! Breit lächelnd schulterte sie ihre Handtasche und zog die Sonnenbrille aus dem Haar über die Augen. Das war eine automatische Geste, denn bis zur Bahnhofshalle waren es nur wenige Meter.
Aber apropos Single: Niemand brauchte Veronika daran erinnern, dass entweder „etwas mit ihr nicht stimmte“, oder dass sie sich endlich einen Ruck geben und aus ihrer Komfortzone krabbeln musste. Sie gab sich ständig einen Ruck und lernte neue Männer kennen. Ach was, kennenlernen! Es war ja weit mehr! Sie ließ sich auf die Männer ja auch noch ein! Und zwar solange, bis sie am Schluss wieder wie ein in den Regen geratener Zwergpudel zurück in ihre Komfortzone krabbelte. Dort war es wenigstens sicher und gemütlich. Das ganze Kennenlernen – das war ohnehin so eine Sache. Denn irgendwie kam es ihr so vor, als ob sich in den letzten Jahren niemand mehr kennenlernen würde. Immer landete man sofort in der Kiste, und wenn es dort beim ersten Mal nicht der Himmel auf Erden war, war der ganze Mensch für die Tonne. Hahaha. Selten so gelacht, dachte sie mit aufkeimender Bitterkeit. Wie sollte Sex schön und gut sein, wenn man sich nicht kannte? Wenn man vielleicht ein bisschen schüchtern und unsicher war, weil man mit über vierzig ein paar Falten und Dellen und Besenreiser hatte und alles nicht mehr ganz so straff wie vor zwanzig Jahren war?
Aber – Stopp. Auch das war jetzt egal.
Denn jetzt war sie hier, in Italien, und eins war sicher: Einen italienischen Gigolo würde sie sich sicherlich nicht anlachen. Schauen, ja, das war gestattet, aber nicht mehr. Auf keinen Fall mehr. Abgesehen davon war sie dienstlich hier.
Mittlerweile stand sie vor der Anzeigentafel und suchte nach dem Anschlusszug.
„Triest ... Ah, hier. 12:38 Uhr“, las sie halblaut, wie sie es oft tat, wenn sie sich auf etwas konzentrierte. Ihr blieben etwas mehr als zwanzig Minuten. Zeit genug für die erste Sünde, oder nicht?, überlegte sie schelmisch grinsend.
Unmittelbar zu ihrer Linken befand sich das Bahnhofs-Café, aus dem ihr der typische, unwiderstehliche Kaffee-Duft in die Nase wehte. Ein feiner Cappuccino zur Begrüßung ging sich locker aus, vorausgesetzt, es war nicht zu viel los.
Voll Vorfreude auf den cremigen Kaffee trat sie ein und stellte begeistert fest, dass in der Tat wenig los war. Dafür, oder gerade deswegen, betreuten die beiden Kellnerinnen im fortgeschrittenen Alter die anwesenden Herren wohl besonders intensiv. Oder einfach deswegen, weil es Männer waren ... und ... mamma mia, sahen die gut aus! Wie frisch vom Himmel gefallen.
Alle drei waren mittleren Alters, trugen perfekt sitzende Anzüge und lehnten lässig-elegant am anderen Ende des halbmondförmigen Tresens, wo sie lebhaft mit Händen und Füßen diskutierten. Das Erste, was Veronika auffiel, war ihre aufrechte, stolze Haltung, dank derer sie vor Männlichkeit nur so strotzten. Dann bemerkte sie, wie gepflegt sie wirkten und wie viel Wert sie auf ihr äußeres Erscheinungsbild legten. Akkurat geschnittenes, ordentlich gekämmtes Haar, exakt rasierte Bärte bzw. eben kein Bart, wie im Falle des einen, dem Umwerfendesten von allen Dreien. Sonnengebräunte, ebenmäßige Haut, die mit Sicherheit jeden Tag mit teurer Creme verwöhnt und folglich zum Küssen und Kuscheln weich war.
Italiener eben, dachte sie grinsend, senkte kurz errötend den Kopf, starrte dann aber sofort wieder zu ihnen hinüber. Gerade, als sie die Aufmerksamkeit des größten Mannes auf sich gezogen hatte und er ihr mit einem tiefen Blick ein wohliges Kribbeln in der Magengrube bescherte, bat eine der Kellnerinnen um ihre Bestellung. Da sie seit dem Frühstück um sieben Uhr nichts mehr gegessen hatte, wählte sie einen Cappuccino und dazu ein Cornetto con Crema, also ein mit Vanillepudding gefülltes Plunderhörnchen. Das Gebäck war einfach zu lecker, als dass sie hätte widerstehen können und wer wollte in Italien schon Kalorien zählen!
Schmunzelnd schielte sie erneut zu dem attraktiven Trio, deren Frauen oder, bzw. und, Geliebte sich bestimmt keine vergleichbaren Kalorien-Eskapaden erlaubten. Und bestimmt hatte jeder von ihnen beides, also Frau und Geliebte, so „gehörte“ es sich schließlich für einen „anständigen“ Südländer. Das hatte sie vor Jahrzehnten gelesen, und aus ihrer eigenen Lebenserfahrung sprach nichts dagegen. Aber was sollte es – auch ohne Vanille-Hörnchen würde sich keiner der drei Schönheiten für sie interessieren, und überhaupt schaute sie ja nur!
„Auf den italienischen Augen – und Gaumenschmaus“, murmelte sie, als die Kellnerin die Sachen vor ihr abstellte. Genüsslich nahm sie den ersten Schluck von dem Kaffee, der weder zu heiß noch zu kalt, weder zu sauer noch zu mild, weder zu schwach noch zu stark, sondern goldrichtig war. Und dazu die Vanillecreme ... Sie führte das Hörnchen zum Mund und schloss erwartungsvoll die Augen, als sie in den weichen Teig biss. Och, oh ja ... mhm ... was war das köstlich! Ein einziges Gedicht. Einfach himmlisch.
Sie nahm noch einen Bissen, leckte mit der Zungenspitze vermeintliche Brösel von den Lippen und trank einen Schluck, bevor sie das Gebäck aus der Hand legte und sich erneut umsah. Die drei Signori standen nach wie vor am selben Ort und waren nach wie vor unsagbar schön. Alles beim Alten also.
Doch was war das?
Mit einem wilden Mix aus Gefühlen sog sie die Luft ein. Sie fühlte sich zugleich ertappt und auserwählt. Denn einer von ihnen sah sie unverhohlen an, und seine Augen blitzten hochgradig sexy auf, als sich ihre Blicke kreuzten. Sein Blick fuhr ihr direkt in die Magengrube und schickte tausend warme Funken durch ihren Körper. Die anderen Männer standen mit dem Rücken zu ihr und lehnten mit den Ellbogen lässig am Tresen. Ja, schöne Rücken konnten durchaus entzücken, aber ein so ebenmäßiges Gesicht mit so einem verführerischen Grinsen und so tiefsinnigen Augen konnte definitiv mehr. Nämlich verzaubern. Einem den Boden unter den Füßen wegreißen. Und einem die Beine weich werden, das Herz flattern und die Augen groß werden lassen.
Huch, das war auch Italien, ja ... diese unerwarteten Flirtereien und Kolibrischwärme in ihrem Innersten.
Langsam hob sie den Kaffee an die Lippen und nahm einen weiteren Schluck, wobei sie den Mann aus dem schmalen Rand zwischen dem Tassenrand und Augenbrauen fixierte. Eine wohlige Wärme breitete sich von ihrer Kehle bis zum Sonnengeflecht aus, und das lag nicht an dem Heißgetränk. Sondern eindeutig an den Augen und an dem Gesichtsausdruck des Fremden. Er hielt ihrem Blick nicht nur stand, nein. Er drehte den Spieß auch noch um. Mit einem Mal war er es, der sie taxierte. Für einen Sekundenbruchteil blitzten seine Augen auf, sein Kinn hob sich, seine Wangen strafften sich und seine Lippen formten ein U. Die Hand, die er gerade noch auf Brusthöhe gehalten hatte, wanderte zu seiner Hüfte.
Sie senkte die Lider und das Kinn, kurz nur, mit Sicherheit kaum merklich, und signalisierte dennoch somit unbewusst ihr Einverständnis.
Die Wärme steigerte sich zu einer Hitze, die ihre Mitte und Schenkel zum Glühen brachte. Dort prickelte und zog es so stark, dass sie den Geschmack des Cappuccinos nicht mehr wahrnahm. Noch immer den Blickkontakt haltend, stellte sie die Tasse ab. Wieder flammten seine Augen auf. Veronika wandte sich zur Seite, nahm die Serviette und tupfte sich den Milchschaum von den Lippen, bevor sie erneut von ihrem Cornetto abbiss, aus dem die Creme tropfte. Diese wischte sie mit dem Zeigefinger genüsslich auf und leckte ihn ab. Als sie den Finger in den Mund gesteckt hatte, schaute sie auf und bemerkte, dass alle drei Männer sie beobachteten.
Ein heftiger Schauer lief durch sie und sie brauchte einen Moment, um sich zu fassen. Sie stieß ein kaum hörbares „H“ aus und zog die Mundwinkel in die Höhe. Dann drehte sie sich langsam aus dem Blickfeld. Und sah die Uhr.
Schon wieder wurde ihr schwindelig: 12:36 Uhr! In zwei Minuten war Abfahrt! Sie musste noch bezahlen und samt Koffer unter den Gleisen durch auf einen anderen Bahnsteig, und das alles bestimmt ohne Rolltreppe! Der Bahnhof war nicht groß, aber trotzdem ... die Treppen!
„Il conto, per favore“, die Rechnung, bitte, rief sie beinahe panisch, und vergaß Cappuccino und Cornetto sowie Haltung und Flirt.
Von den Angestellten war nur eine zu sehen und die wärmte gerade mit einer nur in Italien möglichen Hingabe panini, belegte Brötchen, auf dem Grill auf. Sie hob nicht einmal den Kopf, sondern drückte unbeirrt weiter die obere Klappe auf die untere. Himmel! War die denn von allen guten Geistern verlassen? Das hier war doch ein Bahnhof, kein Sanatorium, Leute mussten weiter, wieder fort, und dazu war es höchste Eisenbahn!
„Mi scusi, signorina!“, rief sie etwas lauter, stellte sich auf die Zehenspitzen und wedelte mit der Hand in der Luft herum. Hektisch suchte sie in der Geldbörse nach Kleingeld. Wie viel konnte das kosten? 3 Euro? Sie hatte nur Cent-Stücke und einen Fünfziger, und das war zu viel Wechselgeld, als das sie darauf hätte verzichten können.
„Mi scusi!“, rief sie noch lauter und schämte sich gleichzeitig entsetzlich allein schon dafür, dass sie auf so typisch deutsche Art richtig Stress verbreitete. Zum anderen wäre sie vor den Männern am liebsten im Boden versunken, denn gewiss hatte noch nie in der gesamten Geschichte Italiens eine Frau einen so heißen Flirt so bescheuert an die Wand gefahren wie sie. Völlig ohne Stil, ohne Haltung und bar jeglicher Eleganz. Stai facendo brutta figura, dachte sie zwar, also, dass sie ein ganz erbärmliches Auftreten hinlegte, aber dennoch konnte sie nicht aus der Haut. Die war ihr ohnehin schon viel zu eng, ihr war, als würde sie explodieren, so stark spürte sie das Ticken der Uhr. Sie durfte den Zug nicht verpassen. Sie musste den Zug kriegen! Was war hier nur los? Ging das nicht schneller? Was war nur mit der Bedienung los? So eine lahme Schnecke!
Endlich drehte diese sich im Einschlaf-Modus zu ihr und sagte provozierend deutlich und langsam: „Un attimo“, einen Moment, ich bin gleich hier fertig.
Gleich, gleich! Was sollte sie mit gleich anfangen! Der Zug kam gleich, und sie zu spät!
Voller Panik trippelte und hippelte sie von einem Fuß auf den anderen und vermied es aufs Peinlichste, noch einmal zu dem überirdischen Trio zu schauen. Hypernervös zog und zerrte sie an ihrer Tasche, die sie längst über die Schulter gehängt hatte, um sofort lossprinten zu können.
Sie durfte den Zug nicht verpassen.
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ISBN: 978-3-7394-4346-1