Kleine Geschichte des Allgäus - Stefan Fischer - E-Book

Kleine Geschichte des Allgäus E-Book

Stefan Fischer

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Beschreibung

Im Südwesten Bayerns und im Süden Bayerisch-Schwabens zwischen Lech und Bodensee gelegen, zählt das Allgäu zu den ältesten Kulturlandschaften Deutschlands. Ursprünglich nur als Landschaftsbegriff bekannt, wurde daraus im Laufe der Jahrhunderte eine unverwechselbare Region mit kulturellen und sprachlichen Eigenheiten. In den letzten 200 Jahren gelang es ihr, aus ihrer historisch bedingten Kleinteiligkeit zunehmend ein eigenes kulturelles und historisches Bewusstsein zu entwickeln. Die Kleine Geschichte des Allgäus zeigt: Dieser facettenreiche, sehenswerte Landstrich ist wesentlich mehr als Königsschloss, Alpengipfel und Käslaib.

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Stefan Fischer

Kleine Geschichtedes Allgäus

Für Hanna und Michael

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Gutenbergstraße 8 | 93051 Regensburg

Tel. 0941/920220 | [email protected]

ISBN 978-3-7917-3431-6

Umschlaggestaltung: www.martinveicht.de

Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2023

eISBN 978-3-7917-6247-0 (epub)

Unser gesamtes Programm finden Sie unter www.verlag-pustet.de

Inhalt

Das Allgäu – Versuch einer Begriffsbestimmung

Der Name Allgäu

Von der Lehmgrube bis zu den Kelten

Udo / Wie Udo zu seinem Namen kam / Steinzeit / Keltenzeit

Die römische Zeit

Die Eroberung / Befriedung / Straßennetz / APC – Der Archäologische Park Cambodunum / Römische Zivilisation / Das Ende der römischen Zeit

Alemannische Landnahme und Besiedelung

Herkunft und Verbreitung der Alemannen / Die alemannischen Siedlungen und Ortsnamen im Allgäu / Die elliptischen Ortsnamen im Allgäu / Herausbildung der Lechgrenze

Christianisierung und fränkische Zeit

Christianisierung und Kirchenorganisation / Die Fränkische Herrschaft: Grafschaftsverfassung, Binnensiedelung, Einführung des Lehnswesens / Die kaiserliche Gründerin

Das Hochmittelalter

Der Kampf um das Herzogtum Schwaben: Welfen und Staufer / Heinrich von Kempten – ein Allgäuer Sagenheld / Städte und Klöster

Das Spätmittelalter: Vom Interregnum zur Reformation

Die territorialen Arrondierungen / Der Allgäuer Brauch / Der Aufstieg der Städte / Zunftverfassung der Stadt Memmingen / Die Grundherrschaft / Das Wirtschaftsleben / Politische Entwicklungen

Kriegerische Zeiten: Bauernkrieg, Reformation und Gegenreformation, Dreißigjähriger Krieg

Die Bauern schließen sich zusammen / Die Zwölf Artikel der Christlichen Vereinigung / Gescheiterte Verhandlungen und das blutige Ende / Nachwirkungen des Bauernkriegs / Reformation / Der große Kauf und der Memminger Vertrag / Das Allgäu und der Schmalkaldische Krieg / Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg

Konsolidierung und Ausklang – Barocke Pracht und Ende des Alten Reiches

Der Schwäbische Reichskreis / Grundherrschaft und Einwanderung / Die Vereinödung / Barockbauten der Klöster, höfische Kultur, Stagnation der Reichsstädte / Sophie de La Roche, die große Schriftstellerin aus dem Allgäu / Franzosenkriege und Reichsdeputationshauptschluss

Im Bayerischen Königreich – Neugestaltung und Aufbruch des Allgäus

Territoriale Veränderungen und Arrondierungen in der napoleonischen Zeit / Das Allgäu in den Napoleonischen Kriegen / Neue Gliederungen im Innern, Säkularisation / Die wirtschaftliche Umgestaltung / Der »Notwender« Carl Hirnbein (1807–1871) / Schulwesen / Die Neuordnung des Schulwesens / Die kirchliche Entwicklung

Vom Aufbruch nach Deutschland 1848 bis zum bitteren Ende 1945

Der Traum vom großen Deutschland und der großen Freiheit 1848 / Das Ende der liberalen 48er-Bestrebungen im Allgäu / Das Allgäu und die Entstehung des Bismarckreiches / Kulturkampf und Neugestaltung des politischen Lebens / Gründerzeit und Aspekte bürgerlichen Lebens im Allgäu vor 1914 / Kulturelle Entwicklung und das »Allgäu-Bewusstsein« / Die bayerische Armee im Allgäu / Erster Weltkrieg / Revolution 1918/19 / Weimarer Republik / Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg / Jüdisches Leben im Allgäu / Euthanasie in Kaufbeuren

Integration, Neugliederung und Tourismus – Drei Aspekte für Gegenwart und Zukunft

Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen nach 1945 / Neugliederung in der Gebietsreform 1970/72 / Der Tourismus im Allgäu / Vom blauen zum grünen Allgäu

Anhang

Auswahlbibliografie / Übersichtskarte / Bildnachweis / Ortsregister

Das Allgäu – Versuch einer Begriffsbestimmung

Schon das erste Kennenlernen des Begriffs »Allgäu« macht die Besonderheit sprachlich deutlich: Er benötigt für die korrekte Darstellung in Wort und Schrift den bestimmten Artikel, also »das Allgäu«. Hier wird im Sprachgebrauch auch die Verwandtschaft mit einer anderen Landschaft im Bayerischen Schwaben, dem Ries, deutlich.

Das Allgäu ist vornehmlich eine geografische Bezeichnung, das geht schon aus der ältesten schriftlichen Erwähnung von 817 in einer St. Galler Urkunde hervor: Es wird damit das Gebiet um Sonthofen sowie um Oberstaufen und Weiler beschrieben, ein Gebiet – keine Herrschaft! Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Allgäuer Geschichte: Das Allgäu war und ist kein geschlossener Herrschaftsraum, es teilten sich etliche Herren dieses Gebiet und auch dessen Grenzen waren höchst selten mit staatlichen oder herrschaftlichen Grenzen identisch. »Das Allgäu war nie und ist kein staatliches, sondern ein rein landschaftliches Gebilde, das mit irgendwelchen politischen Grenzen auch so gut wie nie etwas zu tun gehabt hat« (Ulrich Crämer).

Die älteste kartografische Darstellung des Allgäus von Christoph Hurter aus dem Jahr 1619 ist nach Norden hin zur Donau offen. Hurter hatte mit der Iller im Zentrum die westliche Grenze bei Isny und Leutkirch, die östliche bei Füssen und Kaufbeuren festgelegt. Die südliche Grenze verläuft in den Bergen zwischen Füssen und Oberstdorf, dem Lauf der Vils folgend. Franz Ludwig Baumann legte für seine Geschichte des Allgäus Ende des 19. Jhs. jenes Gebiet fest, das er mit dem Lech im Osten, dem Hochgebirge im Süden und innerhalb einer gedachten Linie von Scheidegg – Wangen – Kißlegg – Memmingen – Kaufbeuren in Westen und Norden begrenzte.

Erst durch die bayerische Gebietsreform 1970/72 wurde der Name Allgäu auch in die politische Grenzziehung mit aufgenommen. Die bayerischen Landkreise Oberallgäu, Ostallgäu und Unterallgäu sind politisch-administrative Gebietskörperschaften, ihre Grenzen zu den bayerischen Nachbarlandkreisen werden als identisch mit den Grenzen des Allgäus angesehen. Eine Ausnahme dazu ist die Staatsgrenze zu Baden-Württemberg, denn jenseits davon liegt das »Württembergische Allgäu«, dessen Grenzen zu Oberschwaben aber nicht genau definiert sind.

St. Coloman bei Schwangau im Allgäuer Frühling.

Hauptsächlich auf dieses bayerische Gebiet beziehen sich nun die folgenden Ausführungen.

Damit wird auch auf Eigenheiten der gefühlten landsmannschaftlichen Zugehörigkeit Rücksicht genommen. Der Autor weiß aus eigener, ihm intensiv nahegebrachter Erfahrung, dass Bewohner von Lindau oder Ravensburg und deren Regionen sich um keinen Preis zum Allgäu zählen wollen. Man beruft sich dabei auf die eigene Herkunft, mögen auch Eisenbahn und Autobahn heute noch so zielstrebig und harmonisch durch das bayerische und württembergische Allgäu auf den Bodensee zustreben. Deren Geschichte findet sich im vorliegenden Band also nicht – sie ist eine eigene Erzählung wert.

HINTERGRUND

DER NAME ALLGÄU

In einer Urkunde des Klosters St. Gallen aus dem Jahre 817 wird zum ersten Mal der Name albigauge erwähnt, aus dem später die Form albgau und auch albgäu wird. Es gibt nun mindestens zwei Theorien über die weitere Entwicklung dieses Begriffes zum heutigen Allgäu: Aus dem albgau ist das spätere Allgäu hervorgegangen, und der ursprüngliche Begriff steht für den südlichen, an die Alpen grenzenden alemannischen Gau, der den Raum des oberen Illertales und jenen von Niedersonthofen bis Scheidegg entlang des Gebirges umfasste. Die andere Theorie besagt, dass das »gäu« im heutigen Allgäu aus der frühmittelhochdeutschen Pluralform ge-äu stammt, mit dem mehrere Auen – also nasse, wasserreiche Wiesen-, Busch- und Augebiete – benannt wurden. Diese Herleitung weist auch darauf hin, dass das sächliche Geschlecht das Allgäu nichts mit den männlichen Gaubenennungen wie Breisgau, Hegau etc. zu tun hat.

Jedenfalls bezeichnet sich die Stadt Isny bereits 1305 als zum »Algoia« gehörig, und Sebastian Münster beschreibt 1541 die Gegend: »Das Algöw ist in Schwaben eine Gegend, … ein rauch (rauh), winterigs Land, indem es allda vil Vich, Küw und Roß, vil Tannwald, Vögel und Fisch« gibt. Seitdem dehnt sich der Name Allgäu als geografische Landschaftsbezeichnung wie auch als touristisch-wirtschaftlicher (Attraktivitäts-)Begriff immer weiter aus.

Von der Lehmgrube bis zu den Kelten

Udo

Z’Pforze, in dr Lehmgrua dunde,

hot ma fead dean Udo g’funde.

Gleabt hot der, und des isch wohr,

vor circa 11 Millione Johr.

Dia Wissenschaftler waret baff,

ma stuft dean Udo ei als Aff,

als Menscheaff mit aufrechtem Gang,

wia’s wirklich war, weiß i scha lang.

(Marlene Nieberle: Udo aus Pforzen)

In einer Tongrube der Hammerschmiede, eines Ortsteils der Gemeinde Pforzen im Ostallgäu, wurden bei Grabungen der Universität Tübingen zwischen 2015 und 2018 Überreste eines ausgestorbenen Menschenaffen gefunden, der zu aufrechtem Gang körperlich befähigt war und sich so vermutlich auch fortbewegt hat.

Der entscheidende Fund – ein Teilstück des linken Unterkiefers – wurde im Mai 2016 geborgen. Der wissenschaftliche Name lautet »Danuvius guggenmosi«, populär wurde der Fund unter dem Namen »Udo«. Udos Alter wurde auf 11,62 Mio. Jahre datiert, damit stammte er aus dem späten Miozän und war offensichtlich in Süddeutschland verbreitet. Da Überreste von männlichen und weiblichen Tieren gefunden worden waren, stellte man Hochrechnungen über ihr Aussehen an und kam zu folgenden Ergebnissen: Die männlichen Tiere waren ca. einen Meter groß und wohl an die 31 kg schwer; die Weibchen waren etwas kleiner und leichter, ihr Gewicht schätzt man auf 18 kg. Die erhaltenen Skelettfunde zeigten, dass mit der S-förmig gekrümmten Wirbelsäule, der physiologischen X-Beinstellung und den gestreckten Knien bei einem flachen und breiten Brustkorb ohne weiteres ein aufrechter Gang möglich war, wenngleich dieser eher langsam ausgefallen sein dürfte. Andererseits ermöglichte ihm der als Greifzehe ausgebildete Großzeh den Griff nach Ästen und Lianen, mit seinen langen Armen konnte er gut klettern und war zum Schwinghangeln, dem Schwingen von Ast zu Ast, befähigt.

Vielleicht hat es bei Udo so ausgesehen? Aus der Udo-Ausstellung 2021.

Durch flankierende Untersuchungen ist man sich sicher, dass die Lebenswelten von Udo wohl ausgedehnte Auwälder waren, die Jahresdurchschnittstemperatur soll zu seiner Zeit ca. 20° C betragen haben; es war also wesentlich wärmer als heute – trotz Klimawandels.

Auch wenn der aufrechte Gang Udo in die Nähe des Menschen rückt und die zeitlich nächste bekannte aufrecht gehende Hominidin Lucy erst acht Millionen Jahre später nachweisbar ist – was das Alter von Udo ganz einzigartig macht –, so ist die Existenz von siedelnden Menschen im Allgäu doch in der Regel erst ab ca. 8000 Jahre v. Chr. als gesichert anzunehmen.

HINTERGRUND

WIE UDO ZU SEINEM NAMEN KAM

Am 17. Mai 2016, einem Dienstag, gruben Prof. Böhme und ihr Team von der Universität Tübingen in der Lehmgrube der Hammerschmiede nach Überresten sehr, sehr alter und sehr prähistorischer Lebewesen, von denen man zu Recht annehmen konnte, dass sie schon eine gewisse Menschenähnlichkeit aufweisen würden. An diesem Tag nun gelang ein entscheidender Fund: Es konnten der linke Unterkiefer sowie Zähne eines Menschenaffen geborgen werden. Den Forschern schwante: »Das wird ein ganz großes Ding.« Auf der abendlichen Heimfahrt von Pforzen nach Tübingen dröhnte die Musik Udo Lindenbergs durch den Bus, der an diesem Tag seinen 70. Geburtstag feierte. Schnell und wie durch den genio loci moventis inspiriert kam es zur Namensgebung für die entdeckte Spezies: »Udo« sollte sie heißen, und so wurde sie schließlich auch in der Öffentlichkeit bekannt. In der Wissenschaft jedoch lautet ihr Name Danuvius guggenmosi, womit Bezug genommen wird auf den keltisch-römischen Flussgott Danuvius (Danubius), dem Namensgeber der Donau, in deren Einzugsgebiet der Fundort liegt, und auf Sigulf Guggenmos (1941–2018), einem kundigen und hochverdienten Kaufbeurer Privatarchäologen, der in jener Tongrube bereits 1965 die ersten Fossilienfunde gemacht hatte.

Steinzeit

Aufgrund der Forschungen des Geologen Albrecht Penck unterscheiden wir im nördlichen Alpenvorland – also auch im Allgäu – vier Eiszeiten, in deren Verlauf die Alpengletscher entlang der namengebenden Flüsse (Günz-, Mindel-, Riß- und Würmeiszeit) wie auch der anderen von Süd nach Nord sich hinziehenden Flüsse (Rhein, Iller, Lech, Isar, Inn, Enns) weit nach Norden vorstießen. In der letzten Zwischeneiszeit (ca. 180 000–120 000 v. Chr.) fließt z. B. die Iller in Kempten 65 m über dem heutigen Bett; alle heute noch bekannten Nadelbaumarten existieren bereits, nur liegt die Baumgrenze bei ca. 1500 m über dem Meeresspiegel, und durch das wesentlich kühlere Klima kann sich der Mischwald nur langsam ausbreiten. Funde von Tierfossilien bei Kempten, Steinheim, Memmingerberg, Benningen, Kronburg, Wald b. Marktoberdorf und am Pfefferbichl bei Buching sagen uns, dass damals im Allgäu große Landsäugetiere lebten: Mammut, Alt-Elefant, Bison, Höhlenlöwe, Rothirsch und Wildesel.

Die letzte bisherige Eiszeit im Voralpenland setzte ungefähr um 120 000 v. Chr. ein und dauerte bis ca. 12 000 v. Chr. Die Gletscher drangen weit nach Norden vor, dem Lechtal entlang bis ungefähr Kaufbeuren, der Rheintalgletscher erreichte die Schussenquelle, und der Illergletscher reichte bis südlich von Grönenbach. Allerdings hatten die Allgäuer Gletscher nicht wie Rhein-, Ammersee- und Inngletscher noch eine Verbindung mit dem großen zentral-alpinen Firnfeld, deshalb spalteten sie sich in einer eher kurzen wärmeren Phase der Eiszeit um ca. 35 000 v. Chr. und zogen sich etwas zurück. Aus dieser Zeit stammen Fundreste von nomadischen Steinzeitjägern aus dem milderen Bodenseeraum, die am Illerufer bei Dietmannsried, am Pfefferbichl bei Buching und am Bannwaldsee gefunden wurden. Dann sank die Temperatur wieder (30 000–15 000 v. Chr.), die Stärke des Illergletschers stieg bei Immenstadt auf ungefähr 700 m Mächtigkeit, in Oberstdorf betrug sie wohl 800 m. In der Endphase der Würmeiszeit wurde es zwar nicht wärmer, aber immer trockener, die Niederschläge gingen merklich zurück und die aus der vergangenen Wärmephase stammenden zahlreichen Seen trockneten aus. Lediglich die großen Gewässer blieben übrig: die Seen zwischen Kempten und Altusried, zwischen Wildpoldsried und Wagegg, zwischen Durach und Martinszell, die Seen bei Seifen, Isny, Wangen, Wertach und Marktoberdorf. Heute zeugen noch der Weißensee, der Bannwaldsee und der Hopfensee von dieser Entwicklung. Alpine Fauna verbreitete sich in dieser letzten Eiszeitphase im Allgäu, besonders Murmeltier, Steinbock und Gemse. Mit der dann endgültig ab ca. 15 000 v. Chr. einsetzenden nachhaltigen Erwärmung stellte sich die Tierwelt um: Die großen Rentierherden wanderten nach Norden ab, Mammut, Höhlenlöwe, Höhlenbär, Wollhaarnashorn starben aus.

Nach den jüngeren Erkenntnissen und den Funden in Schwangau-Horn, am Jehlefels bei Oberstdorf, am Hopfensee, am Bannwaldsee und bei Hochzeill sowie Einzelfunden bei Dösingen, Kempten und Pfronten kann von einer beginnenden Besiedelung um ca. 8000 v. Chr. ausgegangen werden. Es sind vor allem Überreste von Steinwerkzeugen bzw. Jagdwaffen wie Pfeil- und Speerspitzen aus Stein, die darauf hinweisen. Im Unterallgäu sind insbesondere die Funde von Haselbach, Trunkelsberg, Türkheim, Zell, am Wessberg bei Heimertingen und am Breitenbacher Kapf bei Lautrach zu nennen. Für die Jungsteinzeit, die ab ca. 4000 v. Chr. einsetzt, stellt sich nach den prähistorischen Funden das Bild dar, dass an der Donau bereits Ackerbauern der donauländischen Bandkeramik siedelten, während nach Süden zu den Alpen hin noch Jäger und Sammler die Wälder, Moore und Schotterhalden der sich erst langsam begrünenden Moränenhänge durchstreiften. Auffällig ist, dass sich im südlichen Oberallgäu bis auf einige Steinbeile am Freibergsee bei Oberstdorf bis jetzt keine anderen menschlichen Artefakte aus dieser Zeit auffinden ließen. Vom Unterallgäu herkommend, wo sich durch entsprechende Keramikfunde bei Buxheim und Dirlewang erste ackerbauende Siedlungen ausmachen lassen, wurden an den waldfreien Flusshängen des Wertach-, Mindel- und Illertals zahlreiche Silexklingen und geschliffene Steinbeile gefunden, aber auch am Stöttener See, am Elbsee und bei Dietmannsried. Eine weitere Ansiedlung kann man sicher für Dösingen annehmen. Das Allgäu wurde zu dieser Zeit also von Nord nach Süd erschlossen, und am Ende der Jungsteinzeit gegen 2000 v. Chr. wichen die Wälder langsam dem Acker- und Weideland. Am Ende dieser Epoche brachte jedoch ein Kälteeinbruch von etlichen hundert Jahren die menschliche Expansion im Allgäu zum Stillstand.

Mit der um 1800 v. Chr. einsetzenden Bronzezeit manifestiert sich ein umwälzender kulturgeschichtlicher Umschwung: Der Mensch hat gelernt, Metall zu finden, zu bearbeiten und daraus Werkzeuge, aber auch vor allem Waffen, herzustellen (Bronzeschwertfund am Illerufer von Sonthofen!). Träger dieser neuen Technologie waren Einwanderer aus Spanien, die am Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. nach Mitteleuropa gekommen sind. Die bronzezeitliche Siedlung auf dem Goldberg bei Türkheim ist von Bedeutung; auch die Funde einer Siedlung bei Blöcktach sowie Grabbeigaben in der Nähe von Bidingen, bei Geisenhofen und in der Gegend von Unterthingau weisen auf eine dichter werdende Siedlungstätigkeit hin. Besonders die um diese Zeit auftretenden Hügelgräber des Übergangs von der Bronze- zur Eisenzeit, die sich vom südlichen Unterallgäu vom Mindel- und Unterwertachtal (Mindelheim – Lauchdorf – Baisweil – Eggenthal) über Pforzen, Ketterschwang, Honsolgen bis Waal und Asch befanden, sprechen für eine zunehmende menschliche Siedlungstätigkeit. Auch wenn Einzelfunde im Pfrontener Tal und im Füssener Becken auf Siedlungen deuten, bleiben die Funde im südlichen Ost- und Oberallgäu selten.

Keltenzeit

Um 1200 v. Chr. wanderten Illyrer aus dem Donau-Theiß-Raum und von der Donau her im Allgäu ein. Ihre Toten verbrannten sie und bestatteten sie in Urnengräbern, was von entsprechenden Funden bei Dirlewang, Mindelheim und Türkheim bestätigt wird. Zwar verschwand diese Gepflogenheit nach und nach, und die Körperbestattung trat an ihre Stelle, jedoch verschwand die Brandbestattung nicht vollständig. Viel haben die Illyrer im Allgäu nicht hinterlassen; man fand Schmuckstücke und Tonscherben auf dem Lindenberger Ösch bei Kempten, bei Ottenstall (Altusried) und beim Jodbad Sulzbrunn. Noch heute nehmen Sprachforscher an, dass der Flussname Iller von den Illyrern herstammt.

Im Anschluss an die von Osten gekommenen Illyrer siedelten ab 400 v. Chr. keltische Stämme aus Frankreich und der Schweiz im Allgäuer Raum, wo sie sich – nicht als Eroberer auftretend – mit der schon ansässigen Bevölkerung verbanden und damit als das wohl erste im Allgäu selbst entstandene Volk bezeichnet werden könnten.

Mit den Kelten trat das Allgäu jetzt auch zum ersten Mal in den Gesichtskreis der antiken Geschichtsschreibung: Der griechisch-römische Geograf Strabon erwähnt in seinem Werk das keltische Oppidum (lat. kleine Stadt) Cambodunum, die Hauptstadt des Stammes der Estionen, ohne jedoch ihre Lage genauer anzugeben. Aufgrund dieser Überlieferungslage entwickelten sich natürlich mehrere Deutungen, von denen zwei erwähnt werden sollen: Cambodunum ist die Burg des Cambo (Rottenkolber) oder aber es ist eine »Stadt an einer steilen Anhöhe am Zusammenfluss von Gewässern« (Weitnauer). Obwohl bis heute keine Überreste der Keltensiedlung aufgefunden werden konnten, nimmt man ihre Lage nördlich der heutigen Keckkapelle in Kempten auf dem östlichen Illerhochufer an. Heute gilt Cambodunum als namensgebende Siedlung für die spätere römische Ansiedlung.

Seltsamerweise sind die keltischen Überreste im Allgäu sehr gering: Vereinzelte Bodenfunde bei Agathazell im Torfmoor, bei Oberstdorf (Fragment einer Lanzenspitze) und einer in Kempten selbst gefundenen kleinen Goldmünze der Vindeliker sind für das Oberallgäu festzuhalten. Im Ostallgäu fehlen bis jetzt solche Entdeckungen, und im Unterallgäu legt die keltische Töpferei in Haselbach bei Kirchheim Zeugnis für die hochentwickelte Handwerkskunst der Kelten ab. Hinzu kommen noch Reste von Glasarmreifen aus Funden bei Türkheim und Kirchdorf.

So überschaubar diese handfesten Zeugnisse sind, so haben die Kelten dem Allgäu doch eine Reihe sprachlicher Monumente überliefert, voran die Flussnamen Iller, Wertach (der grüne Fluss), Günz, Mindel und Argen, nicht zu vergessen den Lech (der Steinige), dessen keltischer Name »llech« in Verbindung mit dem kymrischen Wort für Steinplatte oder dem bretonisch-keltischen Wort für Grabstein in Verbindung gebracht wird. Daneben haben die Kelten jedoch einige Bauwerke hinterlassen, sog. Fluchtburgen oder Keltenschanzen, von denen die in Eurishofen, Frankenhofen und Gerbishofen (Kaltental) im Ostallgäu sowie Dirlewang, Kettershausen, Olgishofen, Türkheim und Unterrammingen im Unterallgäu erwähnenswert sind.

In der antiken Literatur (Strabon) wird neben dem schon angeführten Cambodunum oft und gern die sagenbehaftete Keltenfestung Damasia erwähnt, doch fehlen weitere Angaben über ihre Lage. Franz Ludwig v. Baumann sieht in Damasia eine befestigte und in Notzeiten benützte keltische Verteidigungsburg, die auf dem Auerberg bei Stötten im Ostallgäu, ca. 5 km westlich des Lechs und mit 1055 m Höhe die anderen Moränenhügel um gut 200 m überragend, angelegt worden ist. Ausgrabungen haben zwar umfangreiche römische Befestigungsanlagen zu Tage gefördert, aber keinerlei Hinweise auf eine vorrömische Siedlung erbracht.

Silbermünze (Büschelquinar) der Vindeliker aus dem 1. Jh.

Für das Allgäu ist das Jahr 15 v. Chr., als die römische Eroberung begann, eine Zeitenwende. Die keltische Bevölkerung wurde unterworfen und fand sich in die römische Kultur und Zivilisation so nach und nach ein. Jetzt war das Allgäu römisch und das bedeutet »… den Austritt aus dem Dämmer der Vorgeschichte und den Eintritt in die geschichtliche Zeit« (Alfred Weitnauer).

Die römische Zeit

Die Eroberung

Die Gründe für die römische Eroberung des nördlichen Alpenvorlandes bis zur Donau lagen in der augusteischen Politik, die nach der inneren Konsolidierung und Festigung der Macht nach dem Bürgerkrieg zunächst die Eroberung von Nordwestspanien unter Augustus’ persönlicher Leitung durchführte, um dann die Rheingrenze und die gallische Nordgrenze zu befrieden. Der militärische Oberbefehl, den Augustus (63 v. Chr.–14 n. Chr.) innehatte, war mit der Befriedung verschiedener Randgebiete und der Ausweitung des römischen Herrschaftsanspruchs verbunden, sodass der Kaiser in seinem zusammenfassenden Lebensbericht (res gestae divi Augusti) feststellen konnte: »Die Alpen ließ ich von dem Gebiet, das der Adria benachbart ist bis zum Tyrrhenischen Meer befrieden, wobei keiner Völkerschaft der Krieg unrechtmäßig erklärt wurde.«

Die römischen Legionen unter Drusus drangen von Süden kommend über das Etschtal und vom Vintschgau her nach Norden vor, während die Truppen des Tiberius höchstwahrscheinlich von Gallien her durch die burgundische Pforte dem Rhein entlang zum Bodensee marschierten. Es wird von einer Schlacht auf dem Bodensee am 1. August 15 v. Chr. gegen die Brigantier berichtet, danach scheint die Besetzung und Unterwerfung der Keltenstämme der Brigantier am Bodensee (Bregenz), der Estionen um Cambodunum (Kempten) und der Vindeliker im Lechrain rasch vonstattengegangen zu sein. Allerdings wird bis heute eine große Schlacht am Auerberg (Damasia) angenommen, die sich zeitnah zum Treffen auf dem Bodensee abgespielt haben soll und bei der 40 000 keltische und rätische Gefangene gemacht worden sein sollen.

Befriedung

Die Kampftruppen der Legionen zogen nach der Besetzung des Allgäus weiter nach Norden und Nordosten an die Donau. Für die eigentliche Besatzung und Sicherung der Gebiete traten Hilfstruppen der römischen Legionen, die sog. Auxilia, an die Stelle der kämpfenden Eliteeinheiten. Diese Auxilia wurden von den Römern aus den neu besetzten Ländern rekrutiert und erfüllten damit dreierlei: Zum einen verschaffte sich die römische Militärverwaltung mit diesen Rekrutierungen Überblick und Kenntnis zu Quantität und Qualität der waffenfähigen Männer im neuen römischen Gebiet; zum anderen wurde eben durch den Einsatz dieser Mannschaften an den von der Heimat teilweise weit entfernten Orten die Widerstandsfähigkeit und der Widerstandswille im Allgäu stark reduziert; und zum Dritten bedeutete diese Rekrutierung Nachschub für den ständigen Menschenbedarf der römischen Armee.

Andere Auxilia sorgten zunächst auch für die innere Sicherheit der sich langsam ansiedelnden römischen Kolonisten, ihre Mannschaften stammten aus anderen Teilen des Reiches: aus Aquitanien, Spanien, Britannien und Belgien. Die in der neuen römischen Provinz Raetia, zu der auch das heutige Allgäu gehörte, lebenden arbeits- und waffenfähigen Männer, die von den Römern für den Ackerbau und den Fortgang des täglichen Lebens in der Heimat belassen wurden, fassten die neuen Herren in eine Art raetische »Nationalmiliz« (Karlheinz Dietz) zusammen, die dem Präfekten unterstand und als Ersatzreserve der anderweitig eingesetzten regulären raetischen Auxilia diente.

Mit diesem Vorgehen war jeglicher Widerstand gegen die römische Besatzung unmöglich und bald galten die Raeter um Cambodunum und Abodiacium (Epfach) als vorbildliche Steuerzahler, die Ruhe hielten und ihre Tribute regelmäßig ablieferten. Damit waren flächig über das Land verteilte Zwingburgen von Seiten der Römer nicht notwendig.

Straßennetz

Traditionellerweise legten die Römer für die Erschließung des neuen Gebietes ein Straßennetz an, das im Allgäu besonders um das römische Zentrum Cambodunum (Kempten) und im Ostallgäu, den Lech und damit die Via Claudia Augusta begleitend, eine gewisse Dichtheit aufwies.

Die erste Römerstraße war die von Süd nach Nord verlaufende Via Claudia, die bereits mit der Eroberung des Allgäus gebaut wurde. Sie verlief von Füssen über Altenstadt, Epfach und Landsberg/Lech nach Augsburg, das als Augusta Vindelicorum bereits ab der Eroberungszeit als großes Militärlager eine gewisse Zentralfunktion einnahm.

Ergänzend dazu entstand fast gleichzeitig die große römische West-Ost-Verbindungsstraße von Brigantium (Bregenz) über Cambodunum (Kempten), Abodiacum (Epfach) mit der Kreuzung der Via Claudia Augusta, Unterdießen und Pons Aeni (Pfaffenhofen am Inn) nach Iuvavum (Salzburg). Im 19. Jh. gab die Forschung dieser Straße den Namen Via Julia, da von den römischen Straßen in Raetien sonst keine Namen überliefert sind.

Im weiteren Verlauf der römischen Zeit im Allgäu wurde das Straßennetz weiter ausgebaut, wobei nach wie vor Cambodunum als ehemaliger Hauptort von Westraetien im Zentrum lag. In der mittleren Kaiserzeit war es durch Römerstraßen direkt mit Augsburg über Obergünzburg, Eggenthal (Straßenstation Navoa) und Schwabmünchen verbunden; desgleichen nach Norden mit Günzburg und der Donaugrenze über Kellmünz und Unterkirchberg. Es bestanden Straßenverbindungen nach Süden (die später angelegte Via Decia) Richtung Sonthofen, wo die Via Decia auf die direkte Verbindung von Bregenz nach Füssen traf. Nach Südosten verlief eine Römerstraße über Durach, Nesselwang nach Reutte zur alten Via Claudia Augusta.

Durch das Ostallgäu zogen sich als Römerstraßen die schon erwähnte Verbindungsstraße Cambodunum – Augsburg von Obergünzburg kommend durch Eggenthal und Baisweil nach Schlingen, um sich dort nach Norden zu wenden. Ebenfalls von Kempten kommend durchquerte die Via Julia über Altdorf (Escone), in deren Nähe sie die Wertach überbrückte, Bernbach, Tremmelschwang, Ödwang und Oberzell das mittlere Ostallgäu, um schließlich Epfach und den Lech zu erreichen. Des Weiteren nimmt man noch römische Straßenverbindungen in Nord-Süd-Richtung von Schlingen über Pforzen, sich danach in eine West- (Heimenhofen, Geisenhofen, Weibletshofen, Thalhofen a. Wertach, Seeg und Weißensee-Füssen) und eine Ostroute (Kreen, Bertoldshofen, Stötten, Füssen) gabelnd sowie eine römische Verbindungsstraße von Reutte über Musau ins Pfrontener Tal nach Nesselwang (Kempten) an.

HINTERGRUND

APC – DER ARCHÄOLOGISCHE PARK CAMBODUNUM

Im römischen Cambodunum, das im ersten Jahrhundert zum römischen municipium (Stadt mit römischem Bürgerrecht) aufgestiegen sein soll, manifestiert sich die mediterran-städtisch ausgerichtete Zivilisation der Römer auch heute noch eindrucksvoll: In seiner Eigenschaft als Provinzhauptstadt besaß es zahlreiche öffentliche Gebäude, ein Forum, Thermen, einen Tempelbezirk, den Prokuratorenpalast und eine Basilika für Empfänge, Versammlungen und öffentliche Amtshandlungen sowie der Rechtsprechung. Um diese Gebäude herum gruppierten sich dann planvoll in rechteckigen insulae (Häuserblocks) die Wohnhäuser, Handwerksbetriebe und Wirtshäuser. Viele der Wohnhäuser konnten mit einer Art Fußbodenheizung (Hypokausten) für den Allgäuer Winter wohnlich gehalten werden. Damit bot Cambodunum alles, was wir heute gemeinhin mit römischer Zivilisation verbinden.

1883 wurde vom Kemptner August Ullrich diese Zivilstadt bei von ihm veranstalteten Grabungen entdeckt, die dann besonders 1937/38 unter Ludwig Ohlenroth wissenschaftlich vorbildlich fortgesetzt wurden. Zwar wurden in den 1950er Jahren Teile des alten Cambodunum überbaut und der weiteren Forschung entzogen, doch trug später die Zusammenarbeit des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, der Universität München und der Stadt Kempten (Stadtarchäologie) Früchte: 1983 öffnete der APC (Archäologischer Park Cambodunum), um zum einen die Weiterführung der archäologischen Ausgrabungen zu gewährleisten und zum anderen der Öffentlichkeit die bisherigen Grabungsergebnisse eindrucksvoll zu präsentieren und informierend zugänglich zu machen. Damit wird eine Tradition fortgeführt, mit der der APC durch seine Aktivitäten heute und für die Zukunft das römische Erbe des Allgäus sichert und lebendig hält.

APC – der Archäologische Park Cambodunum in Kempten.

Die Überlieferung und die archäologische Forschung lassen derzeit für das Unterallgäu einigermaßen gesichert lediglich die Straßenverläufe der schon beschriebenen Römerstraßen auf dem heutigen Kreisgebiet vermuten, große Straßenkreuzungen wie in Cambodunum oder bei Altdorf und Kreen im Ostallgäu gab es wohl nicht.

Für die römische Expansion waren die Straßen sehr wichtig, zunächst für Truppenbewegungen, später verlagerte sich die Bedeutung auf die zivile Nutzung von Handel und Wandel dieser wichtigen zivilisatorischen Leistung Roms. Da die römischen Ingenieure immer die Ideallinie als kürzeste Verbindung zwischen zwei Orten anstrebten und verwirklichen wollten, wurden bis in die Gegenwart lange und sehr gerade Wege und Straßen gerne als Römerstraßen, wie z. B. bei Baisweil, bezeichnet. Zu ihrem Bau wurde zunächst ein ca. ein Meter tiefer Aushub gegraben, zwischen sechs und zehn Meter breit, die Sohle wurde geebnet und gestampft; danach wurden lagenweise große Bruchsteine, grobe sowie feinere Kiesel mit Sand und Lehm aufgebracht, die Straßenoberfläche wurde gewölbt und gepflastert. Auf Steilstrecken wurden Geleise in die Pflasteroberfläche eingebaut, wie sie sich z. B. bei Buchenberg erhalten haben. Die Brücken waren in der Regel aus Holz, winterfeste Steinbrücken aus der Römerzeit sind im Allgäu bis jetzt nicht nachgewiesen worden.

Römische Zivilisation

Mit der römischen Eroberung war das Allgäu Teil des römischen Reiches geworden. Diesem ging es allerdings hauptsächlich um die Ausweitung seines Herrschaftsgebietes und das Erschließen neuer Rohstoff- und Nachschubquellen für seine Armee sowie für den wirtschaftlichen und zivilisatorischen Bedarf des schon bestehenden Imperiums. War die oberste Herrschaft im neuen Gebiet ungefährdet, so genügte es, die Außengrenzen zu sichern und im Inneren mit entsprechenden Kräften für Ruhe, Ordnung und den regelmäßigen Steuer- und Tributeingang zu sorgen. Die römische Lebensart, die mit den neuen Herren ins Land kam, wurde der unterworfenen Bevölkerung allenfalls vorgelebt, nicht aufgezwungen.

Grundsätzlich war das römische Leben im Allgäu vom Militär bestimmt, was auch zur Verbreitung der lateinischen Sprache beitrug, denn die einheimischen Auxiliarsoldaten und -milizen mussten für ihren Waffendienst Latein lernen. Die nach über 20-jährigen Dienst ehrenvoll aus der Legion entlassenen Soldaten erhielten in der Regel Bauerngüter und Gutshöfe an den römischen Straßen, nicht selten mit der Bedingung, an einem bestimmten Straßenabschnitt für Sicherheit zu sorgen.

Zentrum der römischen Siedlungstätigkeit und Zivilisation für das Allgäu war die alte Keltensiedlung und wohl auch -festung Cambodunum, die zunächst von den Römern übernommen – über eine Zerstörung wird nichts berichtet – und später dann mit einer eigenen römischen Siedlung gleichen Namens zur Sicherung des Verkehrsknotenpunktes im südwestlichen Alpenvorland zur zentralen römischen Siedlung im Allgäu ausgebaut wurde. Diese neue Siedlung, auf dem heutigen Lindenberg fast gegenüber der alten gallo-keltischen Siedlung auf der Burghalde, wurde unter den Kaisern Tiberius und Claudius angelegt und ausgebaut; damals war es auch der Hauptort der Provinz Raetien, während Augsburg hauptsächlich als zentrales Militärlager der Provinz diente. Erst unter Kaiser Vespasian (9–79 n. Chr.), als die Nordgrenze des Imperiums über die Donau hinaus verlegt und der Bau des Limes begann, trat Augsburg als Provinzhauptstadt Raetiens die Nachfolge Kemptens an.

Die einheimische Bevölkerung passte sich mehr oder minder schnell der höheren und fortgeschrittenen Zivilisation der neuen Herren an, die z. B. durch neuartige Pflüge und eine systematische Bodenbebauung eine Steigerung der Ernten erzielten, die durch die flächendeckende Einführung der Geldwirtschaft den oft recht mühsamen keltischen Tauschhandel zurückdrängten und die für ein erhebliches Maß an innerer Sicherheit sorgten, da dies Voraussetzung für die bevorzugte Siedlungsform des offenen Einzelhofsystems war. Auch trugen die einheitlichen Maßeinheiten zur Steigerung des Wirtschaftslebens bei. Im Bereich des Handwerks war es die Einführung des moderneren Horizontalwebstuhls mit Endloskette und drehbarem Kettbaum, der zu einer Ausweitung der Textilproduktion (Leinwand) führte, die sich immerhin schon in bleiernen Warenetiketten aus der frühen Kaiserzeit (Fundorte am Auerberg, Rieden b. Marktoberdorf und Kempten) überlieferte.

Zu den weiteren Vorzügen der römischen Zivilisation gehörte auf jeden Fall das nun einheitlich für alle geltende römische Recht, verbunden mit einer ziemlich effizienten öffentlichen Verwaltung. Im Jahre 212 erhielten von Kaiser Caracalla alle freien Einwohner des Allgäus das römische Bürgerrecht und waren damit vollwertiges Mitglied des römischen Reiches.