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Fabian Koch versteht die Welt nicht mehr - er wollte nur einen netten Abend in einer Schwulenbar verbringen, aber nun scheint alles um ihn herum verändert zu sein. Seine Wohnung ist weg, ja sogar die Schwulenbar existiert nicht mehr. Als er sich hilfesuchend an die Polizei wendet, kann diese ihm auch nicht helfen. Nach und nach muss Fabian erkennen, dass etwas ganz und gar nicht stimmt, denn es stellt sich heraus, dass es keine anderen Homosexuellen auf der Welt gibt. Die Polizei nimmt sich des Falles an und steckt Fabian in eine Sozial-WG. Dort begegnet er Silas, der über seltsame Augen und besondere Fähigkeiten verfügt. Silas weiß, was geschehen ist, und Fabian gefällt ganz und gar nicht, was mit ihm passiert ist ...
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Seitenzahl: 520
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Christian Kurz
Augen voller Sterne
Von Christian Kurz bisher erschienen:
Allein unter seinesgleichen ISBN, print: 978-3-86361-564Hasch mich, ISBN print: 978-3-86361-567-3Regenbogenträumer, ISBN print: 978-3-86361-491-1Samt sei meine Seele, ISBN print: 978-3-86361-617-5Die Welt zwischen uns, ISBN print: 978-3-86361-614-4Fremde Heimat, ISBN 978-3-86361-650-2
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Himmelstürmer Verlag, part of Production House, Hamburg
www.himmelstuermer.de
E-Mail: [email protected], März 2018
© Production House GmbHNachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages.Zuwiderhandeln wird strafrechtlich verfolgtRechtschreibung nach Duden, 24. Auflage
Cover: 123rf.com, Jaromir Chalabala
Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg. www.olafwelling.de
E-Book-Konvertierung: Satzweiss.com Print Web Software GmbH
ISBN print 978-3-86361-672-4ISBN e-pub 978-3-86361-673-1ISBN pdf 978-3-86361-674-8
Alle hier beschriebenen Personen und alle Begebenheiten sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist nicht beabsichtigt.
Fabian Koch wachte gegen 9 Uhr auf und trottete etwas behäbig ins Bad, um aufs Klo zu gehen. Er betrachtete sich danach im Spiegel, streckte die Zunge raus, wuschelte sich einmal durch die Haare und putzte sich die Zähne, bevor er wieder ins Bett zurückging, seinen Laptop nahm und das Internet anmachte. Diese Routine hatte sich eingestellt, seitdem er arbeitslos war.
Er ging auf eine Pornoseite und sah sich dort ein Video mit einem hübschen jungen Mann an, der sich hemmungslos präsentierte und dafür sorgte, dass Fabian sofort eine Erektion bekam, um die er sich auch sogleich kümmerte.
Nachdem das Video beendet war, nahm er ein Taschentuch aus der Packung, die auf dem Nachtschrank lag, und wischte das Sperma von seinem Bauch. Er öffnete seine E-mails und überprüfte, ob er eine neue Nachricht bekommen hatte. Nichts Neues. Wie schon seit Tagen. Er blies etwas Luft aus seinem Mund. Es schien so, als würde alles in lässiger Langeweile ertrinken, seitdem er nicht mehr arbeitete. Zwar setzte es ihm mental nicht so zu wie anderen Leuten, die bereits nach zwei Tagen zuhause wunderlich wurden, aber dennoch registrierte er, dass ihm das ständige Daheimbleiben bereits jetzt leicht auf die Nerven ging. Er musste endlich wieder Arbeit finden, aber wenn ihn niemand wollte, konnte er auch nichts daran ändern.
Er verließ das Bett und ging in die Küche seiner kleinen zwei Zimmer Wohnung, um aus dem Kühlschrank eine angebissene Frikadelle und ein Glas Senf zu nehmen, in welches er die Bulette tunkte. Kauend ging er sodann zurück in sein Schlafzimmer und setzte sich aufs Bett, wobei er den Laptop zwischen seine Beine platzierte. Er öffnete eine neue Seite und loggte sich auf der Kontaktbörse für Schwule ein, aber um die frühe Uhrzeit war so gut wie niemand online.
Er sah, dass er eine Nachricht von Mike bekommen hatte. Er hatte Mike noch nie getroffen und eher sporadisch mit ihm geschrieben – die letzte Nachricht, die er von ihm bekam, musste schon mindestens sechs Tage zurückliegen. Andere schrieben öfters, aber das waren zumeist solche Personen, die einem ungefragt Penisbilder oder Nahaufnahmen ihres gespreizten Arschlochs präsentierten, so, als würde man sich sofort daraufstürzen, ohne wissen zu wollen, wie derjenige denn eigentlich aussah.
Fabian öffnete die Nachricht: „Spinnst total!“ war zu lesen.
Er verstand nicht. Worauf bezog sich das? Er hatte ihm doch letztes Mal nichts geschrieben, was eine solche Nachricht hervorrufen könnte. Sicherheitshalber überprüfte er nochmals seine gesendeten Nachrichten. Die letzte Mail, die er Mike geschickt hatte, lautete: „Ja, schon dumm. Aber Arbeit gibt’s immer. Bis die Tage.“ Die neue Nachricht von Mike konnte sich schlecht darauf bezogen haben. Es schien wahrscheinlich, dass er ihm ausversehen eine Mail gesendet hatte, die für jemand anders bestimmt gewesen sein musste. Fabian überlegte, ob er etwas auf eine Mail erwidern sollte, die nicht für ihn bestimmt sein konnte, und entschied sich sodann, es auf sich beruhen zu lassen. Dennoch sendete er Mike einen Hallo-Tappser, um sich mal wieder ins Gedächtnis zu rufen.
Die Zeit verging schleppend, weshalb er eigentlich ein Buch lesen wollte, sich dann aber dafür entschied, weiter im Internet zu sein und sich ein paar Musikvideos anzugucken. Besonders die Band Sokrates' Dreamtree hatte es ihm in letzter Zeit angetan. Ihr Lied „Liebesdiebe“ war bereits auf Platz zwei der Charts und handelte ganz offen von schwuler Liebe. Natürlich hatte es ein paar Proteste der ewig Gestrigen gegeben, ja sogar eine Fernsehsendung meinte sich wichtigmachen zu müssen, indem sie eine Debatte ausstrahlte, in welcher Gegner zu Wort kamen, die meinten, dass die Anpreisung von homosexueller Liebe in einem frei zugänglichen Lied an den Grundfesten der westlichen Demokratie rüttelte. Glücklicherweise wurden diese Gegner vom Studiopublikum ausgepfiffen, aber Fabian fand es dennoch beinahe befremdlich, dass es immer noch Leute gab, die sich nicht damit abfinden konnten, dass es nun einmal Homosexuelle gab. Dass man diesen Personen dann auch noch eine öffentliche Plattform gegeben hatte, damit sie ihren ungefilterten Hass verbreiten konnten, machte ihm aber nichts aus – auf diese Weise konnte jeder sehen, was für unsensible, widerlichen Kreaturen solche Hasser eigentlich waren. Und das Lied wurde seitdem aus Solidaritätsgründen fast stündlich im Radio und auf Musiksendern im Fernsehen gespielt. Dennoch kam es ihm noch nicht zu den Ohren raus. Es war einfach ein positives, bejahendes Lied, das einem Stärke und Selbstsicherheit vermittelte.
Nachdem er es dreimal hintereinander angehört hatte, machte er das Internet aus, verließ das Bett und zog sich richtig an. Er steckte sein Handy in die Hosentasche, verließ seine Wohnung und kaufte einige Lebensmittel ein, bevor er wieder nach Hause zurückging und sich erneut an den Laptop setzte, da er nicht wusste, was er sonst mit seiner Zeit anfangen sollte. Er ging wieder auf die Kontaktbörse und hoffte, dass nun einige zum Schreiben online wären, aber wieder schien es nicht so. Er sah sich noch auf anderen Seiten um, bevor er das Internet wieder ausmachte und sich vor den Fernseher setzte, um gelangweilt herumzuschalten. Er guckte einige Cartoons an, sowie etwas von den Nachrichten, die ihn aber eher in schlechte Laune versetzten. Immer Mord und Totschlag, immer Terroristen. Stumpfsinnige Politiker. Betrugsskandale. Giftalarm im Essen. Das Wetter. Immer derselbe Trott. Die Welt ging anscheinend vor die Hunde.
So vergingen die Stunden, bis es schließlich Abend wurde. Fabian überlegte sich, was er noch tun sollte, und entschied sich, in die Schwulenbar zu gehen. Er überprüfte seinen Geldbeutel – obwohl er nicht viel drin hatte und das nächste Bezugsgeld vom Amt erst in einigen Tagen auf seinem Konto eingehen würde, wollte er dennoch in die Bar gehen. Er musste ja nicht übermäßig viel trinken, und vielleicht würde er endlich mal wieder jemanden treffen, mit dem man sich gut verstand und unter Umständen Sex haben konnte. Es war schon viel zu lange so, dass er sich selber einen runterholen musste. Sein Penis hatte ja fast schon den Abdruck seiner Finger bekommen.
Er sprühte sich etwas Deo unter die Arme und ging sodann durch die Stadt in die Schwulenbar „Romeos Delight“, in welcher er schon öfters war. Die Bar hatte eher einen Kneipen-Charakter, war aber dennoch ganz annehmbar, vor allem, weil es als offener Treffpunkt für andere Homosexuelle in der Stadt diente. Er setzte sich an einen Tisch und ließ sich ein kleines Glas Bier bringen. So früh am Abend war noch nichts los, aber das kümmerte ihn nicht. Wenigstens war er mal wieder unter Leuten. Das war wichtig, damit einem nicht die Decke auf den Kopf fiel.
Auch hier lief „Liebesdiebe“, weshalb er zuerst leicht lächeln musste und sodann den Text stumm mitsang. Ein blonder Mann, der in einer Ecke saß, lächelte ihm zu und kam daraufhin zu ihm. Er war nicht gerade Fabians Geschmack, aber man konnte sich ja durchaus unverbindlich unterhalten.
„Schönes Lied“, sagte der Blonde.
„Klar.“
„Ich bin Dennis“, lächelte er.
„Fabian.“
Der Barkeeper kam an den Tisch. „Und? Hast dich entschieden?“
„Ein helles“, sagte Dennis und wandte sich danach an Fabian, während der Barkeeper wegging: „Bist du öfters hier?“
„Naja, nicht so oft. Gelegentlich.“
„Ah.“
„Und selber?“
Dennis nickte. „Doch, schon, auch, ja.“
„Verstehe.“
Der Barkeeper brachte ihm das Bier. „Bitte.“
„Danke.“ Dennis trank etwas davon. „Gibt doch fast nichts Besseres als ein Bier nach der Arbeit, nicht wahr?“
„Ja, schon. Ich bin aber gerade arbeitslos.“
„Oh. Tut mir leid.“
Fabian grinste: „Wieso denn? Du bist doch nicht daran schuld.“
„Haha, nein, nein, das nicht, nein.“ Er zögerte. „Was hast du denn gearbeitet, wenn ich fragen darf?“
„Nichts Besonderes. War Verkäufer im Supermarkt. Aber wegen Einsparungen …“ Er zuckte mit der Schulter.
„Ja … kenn ich.“
„Wieso? Auch entlassen worden?“
„Ich? Nein, nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Aber man hört das doch immer wieder, dass jetzt überall Leute entlassen werden. Sei es, weil überall die Leute durch Technik ersetzt werden, oder sei es, weil die Betriebe Geld sparen können, indem sie immer wieder Minijobber einstellen und die dann entlassen, bevor die Probezeit beendet ist.“
Fabian nickte. „Ja. Hast recht. Aber was arbeitest du denn, wenn ich fragen darf?“
Er zögerte. „Metzger.“
„Metzger? Ist doch was.“
„Ja, schon. Aber ich sag das eigentlich nicht so offen. Ich meine, es ist doch so, dass heutzutage viele vegan leben wollen. Oder dass die sagen, dass ein Metzger nicht tierlieb sein kann. Oder sonst sowas. Ich habe da schon eine Menge Blödsinn gehört, das kannst du mir glauben. Ich will mich da jetzt ja auch gar nicht auskotzen, aber es ist doch so, dass die meisten Leute meinen, dass Fleisch essen Mord wäre. Und diejenigen, die weiter Fleisch essen, ja die wollen zwar die Wurst, aber nicht wissen, woher sie kommt. Für die ist man dann fast schon ein blutgeiler Psycho, wenn man einer Sau den Kopf abschlägt und das Fleisch dann entbeint. Aber das muss doch auch gemacht werden. Das bekommt eine Maschine nie so gut hin wie ein Mensch, das sage ich dir.“ Er nickte bekräftigend.
Fabian nickte ebenfalls. „Ist doch schön – da hast du immer einen Job.“
„Ja, schon, aber …“ Dennis zögerte. „Ich meine, ich habe schon mal einen getroffen, der mir richtig gefallen hat. War ein ganz liebes Kerlchen mit Muskeln und allem, aber als ich dem gesagt hatte, dass ich Metzger bin, ja da wollte der nichts mehr mit mir zu tun haben. War aber nicht so, dass der so ein militanter Ökofritze gewesen wäre, das nicht. Aber er hat mir gesagt, dass er wirklich Angst vor mir hat, weil ich als Metzger ihn ja zu Wurst verarbeiten könnte.“ Er setzte kurz einen fahrigen, ungläubigen Gesichtsausdruck auf. „Was denkt der denn? Dass ich ihm bei einem Widerwort sofort sein Schwänzchen abschneide und zu Sülze verarbeite?“
Fabian musste lachen. „Oh, Mann. Außer Muskeln kein Hirn, was?“
„Wahrscheinlich“, der Blonde nickte, „wahrscheinlich.“
Fabian lächelte ihn an. „Kannst du mal kurz auf mein Bier aufpassen? Ich muss aufs Klo.“
„Na klar.“
Er stand auf und ging in die Toilettenräume, wo er sich kurz erleichterte und sodann sein Handy rausholte, um zu überprüfen, ob ihm jemand auf der Kontaktseite geschrieben hatte. Tatsächlich war wieder eine Nachricht von Mike zu lesen: „Was soll das? Ich glaube,du spinnst total.“ Fabian war kurz überrascht, aber Mike hatte wohl wieder die Profile verwechselt. Er überlegte sich, ihm eine klärende Nachricht zu schicken, als eine neue Mail kam: „Das geb ich mir nicht länger. Verpiss dich!“
Er stutzte und entschied sich, ihm eine Mail zu senden: „Hi. Was ist denn los? Du schickst mir gerade immer Nachrichten, die ich nicht verstehe. Sind hoffentlich nicht für mich. Hast du gerade Probleme mit einem?“
Fast augenblicklich kam eine neue Nachricht: „Lass mich in Ruhe!!!“
Er war für einen Moment irritiert, beließ es aber dabei – ganz eindeutig hatte Mike gerade Probleme mit jemanden. In der jetzigen Verfassung würden ruhige Worte ungehört bleiben. Er steckte deshalb das Handy wieder ein und ging zurück zum Tisch, wo Dennis ihn bereits mit erwartungsvollen Augen ansah.
„Hast du nachher noch was vor?“, fragte ihn der Blonde.
Fabian lächelte, während er sich eine passende Ausrede zurechtlegte. Zwar wollte er mal wieder jemanden vernaschen, aber deswegen musste er ja nicht gleich den erstbesten nehmen, und dieser Dennis war einfach nicht sein Typ. Er mochte schlanke Männer, und der Metzger hatte nun einmal den Körperbau, den man von ständiger körperlich anstrengender Arbeit bekam – breite Schultern, massige Arme, Stiernacken. Zwar hatte Fabian nicht die Befürchtung, in die Wurst zu kommen, aber es schien schwer vorstellbar, dass ihn der Metzger zärtlich anfassen könnte und ihm den Penis nicht fast schon brutal quetschte.
„Ich hab gerade mein Handy überprüft“, er holte es raus. „Ich bin heute eigentlich nur hier, weil meine eigentliche Verabredung gesagt hat, dass es heute nichts wird. Jetzt aber hat er geschrieben, dass es doch noch geht. Tut mir leid.“ Er steckte das Handy wieder ein.
Dennis nickte behäbig. Seine zuvor leuchtenden Augen wurden trübe. „Klar. Verstehe.“
„Liegt nicht an dir.“
„Klar. Weiß ich. Schönen Abend noch.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging er zurück in die dunkle Ecke aus der er gekommen war.
Fabian trank sein Bier aus, bezahlte und wollte bereits die Bar verlassen, als er einen Blick zum Metzger warf und sah, wie dieser traurig vor sich hinstarrte. Er ging zu ihm. „Hör mal, ich …“
„Nein. Schon klar. Du hast schon jemand. Schon klar. Das verstehe ich.“
Er wollte ihm noch etwas Aufmunterndes sagen, aber die gesamte Art, mit der Dennis sich gerade präsentierte, ließ es für ihn schwer werden, Sympathie zu empfinden, weshalb er die Schulter zuckte und die Bar verließ.
Es war bereits dunkel, als er durch die Stadt ging. Er blickte zu den Sternen hoch, als sich diese plötzlich für eine Sekunde zu drehen begannen. Er blieb sofort stehen und sah zu Boden. Alles in Ordnung. Er sah auf seine rechte Hand. Ebenfalls alles in Ordnung. Er blickte wieder zu den Sternen hoch, aber auch dort war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Er wunderte sich, warum er eindeutig einen kurzen Schwindelanfall gehabt hatte. Es konnte unmöglich am Bier gelegen haben. Wahrscheinlich wollte ihn sein Körper lediglich darauf aufmerksam machen, dass er etwas essen musste. Er ging darum weiter und erreichte seine Wohnung ohne weitere Probleme.
Er aß wieder eine Frikadelle, trank etwas Wasser und ging in sein Schlafzimmer, als sich plötzlich ein Krampfgefühl in seinem Bauch bemerkbar machte. Es fiel so stark aus, dass er seine Arme vor dem Bauch zusammenschlug und auf die Knie ging. Noch bevor er wusste, was geschah, spürte er, wie sich sämtliche Haare auf seinem Körper aufstellten und er einen Schweißausbruch hatte. Es dauerte vielleicht zehn Sekunden, die ihm jedoch unendlich lange vorkamen, bevor alles wieder von einer Sekunde zur nächsten aufhörte.
Er blickte sich verwundert um. Was war das gerade gewesen? Etwa ein akuter Blinddarmdurchbruch, oder etwas Ähnliches, weshalb ihm sein Körper ein derart intensives Warnsignal sendete? Er stand auf und tastete an seine durchnässte Kleidung. Der Schweiß hatte sie komplett durchtränkt. Er ging ins Badezimmer, sah sein Gesicht im Spiegel an, überprüfte seine Augen und zog sein Hemd aus, um seinen nackten Oberkörper zu untersuchen. Er fasste sich an die Seiten und drückte ein wenig bei der Leber und der Milz herum, konnte aber keinen Schmerzpunkt ausfindig machen. Er zog den Rest seiner Kleidung aus und überprüfte sicherheitshalber auch seine Hoden, indem er sie vorsichtig abtastete und dabei ungewollt einen Ständer bekam.
Er nahm ein Handtuch und wischte sich den Schweiß ab, da ihm jetzt nicht nach duschen war. Nackt begab er sich in sein Schlafzimmer und legte sich eine Unterhose aufs Bett, bevor er sich hinsetzte und wieder das Internet anschaltete. Er gab auf einer Suchseite die Begriffe „Plötzlicher Schwindel mit Schweißausbruch“ ein und bekam erwartungsgemäß unzählige Diagnose-Vorschläge. Von Blinddarmdurchbruch über Schwangerschaft bis hin zu Mumps, Masern, Lupus, Krebs, Tripper und Keuchhusten war alles vertreten. Doktor Internet hatte eben auf alles eine Antwort, ganz egal, ob es zur Frage passte oder nicht.
Da er immer noch einen halbwegs harten hatte, spielte er mit der linken Hand kurz an sich herum und öffnete die Pornoseite, um sich einen hübschen Kerl bei der Selbstbefriedigung anzugucken. Er stellte sich vor, dass der junge Mann ihn auch verwöhnte und dann ins Gesicht abspritzte, so wie er es gerne hatte. Schließlich kam Fabian und der Unbekannte beinahe gleichzeitig, weshalb er sich das Sperma abwischte und dann mit den Fingerspitzen über seinen Sack strich. Er sollte sich mal wieder rasieren.
Am nächsten Tag wachte Fabian aus unruhigem Schlaf gegen elf Uhr auf. Sein Kopf fühlte sich elendig an, so als hätte er ein Saufgelage veranstaltet. Mit schmerzenden Beinen schleppte er sich zum Klo und setzte sich hin, obwohl er nur pissen musste. Er blieb sitzen und schnaufte mehrmals. Was war denn nur los? Hatte er sich etwa die Grippe eingefangen?
Er überlegte. Er fühlte sich ja erst seit gestern Abend so seltsam. Sogar seine Träume waren seltsam gewesen, aber darauf gab er nichts. Viel schwerwiegend war für ihn die Tatsache, dass sich plötzlich wieder alles um ihn herum zu drehen begann und schlagartig wieder normal wurde. Das war kein Zeichen von zu viel Alkohol und auch kein Anzeichen einer bevorstehenden Grippe. Es schien eher so, als hätte man ihm etwas ins Bier getan.
Natürlich – Dennis, der Metzger! Mit Sicherheit hatte der Bastard ihm eine Droge ins Bier getan, damit er ihn hinterher willenlos ins Bett hätte kriegen können. Und solche Drogen reagierten ja sowieso schlimmer, wenn sie mit Alkohol vermischt waren.
Er überlegte, die Droge auszukotzen, aber sie war ja bereits in seinem Kreislauf, weshalb es nichts gebracht hätte. Er rutschte kraftlos vom Klositz runter und kam mit dem nackten Hintern auf den kalten Fliesen auf. So ein verdammter Bastard, dachte er. Seine Gedanken waren klar, wenngleich auch mit gelegentlichen Schmerzen durchzogen. Lediglich sein Körper schien nicht mehr so reagieren, wie er es wollte. Er überlegte, was er tun könnte. Am sichersten wäre es wohl gewesen, zum Handy zu gelangen und den Notdienst zu verständigen, damit die ihm den Magen auspumpten und mit Gegenmitteln versorgten, aber dazu fehlte ihm die Kraft.
Er bewegte sich geradezu spastisch und lag nun komplett auf dem Boden. Seine Augen waren auf die Fliesen gerichtet, die zu schwimmen begannen. Seine Wahrnehmung wurde immer seltsamer. Es schien so, als könnte er durch die Fliesen durchgucken und darunter Gras sehen. Dann aber wurden die Fliesen wieder fester, und auch das seltsame Gefühl verschwand.
Fabian atmete einmal tief durch, zog seine Unterhose hoch und richtete sich sodann auf. Er betrachtete sich wieder im Spiegel. Alles war in Ordnung. Hatte sein Körper die Droge bereits verarbeitet, oder würde er nochmal einen Anfall bekommen? Es wusste es nicht, genauso wenig wie er wusste, ob Dennis ihm wirklich eine Droge verabreicht hatte, aber was sollte es denn sonst sein? Es gab keine andere logische Erklärung für das, was ihm gerade passierte.
Er putzte sich die Zähne, spuckte die Paste ins Waschbecken, schloss kurz die Augen und blickte runter. Die ausgespuckte Paste befand sich nicht im Becken. Er kniff die Augen zusammen und strich mit der linken Hand über das Innere des Beckens, konnte aber die ausgespuckte Paste nicht finden. Er bückte sich und suchte mit den Augen um das Becken herum. Vergeblich.
Er ließ Wasser über die Zahnbürste fließen, stellte sie zurück in seinen Becher und betrachtete sich erneut im Spiegel. Seine Augen waren normal. Die Pupillen waren normal. Er überprüfte seinen Körper, fand aber keine Anzeichen dafür, dass irgendetwas nicht stimmte. Er wusste, dass es wohl das Beste wäre, den Notarzt zu verständigen oder mit dem Taxi ins Krankenhaus zu fahren, aber er hoffte einfach, dass es nun vorbei wäre.
Er zog seine Unterhose aus und ging in die Dusche. Das warme Wasser floss über seinen Körper, der leider nicht mehr ganz so straff und trainiert war wie früher, und ließ ihn die schlechten Gefühle fast vollständig vergessen. Dennoch kam er nicht umhin, sich weiterhin Gedanken zu machen, was es zu bedeuten hatte. Er war sich sicher, dass es nicht am Alkohol gelegen haben konnte. Dieser Dennis musste ihm einfach eine Droge verabreicht haben, das stand für ihn jetzt fest, auch wenn er wusste, dass man jemanden nicht einfach ohne handfeste Beweise verurteilen sollte. Aber es gab keine andere Erklärung, also musste es so sein. Fabian säuberte sich am ganzen Körper und hielt für einen Moment seinen Penis mit der rechten Hand umklammert. Würde er sich nicht so sehr danach sehnen, endlich mal wieder mit einem Mann Sex zu haben, so wäre er doch gar nicht erst in die Bar gegangen. Dann wäre das mit der Droge doch gar nicht passiert. Aber man musste ja raus und sich unter die Leute mischen, damit man eine Chance darauf hatte, jemanden zum lieben zu finden. Und den Richtigen zu finden war für jeden schwer, egal, ob schwul oder nicht. Und Arschlöcher, die einem die Drinks vergiften, gab es leider immer wieder, auch unter den Heterosexuellen. Dennoch – das musste doch nicht sein. Vor solchen Leuten musste gewarnt werden. Er nahm sich darum vor, am Abend wieder in die Bar zu gehen und den Barkeeper zu fragen, ob ihm etwas aufgefallen war. Irgendetwas musste schließlich vorgefallen sein.
Er trocknete sich ab, zog sich eine neue Unterhose an und setzte sich so wieder an den Laptop. Wieder gab es seltsame Nachrichten von Mike: „Du willst es wohl nicht verstehen! Hör auf damit!!!“
Fabian schüttelte wegen der Mail den Kopf, als ihm schwindlig wurde. Das gesamte Zimmer drehte sich rasant und verschwand immer wieder für den Bruchteil einer Sekunde, um einen Wald zu zeigen. Dann hörte es auf, und alles war wieder wie zuvor.
Er ging zurück ins Bad und holte aus dem Spiegelschrank eine Packung mit Kopfschmerztabletten. Diese verdammte Droge machte ihn noch ganz verrückt. Dieser verdammte Bastard Dennis gehörte eingesperrt! Mit den Tabletten ging er in die Küche und holte ein Glas heraus, das er mit Wasser auffüllte. Er steckte eine Tablette in den Mund und trank etwas, um sie runterschlucken zu können. Er stemmte sich kurz an der Spüle ab, atmete tief durch und wollte sodann das Glas mit in sein Zimmer nehmen, aber er konnte es nicht fassen: seine Finger, ja seine gesamte Hand glitt durch das Glas hindurch, so als wäre es eine Halluzination oder er selber ein Geist!
Er erschrak leicht. Er wusste, dass das nicht wirklich passiert sein konnte. Es war nur eine Nebenwirkung der Droge, ganz eindeutig. Sein Gehirn hatte ihm vorgegaukelt, dass er seine Hand ausgestreckt hätte, aber in Wirklichkeit war nichts passiert. Es gab keine andere Erklärung, das wusste er. Entschlossen griff er erneut nach dem Glas, aber wieder glitt seine Hand hindurch. Täuschte ihm seine Wahrnehmung immer noch etwas vor? Er trommelte mit den Fingerspitzen auf der Spüle herum. Er konnte die Geräusche hören, also musste er die Bewegung tatsächlich ausführen – das wusste er. Er trommelte weiter mit der linken Hand und versuchte mit der rechten das Glas zu berühren, aber seine Finger huschten durchs Glas und brachten nicht einmal das Wasser in Bewegung. Er schluckte. Langsam begann er an seinem Verstand zu zweifeln. Er wusste, dass ihm sein Verstand einen Streich spielte. Er versuchte, sich zusammenzureißen und konzentrierte sich auf das Glas. Er wollte es erneut greifen, aber wieder glitt seine Hand hindurch, brachte dieses Mal jedoch zumindest das Wasser in leichte Bewegung.
Er stoppte mit dem Trommeln der linken Hand und blickte für einige Augenblicke fast schon entgeistert auf die Spüle und das Glas vor sich. Er sollte zum Arzt gehen und sich untersuchen lassen – das konnte doch nicht normal sein. Selbst eine Betäubungsdroge würde nicht solche Nebenwirkungen in der Wahrnehmung provozieren, und falls doch, dann müsste man annehmen, dass noch viel mehr zu Schaden kam. Man las ja immer wieder davon, dass es bei Drogenkonsumenten zu Gefäßverengungen im Gehirn kam – das wollte er auf keinen Fall haben. Dieser verfluchte Dennis … Körperverletzung, jawohl, das war eindeutig Körperverletzung, dass dieser Bastard ihm eine solche Droge verabreicht hatte!
Er bemerkte plötzlich, dass er das Gefühl hatte, auf Gras zu stehen. Er blickte runter, sah zu seiner Erleichterung den Küchenboden und wurde dennoch nicht die falsche Wahrnehmung los. Er atmete tief durch und schloss die Augen. Er musste sich zusammenreißen. Sich konzentrieren. Dann würde alles wieder gut werden.
Er roch Waldluft, Gras und Bäume. Er öffnete die Augen wieder. Das Gefühl an seinen Füßen war verschwunden – er stand eindeutig auf einem normalen Küchenboden. Er bewegte seine rechte Hand vorsichtig, geradezu schüchtern nach vorne und tippte sodann mit den Fingerspitzen das Glas an. Er konnte es berühren. Es war fest vorhanden. Seine Finger waren vorhanden. Er drückte gegen das Glas und schob es weg. Er umschloss das Glas, hob es hoch und trank es aus, bevor er es wieder zurückstellte.
Mit einem mulmigen Gefühl ging er zurück in sein Schlafzimmer. Es half alles nichts, er musste zum Arzt und sich untersuchen lassen. Er musste in die Bar und die anderen vor diesem Bastard warnen. Aber zuerst musste er sich auf Herz und Nieren untersuchen lassen, bevor noch schlimmeres passierte und er womöglich anfing, geisteskrank zu werden.
Als er sich Socken, Hose und Hemd anzog, begann sein Kopf zu schmerzen. Er ignorierte es und stülpte die Schuhe über seine Füße, als das Gefühl seinen gesamten Körper ergriff und ihn wie zuvor in die Knie zwang. Sein Magen drehte sich. Alles um ihn herum schien zu verschwimmen. Mit größtmöglicher Kraftanstrengung wankte er aus dem Schlafzimmer in Richtung Bad, weil er das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen.
Er kniete vor der Toilette, als ihn stechende Schmerzen jegliche Kraft raubten. Benommen sank er komplett zu Boden und japste nach Luft. Die Wände um ihn wurden durchsichtig und gaben den Blick auf einen Wald frei, dann wurde Fabian ohnmächtig …
Fabian wachte nach Stunden langsam auf. Es begann bereits zu dämmern, aber aufgrund seiner Verfassung konnte er nicht erkennen, ob es Morgen oder Abend war. Er richtete sich auf und blickte sich um: er befand sich nicht in seinem Badezimmer, sondern in einem Waldstück und war nur mit den Sachen bekleidet, die er sich vor seiner Ohnmacht hatte anziehen können.
War er etwa in seinem Zustand aus der Wohnung und in den Wald gegangen? Es musste wohl so sein, aber hatte ihn denn niemand gesehen und bemerkt, dass er unter Drogeneinfluss gestanden hatte? Wahrscheinlich hatten die Leute es gemerkt und ihn darum nicht angesprochen – wer gab sich schon gerne mit Leuten ab, die Drogen nahmen?
Er stand auf und sah sich um. Eindeutig ein Waldstück, daran gab es nichts zu leugnen. Er blickte an sich runter und bemerkte, dass er pissen musste, weshalb er sich nochmal umsah und sodann gegen einen der Bäume pinkelte, bevor er sich abklopfte und damit den Waldschmutz notdürftig entfernte. Er griff in seine Hosentasche: leer. Er hatte nichts bei sich, weder Ausweis, noch Geld oder gar Handy, geschweige denn seine Hausschlüssel. Verdammt, dachte er, jetzt muss ich wegen diesem Bastard auch noch den Schlüsseldienst rufen oder bei mir selber die Tür aufbrechen.
Er ging los und suchte nach einem Weg oder einem Trampelpfad, den er nach einiger Zeit fand und entlangschritt. Zwar wusste er nicht, in welche Richtung er zu gehen hatte, aber sobald er wieder auf Leute traf, könnte alles Weitere geregelt werden. Er blickte sich immer mal wieder um. Er wusste, dass sich der Wald etwas außerhalb der Stadt befand. War er wirklich allein zu Fuß hierher gekommen? Es musste wohl so sein, es gab keine andere Erklärung.
Er registrierte, dass die Übelkeit vollständig verschwunden war, aber dennoch konnte sie wie zuvor jederzeit plötzlich auftreten und ihm die Sinne verwirren. Er hoffte, dass es endlich vorbei war und es keine Spätschäden oder sonstigen Nebenwirkungen gab. Er ging den Weg weiter und kam nach mehreren Minuten schließlich aus dem Wald heraus.
Die Stadt wirkte noch leer, aber da die aufgehende Sonne es nun zur Gewissheit werden ließ, dass es früh am Morgen sein musste, schien es nicht weiter verwunderlich. Fabian musste daran denken, dass er gut acht Stunden verloren hatte, wenn nicht sogar zwölf. Er hatte keine Erinnerung daran, was zwischen seiner Ohnmacht im Bad und dem Aufwachen im Wald geschehen war. Hatte er sich gleich nach der Ohnmacht drogenbenebelt in den Wald begeben und dort die ganze Nacht geschlafen, oder war er erst vor ein, zwei Stunden noch geistig neben sich stehend in seiner Wohnung aufgewacht, in den Wald gegangen und erst dort wieder zu Sinnen gekommen? Er wusste es nicht, aber immerhin fühlte er sich nicht länger körperlich schlecht.
Er ging durch die Stadt und erreichte schließlich die Straße, in der er wohnte. Er ging weiter und wollte in das Reihenhaus gehen, in welchem sich seine Wohnung befand, als er plötzlich bemerkte, dass das Haus nicht existierte. Dort, wo sich das Reihenhaus befunden hatte, war nun ein Supermarkt, den er noch nie zuvor gesehen hatte.
Fabian war vollkommen verwirrt. Er sah sich fast schon panisch um. Es war doch keine Verwechselung möglich: das war die Straße, in der er wohnte. Er erkannte alle anderen Häuser, aber das Haus, in dem er gewohnt hatte, war nicht mehr vorhanden. Der Supermarkt, der sich stattdessen dort befand, schien auch nicht einfach so über Nacht erbaut zu sein, sondern der etwas dreckigen Fassade nach zu urteilen schon etliche Jahre zu bestehen. Er schloss die Augen und öffnete sie wieder, aber das Bild blieb bestehen: das Reihenhaus war weg.
Das konnte nicht sein. Es musste sich um eine Täuschung handeln. Hatte die Droge sein Gehirn etwa komplett verrückt gemacht und ließ ihn nun nur noch Dinge sehen, die überhaupt nicht existierten? Mit einem unguten Gefühl griff er mit der rechten Hand seine Linke und drückte sie fest. Immerhin fasste er nicht ins Leere.
Aus einiger Entfernung drang ein rollendes Geräusch an seine Ohren. Er drehte sich in die Richtung und sah die Zeitungsfrau. Mit leicht beschleunigten Schritten ging er zu ihr.
„Guten Morgen“, begrüßte sie ihn. „Heute sind die Zeitungen leider etwas später geliefert worden. Tut mir leid.“
„Entschuldigung, aber da drüben“, er zeigte auf den Supermarkt, „da stand doch gestern ein Reihenhaus.“
Sie blickte ihn verwundert an. „Nein, das wüsste ich aber. Ich stecke das Gebiet hier schon seit fünf Jahren. Da war noch nie ein Reihenhaus.“
„Aber das ist doch hier die Casparstraße?“
„Ja, schon.“ Sie schien ihn zu mustern. „Welche Nummer suchen Sie denn?“
„Nummer achtundreißig.“
„Achtundreißig?“ Sie schüttelte den Kopf. „Das ist der Supermarkt.“
Fabian blickte zum Markt. „Aber … das ist doch …“
Die Zeitungsfrau blickte ihn fragend an. „Geht es Ihnen nicht gut?“
Er sah sie abrupt an. „Das … das hört sich jetzt blöd an, aber welcher Tag ist heute?“
Anstatt ihm eine Antwort zu sagen, hielt sie ihm einfach die aktuelle Zeitung hin. „Geht es Ihnen nicht gut?“, wiederholte sie.
Er nahm die Zeitung und las das Datum. Alles schien soweit in Ordnung zu sein. Er reichte die Zeitung zurück. „Ich … ich weiß nicht …“
„Haben Sie vielleicht … nun ja … gestern zu viel gefeiert?“
„Nein, nein, das ist es nicht …“ Er schluckte. „Ich war gestern … nein, vorgestern … Ich war vorgestern in der Romeos Delight, und da …“
Sie legte den Kopf seitlich. „Wo waren Sie?“
„In der Romeos Delight. Eine Schwulenbar.“
„Eine was?“, gab sie verwundert von sich.
Fabian hatte im Moment nicht das Gefühl, sich für seine Homosexualität rechtfertigen zu müssen, weshalb er nicht darauf einging. „Ich habe ein Bier getrunken, aber ich glaube, das mir einer etwas ins Glas getan hat.“
„Verstehe … Dann sollten Sie aber ins Krankenhaus gehen. Nur für alle Fälle.“
„Ja. Wollte ich ja auch. Aber dann bin ich zuhause umgefallen und jetzt vorhin außerhalb der Stadt aufgewacht. Ich wollte nach Hause und meinen Ausweis und meine Krankenversicherungskarte holen …“
„Das ist eine gute Idee“, nickte sie. „Wo wohnen Sie denn?“
„Casparstraße achtundreißig“, sagte er sofort.
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist der Supermarkt. Und da werden Sie ja wohl nicht wohnen, oder? Und der steht schon seit Jahren hier.“
Er drehte sich zum Markt um, blickte verwirrt um sich und zuckte mit der Schulter. „Ich … ich … Ich weiß doch auch nicht, was los ist …“
„Mmh“, machte sie. „Sie sollten auf jeden Fall ins Krankenhaus gehen. Und zur Polizei. Wenn man Ihnen eine Droge gegeben hat, dann müssen Sie das anzeigen.“
„Ja. Natürlich.“ Er nickte. „Danke.“ Er wandte sich zum Gehen um.
„Finden Sie den Weg alleine?“, wollte sie wissen und klang dabei ehrlich besorgt.
Fabian nickte. „Ja … natürlich …“ Er ging weiter. „Nochmal danke …“ Er ging die Straße entlang und sah sich dabei immer wieder verwirrt um. Es war die Casparstraße, aber seine Wohnung war nicht mehr vorhanden. Er hätte es für eine weitere Wahrnehmungsbeeinträchtigung durch die Droge gehalten, aber da auch die Zeitungsfrau das Reihenhaus nicht gesehen hatte, wusste er gerade nicht, was er überhaupt glauben sollte.
Er ging durch die Straßen und kam nach mehreren Minuten zum Polizeirevier, welches er zuvor noch nie betreten musste. Die Türen glitten schwer auf, und die Polizistin, die hinter kugelsicherem Glas saß, wirkte trotz der frühen Morgenstunde nicht müde, sondern fast schon übermotiviert.
„Guten Morgen. Kann ich Ihnen helfen?“, sagte sie freundlich.
Fabian kam näher. „Ja … das wäre nett.“
„Worum geht es denn?“
„Naja, das hört sich jetzt vielleicht seltsam an, aber … die Casparstraße achtundreißig … Ich wohne da.“
„Nun, das ist ja noch nicht seltsam“, lächelte sie.
„Doch, anscheinend schon. Ich wollte nämlich vorhin nach Hause, aber das Haus, in dem ich wohne, ist nicht mehr da. Stattdessen steht da jetzt ein Supermarkt.“
Sie blinzelte kurz. „So? Moment bitte.“ Sie tippte auf dem Computer, der sich zu ihrer rechten befand, ein wenig herum. „Ja, das ist ja auch richtig. Der steht da. Seit Jahren.“
„Ja, das hat mir eine Zeitungsfrau gerade auch gesagt. Aber ich wohne da.“
„Im Supermarkt?“
„Nein. Das ist es ja eben. Sehen Sie, es ist so …“ Er atmete tief durch. „Vorgestern bin ich in die Romeos Delight Bar gegangen, um mal wieder jemanden kennenzulernen. Dabei bin ich mit einem Kerl ins Gespräch gekommen und habe ein Bier getrunken. Ich bin aufs Klo gegangen und habe hinterher mein Bier ausgetrunken, und kurz danach habe ich seltsame Dinge gesehen. Ich denke also, dass der Kerl mir was ins Bier getan hat.“
„Sie meinen eine Droge?“, hakte sie nach.
„Denke ich, ja. Ich war noch nicht beim Arzt, also weiß ich es nicht sicher, aber was soll es denn sonst sein? Ich meine, ich habe gedacht, dass ich durch ein Wasserglas greifen kann. Das ist ja nicht normal.“
„Nein, ist es nicht, da haben Sie recht.“ Die Polizistin tippte wieder auf dem Computer herum. „Und wo soll das gewesen sein?“
„In der Romeos Delight.“
„Mmh …“ Sie tippte erneut. „Und wo ist die? In welcher Stadt?“
„Hier.“
„Hier? Sind Sie sicher?“
Fabian nickte. „Ja.“ Er überlegte. „In der Bauernstraße. Die Hausnummer weiß ich aber leider nicht.“
„Mmh.“ Sie tippte wieder herum. „In der Bauernstraße gibt es keine Bar, die so heißt. Ist das eine öffentliche Bar?“
„Natürlich. Die gibt es schon seit Jahren.“
„Ist aber nicht im Computer verzeichnet.“
Fabian zuckte mit der Schulter. „Die gibt es aber. Ist eine ganz nette Schwulenbar.“
Sie horchte auf. „Was für eine Bar?“
„Eine Schwulenbar.“ Da sie ihn seltsam anguckte, hielt er es für nötig hinzuzufügen: „Ist ja nicht mehr verboten, schwul zu sein.“
Die Polizistin wirkte irritiert. „Und was heißt das?“
„Was heißt was?“
„Dieses Wort.“
Nun war er es, der nicht verstand. „Was meinen Sie?“
„Warten Sie bitte.“ Sie tippte auf der Tastatur herum. „Einen Moment. Ein Kollege kommt sofort. Der kann Ihnen bestimmt weiterhelfen.“
„Das wäre nett, danke.“
Es dauerte nur wenige Momente, bevor ein Polizist im Eingangsbereich erschien. „Guten Morgen. Gibt es irgendwelche Probleme?“
„Nicht direkt“, entschärfte die Polizistin sogleich jedwedes Missverständnis. „Der Mann hier bräuchte Hilfe, und ich komme nicht weiter.“
„So.“ Der Polizist streckte die Hand aus. „Gruber.“
„Fabian Koch. Ich wohne in der Casparstraße achtundreißig, aber da ist ein Supermarkt.“
„So?“ Er zog die Augenbrauen hoch.
Fabian nickte. „Ja, ich weiß, wie sich das anhört. Aber ich wohne da … aber natürlich nicht im Supermarkt … Es ist … kompliziert.“
„Mmh.“ Gruber gab ihm per Handzeichen zu verstehen, dass er ihm folgen sollte. „Dann kommen Sie doch mal bitte mit, damit wir rausfinden, was eigentlich passiert ist, in Ordnung?“
„Natürlich.“ Er folgte ihm in ein Büro, das trotz der morgendlichen Sonne, die durch die Fenster hereinschien, von zwei grellen Neonröhren erleuchtet wurde.
Gruber setzte sich hinter seinen Schreibtisch und wartete, bis auch Fabian Platz genommen hatte. „So, also nochmal von vorne. Sie heißen Fabian Koch, habe ich das richtig verstanden?“
Er nickte. „Ja.“
„Ausweis?“
„Leider nicht.“
„Das ist schlecht. Den sollte man immer dabeihaben.“
„Ja, ich weiß, aber …“
Gruber nickte. „Ganz ruhig. Wir bekommen schon raus, was hier eigentlich los ist. Fangen Sie doch mal ganz langsam von vorne an.“
„Ja, natürlich. Also, ich bin vorgestern in die Romeos Delight Bar gegangen …“
„Wo ist die?“ Er betätigte die Tasten auf seiner Computertastatur.
„Bauernstraße. Hausnummer weiß ich nicht.“
Gruber wartete auf das Ergebnis des Computers. „Das gibt es keine Bar, die so heißt.“
„Ja, das hat ihre Kollegin mir auch schon gesagt. Aber trotzdem war ich vorgestern in der Bar.“
„Mmh …“
„Jedenfalls habe ich mich dort mit einem Mann unterhalten und ein Bier getrunken. Ich bin auf die Toilette gegangen und habe dann hinterher mein Bier ausgetrunken. Dann bin ich allein nach Hause gegangen, weil mir der Typ nicht so gefallen hat.“
Gruber runzelte die Stirn. „Aha.“
„Ja, und zuhause ist es dann losgegangen. Mir ist plötzlich schwindlig geworden, ich habe Schweißausbrüche bekommen, und ich habe sogar Halluzinationen gehabt.“
„Halluzinationen? Wie genau?“
„Ich habe Gras gesehen, Bäume und sowas. Und ich hatte das Gefühl, als würde meine Hand durch ein Wasserglas gehen.“
„Mmh. Nehmen Sie Drogen?“
Fabian schüttelte den Kopf. „Nein, überhaupt nicht. Aber als das passierte, habe ich mir natürlich sofort gedacht, dass der Mann mir eine Droge in mein Bier getan hat.“
Gruber nickte. „Ja, könnte sein. Sind Sie zum Arzt gegangen?“
Er schüttelte wieder den Kopf. „Nein. Ich wollte, aber ich war mir nicht so sicher … Ich dachte eben, dass es einfach so wieder aufhört. Ich hätte gehen sollen, aber … aber wäre ich einfach so in diesem Zustand gegangen, dann hätte ich ja unterwegs umfallen können. Und ein Taxi zu rufen, war mir zu teuer. Ich bin momentan leider arbeitslos.“
„Was haben Sie gearbeitet?“
„Verkäufer im Supermarkt, aber nicht in dem, der sich jetzt da befindet, wo eigentlich meine Wohnung sein sollte.“
Gruber nickte erneut. „Verstehe. Bitte reden Sie weiter.“
„Na ja, was soll ich noch sagen? Ich habe mir dann gedacht, dass ich wohl doch zum Arzt sollte, egal wie, auch auf die Gefahr hin, dass ich unterwegs umfalle. Also habe ich mich angezogen, aber dann bin ich einfach so im Badezimmer umgekippt. Als ich aufgewacht bin, lag ich im Wald. Ich habe keine Ahnung, wie ich da hingekommen bin. Ich habe weder meinen Ausweis noch meinen Hausschlüssel oder gar mein Handy bei mir.“
„Das ist schlecht. Dann können wir ihre Identität ja gar nicht überprüfen.“
„Nun, ich heiße Fabian Koch und wohne in der Casparstraße achtundreißig“, sagte er beinahe unschuldig naiv. „Mehr kann ich leider auch nicht sagen.“
„Und das ist das Problem.“ Gruber sah ihn direkt an. „Ich habe gerade, während wir gesprochen haben, die Daten überprüft. Ein Fabian Koch ist in dieser Stadt nicht beim Einwohnermeldeamt registriert. Und in der Casparstraße gibt es nun einmal an dieser Adresse nur den Supermarkt, und der steht da seit zweiundzwanzig Jahren.“ Er tippte nochmals auf der Tastatur herum. „Irrtum ausgeschlossen.“
Fabian schüttelte den Kopf. „Das kann nicht sein. Das ist unmöglich. Ich weiß doch, wo ich wohne. Und ich weiß, wo ich gewesen bin.“ Er blickte sich um. „Ist das hier sowas wie 'Versteckte Kamera' oder so eine andere Fernsehsendung?“
Gruber setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf. „Glauben Sie mir, bei sowas würde ich nicht mitmachen. Das hier ist die Realität.“
„Aber …“ Er verstand nicht.
„Möchten Sie etwas trinken?“
Fabian nickte. „Bitte.“
Gruber schenkte ihm ein Glas Wasser ein und reichte es ihm. „Keine Sorge, wir bekommen schon raus, was hier eigentlich los ist. Aber ich hätte natürlich ein paar Fragen an Sie.“
Er nippte am Glas. Das Wasser schmeckte süßlich. „Fragen Sie … Ich will ja auch, dass es so schnell wie möglich geklärt wird.“
„Gut. Sie erwähnten diese Bar.“
„Ja. Romeos Delight. Die ist eigentlich ziemlich bekannt.“
Gruber blieb höflich. „Nun, mir ist sie nicht bekannt. Um was für eine Bar handelt es sich denn?“
„Um eine Schwulenbar“, gab Fabian unumwunden zu. „Ich bin schwul.“
Der Polizist sah ihn verständnislos an. „Und das bedeutet?“
Er zuckte mit der Schulter. „Dass ich schwul bin. Und in der Bar kann man andere Schwule treffen. Darum bin ich da auch hingegangen.“
„Verstehe …“
„Ja. Und weil ich weiß, dass ich da hingegangen bin, muss es die Bar ja auch geben.“
Gruber nickte. „Ja, das sagten Sie bereits.“ Er stand auf. „Warten Sie bitte einen Moment.“ Er verließ den Raum und kam nach wenigen Augenblicken mit einem anderen Polizisten zurück. „Das ist mein Kollege Holtmann.“
Der andere Polizist, ein braunhaariger Mann mit vom Dienst verhärteten Gesichtszügen, nickte kurz und setzte sich dann neben Gruber. „Tag.“
„Guten Tag“, sagte Fabian.
„Bitte erzählen Sie meinem Kollegen, was Sie auch mir gesagt haben“, meinte Gruber mit freundlicher Gelassenheit. „Er kennt sich in der ganzen Stadt aus.“
„Naja“, fing Fabian an, „was soll ich großartig sagen?“ Er erzählte nochmals die Ereignisse, so wie er sich daran erinnerte, und schloss mit: „... und jetzt weiß ich eben nicht, was gerade vor sich geht. Ich meine, meine Wohnung ist weg, die Bar ist weg … Ich habe keine Ahnung, was los ist.“
Holtmann sah flüchtig zu seinem Kollegen, bevor er meinte: „Also, in der Casparstraße gibt es an der Stelle seit Jahren nur den Supermarkt. Das weiß ich genau. Und diese Bar … wo soll die nochmal sein?“
„In der Bauernstraße.“
„Ah ja. Und was soll das nochmal sein?“
Fabian sagte es erneut: „Eine Schwulenbar. Ist doch nichts dabei.“
„Mmh.“
„Entschuldigung, aber heutzutage ist es doch egal, dass es eine Schwulenbar gibt.“ Er sah die beiden Polizisten nacheinander an, erkannte allerdings keine Vorurteile, sondern vielmehr eine gewisse Ratlosigkeit, die er nicht einordnen konnte.
Gruber ergriff das Wort: „Vielleicht liegt es daran, dass es noch relativ früh am Morgen ist, aber … was ist eine Schwul-en-bar?“ Er betonte das Wort absichtlich silbenartig.
Fabian musste unwillkürlich trotz seiner Situation leicht irritiert auflachen. „Was eine … na, eine Bar für Schwule. Ich bin schwul. Ist doch normal.“
Holtmann legte den Kopf seitlich. „Kommt darauf an. Was heißt denn schwul?“
„Was schwul …“ Er blinzelte flüchtig. „Gut, wahrscheinlich gibt es in der Polizeisprache dafür einen anderen Begriff, keine Ahnung, aber man weiß doch, was schwul bedeutet.“ Er blickte wieder in ratlose Gesichter. „Sie wissen schon … Homosexuell … Ich mag Männer.“
„Sie mögen Männer“, gab Holtmann von sich. Es war nicht besonders betont, klang jedoch wegen des Kontextes ungemein herablassend.
„Ja. Schwule mögen Männer.“
„Wie genau meinen Sie das?“
„Na, sexuell.“
„Sexuell?“
Fabian blickte ihn perplex an. Meinte der Polizist das etwa ernst? Langsam schien die einzige Möglichkeit, wie die gesamte Situation Sinn ergab, wirklich nur noch darin zu bestehen, dass es sich um eine Fernseh-Reinlegesendung handeln musste. „Ja, sexuell. Männer, die andere Männer küssen und sexuell rannehmen, nennt man homosexuell. Schwul. Das weiß man doch.“ Bevor er sich weiter über die Unwissenheit wundern konnte, sprach Gruber wieder mit ihm.
„Nun, wie dem auch sei … Wir haben keinerlei Einträge im System, dass es in der Bauernstraße eine solche Bar geben soll, und auch ihre angegebene Wohnadresse kann nicht stimmen. Sie können sich nicht ausweisen …“ Er wandte sich an seinen Kollegen. „Was machen wir da?“
Holtmann überlegte. „Mmh, am besten fahren wir jetzt alle gemeinsam dahin und machen uns selber ein Bild von der Lage.“ Er blickte Fabian direkt an. „Vielleicht fällt Ihnen da ja noch etwas ein, was die Situation aufklärt.“
„Gut … aber ich weiß genau, dass ich in der Casparstraße wohne.“
„Und Sie wissen auch genau, dass Sie in der Bauernstraße in dieser Bar für … na, wie hieß das nochmal? Schwule, genau, dass Sie in der Bar für Schwule gewesen sind.“
Fabian machte einen leicht verärgerten Eindruck. „Nur, weil Sie etwas gegen Schwule haben …“
„Oh, ich habe nichts gegen Schwule“, sagte Holtmann sofort. „Ich kann mir sowas nur nicht vorstellen …“
Bevor Fabian darauf antworten konnte, stand Gruber auf. „Am besten, wir überprüfen das jetzt vor Ort. Dann werden wir schon herausfinden, was hier los ist.“
Keine zehn Minuten später fuhr der Polizeiwagen durch die Casparstraße und hielt vor dem Supermarkt, der nun bereits geöffnet war. „Sehen Sie“, sagte Gruber, „da ist der Markt. Das ist kein Reihenhaus.“
„Aber ist doch unmöglich“, beharrte Fabian, der auf dem Rücksitz saß. „Ich weiß doch, wo ich wohne. Vor zwei Tagen war ich noch in meiner Wohnung.“
„Casparstraße achtundreißig?“
„Ja.“
„Das ist hier. Ich kann ja reingehen und nachfragen, aber ich denke nicht, dass mir die Angestellten sagen, dass der Markt über Nacht errichtet worden ist.“ Es klang herablassend, war aber anscheinend nicht so gemeint.
Fabian starrte aus dem Fenster. „Das ist doch unmöglich …“
„Am besten, wir fahren in die Bauernstraße“, meinte Gruber.
Holtmann fuhr weiter und lenkte den Wagen durch die betreffende Straße. „So, und wo soll diese Bar sein?“
Fabian sah aus dem Fenster. Es dauerte nicht lange, bis er sagte: „Da, genau da … Aber da ist ein Frisörladen …“
Holtmann lenkte den Wagen an den Straßenrand. „Sind Sie sicher?“
„Ja. Bin ich. Da war vorgestern noch die Romeos Delight.“
„Diese Schwulenbar?“
„Ja“, nickte er.
Holtmann warf seinem Kollegen einen vieldeutigen Blick entgegen, bevor er die Tür öffnete. „Ich guck mir das mal genauer an.“ Er verließ den Wagen.
Gruber sah zu Fabian. Er erkannte, dass dieser wirklich verwirrt war und sich nicht einen Spaß auf Kosten der Polizisten machen wollte. „Es wird sich schon aufklären. Sie sagten doch, Sie glauben, dass man Ihnen eine Droge verabreicht hat.“
„Ja“, nickte er. „Aber das erklärt doch nicht, warum meine Wohnung und die Bar verschwunden sind …“
„Das nicht, da haben Sie recht. Aber es könnte doch durchaus sein, dass die Droge ihr Erinnerungsvermögen nachträglich beeinflusst und quasi umgeschrieben hat“, bot Gruber als Erklärung an. „Verstehen Sie? Wer unter Drogeneinfluss steht, der denkt ja auch, dass er fliegen kann, auch wenn er es nicht kann. Und vielleicht haben Sie sich unter Drogeneinfluss vorgestellt, dass Sie …“
„Nein, nein, nein“, unterbrach Fabian und schüttelte den Kopf. „Ich weiß doch, wo ich wohne. Und ich weiß, dass ich in der Bar gewesen bin.“
„In der Schwulenbar?“
„Ja doch. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber ich kann es gerade wirklich nicht brauchen, dass Sie und ihr Kollege mir wegen meiner Homosexualität dumm kommen. Ich habe gerade andere Probleme.“
Gruber nickte. „Ja, das verstehe ich. Aber weder ich noch mein Kollege kommen Ihnen gerade wegen irgendetwas dumm. Wir versuchen hier gerade, die Angelegenheit zu klären.“
Fabian nickte schuldbewusst. „Tut mir leid … war nicht so gemeint …“
„Kein Problem. Sie stehen unter Stress.“
Die Tür wurde geöffnet. Holtmann stieg wieder ein. „So, ich habe mit dem Frisör gesprochen. Der weiß nichts von einer Bar. Sein Geschäft hat er schon seit acht Jahren und es nie als Bar vermietet.“ Er wandte sich an Fabian. „Sie irren sich.“
„Nein, ich irre mich nicht …“ Er schüttelte energisch den Kopf.
Gruber stieß etwas gepresste Luft durch die Nase. „Wir fahren jetzt am besten zum Revier zurück. Sie haben keinen Ausweis, also sollten wir ihre Identität überprüfen. Nur für den Fall, dass Sie sich auch nicht an ihren Namen richtig erinnern.“
Fabian wollte etwas sagen, er wollte laut und energisch herausschreien, dass anscheinend die ganze Welt verrückt geworden sein musste, aber stattdessen nickte er einfach und sagte matt: „Ja. Das sollten wir machen …“
„So machen wir das.“ Holtmann lenkte den Wagen wieder zurück ins Revier.
Fabian und die beiden Polizisten begaben sich wieder in das Büro, in welchem Gruber ein Bild von ihm machte. „So – das lasse ich jetzt vom Computer überprüfen.“ Er verband seine kleine Kamera mit dem PC und tippte auf der Tastatur herum. „Wenn Sie jemals einen Ausweis gehabt haben, dann finden wir sie.“
Holtmann hatte sich nicht hingesetzt und betrachtete den vor sich sitzenden Fabian wie eine Katze eine Maus. „Während wir warten, können Sie uns ja mal ein bisschen von sich erzählen …“
„Was gibt es da schon großartig zu erzählen?“, sagte er achselzuckend.
„Mmh, alles könnte wichtig sein. Sie wissen schon – Anhaltspunkte.“
Fabian fuhr sich mit der linken Hand durch die Haare. „Was soll ich schon großartiges über mich erzählen? Ich bin arbeitslos, ich bin schwul, und ich bin gerade sehr verwirrt …“
„Na, reden wir doch nochmal darüber, dass Sie schwul sind.“
Er zog eine Schnute. „Ist das für Sie wirklich so wichtig?“
„Wahrscheinlich.“
„Wenn Sie etwas über Schwule wissen wollen, dann gucken Sie doch im Internet nach. Da gibt es genügend Seiten, auf denen Sie sehen können, was Schwule so machen.“
Holtmann sah zu seinem Kollegen. „Internet?“ Er wandte sich wieder an Fabian. „Wie wäre es, wenn Sie mir das sagen, während der Computer ihr Bild sucht?“
Er rollte mit den Augen. „Sicher, warum nicht? Was möchten Sie wissen?“ Er rechnete damit, dass der Polizist ihn fragte, wie spezielle Fetische ausgeübt wurden, so als wären alle Schwulen automatisch mit einer solchen sexuellen Einstellung ausgestattet.
Holtmann setzte sich ihm gegenüber. „Fangen Sie ganz einfach an. Sie sagten, dass Schwule Männer sind, die andere Männer lieben. Sexuell.“
„Ja.“
„Was bedeutet das?“
„Was das bedeutet?“
„Ja.“
Fabian musste auflachen. „Meinen Sie das ernst?“
„Ja.“ Holtmann sah ihn ernst an.
Er blinzelte einige Male. „Naja … gut. Warum nicht? Also, wenn ein Mann schwul ist, dann mag er andere Männer. Er möchte sie küssen und streicheln und mit ihnen auch Sex haben.“
„Sex haben. Ein Mann mit einem anderen Mann?“
Fabian nickte. „Ja.“
Holtmann runzelte die Stirn. „Und wie soll das gehen?“
„Na, mit dem Mund oder eben anal.“
„Mund oder anal?“
„Ja.“
Der Polizist schien die Informationen nicht verarbeiten zu können. „Ein Mann, der einen anderen Mann … behandelt wie eine Frau?“
„Wenn Sie so wollen. Aber ein Schwuler möchte eben keine Frau, sondern einen Mann.“ Er kam sich so vor, als würde er mit einem Kleinkind sprechen.
Holtmann überlegte. „Und ein Schwuler will nur Sex mit Männern?“
„Ja doch.“
„Mit dem Mund oder anal?“
„Ja.“
„Er bei dem anderen oder der andere bei ihm?“
Fabian zuckte mit der Schulter. „Sowohl als auch. Ich meine, beide sollten ja zum Höhepunkt kommen. Gibt auch manche, die sich nicht so gerne anfassen lassen, aber ich für meinen Teil möchte schon ein beiderseitiges Erlebnis haben.“ Er versuchte im Gesichtsausdruck von Holtmann abzulesen, ob dieser sich einen Scherz erlaubte oder wirklich so unwissend war.
Gruber meldete sich zu Wort. „Schlechte Nachrichten: der Computer hat Sie nicht gefunden.“
Fabians Gesicht wurde fahl. „Das kann doch nicht sein …“
„Ich habe es gerade überprüft. Es gibt keinen Fabian Koch, auf den ihr Bild zutrifft. Laut unserem Computer gibt es Sie nicht.“
„... das ist doch …“
Während Holtmann ihn weiterhin starr anblickte, tippte Gruber wieder auf der Tastatur herum, so als würde sich das Resultat der Suche doch noch verändern. „Haben Sie Feinde?“
„Nein …“
„Sicher?“
„Denke schon. Ich … ich bin doch nur ein Verkäufer … Meinen Sie etwa, dass man mir meine Identität gestohlen hat? So ein Datenkrimineller?“
„Das wäre zumindest eine Möglichkeit, ja“, nickte Gruber. „Der Mann, der Ihnen die Droge verabreicht hat, könnte Ihnen zu Ihrer Wohnung gefolgt sein. Als Sie ohnmächtig wurden, hat er Sie dann aus der Wohnung geholt und Ihre Daten ausgelöscht.“
„Und warum soll er das machen?“, stieß Fabian aus.
Holtmann ergriff das Wort: „Das weiß man bei Kriminellen nie so ganz. Viele machen das aus Geldgier, aber manche machen das einfach, weil sie gerne mit den Leuten spielen. Aber so gut die Theorie mit dem Datenkriminellen auch sein mag … es passt nicht alles zusammen.“ Er schüttelte den Kopf. „Es würde zwar erklären, warum wir keine Daten von Ihnen haben, aber es würde nicht erklären, warum Sie denken, dass Sie in der Casparstraße wohnen. Und die Sache mit der Bauernstraße wäre auch nicht geklärt.“ Er machte eine kurze Pause: „Verstehen Sie das nicht falsch, aber im Moment sind Sie … nun ja … fast schon ein Illegaler. Sie können sich nicht ausweisen, Sie haben keine Wohnung, und Ihre angegebene Identität hält selbst einer oberflächlichen Überprüfung nicht stand.“
Er beugte sich nach vorne und griff mit seinen Händen den Kopf. „Was … was habe ich denn getan, dass ich jetzt so …“ Er konnte den Satz nicht beenden.
Gruber schaltete sich wieder ein: „Sie haben doch bestimmt Freunde, die Ihnen weiterhelfen können? Oder Familie?“
Er zögerte. „Nicht so richtig. Ich habe Bekannte … ehemalige Arbeitskollegen … und meine Familie wohnt verstreut. Mit denen habe ich sowieso schon lange keinen richtigen Kontakt mehr. Lange Geschichte … Selbst wenn ich da jetzt anrufe und sage, was los ist, können die nicht sofort herkommen. Und ich kann nicht einfach so zu denen. Ich habe ja nicht einmal Geld bei mir.“ Er griff sich mit der rechten Hand an den Bauch, weil dieser zu grollen begann.
Gruber sah zu seinem Kollegen. „Hol ihm bitte etwas zu essen.“ Holtmann verließ das Büro und ließ dabei seinen Blick auf Fabian gerichtet, so als wollte er ihn unter keinen Umständen aus den Augen lassen. Nachdem er gegangen war, versuchte Gruber Fabian aufzumuntern: „Wir werden schon herausbekommen, was hier eigentlich los ist. Aber das geht nur, wenn Sie mithelfen.“
„Das mache ich doch schon.“
„Natürlich. Sie erwähnten Arbeitskollegen. Haben Sie Telefonnummern?“
Er schüttelte den Kopf. „Nicht auswendig, nein. Sind im Handy, und das habe ich nicht bei mir.“ Er deutete auf seine Kleidung. „Ich habe nur Staubfusseln in den Hosentaschen und Dreck unter den Schuhen … sonst habe ich im Moment nichts …“
„Keine Sorge.“ Er lächelte leicht: „Sie wissen doch bestimmt die Namen ihrer Kollegen? In welchem Supermarkt haben Sie denn gearbeitet?“
„Herzogs, in der Kaisergasse.“ Er hörte das Tippen, dem eine lange Pause folgte. „Sagen Sie mir bitte nicht, dass es dort keinen Supermarkt gibt …“ Er sah in das Gesicht von Gruber und hatte schreckliche Gewissheit. „Das gibt es doch nicht“, stöhnte Fabian auf. „Das ist doch … ich …“
„Ganz ruhig.“
„Ganz ruhig? Wie soll ich ganz ruhig bleiben?“ Es klang fast wie ein Winseln. „Ich … mein ganzes Leben … Alles weg. Das ist doch … Ich … Ich meine, Sie haben mir gesagt, dass das an dieser Droge liegen könnte. Dass ich eben falsche Erinnerungen habe. Aber das kann doch nicht sein. Ich erinnere mich doch an mein Leben. Ich weiß doch, wo ich wohne. Wo ich gearbeitet habe. Ich weiß, in welche Schule ich gegangen bin. Ich weiß, wer mich damals in der Klasse verprügelt hat, weil er nicht mochte, dass ich ihn angesehen habe. Das kann doch nicht alles nachträglich durch die Droge erzeugt worden sein. Das geht doch nicht. Es gibt doch keine Droge, die einem ein ganzes Leben vorgaukelt.“ Er sah zur Decke und japste regelrecht. „Das ist doch gerade alles nicht wahr … Das kann doch gerade alles nicht wahr sein …“
Gruber ließ sich etwas Zeit. „Wir werden schon herausfinden, was hier vor sich geht. Ich schlage vor, dass Sie sich erst einmal ausruhen. Sie sind erschöpft.“
„Ich möchte mich nicht ausruhen. Ich möchte, dass das alles so schnell wie möglich ein Ende hat und ich wieder mein Leben zurückbekomme.“
„Sicher. Aber Sie sind im Moment ganz eindeutig aufgebracht. Das ist verständlich, hilft aber bei der Lösung des Problems nicht weiter.“ Der Polizist nahm einen Block Papier und reichte diesen zusammen mit einem Kugelschreiber rüber. „Hier. Schreiben Sie bitte die Namen Ihrer ehemaligen Kollegen auf. Die Namen, die Ihnen eben einfallen. Auch den Namen Ihrer Familienmitglieder und in welcher Stadt diese wohnen.“
Er nahm den Block und atmete tief durch. Seine Hände zitterten.
„Mein Kollege und ich werden das überprüfen. Ich informiere inzwischen den Amtsarzt, damit dieser vorbeikommt und Sie untersucht.“
Fabian versuchte seine Fassung zu bewahren. „Ja … danke …“ Er schrieb einige Namen auf und gab den Block zurück.
Holtmann kam mit einer Bäckertüte zurück. „Bitte.“
Fabian nahm sie an sich. „Vielen Dank.“ Er öffnete sie und holte ein normales Brötchen hervor, in das er sofort reinbiss.
„Etwas zu trinken?“ Gruber schob ihm ein Wasserglas rüber, bevor er zu seinem Kollegen sah. „Ich habe ihm gerade gesagt, dass wir sein näheres Umfeld überprüfen. Irgendjemand muss ihn schließlich kennen. Der Amtsarzt soll ihn sich auch mal ansehen. Wir werden schon rausfinden, was hier los ist.“ Es klang zuversichtlich.
Fabian wurde in eine Ausnüchterungszelle gebracht. Wahrscheinlich befürchteten die Polizisten, dass er aufgrund seiner derzeitigen emotionalen Verfassung andernfalls einfach so abhauen würde. Er saß auf der Pritsche und starrte auf den weißen Kachelboden unter seinen Füßen.
Konnte es denn wahr sein? Hatte dieser Kerl, dieser Dennis, ihm nicht nur eine Droge ins Bier getan, sondern ihm auch noch die Identität geraubt? Aber warum? Was hatte der denn davon? Was hatte irgendjemand davon, einem arbeitslosen Supermarktangestellten die Daten zu rauben?
Er atmete tief durch. Es ergab alles einfach keinen Sinn. Selbst wenn dieser Dennis ihm eine Droge verabreicht und die Daten gestohlen hatte, so würde das, wie ja auch dieser Unsympath Holtmann eingewendet hatte, nicht erklären, warum das Reihenhaus verschwunden war. Das ergab einfach keinen Sinn. Und dass die Romeos Delight Bar nicht zu existieren schien, ergab auch keinen Sinn. Nichts fügte sich zusammen. Es war für Fabian, als würde er sich in einem real erscheinenden Albtraum befinden, und er wollte nichts sehnlicher als endlich aufwachen.
Nach einer ungewissen Zeit öffnete sich die Zellentür, und Holtmann kam zusammen mit einer Frau rein, die eine Ärztetasche bei sich trug. „Da ist er.“ Er deutete mit dem Kinn flüchtig auf die Frau. „Die Amtsärztin.“ Er blieb im Türrahmen stehen, während die Frau zu Fabian ging.
„Guten Morgen. Ich bin Doktor Fallada.“ Sie blieb vor ihm stehen.
Er erhob sich und reichte ihr die Hand. „Guten Morgen … entschuldigen Sie, aber ich bin …“
„Man hat mir gesagt, dass Sie vermuten, dass man Ihnen eine Droge verabreicht hat“, sagte sie sofort.
Er nickte. „Ja … ich bin mir ziemlich sicher.“
„Symptome?“
„Naja … mir war übel. Schwindlig. Ich habe geschwitzt. Dann hat es plötzlich aufgehört, fing aber später einfach wieder an.“
„Was meinen Sie mit später? Eine ungefähre Zeitangabe wäre hilfreich.“
Er zuckte mit der Schulter. „Einige Stunden. Ich habe nicht auf die Uhr geguckt.“
„Verstehe.“
„Es ist dann stärker gewesen. Mein ganzer Körper hatte sich verkrampft. Die Wände haben angefangen zu fließen. Und ich hatte … na ja … es hatte den Anschein, als würde ich plötzlich nichts mehr greifen können.“
Sie stutzte. „Weil Sie sich nicht mehr bewegen konnten? Muskelkontraktionen?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein … Ich weiß, es hört sich verrückt an, aber … Ich hatte den Eindruck, dass ich mit meiner Hand durch ein Wasserglas greife. Dass ich es eben nicht fassen konnte. Meine Finger sind einfach durchgegangen … Ich weiß ja, dass das unmöglich ist. Das habe ich auch da gewusst. Ich hatte eben den Eindruck, dass meine Finger durchgehen, aber ich wusste, dass das nicht passiert sein konnte.“
„Mmh-mmh“, gab Fallada von sich. „Setzen Sie sich bitte.“ Sie griff ihm an die Augen und blickte tief rein. „Die Pupillen sind nicht erweitert.“ Sie stellte ihre Tasche ab und nahm ein Stethoskop heraus, mit dem sie seine Brust abhörte. Dann nahm Sie weitere Geräte zur Hand, überprüfte seinen Blutdruck und sah ihm auch noch in die Ohren. „Mmh. Auf den ersten Blick scheint alles in Ordnung zu sein.“
Holtmann meldete sich von der Zellentür: „Das kann nicht sein. Wenn alles in Ordnung wäre, dann wäre er jetzt nicht hier.“ Er grinste schief. „Und Geisteskrankheiten kann man ja nicht mit einem Stethoskop diagnostizieren, nicht wahr?“ Bevor die Ärztin etwas darauf erwidern konnte, fügte der Polizist hinzu: „Fragen Sie ihn mal, was das Wort 'schwul' bedeutet.“
Sie verstand nicht. „Schwul?“
Fabian kam sich nicht ernstgenommen vor. „Bitte – muss das jetzt sein? Ich habe gerade genügend andere Probleme. Anscheinend hat mir jemand eine Droge gegeben, und jetzt ist alles, was ich zu wissen glaube, eine falsche Erinnerung … Mein ganzes Leben ist …“ Er schüttelte den Kopf, da er keine Worte fand, mit denen er den Satz beenden konnte oder wollte. Er blickte die Ärztin an. „Wird … wird es wieder normal werden, oder …?“
Sie tastete abermals seinen Kopf ab und blickte in seine Augen. „Am besten ist es, wenn ich eine Blutprobe von Ihnen nehme. Dann können wir herausfinden, um was für einen Wirkstoff es sich bei der Droge handelt.“ Sie griff in ihre Tasche und holte eine Spritze heraus, mit der sie an Fabians rechtem Arm etwas Blut abnahm. „Die Tests werden etwas dauern.“
„Solange Sie herausfinden, was mit mir los ist …“
„Werden wir schon hinbekommen. Fühlen Sie sich gerade gut?“
Fabian nickte. „Ja.“
„Keine Schwindelanfälle? Oder Magenkrämpfe?“