Aufruhr im Allgäu - Stefan Fischer - E-Book

Aufruhr im Allgäu E-Book

Stefan Fischer

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Beschreibung

Vor 500 Jahren stand das ganze Allgäu im Aufruhr: Die Bauern, später dann alle "kleinen Leute", rebellierten von Weihnachten 1524 an gegen Obrigkeit und Leibeigenschaft, die damals von den Allgäuer Klöstern exzessiv gehandhabt wurde. Hinzu kamen unnachsichtig eingetriebene, ständig steigende Abgaben und andere wirtschaftliche Belastungen. Die Allgäuer Bauern schlossen sich zusammen und formulierten im März 1525 die bekannten 12 Artikel – eine der ersten niedergeschriebenen Forderungen nach Menschen- und Freiheitsrechten in Europa – sowie die Bundesordnung ihrer "Christlichen Vereinigung". Damit legten sie eine wichtige geistige Basis für die moderne europäische Verfassungsentwicklung. Zwar unterlagen die Bauern letzten Endes blutig ihrer Obrigkeit, doch brachte diese Niederlage zugleich die Anfänge einer politischen Mitwirkung des "gemeinen Mannes", wenngleich die Leibeigenschaft erst 300 Jahre später endgültig abgeschafft wurde.

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Aufruhr im Allgäu

Herrn Heinz Richard Schmidt in memoriam

Stefan Fischer

Aufruhr im Allgäu

Kleine Geschichte des Bauernkriegs 1525

VERLAG FRIEDRICH PUSTET

REGENSBURG

Verlag und Autor danken dem Historischen Verein für Schwaben für

seine großzügige Unterstützung beim Entstehen dieses Buches.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über https://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2024 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Gutenbergstraße 8 | 93051 Regensburg

Tel. 0941/920220 | [email protected]

ISBN 978-3-7917-3519-1

Umschlaggestaltung: www.martinveicht.de

Umschlagmotive: Vorderseite: Titelblatt der »12 Artikel« von 1525

(World History Archive/Alamy Stock Foto); Rückseite: Fassadenmalerei an

der Kramerzunftstube Memmingen (Winfoto-Vision, Foto: Winfried Schwarz)

Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2024

eISBN 978-3-7917-6261-6 (epub)

Unser gesamtes Programm finden Sie unter

www.verlag-pustet.de

Inhalt

Vorwort

Der geografische Umgriff: Das Allgäu um 1500

Die Allgäuer Herrschaften zur Zeit des BauernkriegsDie geistlichen Staaten / Die Reichsstädte / Die weltlichen Reichsstände und Adelsherrschaften

Die Lage der BauernDie Grundherrschaft und die Grundleihe / Die weltlichen Abgaben / Hand- und Spanndienst / Die kirchlichen Abgaben / Nutzung von Wald und Fischfang / Ausbau der Landesherrschaft, »Allgäuer Brauch« und Leibeigenschaft / Die Leibeigenschaft / Die Stellung der Bauern im staatlichen Herrschaftsaufbau / Die Seelsorge und Besetzung der Pfarreien

Unruhen vor dem eigentlichen AufstandStreit zwischen Bauern und Abt im Stift Kempten / Der Bundschuh / Der Schwäbische Bund

1524 – Aufruhr in Oberschwaben und am Bodensee: Die Fronten bilden sichDie Lage bei den Allgäuer Reichsständen / Sebastian von Breitenstein, Fürstabt von Kempten 1522–1535 / Georg III. Truchsess von Waldburg, genannt »der Bauernjörg« / Weihnachten 1524: die ersten Bauernversammlungen / Jörg Schmid, genannt »Knopf« von Leubas / Die Bewegung greift aus: Versammlungen im ganzen Allgäu / Das Göttliche Recht

Memmingen: Die »12 Artikel« der Bauernschaft – Entstehung und WirkungMemmingen als Zentrum der bäuerliche Beratungen Anfang März 1525 / Sebastian Lotzer / Die »12 Artikel« und die Bundesordnung / Erste Wirkungen / Wege der Gewalt: Die Kämpfe beginnen / Die Schlacht bei Leipheim / Der »Große Kauf« / Der Vertrag von Weingarten

Vom Weingartener Vertrag bis zum Füssener Abkommen (Mai–Juni 1525)Allgäuer Ablehnung des Weingartener Vertrags / Neue Schwerunkte im Ostallgäu und in Füssen / Verhandlungen mit Erzherzog Ferdinand und Streifzug nach Bayern / Irreführung der Bauern und Ablehnung der Verhandlungsergebnisse / Die Bauern belagern Memmingen

Entscheidung im Juli 1525Das Anrücken des Schwäbischen Bundesheeres von Norden / Lage und Sammlung des Allgäuer Haufens / Die Entscheidungsschlacht bei Leubas / Kapitulation am Kohlenberg bei Sulzberg / Gordian Seuter

Fazit und AusblickDas Ende des Allgäuer Bauernkriegs und seine direkten Auswirkungen / Erzwungene »Versöhnung« im Stift Kempten / Die Verträge von Martinszell und von Memmingen / Schlussbetrachtung und Vermächtnis

AnhangLiteratur- und Quellenverzeichnis / Bildnachweis

Vorwort

Der Deutsche Bauernkrieg vor 500 Jahren (1525–2025) ist ein tiefer Einschnitt im Verlauf der deutschen Geschichte, auch wenn er nicht in allen Teilen des damaligen Alten Reiches stattfand. Einen Schwerpunkt der damaligen Ereignisse bildet das Allgäu: Hier bündeln sich in exemplarischer Dichte die Umstände, die zu diesem Krieg geführt hatten, hier entstanden im Verlauf die weit über das Allgäu ausstrahlenden 12 Artikel der »Christlichen Vereinigung«, und hier konnten die Bauern trotz ihrer blutigen Niederlage an der Leubas mit dem Memminger Vertrag längerfristig eine Verbesserung ihrer Lage und eine wachsende Teilhabe am politischen Geschehen erreichen.

In den folgenden Ausführungen wird versucht, überschaubar und doch informativ die Ursachen, den Verlauf und die Auswirkungen des Bauernkriegs im Allgäu darzustellen. Immerhin war es im Allgäuer Konflikt, bei dem die aufständischen Bauern auf das Herzogtum Bayern übergriffen, das ja sonst im süddeutschen Raum als einziges größeres Herrschaftsgebiet von den Unruhen verschont geblieben ist. Mit den fränkischen Regionen gehört damit das Allgäu mit seinen nördlich angrenzenden bayerisch-schwäbischen Gebieten zu jenen Territorien im heutigen Bayern, in denen die damals versuchte Revolution des »gemeinen Mannes« stattgefunden hat. Auch wenn sie erfolglos blieb, so zeigte sie für eine ganz kurze Zeit – Frühjahr und Sommer 1525 – auch theoretisch die Möglichkeit eines nach eidgenössischem Vorbild aufgebauten Staatswesens, das den sich zum Absolutismus hin entwickelnden Territorialstaaten geistlicher wie weltlicher Prägung diametral entgegengesetzt war. Starke Wurzeln der später in Bayern praktizierten kommunalen Selbstverwaltung liegen hier im Allgäu.

An dieser Stelle möchte der Verfasser sich besonders beim Stadtarchiv und der Stadtbücherei Kaufbeuren für die unbürokratische und kollegiale Hilfe bedanken. Für die historische

Das Allgäu in seiner politischen Gliederung 1802. – Karte nach Franz Ludwig von Baumann, Geschichte des Allgäus III.

Forschung sind beide Institutionen im Allgäu nicht mehr wegzudenken. Dank gilt auch Herrn Hans-Michael Schiffmann für seine wertvollen Hinweise im Bereich des Lehnrechts und der Grundleihe.

Meiner lieben Frau bin ich für ihre Geduld und ihre Unfehlbarkeit in Fragen von deutscher Grammatik, Syntax und Orthografie dankbar; sollten trotzdem noch Fehler in diesem Bereich vorhanden sein, so gehen sie zu Lasten des Autors, weil er nicht aufgepasst hat.

Kaufbeuren, im Juli 2024

Stefan Fischer

Der geografische Umgriff: Das Allgäu um 1500

Das Allgäu erhielt erst durch die bayerische Gebietsreform 1972 mit der Benennung der drei neuen Landkreise Oberallgäu, Unterallgäu und Ostallgäu, in denen die kreisfreien Städte Kempten, Memmingen und Kaufbeuren inkludiert sind, administrativ-politische Grenzen. Bis dahin wurde mit dem Begriff »das Allgäu« rein geografisch eine Region bezeichnet, deren Grenzen zwar zu Bayern und Tirol hin fest definiert waren, die aber nach Westen und Norden hin von den heutigen Landkreisgrenzen abweichen.

Die älteste Karte des Allgäus von Christoph Hurter aus dem Jahre 1619 zeigt es als offenes Gebiet nach Norden bis zur Donau hin. Um die Iller als Zentrum zog Hurter die Grenze im Westen bei Isny und Leutkirch, im Osten bei Füssen und Kaufbeuren. In den Bergen zwischen Füssen und Oberstdorf verläuft die Südgrenze. Nach der historischen Karte von 1802 von Franz Ludwig Baumann gehörten damals die Gebiete um Buchloe, Bad Wörishofen und erhebliche Teile des heutigen Unterallgäus nicht zum Allgäu, jedoch zählte er die südliche Herrschaft des Klosters Ottobeuren und der Reichsstadt Memmingen dazu.

Legen wir die nachher noch beschriebenen Herrschaften im Allgäu in Verbindung mit den heutigen Landkreisgrenzen für die folgenden Ausführungen zugrunde, so ergibt sich ein Gebiet, das im Norden, Osten und Süden den Landkreisgrenzen bzw. den Staatsgrenzen zu Österreich hin folgt, im Westen jedoch, von Oberstaufen sich ungefähr nach Norden wendend, die Gebiete um Wangen, Isny und Leutkirch noch mit einbezieht.

Dies ist also der geografische Raum, der für die Vorgänge des Bauernkriegs 1525 näher betrachtet werden soll.

Die Allgäuer Herrschaften zur Zeit des Bauernkriegs

Gemäß der deutschen historischen Tradition des »Fleckenteppichs« untergliederte sich auch das Allgäu um 1500 in zahlreiche größere, kleinere und noch kleinere Herrschaften, wobei die geistlichen Herrschaften überwogen.

So waren das Stift Kempten und das Hochstift Augsburg die Herrschaften mit den größten Territorien, gefolgt von den Klöstern Ottobeuren und Irsee. Unter die weltlichen Reichsstände zählten die Reichsstädte Memmingen, Kaufbeuren und Kempten, deren Territorialmacht jedoch weit hinter den geistlichen Reichsständen zurückblieb. Im Südwesten schloss sich von Immenstadt an die Grafschaft Königsegg-Rothenfels westlich der Iller bis ins Vorarlbergische an.

Die geistlichen Staaten

Breit hingelagert westlich und östlich der Iller, von Martinszell im Süden bis nach Grönenbach und Ronsberg im Norden, von Frauenzell im Westen bis nach Kemnat bei Kaufbeuren im Osten verfügte das Stift Kempten über die wohl bevölkerungsreichsten Gebiete im damaligen Allgäu. Zur Zeit des Bauernkriegs waren allerdings die Pflegen Tingau, Grönenbach, Kemnat und das Gebiet Ronsberg noch nicht zum Stift gehörig, wohl aber Obergünzburg mit der Burg Liebentann. Die Grenze zum Hochstift Augsburg wurde eigentlich erst im 18. Jh. endgültig festgelegt. So gliederte sich um 1520 das Kemptner Stiftsgebiet in die Pflegen (=Verwaltungsbezirke) Landvogtei oder Pflegamt diesseits der Iller, in die Pflegen Hohentann, Sulzberg, in welcher der Ort Leubas liegt, Falken und seit 1447 in die Pflege Liebentann mit Sitz in Obergünzburg.

Das Hochstift Augsburg war mit seinen Pflegen (Landämter) Buchloe, Füssen, Marktoberdorf und Sonthofen-Rettenberg im Allgäu vertreten. Kurz vor dem Bauernkrieg waren noch die Besitzungen Jengen (1454) und die Vogtei Denklingen (1510) an das hochstiftische Vogtamt Buchloe gekommen. Das Gebiet umfasste damals etwas vereinfacht gesehen den Bereich der heutigen Landkreise Ostallgäu und den Südteil des Landkreises Oberallgäu.

Waren die beiden großen Territorialherren des Allgäus selbstverständlich reichsständisch, so war dies bei den beiden anderen größeren Klöstern zur Zeit des Bauernkriegs noch nicht der Fall. Wiewohl die Rolle des Klosters Ottobeuren schon zu dieser Zeit für das monastische, kulturelle und religiöse Leben in seiner Region nicht unterschätzt werden kann, hat sich seine Position als Reichsstand nicht adäquat zu seinen Nachbarklöstern entwickelt: Zwar wird es nach dem Untergang der Staufer 1268 den Reichsfürsten gleichgestellt, doch kommt nach einigen erbtechnischen Umwegen die Vogtei über das Kloster 1356 an den Bischof von Augsburg, der sie dann letzten Endes bis 1710 ausübte, wenngleich Ottobeuren seit 1626 wieder direkt dem Kaiser unterstellt war. Auch die Blutgerichtsbarkeit wurde ab dieser Zeit wieder unumschränkt vom Abt ausgeübt.

Bis zum Erlöschen der Ronsberger 1212 erfreute sich das Kloster Irsee weiterer Zuwendungen, auch die Nachfolger der Ronsberger verfolgten diese Politik, und das Kloster, das der Hl. Maria geweiht war, begann nach und nach um die Ortschaft Irsee herum seinen Besitz und seine Herrschaft zu arrondieren. Ab 1195 wurde die damals geweihte Kapelle zu einer bevorzugten Grablege des regionalen Adels. Noch war das Kloster nicht reichsunmittelbar, die Vogteirechte übten ursprünglich die Ronsberger aus und nach ihrem Erlöschen wurde die Vogtei sozusagen von den Ramschwagern, den Grafen von Montfort und dem Erzhaus Österreich an die Benzenauer weitergereicht, die sie dann 1551 an das Stift Kempten verkauften, sodass schließlich ein geistlicher Stand die weltliche Vogtei über einen anderen geistlichen Stand ausübte. Erst 1692 konnte das Kloster Irsee dann endgültig die Reichsunmittelbarkeit erlangen.

Das Kloster Füssen galt immer als bischöfliches Eigenkloster und Bischof Udalschalk nahm es 1194 unter seinen besonderen Schutz, wobei er dem Kloster die freie Abtwahl gewährte unter der Bedingung, der Erwählte bäte vor seiner Installierung um die bischöfliche Bestätigung. Die Vogteirechte über das Kloster übten ab dem 12. Jh. zunächst die Welfen, nach 1191 die Staufer aus, bis sie nach dem Interregnum letztendlich an den Augsburger Bischof gelangten. Die weltlichen Zuwendungen an das Kloster hielten auch im Spätmittelalter an, wie eine reiche entsprechende Urkundenüberlieferung bezeugt. Dadurch wurde sein Grundbesitz erheblich gemehrt.

Von den Reichsstädten waren Memmingen, Kaufbeuren, Isny und Wangen zur Zeit des Bauenkriegs in ihrer Reichsstandschaft unangefochten und respektiert; Kempten sicherte sich erst mitten im Bauernkrieg endgültig seine Reichsunmittelbarkeit.

Die Reichsstädte

Der Untergang der Staufer 1268 machte die Stadt Memmingen zu einer eigenen Rechtspersönlichkeit im Reich, eine Stellung, die ihr auch vom Habsburgerkönig Rudolf I. bei der Verleihung der Stadtrechte 1286 nach Überlinger Recht bestätigt wurde: Memmingen wurde seitdem als freie Reichsstadt angesehen. In den Jahrhunderten bis zur Reformation verwandte die immer wohlhabender werdende Stadt ihre Mittel auch dazu, das eigene reichsstädtische Territorium mit einem Umfang von zwölf Dörfern zu arrondieren; weiterhin bestand natürlich auch Einfluss auf das Umland durch die dortigen Besitzungen von Stadtbürgern. Um 1500 erstreckten sich die Memminger Handelsbeziehungen, die auch in Zusammenarbeit mit anderen oberschwäbischen Reichsstädten ausgeübt wurden, von den Niederlanden bis nach Ostmitteleuropa, von Italien bis nach Wien. Diese Wohlhabenheit zeigte sich auch im spätmittelalterlichen Kirchenbau der Stadt (Erweiterung von St. Martin, Umgestaltung der Frauenkirche) und im Wirken der Künstlerfamilie Strigel. Bereits um 1480 wird von einer Buchdruckerei in Memmingen berichtet.

Die Stadt Kaufbeuren, ähnlich Memmingen von König Rudolf I. Ende des 13. Jhs. in ihrer Reichsunmittelbarkeit bestätigt und bekräftigt, stellte nun am Ende des 15. Jhs. eine gewisse politische Macht dar, was sich nicht nur in den zahlreichen Besuchen Kaiser Max I. widerspiegelte. Es gelang ihr das reichsstädtische Territorium zu arrondieren, und 1488 war sie Gründungsmitglied des Schwäbischen Bundes. Zu Beginn der Reformation zählte Kaufbeuren ca. 2500 Einwohner, die Klöster Irsee (1446) und Steingaden (1425) hatten ihre Güter und Besitzungen unter Kaufbeurer Recht gestellt.

Ab 1521 ist wohl reformatorisches Gedankengut in der Stadt virulent, 1524 gab es die ersten Manifestationen der neuen Konfession, und das Kaufbeurer Religionsgespräch 1525 brachte zunächst den Durchbruch des neuen Glaubens, doch wurde diese Entwicklung durch den Bauernkrieg noch im gleichen Jahr unterbrochen.

Isny erhielt 1171 das Marktrecht unter Graf Wolfrad von Veringen, 1238 wurden die Einwohner cives (Bürger) genannt. Im städtefreundlichen Klima der Staufer geschah der Ausbau vom Markt zur Stadt, doch erst 1281 erhielt Isny von König Rudolf I. die Lindauer Stadtrechte. Die Stadt war damals schon von einem Mauerring mit Wall und Graben, den signifikanten Zeichen einer Stadt, umgeben. Wie ein klösterliches Zinsregister von 1250 ausweist, waren 70 Bürger der Stadt dem Kloster zinspflichtig, doch konnten sich die Bürger 1290 in einem umfangreichen Vertrag von der Bevormundung des Klosters befreien. Die Grafen von Veringen verkauften 1306 Stadt und Vogtrechte über das Kloster endgültig an Truchsess Hans von Waldburg. In den nächsten Jahrzehnten prosperierte Isny, abgesehen von der Pest von 1349/50 und 1365 nutzten sie die Geldnot der Truchsessen aus und kauften sich von der Herrschaft für 9000 Pfd. Heller frei und unterstellten sich direkt dem Reich, ein Vorgang, der in der Geschichte des westlichen Allgäus nicht seinesgleichen hat. Kaiser Karl IV. nahm die Stadt dementsprechend huldvoll in den Kreis der Reichsstädte auf. 1429 wurde Isny dann auch die Blutgerichtsbarkeit verliehen, 1507 erhielt es das Münzrecht. Der Bauernkrieg tangierte Isny nicht oder nur wenig in seiner Eigenschaft als Mitglied des Schwäbischen Bundes. Aber der Reformation öffnete sich die Reichsstadt bereits 1525, auf dem Reichstag von Speyer 1529 stand Isny bereits in den Reihen der protestierenden evangelischen Stände; das Kloster jedoch blieb beim alten Glauben.

Unter König Rudolf I. stand Wangen unter dem königlichen Schutz, und der erste Habsburger auf dem Königsthron erhob die Stadt 1286 zur Reichsstadt und verlieh ihr das Überlinger Stadtrecht. In der folgenden wirtschaftlichen Blütezeit gelang es Wangen, außerhalb der Stadt beachtliches Landgebiet für das reichsstädtische Territorium zu erwerben. 1349 schloss es sich dem Schwäbischen Städtebund an, trat 1362 dem Bund der Seestädte (Seebund) am Bodensee bei und wurde 1488 von Kaiser Friedrich III. gezwungen, Teil des neugegründeten Schwäbischen Bundes zu werden. Die Reformation erfasste Wangen nicht, die Stadt blieb bei der katholischen Konfession. Wangen wurde 1802 bayerisch; der bayerische Staat übernahm auch die damalige städtische Schuldenlast von 700000 fl. Erst 1810 wurde Wangen dann dem Königreich Württemberg zugegliedert.

1289 wurde die kaiserliche Herrschaft über die Bürgerstadt Kempten bestätigt, doch sahen sich die Kemptner Bürger immer wieder den Bestrebungen des Klosters ausgesetzt, über den Erwerb des kaiserlichen Vogteirechtes die Herrschaft über die Stadt zu gewinnen. Zwar erhielten sie 1340 das Stadtrecht von Ulm, erkannte ihnen Kaiser Karl IV. 1361 ihre Reichsunmittelbarkeit erneut an, beglaubigte ihnen das Stift Kempten 1379 die innerstädtische Rechtsentwicklung und gelangten die Bürger in den Besitz der Burghalde, doch mussten danach auch wieder Rückschläge im Verhältnis zum Stift hingenommen werden.

Trotz der reichspolitisch unruhigen und unsicheren Zeit um 1500 erfreute sich die Reichsstadt Kempten eines erheblichen wirtschaftlichen Aufschwungs, der auf dem Fernhandel und der weiter wachsenden Textilwirtschaft beruhte. Zwar war die Stadt eng von stiftkemptischem Gebiet umschlossen, aber im Zuge der Unruhen des Bauernkriegs gelang es Bürgermeister Gordian Seuter im Großen Kauf vom 6. Mai 1525, alle grundherrlichen und obrigkeitlichen Rechte in der Reichsstadt dem Stift Kempten abzukaufen und Kempten damit endgültig zu einer vollberechtigten reichsfreien Stadt zu machen.

Die weltlichen Reichsstände und Adelsherrschaften

Die Grafschaft Königsegg-Rothenfels war seit 1332 im Besitz der Herren von Montfort-Tettnang samt Burg Rothenfels. Unter ihnen wurde das in der Nähe der Burg gelegene Dorf Imendorf zur Nebenresidenzstadt Immenstadt, die ab 1439 Hauptsitz der Linie Tettnang-Rothenfels wurde. 1471 wurde das Gebiet noch unter den Montforts zur Grafschaft erhoben. 1565 verkaufte der letzte Montfort sie an die Grafen von Königsegg, die ab 1588 die Linie Königsegg-Rothenfels gründeten. 1785 kam zu ihrer Grafschaft noch die Herrschaft Werdenstein dazu, und 1805 wurde die Grafschaft bayerisch.

1046 wird Mindelheim zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Herr der Siedlung war zunächst der Ortsadel, die Herren von Mindelberg als Vasallen der Welfen herrschten bis 1363. Es war wohl noch Herzog Heinrich d. Löwe, der die Mindelburg gründete. Auch wenn die Mindelheimer in einer Urkunde 1256 bereits als cives (Bürger) bezeichnet wurden, auch wenn die Stadt 1277 als civitas (Stadt) und dann in Deutsch 1286 als stat ze Mindelheimb genannt wurde, den entscheidenden Schritt zur Reichsstadt konnte sie doch nicht vollziehen. Mindelheim blieb unter der Herrschaft seiner adeligen Stadtherren. Über die Grafen von Rechberg kam Mindelheim letztendlich am 24. Juli 1467 in den Besitz des tirolischen Rittergeschlechts Frundsberg. Durch den kaiserlichen Vater der deutschen Landsknechte, Georg von Frundsberg, wurde Mindelheim weit bekannt. Unter seiner Regierung, die hauptsächlich von seinen beiden Frauen, Katharina von Schrofenstein (1) und Gräfin Anna von Lodron (2) ausgeübt wurde, blieb Mindelheim 1525 in den Bauernkriegen trotz Belagerung seinem Stadtherren gegenüber loyal. Auch die Reformation fand keinen richtigen Zutritt zu Mindelheim, die Stadt blieb wie ihre Stadtherren beim alten Glauben. Nach dem Aussterben der Frundsberger 1586 stritten sich die Fugger und die Maxlrainer um das Erbe, sie bemühten einen langwierigen Prozess am Reichskammergericht. Letzten Endes war 1616 der bayerische Herzog Maximilian I. der neue Stadtherr, der den eher künstlerisch orientierten Hans von Fugger aus der Herrschaft gedrängt hatte. Seit damals war und ist Mindelheim bayerisch.

Alle weiteren weltlichen Herrschaften im Allgäu fielen von ihrer Größe her nicht ins Gewicht, deshalb sollen von ihnen nur noch die Territorien der Herren von Kemnat, von Freyberg-Eisenberg, von Kronburg und von Werdenstein erwähnt werden, von denen Werdenstein und Kemnat direkt mit dem Bauerkrieg zu tun hatten.

Burg Kemnat bei Kaufbeuren war eine der wenigen Burgen im Allgäuer Bauernkrieg, die nicht eingenommen wurden. Zu dieser Zeit war sie und die Herrschaft Kemnat im Besitz der Benzenauer, die Burg und Herrschaft gute 100 Jahre vorher von den Ramschwagern übernommen hatten. Zur Zeit des Bauernkriegs war Georg von Benzenau Vogt (weltlicher Herr) über das Kloster Irsee und nahm diese Funktion auch besonders im Prozess des Klosters gegen seine Bauern im Frühjahr 1526 wahr. 1551 verkaufte Simprecht von Benzenau Burg und Herrschaft und Klostervogtei an das Stift Kempten.

Seit 1386 saß Friedrich von Freyberg auf der Burg Eisenberg und ist damit der Begründer der Linie Freyberg-Eisenberg. Sein Sohn Friedrich errichtete von 1418 bis 1432 die benachbarte Burg Hohenfreyberg. Unter Peter von Freyberg-Eisenberg wurde die Burg dann 1525 von den rebellischen Bauern geplündert und zum Teil niedergebrannt.

Herrschaft und Burg Kronburg waren seit 1478 im Besitz der Herren von Rechberg, die damit das Erbe des Hans von Werdenstein angetreten hatten. Dieser hatte die Burg als verfallen und unbewohnbar beschrieben, aber die Erben, Georg von Rechberg und sein Sohn Gaudenz von Rechberg, widmeten sich dem Wiederaufbau der Burg und dem Ausbau zum Schloss; die Arbeiten galten 1536 als beendet. Der zur Herrschaft gehörige Grundbesitz nahm in dieser Zeit ab, da er nach und nach verkauft und der Erlös zum Bau verwandt wurde.

Grabmal des Peter von Freyberg-Eisenberg und seiner Gemahlin Praxedis von Hohenems. – Nachzeichnung von Karl Schlagmann im Stadtarchiv Füssen.

Der Blick auf die historische Karte von 1802 (s. S. 8) zeigt deutlich, dass das Allgäu zur Zeit des Bauernkriegs überwiegend von geistlichen Herrschaften bestimmt wurde. Mochten die Reichsstädte unter Umständen sogar die größere Wirtschaftskraft um diese Zeit aufbringen können, die meisten Menschen lebten als Angehörige der Bauernschicht auf dem Land – und das gehörte den Klöstern Kempten, Ottobeuren, Füssen und Irsee sowie dem Bistum Augsburg. Wenn das seit dem ausgehenden 18. Jh. in Deutschland aufgekommene Sprichwort »Unterm Krummstab ist gut leben« stimmen würde, wäre die Wut und die Empörung der Bauern im Allgäu schwer verständlich. Vielleicht trifft für diese Zeit doch eher das noch ältere Sprichwort »Krummstabs Regiment, der Faulheit Element« zu?

Die Lage der Bauern

Die Grundherrschaft und die Grundleihe

Aus dem mittelalterlichen Lehenswesen hatte sich wie überall im damaligen Reich auch im Allgäu die Grundherrschaft entwickelt. Der Begriff selbst stammt eigentlich aus der Geschichtsforschung des 19. Jhs.; er bezeichnet ein rechtliches Beziehungssystem, in dem ein Herr (König, Fürst, Adeliger, Bischof, Abt oder auch Pfarrer) ein Bauerngut einem Abhängigen zur Bewirtschaftung übergibt. Die Bezeichnung »Grundherr« taucht erst in den spätmittelalterlichen Quellen auf. Auch wenn es in der Forschung teilweise immer noch als problematisch empfunden wird, hat man sich dort darauf geeinigt, unter Grundherrschaft »die Herrschaft über Menschen, die auf einem bestimmten Grund und Boden ansässig sind und die darum von der Herrschaft erfasst werden« (F. Lütge) zu verstehen.

Grundsätzlich vergaben die Grundherren, geistliche wie weltliche, das Land an die Bauern zur Bewirtschaftung und erhielten dafür entsprechende Abgaben, die sie für ihren Lebensunterhalt, aber auch für die Pflichterfüllung gegenüber ihren lehensrechtlichen Oberherren (Herzog, Bischof, König) benötigten. Die Bauern wiederum hielten sich mit ihrer Arbeit nicht nur selbst am Leben, sondern über die Abgaben auch ihre Grundherren. Theoretisch erhielten sie von diesen Schutz vor äußeren Beeinträchtigungen (Überfälle, Raubzüge etc.), Hilfe bei Naturkatastrophen und Unterstützung bei Missernten oder ähnlichen Drangsalen. Allerdings geriet im Laufe des Spätmittelalters diese Anforderung an die Grundherren immer mehr in Vergessenheit, besonders die geistlichen Grundherren sahen in ihren Bauern vornehmlich eine wirtschaftsproduktive Vermögensmasse, die es möglichst zu vermehren galt, um die eigene Herrschaft auszubauen und behaglicher gestalten zu können. Rechte wurden den Bauern immer mehr abgesprochen und weggenommen, besonders wenn der Grundherr danach strebte, aus seinem Grundbesitz ein eigenständiges, wenn nicht gar reichsständisches Territorium zu gestalten.