Auf Umwegen zum Glück - Katharina Pavlustyk - E-Book

Auf Umwegen zum Glück E-Book

Katharina Pavlustyk

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Beschreibung

Was macht Menschen glücklich? Was ist Glück? Und wie kann es sein, dass ein Mensch, der eine Menge über Glück weiß, dennoch nicht glücklich ist? Diese Fragen hat sich Katharina Pavlustyk in ihrem Buch "Auf Umwegen zum Glück" gestellt. Sie hat sich ein Jahr Zeit genommen, um ihr Glück zu finden. Bei Glückfinder-Tagen hat sie viele Geschichten von Menschen gehört, die ihr Glück gefunden haben. Sie ist nach Marokko und in die Ukraine gereist, um sich selbst zu finden. Sie hat Techniken gelernt, um erfolgreich und glücklich zu sein. Was sie auf ihrer Reise zum Glück gelernt hat, steht in diesem Buch.

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Seitenzahl: 224

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Katharina Pavlustyk

Auf Umwegen zum Glück

Wie ich versucht habe, glücklich zu werden, und was ich dabei gelernt habe

© 2018 Katharina Pavlustyk

Cover: Henrique Art/99designs.com

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback

978-3-7469-5573-5

E-Book

978-3-7469-5575-9

Druck in Deutschland und anderen Ländern

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

Verdammt, wie bin ich da bloß reingeraten?

Ein Jahr, vier Monate und acht Tage zuvor

Lektion 1: Glück ist für jeden etwas anderes

Lektion 2: Glück heißt, auf sein Herz zu hören

Lektion 3: Glückliche Menschen denken nicht über Glück nach

Lektion 4: Glück muss man erkennen, wenn es da ist

Lektion 5: Glück ist, in der Gegenwart zu leben

Lektion 6: Glück ist, zu wissen, dass man nicht allein ist

Lektion 7: Glück erfordert Durchhaltevermögen

Lektion 8: Wahres Glück sind Beziehungen

Lektion 9: Glück ist, sich nicht verstellen zu müssen

Lektion 10: Man muss sich immer wieder daran erinnern, glücklich zu sein

Lektion 11: Es braucht nicht viel, um glücklich zu sein

Lektion 12: Glück hat mit Geduld zu tun

Lektion 13: Sich besser zu verstehen, ist der Schlüssel zu einem glücklichen Leben

Lektion 14: Glück sollte man nicht suchen

Lektion 15: Leichtigkeit ist wichtig, um glücklich zu sein

Lektion 16: Menschen sind unglücklich, weil sie nicht wissen, dass sie glücklich sind

Lektion 17: Dinge zu tun, die einen begeistern, macht glücklich

Lektion 18: Man sollte auf sein Herz hören, wenn man glücklich sein will

Lektion 19: Glück ist, den Zweifeln nicht die Kontrolle zu überlassen

Lektion 20: Ich selbst bin mein Glück

Lektion 21: Glück versteckt sich manchmal

Lektion 22: Geld allein macht definitiv nicht glücklich

Lektion 23: Glück ist kein Jahresprojekt

Verdammt, wie bin ich da bloß reingeraten?

Mit dem ersten Arbeitstag verbinden die meisten Menschen etwas Aufregendes, einen neuen Abschnitt in ihrem Leben. Wer einen neuen Job antritt, möchte einen guten Eindruck machen, sich von der besten Seite zeigen, mit den neuen Kollegen gutstellen. Er denkt schon Tage vorher nach, was er anzieht, und darüber, ob er zum Einstand einen Kuchen mitbringen soll oder nicht. Mir ist das alles vollkommen egal. Ich habe keinen Kuchen mitgebracht. Ich sitze in einem großen Büro mit vier Kollegen, und während einer mir das Programm erklärt, mit dem ich arbeiten werde, macht sich in mir das Gefühl breit, dass ich hier falsch bin. Absolut falsch.

Okay, vielleicht sollte ich weiter vorn anfangen. Ich bin Katharina und habe eine Stelle angetreten, die ich nicht hätte angetreten sollen. Warum habe ich das getan? Weil mein Freund und ich den Mietvertrag für eine Wohnung unterschrieben haben, die wir uns ohne meinen Job nicht leisten können. Das ist zumindest die Kurzfassung der Geschichte. In zwei Wochen ist der Umzug, die Freunde haben zugesagt zu helfen, die aktuelle Wohnung ist gekündigt und die Hälfte unserer Sachen ist verpackt in Kartons. Und ich sitze da, auf diesem Bürostuhl, auf dem schon unzählige Redakteure gesessen haben, und könnte nur noch heulen. Ich will hier nicht sein - aus einer Vielzahl von Gründen.

Ich will eigentlich selbstständig arbeiten, Bücher schreiben und die Welt bereisen. Dennoch sitze ich jetzt hier, in diesem Büro. Verdammt, wie bin ich da bloß reingeraten?

Na ja, es gibt auch hier eine Vielzahl von Erklärungen. Doch im Moment denke ich nicht über sie nach. Stattdessen habe ich das Gefühl, das ich gleich implodiere. Dass es „bumm“ macht und ich nach dem großen Knall nur noch wie eine Katharina-Hülle aussehen werde - mit rosa Matsch im Inneren. Aber ich lächle weiter und nicke, während der neue Kollege mir erklärt, wie ich Zeitungsseiten baue, wie ich Artikel aus Zeitung X auf Seiten von Zeitung Y setze. Wieso nur habe ich diesen Job angefangen? Ach ja, das Geld … Einer der Gründe pro Festanstellung.

Aber so ist das doch im Leben?! Man geht studieren oder macht eine Ausbildung, man findet einen Job, tauscht seine Rostlaube gegen ein schönes Auto ein, zieht aus der WG oder dem Hotel Mama aus und mietet eine Wohnung. Dann arbeitet man sich hoch, kauft ein noch schöneres Auto und eine Eigentumswohnung, die man die nächsten zwanzig, dreißig Jahre abbezahlt.

Eigentlich war das in den vergangenen paar Jahren genau das Konzept, nach dem ich nicht leben wollte. Aber was soll’s? Vielleicht brauche ich doch mehr Struktur, vielleicht kann ich mich mit einem ganz normalen Leben arrangieren.

Da sind so viele unterschiedliche Stimmen in meinem Kopf. Die wollen alle etwas anderes.

Doch ich spüre mit jeder Faser meines Körpers, dass ich in dieser Redaktion fehl am Platz bin. In der Mittagspause kriege ich kaum etwas von meinem Essen herunter. Und als ich nach acht Stunden Arbeit nach Hause fahre, heule ich hemmungslos und frage mich, was ich getan habe. Wie soll ich mir mit DEM Job die Zeit nehmen, um Bücher zu schreiben und zu reisen? Wie soll ich SO ein selbstbestimmtes Leben führen?

Und am wichtigsten: Wie konnte ich in diese Situation geraten? Ich hätte es doch besser wissen müssen. Ein Jahr, vier Monate und acht Tage vor diesem ersten Arbeitstag habe ich angefangen, nach meinem Glück zu suchen. Ich wollte erfahren, wer ich bin und was ich gut kann und wie mein Leben sein soll und so.

Ein Jahr habe ich damit verbracht, glücklich zu werden. Und ich hatte den Eindruck, ich hätte es verstanden.

Warum beschleicht mich jetzt das Gefühl, dass ich in all den Büchern, Seminaren und Gesprächen nichts gelernt habe? Ich habe des Geldes wegen einen Job angenommen, der mir und meinen Fähigkeiten nicht entspricht. Ich soll in zwei Wochen in eine große Wohnung umziehen, die ich mir ohne diese Arbeit nicht leisten kann. Ich sitze da und heule, weil ich mich in eine Situation hineinmanövriert habe, aus der es keinen Ausweg gibt.

Ein Jahr, vier Monate und acht Tage zuvor

Angst. Sorgen. Zweifel. Sie begleiten viele Menschen jeden Tag, von morgens bis abends. Auch mich. Sie haben sich irgendwann in mein Leben geschlichen und breitgemacht. Wie ein unliebsamer Gast, der sagt, er bleibe nur eine Nacht. Und dann nimmt er das Wohnzimmer in Beschlag, futtert den Kühlschrank leer, sitzt den ganzen Tag vor dem Fernseher und macht dir auch noch Vorwürfe, weil du es nicht geschafft hast, einkaufen zu gehen.

Als Kind war ich fröhlich und neugierig und mutig. Ich bin in einem kleinen Dorf in Russland aufgewachsen und habe echte Freiheit erlebt. Ich habe es genossen, Kühe oder Schafe auf der Wiese zu hüten. Ich durfte draußen spielen und mich dreckig machen. Als Achtjährige bin ich mit meinem Bruder auf dessen Mofa mitgefahren - und wir stürzten damit auf einer unbefestigten Straße. Mein Bruder war damals zehn oder elf Jahre und erst ein halber Fahrprofi. Alles war ein Abenteuer. Auch der Umzug nach Deutschland, als ich neun Jahre alt war.

Ich habe mich riesig darauf gefreut; ich hatte alle deutschen Wörter aufgesogen, die Mama uns vorher mit einer Fibel beigebracht hatte. Okay, ich konnte „Ente“ und „Ende“ noch nicht unterscheiden. Aber das war nicht so wichtig. Damals habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, was andere von mir denken könnten. Ich habe meine Meinung gesagt. In der fünften Klasse - das muss etwa ein Jahr nach unserem Umzug nach Deutschland gewesen sein - bat uns die Religionslehrerin, eine junge Frau, die uns Kinder ernstnahm, ihr zu sagen, was sie am Unterricht verbessern könnte. Wir Schüler saßen in einem Stuhlkreis und ich - fleißiges und strebsames Kind, das ich nun einmal war -, riss meine Hand nach oben und verkündete freudestrahlend: „Ich möchte mehr Hausaufgaben!“

Gut, im Nachhinein betrachtet, kein toller Weg, um sich beliebt zu machen. Aber das war mir damals egal.

Ich stand wie ein Felsen hinter meinem Wort und meiner Meinung.

Doch das änderte sich mit der Zeit. Wir alle machen auf dem Weg ins Erwachsenenleben viele Erfahrungen - gute und schlechte. Viele Menschen können besser oder schlechter mit diesen Lektionen des Lebens umgehen. Ich war richtig mies darin.

Es gibt ein Foto, das mich, meine Mutter und meine sechs Jahre ältere Tante im Ungarnurlaub zeigt. Ich war damals vierzehn und befand mich in einer dunklen Phase: sprichwörtlich und im übertragenen Sinn. Die dunklen Wolken schienen mich zu jener Zeit überallhin zu begleiten. Ich war in der Pubertät. Aber das war nicht das Schlimmste. Durch Erfahrungen, die ich gemacht hatte, hatte ich auch die Hoffnung auf alles Gute verloren.

Jedenfalls sieht man mich auf diesem Foto, das ich meine, zwischen meiner Mutter und meiner Tante. Meine Tante steht da in ihrem sommerlichen Trägerkleid, den linken Arm in die Hüfte gestemmt, glückselig lachend. Meine Mutter, in einem bunt gestreiften Kleid, lächelt mindestens ebenso schön, den rechten Arm hat sie an ihrem Hinterkopf. Und dazwischen ich: schwarzes Kleid, hängende Arme, keine Gesichtsregung. Ich sehe auf dem Bild aus wie das, was später einmal Emo genannt werden sollte. Ich war aber kein Emo, ich war kein Metal-Fan und auch kein Goth. Ich war traurig und habe meine Traurigkeit für mich behalten. Ich war verschlossen und irgendwie deprimiert.

Na ja, die Gründe dafür, wieso ich den Spaß im Leben verloren hatte, sind meine Gründe. Das würde jetzt den Rahmen sprengen. Fakt ist, dass es eine Zeit gab, in der ich meinem Tagebuch anvertraute, dass ich mich dick und hässlich fühlte, obwohl ich ein ganz normales Mädchen war, das sich bloß irgendwie verloren hatte.

Eine Weile fand ich es interessant, dass manche im Leben bestens zurechtzukommen scheinen und zielstrebig ihren Weg gehen, während andere - mich eingeschlossen - sich selbst im Dickicht der Zweifel, negativen Gedanken und Emotionen verlieren.

Letztlich streben wir doch alle nach Zufriedenheit, nach Glück. Und einige scheinen es gepachtet zu haben, wohingegen andere ständig am Leben zu scheitern drohen und depressiv werden. Und wenn es einem dann erst mal schlecht geht, läuft alles nur noch schief. Das Glas ist nicht nur halb leer, es befindet sich kein einziger Tropfen mehr darin.

Schon klar, alles eine Frage der Perspektive. Wer sich meinen Lebenslauf anschaut, wird sagen, dass ich keinen Grund habe, unglücklich zu sein. Nach dem Umzug nach Deutschland habe ich einen Realschulabschluss und Abitur gemacht, ich habe Germanistik und Pädagogik studiert, hatte einen spannenden Job als Redakteurin bei einer Tageszeitung.

Es lief nach außen hin alles in geregelten Bahnen. Und doch war ich nie wirklich zufrieden. Ich war nie stolz auf das, was ich erreicht hatte. Ich habe es nie als etwas Besonderes gesehen: Tausende und Abertausende machen Abi und gehen studieren. Mein Abischnitt war mit 2,0 nichts Herausragendes - bei der Absolventenfeier habe ich übrigens geheult, weil mir ein Punkt (!) - zur 1,9 gefehlt hat. Die Note 1,7 erreichte ich dann in meiner Magisterarbeit, vermieste mir jedoch den Schnitt in der mündlichen Prüfung und landete bei einer 2,6 als Gesamtnote. Noch heute denke ich manchmal an die Absolventenfeier oder diese mündliche Prüfung. Noch immer hängen sie als Belege meines Versagens über mir.

Nun ja, genug davon. Ich hatte mich jedenfalls verloren. Und wie findet man sich selbst wieder, obwohl man doch jeden Morgen als man selbst aufsteht? Wo und wie findet man das Glück? Und was ist das überhaupt?

Ich dachte, ich wäre glücklicher in einer neuen Stadt, mit einem neuen Job. Doch Fehlanzeige. Auch nachdem ich meinen Job als Redakteurin aufgegeben hatte und aus der Provinz in die Großstadt gezogen war, was viele Jahre mein Traum gewesen war, fühlte ich mich unglücklich. Ich arbeitete als PR-Redakteurin in einer Agentur und hatte tolle Kollegen und noch größere Freiheiten als in meinem vorherigen Job. Dennoch fühlte ich mich gefangen. Na ja, ich hatte mich ja selbst mitgenommen.

Die Flucht an andere Orte, in andere Jobs oder Umstände, in die Arme eines anderen Partners macht jedenfalls nicht glücklich. Zumindest nicht auf Dauer. Etwas Neues kann kurz euphorisieren. Eine Veränderung kann im ersten Augenblick wie das große Los erscheinen. Doch diese Wolke, auf der man zu schweben scheint, löst sich schon sehr bald in Wohlgefallen auf - und man landet auf dem harten und dreckigen Boden der Tatsachen.

Und da war ich nun. Mal himmelhoch jauchzend, mal zum Tode betrübt, wie Goethe zu sagen pflegte. Morgens quälte ich mich aus dem Bett, um in die Agentur zu fahren. Die meisten Aufgaben dort erledigte ich mit links und verbrachte Stunden und Stunden damit, nach alternativen Lebens- und Arbeitsmodellen zu googeln, Blogbeiträge über Selbstständigkeit und passives Einkommen zu lesen. Abends konnte ich mich jedoch zu nichts aufraffen und schaute irgendwelche Videos und Filme.

Ich wusste, dass mein Leben anders sein sollte. Bloß wie? Was sollte ich tun? Ich fing an, mit Menschen zu sprechen, die glücklich sind und ihre Berufung gefunden haben, und lernte Andreas Gregori kennen.

Er hatte mit 35 Jahren alles erreicht, wovon viele Menschen träumen. Er hatte BWL studiert und saß in der Geschäftsführung eines mittelständischen Unternehmens. Geld, Autos, eine große Wohnung. Andreas lebte im Wohlstand. Dennoch war er nicht glücklich. Er wollte irgendwie durchs Leben kommen, um es dann später als Rentner zu genießen. Weil er verstehen wollte, was Glück ist und wie man es findet, fing er an, glückliche Menschen zu interviewen. Er entdeckte dadurch seine Stärken und sein eigenes Glück.

Andreas und ich blieben nach unserem Gespräch im Kontakt. Als ich erfuhr, dass er eine Veranstaltung zum Thema Glück in der Nähe meines Wohnortes organisierte, fuhr ich hin. Und schneller als mir lieb war, trat ich eine Reise an, die schon sehr lang fällig gewesen war: eine Reise zu mir selbst und zu meinem Glück.

Lektion 1: Glück ist für jeden etwas anderes

Wo bin ich hier bloß gelandet? Am liebsten würde ich wieder nach Hause fahren. Ja, ich wollte das Glück finden - und will es immer noch. Aber im Moment habe ich das Gefühl, dass der Besuch dieses Glückfindertages doch eine blöde Idee war. Eine ganz blöde Idee.

Andreas Gregori organisiert die Veranstaltung in Essen - und in diesem Jahr noch fünf weitere in anderen Städten in Deutschland. Er spricht mit Menschen, die ihr Glück gefunden haben, und erzählt ein bisschen über verschiedene Aspekte des Glücks. Und obwohl es hier um nicht viel mehr geht als Zuhören, bin ich nervös und angespannt. Ich habe das Gefühl, dass alle anderen Besucher zu einer eingeschworenen Gemeinschaft gehören. Alle umarmen sich und haben sich lieb, sie lächeln und beginnen Sätze mit „Na, du?!“

Was für eine Sekte ist das? Und was wollen die hier? Die sehen nicht so aus, als wären sie auf der Suche nach Glück. All die lächelnden Menschen - es sind um die neunzig Personen, vorwiegend Enddreißiger bis Mittfünfziger - machen mich noch unsicherer. Ich fühle mich total fehl am Platz und beruhige mich mit dem Gedanken, dass ich ja weiß, wo die Tür ist und sofort abhauen kann, wenn mir das hier zu bunt wird. Auf so eine esoterische Wir-haben-uns-alle-lieb-Scheiße habe ich echt keine Lust.

„Hey, ich bin der Jan.“ Ein groß gewachsener Mann reißt mich kurz aus meinen Gedanken. Nach wenigen Minuten weiß ich mehr über ihn, als mir lieb ist. Was er beruflich macht (Steuerberater), wie viele Kinder er hat (drei), dass er sich gerade hat scheiden lassen und mit seiner neuen Freundin zusammenzieht, dass er total happy ist, bei diesem Glückfindertag dabei zu sein, weil er vor einigen Jahren selbst in einer tiefen Depression gesteckt hat und sich jetzt auf dem Weg der Besserung befindet.

Ich sage nichts. Ich lächle und nicke immer mal wieder, schiebe ein „oh“ hier und ein „hm“ dort ein. Nach dem Gespräch mit Jan merke ich, dass ich wohl doch nicht die Einzige in diesem Raum bin, die nicht jeden Tag auf rosa Wolken läuft. Man kann den Menschen eben auch nur vor den Kopf schauen.

Der Veranstaltungssaal füllt sich allmählich. Andreas, der Verursacher dieses Happenings, wird freudig begrüßt. Er umarmt einige Gäste, bekommt von ein paar von ihnen Geschenke. Was zur Hölle? Ehrlich, warum bin ich hier? Habe ich erwartet, dass ich diese Veranstaltung besuche und fröhlich hüpfend nach Hause gehe?

Irgendetwas hält mich jedenfalls in diesem Raum mit einem Kronleuchter aus angemalten Barbiepuppen. Ich setze mich in die hinterste Reihe und dann geht es los. Und zwar mit einer Information, die mich ein wenig verwirrt:

„Wir sind alle perfekt“, sagt Andreas. „Alles, was wir zum Glücklichsein brauchen, liegt bereits in uns.“

Na super, dann hätte ich auch zu Hause bleiben können.

Dass Job, Geld und andere materielle Freuden auf Dauer nicht glücklich machen, weiß ich bereits. Ich hatte alles davon: einen Job, von dem viele träumen, genug Geld auf dem Konto, um von heute auf morgen eine Weltreise zu machen, eine schöne Wohnung, mehr als fünfzig Paar Schuhe, einen riesigen Schrank voller Klamotten und Schmuck in allen Regenbogenfarben. Und trotzdem lag ich an einigen Tagen tieftraurig im Bett, nicht wissend, was mit mir los ist. Ich habe geweint und hatte keine Ahnung, warum.

Die Wurzeln allen Übels liegen, wie ich jetzt erfahre, in der Kindheit begründet. In der Kindheit, oder besser gesagt, dank der Erziehung bekommen wir Macken, die wir ins Erwachsenenalter mitschleppen. Als kleine Kinder sind wir mutig, stellen Fragen, weil uns die Antworten wirklich interessieren und wir darauf brennen, Antworten zu erhalten.

Ich war auch ein neugieriges Kind, ich wollte alles wissen. Als mein zweieinhalb Jahre älterer Bruder in die Schule kam, wäre ich am liebsten mitgegangen. Weil das nicht ging, war ich immer dabei, wenn meine Mutter mit ihm Lesen übte. Sie saßen auf dem Sofa und ich stand ihnen gegenüber und lernte so Lesen - spiegelverkehrt.

Gut, neugierig bin ich auch heute noch. Ist das der Grund, wieso es mich irgendwann in den Journalismus gezogen hat? Oder die Tatsache, dass das der heimliche Berufswunsch meiner Mutter war? Egal.

Ich bin im Studium jedenfalls in den Journalismus reingerutscht und habe als freie Mitarbeiterin über Schützenfeste geschrieben, über Konzerte und Ausstellungseröffnungen. Die meiste Zeit habe ich das sehr gern gemacht; ich fühlte mich bedeutend. Mein Name stand in der Zeitung! Mir war es egal, dass ich als Kellnerin wahrscheinlich mehr Geld verdient hätte. Ich wollte unbedingt Redakteurin werden, und als ich es war, veränderte sich die Art, wie ich Fragen stellte. Irgendwann war mein Job eben nur noch das: ein Job. Die Dinge, die ich erfragte, interessierten mich nicht wirklich. Mein Ziel war es, möglichst schnell an Informationen zu gelangen, um möglichst schnell einen Artikel zu schreiben, möglichst schnell die Zeitungsseite fertigzustellen, möglichst schnell Feierabend zu machen und möglichst schnell nach Hause zu kommen, wo ich dann vor dem Fernseher saß und anderen Menschen dabei zusah, wie sie Spaß hatten.

Warum ist das so gekommen?

Ich meine, wie ist es denn meistens? Als Kinder machen wir lustige Sachen und kümmern uns nicht darum, was andere sagen. Bis der Zeitpunkt kommt, da uns die Erwachsenen lehren, uns in ihre Welt einzufügen. So habe auch ich gelernt, dass es sich nicht schickt, ein Kleid meiner Mutter anzuziehen und damit vor meinem Bruder und seinen Freunden herumzustolzieren. Dass es nicht gut ist, durch Pfützen zu springen und sich nass und dreckig zu machen. Irgendwann lernen die meisten Kinder, lieb und brav zu sein.

Wie so viele habe auch ich gelernt, dass ich am besten durchs Leben komme, wenn ich das tue, was die Erwachsenen wollen. Ich war eine Vorzeigetochter und Musterschülerin. Und das hat viele Jahre funktioniert. Doch irgendwann nicht mehr. Nach vielen Jahren, in denen ich den Ratschlägen der Erwachsenen gefolgt war, wusste ich selbst nicht, was ich wollte. Ich wusste nicht, welchen Job ich machen, wie ich leben wollte, wer ich überhaupt war. Selbst als freie Mitarbeiterin bei der Zeitung war ich nicht glücklich, wenn ich ehrlich mit mir selbst bin. Ich war gehemmt in Interviews, ich habe meine Meinung nicht verteidigt, ich hatte Freunde, die mir nicht guttaten. Das zog sich so durch, ohne dass ich dem eine Bedeutung zumaß. Und irgendwann wachte ich auf und stellte fest, dass mein Selbstwertgefühl im Keller war. Von Glück keine Spur.

„Glück bedeutet für mich, dass ich mich in einundfünfzig Prozent der Zeit gut fühle“, sagt Andreas und reißt mich aus meinen Gedanken. Er erzählt von den insgesamt sechs Glückfindertagen in diesem Jahr und den zwölf Themen, die dabei angesprochen werden.

„Wenn ihr diese zwölf Themen kennengelernt habt, wird es euch leichtfallen, ein glückliches Leben zu führen“, verspricht er.

Was ist das für ein Möchtegern-Guru?, denke ich. Und: sechs Veranstaltungen? Im Moment will ich unbeschadet diese eine überstehen.

Bei dieser geht es um die ersten zwei Themen: Fragen stellen und Zuhören. Aha, denke ich. Demnach sollte ich doch schon glücklich sein. Als Journalistin habe ich unentwegt Fragen gestellt und anderen Menschen zugehört. Und nun? Hat mich das glücklich und zufrieden gemacht? Nö.

Gut, Andreas meint etwas anderes. Er erzählt die Geschichte einer jungen Frau mit einem Aneurysma im Gehirn und einer halbseitigen Lähmung. Im Krankenhaus, kurz vor einer Operation, stellte sie sich die Frage, warum sie nicht singe. Sie habe schon immer singen wollen, sich aber nie getraut. Und nun, da es um ihre Gesundheit denkbar schlecht stand, versprach sie sich, dass sie singen würde, sobald sie wieder genesen wäre. Und tatsächlich: Ihr Zustand verbesserte sich nach der OP deutlich. Sie löste ihr Versprechen sich selbst gegenüber ein, tritt heute mit einer Band auf und ist erfolgreich mit ihrer Musik.

Geschichten wie diese gibt es zuhauf. Menschen, die dem Tod von der Schippe gesprungen sind, die nach einer schmerzlichen Erfahrung ihr Leben verändert haben und nun glücklich und zufrieden sind.

Klingt nach einem kitschigen Märchen. Und ich glaube nicht an Märchen, weil das Leben keines ist. Was passiert, wenn Dornröschen und ihr Prinz den Alltag miteinander bestreiten? Leben sie glücklich bis an ihr Lebensende? Wohl kaum. Klar, es gibt glückliche Paare, die mit den Jahren fester zusammenwachsen und sich auch bei der Silberhochzeit wie frisch Verliebte anschauen. Und dann gibt es die meisten anderen, die sich wegen der Art zoffen, wie man Geschirr in die Spülmaschine stellt.

„Wir müssen die richtigen Fragen stellen“, sagt Andreas. „Und die richtigen Fragen kommen zur richtigen Zeit. Wenn wir uns immer wieder fragen, ob wir etwas Bestimmtes tun sollen, erhalten wir eine Antwort.“

Ich weiß, was Andreas meint. Vor einiger Zeit ging es mir echt mies. Mein Leben bestand aus Arbeit in der Redaktion, Arbeit zu Hause, aus Fernsehen und Schlafen. Ich fragte mich damals, ob ich meinen Job als Redakteurin aufgeben sollte. Ständig schwankte ich zwischen Über- und Unterforderung. Entweder ich kam erst spät abends nach Hause, weil ich noch Termine für die Zeitung hatte, oder ich war mit meiner Zeitungsseite schon sehr früh fertig. Und weil man als Angestellter eine gewisse Zahl an Stunden im Büro präsent sein muss und andere seine Arbeit am späten Nachmittag begutachten und bewerten, surfte ich an einigen Tagen eben im Internet, während ich auf den Anruf wartete, nach dem ich entweder Feierabend machen oder die Zeitungsseite umbauen musste. Das stellte ich eine ganze Weile nicht infrage. Machen ja ganz viele so, oder?

Doch nach und nach ging es mir mit meiner Lebensführung immer schlechter. An einem Tag war es so schlimm, dass ich im Büro vor meinem Rechner saß und keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ich musste etwas schreiben und mein Kopf war absolut leer, alle Ideen, alle Worte - wie weggefegt. Ich bekam Panik, aber ich musste funktionieren. Ich konnte nicht einfach nach Hause gehen, obwohl ich vielleicht genau das hätte tun sollen. Ich wollte nur noch Ruhe haben, die Rollläden herunterlassen, im Bett liegen. Am liebsten mehrere Tage. Doch Ruhe gönnte ich mir nicht. Und irgendwann streikte mein Kopf. Er gehorchte mir einfach nicht. Das machte mir große Angst.

Mein Zustand in den Wochen rund um diese Situation war mehr als schlecht. Ich freundete mich mehr und mehr mit der Vorstellung an, etwas Neues zu versuchen. Raus aus dem Journalismus, rein in etwas anderes. Etwas, das vielleicht gar nichts mit dem Schreiben zu tun haben würde. Ich wollte etwas verändern, hatte aber auch riesige Zweifel. Ich dachte: Wer will mich denn überhaupt? Ich kann doch gar nichts außer schreiben.

So ging das einige Zeit. Und eines Tages, als ich nach der Arbeit zu meinem Auto schlurfte, sah ich etwas, das mir wie ein Zeichen erschien. Ich arbeitete damals in einer kleinen Stadt in Ostwestfalen und gerade deshalb bedeutete mir das, was ich erblickte, so viel: ein Auto mit dem Dortmunder Kennzeichen DO-IT. Do it. Tu es. Für mich war damit alles klar.

„Wenn wir bereit sind, werden wir eine Antwort erhalten“, sagt Andreas. Ich war bereit und habe meinen Job aufgegeben. Nicht sofort natürlich. Es folgten mehrere Monate des Zweifels. Glücklicherweise machte es mir mein damaliger Arbeitgeber leicht zu gehen. Sagen wir so, die Zeit, nach der ich einen Festvertrag hätte bekommen sollen, war längst überschritten. Dennoch sollte mein Vertrag vorerst wieder nur um ein Jahr verlängert werden. Ich lehnte ab.

Wenn ich so darüber nachdenke, war es die richtige Entscheidung. Denn sie hat dazu geführt, dass ich mir einen Wunsch erfüllt habe, den ich schon an der Uni hatte: Ich bin in eine Großstadt gezogen. Nach Düsseldorf.

Neuer Job, neue Wohnung. Den ersten Monat war ich total happy. Doch schon im Monat darauf fiel ich wieder in ein Loch. Ich hatte meine Probleme in die neue Stadt mitgenommen. Na super.

Hätte es nicht auch mal klappen können? Annette Rosskamp, die Andreas nun auf die Bühne holt, hat ein Job zu einem glücklichen Leben verholfen. Sie arbeitet in einem Kinderhospiz und begleitet Familien von Kindern, die austherapiert sind. Sie hat ständig mit dem Tod zu tun und ist glücklich.

Annette arbeitete lange als Bürokauffrau, dann heiratete sie, bekam mit ihrem Mann zwei Kinder, trennte sich von ihm. Sie verkaufte später Versicherungen, um mehr Geld zu verdienen. Als der Sohn einer ihrer Freundinnen an Leukämie erkrankte und starb, ging die Trauergesellschaft mit Luftballons zur Beerdigung. „Das wurde richtig zelebriert“, sagt Annette. Für sie war das ein Schlüsselerlebnis. Sie wusste, sie wollte sich um kranke Kinder kümmern. Also engagierte sie sich erstmal in einem Verein, der kranken Kindern Herzenswünsche erfüllt. Mehr und mehr formte sich in ihr die Vorstellung von ihrem künftigen Leben. Sie wusste, sie würde Eltern begleiten, deren Kinder sterben. „Die Kinder haben mir gezeigt, wie man lebt“, sagt sie. Sie fing von vorn an - mit fünfundfünfzig Jahren.

Wow. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Im Tod hat sie das Leben entdeckt. Ihre Geschichte raubt mir den Atem. Die Atmosphäre im Saal ist bedrückend. Einige wischen sich Tränen aus den Augen. Auch ich fühle mich unbehaglich.

Wir sind alle so unterschiedlich. Ich sehe im Tod etwas anderes als Annette. Für mich hat er nichts Schönes. Ich selbst habe keine Angst davor zu sterben. Aber die Vorstellung, einen nahen Angehörigen zu verlieren, bereitet mir Schmerzen und schnürt mir die Luft ab.

Erst wenige Monate vor diesem Glückfindertag habe ich meine russische Oma verloren. Ich war allein nach Russland geflogen, um sie noch einmal zu sehen. Sie war immerhin schon fünfundneunzig Jahre alt. Ich bin nicht sicher, ob sie mich überhaupt noch wahrgenommen hat. Es ging ihr nicht gut. Sie lag nur noch, aß kaum noch etwas und war in einem Dämmerschlaf. An