Ausbildung der Ausbildenden (E-Book, Neuauflage) - Geri Thomann - E-Book

Ausbildung der Ausbildenden (E-Book, Neuauflage) E-Book

Geri Thomann

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  • Herausgeber: hep verlag
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. "Ausbildung der Ausbildenden" ist seit beinahe zwanzig Jahren das Standardwerk für die Aus und Weiterbildung in der Erwachsenenbildung. Nun erscheint es in einer stark überarbeiteten Neuauflage. Grundlagentexte wie Materialien zur Bearbeitung von Praxissituationen wurden sorgfältig auf ihre Aktualität hin überprüft und an die sich wandelnden Herausforderungen angepasst, insbesondere in den Bereichen Beratung, Gestaltung von Bildungsorganisationen und Lernen von Erwachsenen. Über alle sieben Kapitel ziehen sich neu Ausführungen zum digitalen Lernen.

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Seitenzahl: 777

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Geri Thomann

Ausbildung der Ausbildenden

Professionelles Handeln in der Erwachsenenbildung und Weiterbildung

ISBN Print: 978-3-0355-1234-2

ISBN E-Book: 978-3-0355-1235-9

5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.ch

Geri Thomann

●Prof. Dr., dipl. Organisationsberater / Supervisor BSO, dipl.Heilpädagoge

●Geboren in Zürich, seit 1995 zusammen mit seiner Familie wohnhaft in Zug

●Seit 2012 Professur der Zürcher Fachhochschule für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung

●Seit 2009 Leiter des ZHE Zentrums für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung, ab 2018 Abteilung Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung an der PH Zürich

●Seit 2007 Lehrbeauftragter an der Hochschule für Angewandte Psychologie der FHNW für die Themen Coaching, Team- und Organisationsentwicklung

●Seit 2007 selbstständige Beratungstätigkeit unter: bbe – bildung / beratung / evaluation (www.bbe.ch)

●2005 – 2007 Mitglied Geschäftsleitung, Leitung Bereiche Weiterbildung und Beratung an der Schweizerischen Weiterbildungszentrale WBZ / EDK

●1995 – 2005 Leiter Weiterbildung und Dienstleistungen, Leiter Supervision und Organisationsberatung und Geschäftsleiter an der aeB Akademie für Erwachsenenbildung Luzern und Zürich

●Seit 1993 partiell selbstständige Tätigkeit als Organisationsberater und Coach im Profit- und Nonprofitbereich

●Praxis als Primarlehrer, Heilpädagoge, Leiter von Schulentwicklungsprojekten und Dozent in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung

Kontakt: [email protected] oder [email protected]

Weitere Publikationen

–Zimmermann, T./Thomann, G./Da Rin, D. (2018). Weiterbildung an Hochschulen – über Kurse und Lehrgänge hinaus. Bern: hep verlag.

–Thomann, G./Honegger, M./Suter, P. (2017). Zwischen Beraten und Dozieren (2. Auflage). Bern: hep verlag.

–Thomann, G./Zellweger, F. (2016). Lateral Führen in Hochschulen. Bern: hep verlag.

–Thomann, G./Pawelleck, A. (2013). Studierende beraten. Stuttgart: UTB / Budrich-Verlag.

–Bucher, B./Hagmann, Th./Kuhn, R./Thomann, G. (2011). Loyalität, Band 2 der Reihe «Resonanz». Bern: hep verlag.

–Thomann, G./Bucher, B./Hagmann, Th./Kuhn, R. (2009). Grenzmanagement, Band 1 der Reihe «Resonanz». Bern: hep verlag.

–Thomann, G. (2008). Produktives Scheitern – Wie Führungskräfte und Systemberater/innen in Bildungsorganisationen Komplexität bewältigen. Bern: hep verlag.

–Thomann, G./WBZ (2007). Innenbilder aus Gymnasien – aus der Perspektive von Schweizer Autorinnen und Autoren. Bern: hep verlag.

–Thomann, G./Birri, Th. (2005). Produktives Scheitern – Geschichten aus dem Führungsalltag. Bern: hep verlag.

–Fröhlich Luini, E./Thomann, G. (2004). Supervision und Organisationsberatung im Bildungsbereich. Bern: hep verlag.

–Thomann, G. (2003). Wahrnehmen – Beurteilen – Beraten (2. Auflage). Luzern: aeB Akademie für Erwachsenenbildung.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 5. Auflage

Kapitel I:Kompetent sein und reflektieren – eine Einleitung und zwei Zugänge

1.Einleitung

2.Gesellschaftlich-institutioneller Zugang

2.1Learning Society zwischen Programmatik und Realität

2.2Lebenslanges Lernen

2.3Kompetenzorientierung und Prinzipien des Lernens

2.4Standards

2.5Der «Rollenstrauss» von Ausbildenden

3.Biografisch-reflexiver Zugang

3.1Lernen Erwachsener

3.2Die bildungsbiografische Methode

3.3«Produktives Scheitern» – Reflexion von Scheitererfahrungen

3.4Die Berufssozialisation von Lehrenden

3.5Das Konzept der subjektiven Theorien

3.6Reflexive Kompetenz

Literaturverzeichnis Kapitel I

Kapitel II:Planen, Gestalten und Evaluieren von Lehr-/Lernsituationen

1.Planen – ein Ding der Möglichkeit?

2.Balance und Bewegung – didaktische Planungs- und Reflexionsaspekte

3.Aspekt A: «Heute back ich, morgen brau ich …»

3.1Bedarfsanalyse

3.2Einführung in die Bedingungsanalyse

3.3Fragen zur Analyse der Bedingungen und Voraussetzungen

3.4Teilnehmenden-Kontext und Teilnahmemotivation

3.5Fallbeispiel Bedingungsanalyse

3.6Bedingungsanalyse einer eigenen Bildungsveranstaltung

4.Aspekt B: über Wikinger, Eisberge und zu entdeckende Kontinente

5.Aspekt C: Stoff – authentisch gewoben oder verständlich serviert?

6.Aspekt D: Landkarten für die Choreographie

6.1Umgang mit Zeit

6.2Landkarte «Lehr- / Lerndimensionen»

6.3Landkarte «Unterrichtskonzeptionen»

6.4Landkarte «Sequenzierungsmodelle»

6.5Landkarte «Unterrichtsaufbau»

6.6Entgrenzung und Digital Learning

7.Aspekt E: Aus der Werkzeugkiste

7.1Einführung

7.2Methode 1: Expertentagung «Didaktische Theorien» – Materialien

7.3Methode 2: Argumentationsbilder und Konferenzspiel «Modularisierung» – Materialien

7.4Methode 3: Von Fall zu Fall – Fallbeispiele

7.5Methode 4: Das Rollenspiel

7.6Methode 5: Vorzeigen – Nachmachen

7.7Methode 6: Interaktivitätssteigerung in Plenarveranstaltungen

7.8Methode 7: Checkliste Arbeitsaufträge Selbststudium

8.Aspekt F: Curricula entwickeln – ein Analyseleitfaden

8.1Ausgangspunkte

8.2Leitfaden – zentrale Dimensionen und Leitfragen

8.3Methodische Hinweise zur Benutzung des Leitfadens

9.Aspekt G: Über Qualität und Zitronen

9.1Wozu wird evaluiert?

9.2Mögliche Evaluationsinteressen verschiedener Beteiligter

9.3Welches sind die Evaluationsstypen?

9.4Welches sind die Evaluationskriterien?

10.Exkurse

10.1Exkurs 1: Forschungsorientierung in der Weiterbildung: Mythen und Chancen

10.2Exkurs 2: Improvisierende Haltung – was wir vom Jazz lernen können

Literaturverzeichnis Kapitel II

Kapitel III:Leiten von Gruppen

1.Prozesse in Gruppen verstehen

1.1Die Gruppe

1.2Der Teambegriff

1.3Gruppendynamik

1.4Offensichtliche und verdeckte Themen

1.5Entwicklungsphasen von Gruppen

1.6Anfangs- und Schlusssituationen

1.7Die Bildung von Gruppen als Prozess

1.8Regeln, Normen und Stigmatisierung

1.9Rollen in Gruppen

1.10Grossgruppen: Merkmale

1.11Umgang mit Heterogenität: Unterschiede vor Gemeinsamkeit

1.12Analyse persönlicher Fähigkeiten und Verhaltensweisen in Gruppen und Teams

1.13Fragestellungen zu zentralen Teamelementen

2.Gruppen leiten

2.1Leiten

2.2Reflexion Leitungsbiografie

2.3Interventionen

2.4Dimensionen von Interventionen

2.5Interventionstraining/Fallarbeit

2.6Beobachtung des Leiter/innenverhaltens

2.7Mit Widerständen umgehen

2.8Fallbeispiel «stop and go» zum Thema Widerstand

2.9Widerstand – vier Grundsätze

2.10Konflikte bearbeiten

2.11Rollenspiele Konfliktsituationen

2.12Instrument «Mediation»

2.13Das Contracting und die Risikoanalyse in Gruppen

Literaturverzeichnis Kapitel III

Kapitel IV:Wahrnehmen und beurteilen

1.Wahrnehmen

1.1Wahrnehmung

1.2Wahrnehmung und Konstruktivismus

1.3Personenwahrnehmung und Beurteilung

1.4Der Pygmalion-Effekt oder die «self-fulfilling prophecy»

1.5Beobachten als gezieltes Wahrnehmen

2.Beurteilen

2.1Beurteilung

2.2Pädagogische Relevanz von Beurteilungen

2.3Gesellschaftliche Relevanz von Beurteilungen

2.4Kontext und Werthintergrund von Beurteilungssituationen

2.5Arten und Funktionen von Beurteilung

2.6Verhältnis von Kompetenzorientierung und Beurteilung

2.7Anforderungen an Beurteilungen – Gütekriterien

2.8Formen von Beurteilung

2.9Mediale Umsetzung von Beurteilungen und E-Assessment

2.10Mitteilungsformen in der Beurteilung

2.11Bedingungen für die Wirksamkeit von Leistungsrückmeldungen

2.12Dilemmata in der Beurteilung

2.13Instrument 1: Der Teufels-/Engelskreis bezüglich Lern- und Verhaltensschwierigkeiten

2.14Instrument 2: Gestalten von Prüfungen und Lernkontrollen

2.15Instrument 3: Das Beurteilungsgespräch

Literaturverzeichnis Kapitel IV

Kapitel V:Kommunizieren

1.Einleitung

2.Nonverbale Kommunikation

3.Metakommunikation

4.Verbale Kommunikation – Sprechakte

4.1Dysfunktionale Kommunikationsmuster

4.2Sprechakte in Ausbildungssituationen

5.Instrumente 1: Feedback

5.1Grundlagen

5.2Kommunikationsebenen nach Schein

5.3Das Video-Feedback – Grundlagen und Anleitung

5.4Feedback – Grenzen eines Denkmodelles

6.Instrumente 2: Gesprächsverhalten

6.1Aktives Zuhören

6.2Ich-Du-Botschaften

6.3Fragen

6.4Reden – erklären – erzählen

6.5Gesprächsverhalten und Geschlechter von Frauen und Männern

7.Instrumente 3: Gespräche leiten

7.1Moderation/Leitung von Gesprächen

7.2Checkliste Leitung von Gesprächen

7.3Übersicht Moderationsmethoden

7.4Das «Schlechte-Nachricht-Gespräch»

7.5Interventionshandwerk in der Gesprächsführung – eine Zusammenfassung

8.Formulierung von Hypothesen

9.Digitale Kommunikation und Digital Learning

9.1Digitale Kommunikation

9.2Digital Learning

Literaturverzeichnis Kapitel V

Kapitel VI:Beraten

1.Einleitung

2.Prämissen

3.Was ist Beratung?

4.Begleiten: Steuerung innerhalb des Kontinuums «Beratung – Instruktion – Führung»

5.Formen von Beratung – Versuch einer Begriffsklärung

6.Beraten in Aus- und Weiterbildung

6.1Einführung

6.2Lernberatung

6.3Lernberatungskompetenz

6.4Blended Coaching – Verbindung von Weiterbildung und Beratung

7.Beraten und Beurteilen

8.Phasen einer Beratung im Ausbildungsalltag

9.Der Beratungskontrakt

10.Analyse von Situationen – diagnostisches Vorgehen

10.1Diagnose als gemeinsamer Erkenntnisprozess

10.2Vorgehen beim Erstellen einer Diagnose

10.3Analyse von Situationen – diagnostische Stile

11.Rollenspiel «Mentorat»

12.Instrument: Kollegiale Praxisberatung in Gruppen/Intervision

12.1Was ist kollegiale Praxisberatung?

12.2Wie lässt sich in Gruppen – im Rahmen der kollegialen Praxisberatung – lernen?

12.3Was macht konkret eine kollegiale Praxisberatung aus?

13.Exkurs Online-Beratung

14.Epilog

Literaturverzeichnis Kapitel VI

Kapitel VII:Organisation gestalten

1.Einführung

2.Organisation verstehen

2.1Zentrale Perspektiven auf Organisation

2.2Organisationsbilder

2.3Organisation als System

2.4Organisationskultur

2.5Entwicklungsphasen einer Organisation

2.6Spezifika von Expertenorganisationen/Bildungsorganisationen

2.7Organisation der Zukunft: Grenzmanagement – über Wolkenorganisationen und janusköpfige Grenzwächter

3.Sich als Individuum in Organisationen bewegen

3.1Instrument 1: Das Rollenkonzept in Organisationen – Rollenanalyse nach Schein

3.2Instrument 2: Die U-Prozedur als Verfahren der Situationsanalyse

3.3Instrument 3: Organisationsdiagnose – sieben Wesenselemente nach Glasl

3.4Instrument 4: Reflexion über den Umgang mit Ambivalenzen, Paradoxien und Dilemmata

4.Organisationen verändern

4.1Zugang 1: Organisationsentwicklung

4.2Zugang 2: Projektmanagement

4.3Zugang 3: Qualitätsmanagement

Literaturverzeichnis Kapitel VII

Schluss

Der Schwimmlehrer

Liebe Leserin, lieber Leser

Das vorliegende Buch «Ausbildung der Ausbildenden» gilt bei der Akademie für Erwachsenenbildung, aeB Schweiz, und vielen anderen Bildungsorganisationen nach wie vor als Standardwerk für zahlreiche Weiterbildungsangebote im Bereich Ausbildung von Ausbildenden. Wir sind deshalb sehr froh, dass diese Orientierungshilfe bereits in der 5. Auflage erscheint – und erst noch in dieser kritischen und umfassenden Überarbeitung durch Geri Thomann und sein Team. Vor uns liegt nicht einfach ein minutiös erarbeitetes Methoden- oder Grundlagenhandbuch der Didaktik der Erwachsenenbildung, sondern vielmehr ein Lehrbuch für die Aus- und Weiterbildung in verschiedenen Berufsfeldern, das sich an Bildungsverantwortliche, Ausbildende, Lehr- und Lernberater/innen, Lernende und alle Interessierten richtet, die mehr verstehen wollen, wie Lehren und damit auch Lernen in der heutigen Zeit funktionieren kann. Mit Reflexionsfragen, Übungen, Fallbeispielen, Rollenspielen, Gruppenübungen und anderen Anregungen werden die Leserinnen und Leser direkt angesprochen, so dass die diskutierten Inhalte gleich selber weiterbearbeitet werden können. Ganz im Sinne von «Storytelling» schaffen eingestreute Geschichten aus der Praxis die Verbindung zur Theorie und machen damit abstrakte Inhalte zugänglicher. Exemplarisch wird den Leserinnen und Lesern gezeigt, wie eine selbstreflexive Lernhaltung erworben wird, damit die Komplexität des Ausbildens erfolgreich gemeistert werden kann. Besonders wertvoll ist der bewusste Blick des Autors auf den Kontext. Lernsituationen werden immer auch aus der Sicht der Organisation und der Akteure mit ihren verschiedenen Rollen betrachtet. Das Buch bringt deshalb auch den Beratenden in Entwicklungsprozessen grossen Nutzen, über die beiden Kapitel zum Beraten und zur Organisation hinaus.

Auch wenn Sie das Buch nicht von Anfang bis Ende durchlesen, werden Sie bereits beim Eintauchen in das eine oder andere Kapitel wichtige Hinweise und Fragestellungen erfahren, die Sie als Ausbilder/in von Ausbildenden weiterbringen. Tauchen Sie ein!

Daniel H. Friederich, Geschäftsleiter Akademie für Erwachsenenbildung, aeB Schweiz, Frühjahr 2019

Inhaltsverzeichnis Kapitel I

1.Einleitung

2.Gesellschaftlich-institutioneller Zugang

2.1Learning Society zwischen Programmatik und Realität

2.2Lebenslanges Lernen

2.3Kompetenzorientierung und Prinzipien des Lernens

2.4Standards

2.5Der «Rollenstrauss» von Ausbildenden

3.Biografisch-reflexiver Zugang

3.1Lernen Erwachsener

3.2Die bildungsbiografische Methode

3.3«Produktives Scheitern» – Reflexion von Scheitererfahrungen

3.4Die Berufssozialisation von Lehrenden

3.5Das Konzept der subjektiven Theorien

3.6Reflexive Kompetenz

Literaturverzeichnis

Kapitel I

Kompetent sein und reflektieren – eine Einleitung und zwei Zugänge

Standards

●Sie erkennen gesellschaftliche, politische und soziale Tendenzen in ihrer Relevanz für Bildungssituationen und berücksichtigen diese in Ihrem Alltag als Bildungsprofi.

●Sie sind sich Ihrer Rollenanteile als Ausbildende bewusst und verfügen über ein handlungsorientiertes Konzept des «Rollenmanagements».

●Sie sind in der Lage, bildungsbiografische und berufssozialisatorische Aspekte bei sich selber sowie bei Ihren Lernenden zu erkennen und für Ihre Bildungsarbeit Schlüsse daraus zu ziehen.

●Sie wissen um Ihre «subjektiven Theorien» und verfügen im Sinne reflexiver Kompetenz über Instrumente und Vorgehensweisen für deren partielle Bewusstmachung.

1.Einleitung

Komplexe Situationen sind vorerst immer nur als Ganzes zu erfassen, erst danach werden sie segmentierend entschlüsselt. Dies gilt auch für Situationen in der Bildung: Oftmals schimmert hier die gesamte Situation im Glücksfall in einzelnen Segmenten durch und ist so punktuell erfassbar.

Hoffentlich schimmert Ihnen diese Ganzheitlichkeit in meinen folgenden Ausführungen etwas entgegen.

Obschon Lernende vorab als Subjekte ihres eigenen Aneigungsprozesses gelten, Bildungsmonopole bröckeln und im Zuge von Online-Lernangeboten Lehrende bei steigender Partizipation von Lernenden scheinbar an Bedeutung verlieren, kommt uns Ausbildner/innen weiterhin zumindest steuernde und strukturierende Funktion im unübersichtlichen Meer von Bildungsdaten zu.

Dabei manifestiert sich Lehrverhalten als Moderation, Beratung oder Instruktion. Solches Verhalten basiert stets auf der Kunst der Improvisation, solidem Handwerk und analysierter Erfahrung. Dafür bietet dieses Buch Anregungen und Ermutigung.

Zweifelsohne wird die Professionalisierung von Aus- und Weiterbildenden durch die Komplexität der Anforderungen, aber ebenso durch die Widersprüchlichkeit und Konfliktanfälligkeit der Ausbildenden-Rollen erschwert. Technologien und Instrumente verschaffen da nur bedingt Sicherheit. Zudem verfügen Ausbildende in der Regel über reichlich Selbstkritik und Selbstanspruch, was wiederum wenig Sicherheit garantiert.

Dieses Buch richtet sich an Aus- und Weiterbildende verschiedener Berufsfelder, aber auch an Bildungsverantwortliche und Lehr-/Lernberatungspersonen sowie an Lernende, die lernen zu lehren und nach neuerem Lernverständnis zusehends selber didaktische Steuerung übernehmen.

Die in meinen Ausführungen jeweils integrierte Kontext- und Subjektorientierung verdeutlicht – so zumindest mein Anspruch –, dass ich unter Ausbildenden weder «Lehrmittelvollstrecker» noch «curriculare Vollzugsbeamte», sondern schöpferische, differenzierte und reflexive Berufsleute verstehe.

Ich weiss, dass Reflexion vor dem «Ernstfall» alles Mögliche als relevant empfinden kann (vgl. Oelkers 2000, S. 81) und Praxis durch Ausbildung bedient werden muss. In diesem Sinne verstehe ich meine Ausführungen explizit als «Verwendungs-» und nicht als «Ausbildungswissen» (vgl. Oelkers 2000, S. 80), das vorliegende Buch nicht als «Lehr-», sondern als «Anregungsmittel», um Praxissituationen zu «bearbeiten», statt sie «vorzubereiten».

Ausgewählte theoretische Aspekte, Geschichten aus eigener Praxis und einige erprobte Instrumente dienen Ihnen dazu, sich besser «durch den alltäglichen Dschungel vielfältiger Bedingungen beissen zu können»(Oser 2000, S. 83).

Dabei bewege ich mich nicht im Reigen einschlägiger Methodenhandbücher, die – wenn sie Wissen mit Sofortwirkung versprechen – für meinen Geschmack Denk- und Reflexionsvermögen von Ausbildenden gehörig unterschätzen.

Ebenso wenig lehne ich mich explizit an spezifische allgemeine oder erwachsenenspezifische didaktische Theorien an; vielmehr sehe ich meinen Ausgangspunkt in der alltäglichen Kompetenzanforderung an Ausbildende von erwachsenen Lernenden. Selbstverständlich verwende ich theoretische Aussagen aus der didaktischen Literatur, selbstverständlich beinhaltet meine Auswahl von Themen und Materialien eine Theorie im Sinne von Grundannahmen und Überzeugungen.

Nach Tietgens (1992, S. 98) ist es in der Erwachsenenbildungsliteratur üblich, entweder «konkret an den Vorgängen zu schreiben, oder hoch in den Ansprüchen». Ich situiere mich dazwischen – mit Blick auf beide Seiten in unterschiedlicher Distanzierung.

Absichtlich wage ich manchmal den Blick über den Bildungszaun in andere Berufsgärten; eine solche Sichterweiterung tut uns Bildungsfachleuten aus meiner Sicht nur gut.

Ich schreibe von «Lernenden», «Kursteilnehmer/innen», «Studierenden», «Lehrer/innen/Lehrenden», «Ausbildenden/Ausbildner/innen», «Weiterbildungsfachleuten», «Seminarleiter/innen» und gebrauche diese Begriffe auch in ihrer geschlechtsspezifischen Schreibweise unterschiedlich, abwechselnd, gelegentlich beliebig. Ebenso unterscheide ich «Ausbildung» nicht von «Weiterbildung». Vorliegendes Material eignet sich somit in der Aus- und Weiterbildung für Ausbildende als Unterrichts- und Lektürematerial oder kann von interessierten Praktiker/innen und Einzelpersonen gelesen werden.

Mein Text bezieht sich mehrheitlich auf die Arbeit mit Erwachsenen, obschon ich die Begriffe «Erwachsenenbildner/in» oder «Erwachsenenbildung» sparsam benutze, da die Grenzen zwischen Jugend- und Erwachsenenalter sich zusehends verflüssigen – meist auf Grund einer «Verjugendlichung» des Erwachsenenstatus. Im Zeitalter der neuen Kindlichkeit sind alle jung, manche noch jünger, alle wollen alt werden und keiner will es sein.

Die einzelnen Kapitel sind in beliebiger Reihenfolge lesbar, Querverweise deuten daraufhin, dass dieselben Aspekte wiederkehrend in neuer Annäherung und anderer Akzentsetzung – also sozusagen in verschiedener Kleidung – behandelt werden. So taucht beispielsweise die «Rolle» in den Kapiteln I, III, IV, VI und VII auf, «Evaluation» als Kursevaluation im Kapitel II, als Teil des Qualitätsmanagements in Kapitel VII, Aspekte der «Wahrnehmung» in den Kapiteln IV und V und so fort. Dabei versuche ich, Wiederholungen möglichst zu vermeiden. Bei der Akzentuierung lasse ich mich durchaus von eigenen Interessen und der Lust an der Sache leiten.

Die Kapitel sind aus Gründen der thematischen Verschiedenheit nicht identisch strukturiert, unterschiedliche Kapitelgrössen beabsichtigen keine thematischen Wertungen.

Eine durchgehende Struktur ist hingegen durch die «Reflexionsfragen» repräsentiert; diese können Sie für sich selbst oder Ihren Unterricht benutzen. Die Übungen, Fallbeispiele oder Rollenspiele sind teilweise als Gruppenübungen oder -arbeiten im Kontext der «Ausbildung der Ausbildenden» gedacht; einzelne Lesende adaptieren die Anleitungen oder überspringen die Übung.

Eigene und andere Geschichten, Beispiele und Erklärungen integrieren sich kleingedruckt in den Text, sie sind das Fleisch am Knochen. Wer beim Knochen bleiben will, darf das Fleisch getrost ignorieren.

Die jeweils zu Beginn der Kapitel formulierten Standards (s. a. Erklärungen in Kapitel I, 2.4) meinen nicht, erreicht werden zu müssen. Vielmehr dienen diese Textmaterialien als eine Ressource unter anderen für eine Standardannäherung.

Einige Textpassagen, Instrumente oder Übungen, die weder aus der Literatur noch aus eigener Feder stammen, sind gewachsene und nicht persönlich autorisierbare, von mir überarbeitete Kursunterlagen des Fundus der aeB Akademie für Erwachsenenbildung aus meiner Zeit als Studiengangsleiter für Lehrgänge in Erwachsenenbildung und Supervision/Organisationsberatung (1995–2005). Stellvertretend für sämtliche Fundus-Mitgestaltenden bedanke ich mich an dieser Stelle beim damaligen Geschäftsleiter der aeB, Herrn Hans-Peter Karrer, und bei meiner Kollegin Elisabeth Fröhlich Luini.

Es freut mich, dass die aeB auch für die 5. Auflage weiterhin die Herausgeberschaft übernimmt und der jetzige Geschäftsleiter Daniel Friederich nach wie vor mir und dem Buch das Vertrauen ausspricht.

Zahlreiche Textteile des Buches haben sich in den letzten Jahren verändert, angeregt durch meine Lehraufträge an der Hochschule für Angewandte Psychologie der FHNW (seit 2007) und vor allem durch meine Tätigkeit im ZHE Zentrum für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung der PH Zürich (seit 2009), ab 2018 der Abteilung Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung. Diesen Kontexten verdanke ich zahlreiche Anreicherungen, Aktualisierungen und Ergänzungen für die 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Herzlichen Dank für die wertvollen Beiträge von Tobias Zimmermann (Textteile zum Themenbereich Digitalität und Weiterbildung), Franziska Zellweger (Mitarbeit an Kap VII), Monique Honegger (Redaktionelle Mitarbeit), Erik Haberzeth (Textteile zu «Learning Society» und zu «Lernen Erwachsener» im Kapitel I), für ihre unermüdliche logistische Unterstützung meiner Assistentin Barla Projer sowie Daniel Ammann für seine präzise Arbeit am Register.

Gebührender Dank für viele Gespräche, Hinweise und etliche fruchtbare Auseinandersetzungen gilt nicht zuletzt all meinen Studierenden, Kursteilnehmenden, Lernenden und Klienten aus vielen Jahren Bildungs- und Beratungsarbeit, im Speziellen den Teilnehmenden der Diplomkurse in Erwachsenenbildung 95 B (1995–1998) und 98 B (1998–2000) an der aeB Luzern, der Lehrgänge in Supervision und Organisationsberatung der aeB Luzern/Zürich (2002 – 2005), meinen Bachelor- und Mastermodulstudierenden an der Hochschule für Angewandte Psychologie seit 2007 und vielen Hochschuldozierenden als Modul- und Kursteilnehmende oder Beratungsklienten am ZHE seit 2008.

Ein weiteres herzliches Dankeschön gilt meinen Töchtern Vera und Laura. Früher brachten sie mir meine Pädagogik immer wieder produktiv durcheinander, für die vorliegende Auflage haben sie die Literaturverweise und -verzeichnisse gecheckt und viele neue Ideen eingebracht.

Die folgenden zwei, eher theoretisch orientierten «Zugänge» (2. und 3.) gelten zwar als einführende Begründung der nachfolgenden Kapitel, können aber, wenn Sie im Moment ein anderes Thema brennend interessiert, übergangen oder ein andermal nachgelesen werden.

2.Gesellschaftlich-institutioneller Zugang

2.1Learning Society zwischen Programmatik und Realität

Die Erwachsenen- und Weiterbildung war lange Zeit ein Feld, in dem staatliche Eingriffe abgelehnt wurden. Erst mit ihrer erheblich wachsenden Bedeutung für die weitere gesellschaftliche Entwicklung erlangt Weiterbildungspolitik einen höheren Stellenwert (vgl. Faulstich/Haberzeth 2014). Dies hat in der Schweiz dazu geführt, dass es mittlerweile sogar ein einheitliches, übergreifendes Weiterbildungsgesetz gibt, das dieses Lernsystem rahmend regelt (etwas ausführlicher hierzu weiter unten). Bei aller möglichen Kritik an diesem Gesetz ist seine Einführung in jedem Fall bemerkenswert: Sie ist Ausdruck der Einsicht, dass dieses Feld – wie weitere Teile des Bildungssystems ebenso – nicht gänzlich sich selbst überlassen bleiben darf, sondern dass demokratisch legitimierte staatliche Eingriffe notwendig sind, damit dieses Lernsystem den Erfordernissen einer modernen, dynamischen und wissensintensiven Gesellschaft besser gerecht wird.

Nichtsdestoweniger bleibt eine deutliche Diskrepanz bestehen: Einerseits ist lebenslanges Lernen als zentrale gesellschaftliche Herausforderung erkannt worden und hat Eingang gefunden in nationale und internationale politische Stellungnahmen und Regulierung (siehe folgendes Kapitel 2.2). Andererseits ist dem weitreichenden Postulat, lebenslanges Lernen sei wichtig, gar gesellschaftlich überlebensnotwendig, bislang eine nur begrenzte Implementation gefolgt. Jenseits meist mittelfristiger, punktueller Eingriffe fehlt es an einer langfristigen Strukturpolitik für Weiterbildung, mit welcher der Weiterbildungsbereich so gestaltet werden kann, dass er wachsenden individuellen und gesellschaftlichen Lernbedarfen bestmöglich gerecht wird. Der zurückhaltende politische Wille, den Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung besser zu strukturieren und (finanziell) stärker zu fördern, ist umso bemerkenswerter, als dass kein Bildungsbereich so viele Menschen erreicht und so lange begleitet wie die Weiterbildung. Bezogen auf Teilnahmezahlen und Finanzen ist die Weiterbildung fast unbemerkt von der Öffentlichkeit inzwischen zum grössten Bildungsbereich geworden.

Diese Expansion könnte wiederum die Argumentation stützen, das Lernsystem Weiterbildung weiterhin nur zurückhaltend politisch zu regulieren. Politische Eingriffe wären in der Tat nicht notwendig, stünde in der Weiterbildung alles zum Besten. Dass dies nicht der Fall ist, wird besonders offenkundig an einer fortdauernden sozialen Selektivität der Weiterbildungsbeteiligung. Die Learning Society ist keinesfalls für alle gleichermassen Realität. Es bestehen nach wie vor ungleich verteilte Beteiligungschancen und damit erhebliche Teilnahmedisparitäten zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Generell gilt: Wer viel Bildung erfahren durfte, dem kommt im weiteren Lebenslauf noch mehr Bildung zugute. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom sogenannten «Matthäus-Effekt» (ausführlicher siehe Kapitel 2.2). Das Bildungssystem insgesamt ist dabei doppelt selektiv: zunächst im Bereich der obligatorischen und weiterführenden Bildung, dann auch in der Weiterbildung – bei allen z.T. vorhandenen Bemühungen, diese Selektivität zu vermeiden oder zu mildern. Das Teilnahmeproblem hängt mit weiteren Defiziten in der Weiterbildung zusammen, beispielsweise mit Lücken im Bildungsangebot, einer teilweise vorhandenen Unübersichtlichkeit und Intransparenz der Lernmöglichkeiten, Qualitätsdefiziten oder unzureichenden Fördermöglichkeiten. Um diese Defizite zu bearbeiten, gibt es verschiedene Interventions- und Gestaltungsbereiche wie Finanzierung, Recht oder Supportstrukturen (etwa Information und Beratung), die es zukünftig noch stärker in öffentlicher Verantwortung zu nutzen gilt.

Den Aus- und Weiterbildenden erscheinen solche systemischen und politischen Fragen bisweilen als weit entfernt vom eigenen beruflichen Handeln. Allerdings wird das alltägliche berufliche Handeln durch die strukturellen und institutionellen Gegebenheiten erheblich beeinflusst. Eine Auseinandersetzung mit politischen, rechtlichen oder finanziellen Fragen trägt also dazu bei, sich des eigenen Handlungsrahmens zu vergewissern. Leitend kann dabei die Frage sein: Welche politischen und juristischen Faktoren beeinflussen die Strukturen und Institutionen des Lernens in der Weiterbildung, in denen ich tätig bin? Es geht für Lehrende, Planende und Beratende in der Weiterbildung und solche, die es werden wollen, darum, ihr eigenes Selbstverständnis in Bezug auf Politik, System und Recht der Weiterbildung zu klären sowie darauf aufbauend Handlungsmöglichkeiten einzuschätzen und zu entwickeln. Vorliegender Text gibt nur einen Anstoss dazu, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

Obwohl die Bedeutung der Erwachsenen- und Weiterbildung – aktuell besonders unter dem Stichwort des lebenslangen Lernens – inzwischen seit Jahrzehnten zumindest programmatisch hervorgehoben wird, ist diese Bedeutung im Zuge der gesellschaftlichen Debatte um die Digitalisierung noch einmal gestiegen. Es gibt kaum eine Stellungnahme zur Bedeutung und zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung ohne den drängenden Hinweis, dass permanentes Lernen und kontinuierliche Weiterbildung essentiell seien, um den Wandel durch Digitalisierung bewältigen zu können. Im Vordergrund steht hier zumeist die Debatte darum, wie Arbeit sich wandelt und welche Kompetenzen Beschäftigte benötigen.

Im Zuge der Digitalisierung wird jedenfalls noch klarer, dass eine Front-loading-Vorstellung von Bildung unhaltbar ist, also die Vorstellung, man könne sich auf eine Ausstattung mit Bildung in jungen Jahren allein verlassen, die dann bis zum Ende zumindest des Erwerbslebens trägt. Es geht vielmehr darum, ein System des lebenslangen Lernens zu etablieren, das allen Menschen ermöglicht, sich nach ihren Interessen, Bedürfnissen und Bedarfen über die Lebensspanne weiterzubilden. Dabei gilt es, die Diskrepanz zwischen der Betonung der Wichtigkeit von Weiterbildung und realer Implementation weiter zu verringern. Hierzu gibt es vielfältige Initiativen zum lebenslangen Lernen auf europäischer und nationaler Ebene, die aber mit Blick auf die Lernenden deutlicher profiliert und ausgebaut werden müssten – einige davon skizziert im folgenden Kapitel.

2.2Lebenslanges Lernen

«Heute kommt es nicht so sehr darauf an, was man kann, sondern was man gelernt hat.»

F.W. Bernstein, 1991

«Wirst alt wie Kuh – lernst imma zu.»

Gerhard Polt, 2000

Das Memorandum der EU zum«lebenslangen Lernen»

Basis der europäischen Weiterbildungspolitik ist nach wie vor das «Memorandum zum Lebenslangen Lernen» (verabschiedet von der EU-Kommission im Jahre 2000) und das Bekenntnis zur Wissensgesellschaft, an dem alle EU-Bürger teilnehmen können sollen; dazu gehört unter anderem die Optimierung der «Weiterbildung vor Ort» sowie der bessere Zugang zu hochwertigen Informations- und Beratungsmöglichkeiten. «Adult Learning» ist dabei ein zentrales Programm. Dabei zeigt sich der Trend, dass Weiterbildung enger auf berufliche Verwertbarkeit hin diskutiert wird. Gemäss dem «Lissabon-Prozess» ist mehr Investition in Humankapital durch bessere Bildung beabsichtigt, die EU möchte mit Hilfe einer Bildungsoffensive zur weltweiten Wirtschaftsführerin werden.

Der Gedanke einer lebenslangen Bildungsphase ist in der umfassenden Bildungsreform Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre entstanden. Die OECD, die UNESCO und der Europarat prägten die Begriffe «lifelong education», «recurrent education» und «éducation permanente». Das Konzept der «éducation permanente» (vgl. Aebi 1995, S. 52, Gonon 2001, S. 56) entstammt ursprünglich der französischen Kulturtradition und ist den Ideen der Aufklärung verpflichtet; der Begriff wird als Anliegen anfangs der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts von UNESCO und Europarat verwendet.

Der Begriff «recurrent education» – von der OECD geprägt – entstammt der angelsächsischen Tradition (vgl. Aebi 1995, S. 53). Dabei sollen spezifische (Nach-)Qualifikationen es ermöglichen, den veränderten Anforderungen am Arbeitsplatz gerecht zu werden. Von der Europäischen Union wurde der Begriff des lebenslangen Lernens mit dem Memorandum als ein neuer Hauptbegriff deklariert. Die permanente Anpassung der Qualifikationen der arbeitenden Menschen an neue Techniken und auch kulturelle Anforderungen tragen dem internationalen Konkurrenzdruck Rechnung. Das Grundkonzept des lebenslangen Lernens geht davon aus, dass nur Menschen, die ihr ganzes Leben lang lernen und sich weiter qualifizieren, in der Lage sind, die raschen Veränderungen kompetent zu meistern. Lebenslanges Lernen beinhaltet ebenso, dass die Lernenden die lebenslange Lernperspektive ihres Lernprozesses selber lenken. Die Bildungssysteme des lebenslangen Lernens werden somit nicht mehr nur von Institutionen und Bildungsanbietern definiert, sondern auch von denjenigen Personen, die lernen (Nachfrage-Orientierung). Beim lebenslangen Lernen geht es darum, dass das Individuum entsprechend seinem individuellen Lebensentwurf und seiner Biografie die Lerninhalte definiert und wählt. Dazu braucht es neue und strukturierbare Angebote mit freien Zugängen. Entsprechend rücken Fragen nach individuellen Lernformen und der persönlichen Gestaltung von Lernprozessen in den Vordergrund.

Das Konzept des lebenslangen Lernens stellte einen Paradigmenwechsel in der Weiterbildung dar und bedingte eine strukturelle Veränderung des bisherigen Bildungssystems. Es erfordert nach wie vor neue Bezüge zwischen den einzelnen Bereichen des Bildungssystems, sowohl bezüglich Lerninhalten, Gestaltung der Angebote als auch bezüglich Übergängen, Zugängen und des Aufbaus von Wissen, Qualifikationen und Fähigkeiten.

Politische Umsetzung in Europa

2008 haben das Europäische Parlament und der Rat eine Empfehlung zur Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (EQR) verabschiedet. Der Europäische Qualifikationsrahmen macht als Übersetzungsinstrument nationale Qualifikationen europaweit verständlich und soll die grenzüberschreitende Mobilität von Beschäftigten und Lernenden und deren lebenslanges Lernen fördern. Mit der Einführung des EQR sollen Zugang zum und Teilnahme am lebenslangen Lernen sowie die Nutzung von Qualifikationen auf nationaler Ebene gefördert werden. Zudem soll der EQR der Brückenbildung zwischen formalem, nicht formalem und informellem Lernen dienen sowie der Validierung von durch Erfahrungen schon erlangten Lernergebnissen. Leider jedoch haben 2017 erst fünf europäische Länder begonnen, an Konzepten für die Integration von non-formaler Bildung in ihren NQR (nationalen Qualifikationsrahmen) zu arbeiten.

Das Verständnis von «lebenslangem Lernen» ist in den EU-Staaten unterschiedlich:

In Grossbritannien beispielsweise mit seinem stark dezentralen und wettbewerbsorientierten Bildungssystem existiert keine offizielle, einheitliche Definition.

In Frankreich mit einem ausnehmend zentralistisch regulierten Bildungssystem wird lebenslanges Lernen als «persönliches Recht» der Bürgerinnen und Bürger verstanden; dafür soll der Staat entsprechende Angebote bereitstellen.

Die Bundesregierung Deutschlands hat 2008 eine Konzeption für das «Lernen im Lebenslauf» verabschiedet. Diese schliesst an schon bestehende Qualifizierungsmassnahmen an. Leitend war hier der empirische Befund, dass die Beteiligung an Weiterbildung in Deutschland im internationalen Vergleich zu niedrig war. Insbesondere Menschen mit niedriger Qualifikation nehmen zu wenig an Weiterbildung teil (das gilt auch für die Schweiz!). Speziell zu erwähnen ist zudem die geplante Einführung von «Bildungsprämien» und die Verbesserung der Bildungsberatung. Durch finanzielle Anreize sollen mehr Menschen zur individuellen Finanzierung von Weiterbildung motiviert und befähigt werden. Ausserdem sollen Bildungsausgaben grundsätzlich als Investition verstanden werden.

Das Weiterbildungsgesetz in der Schweiz

Das Schweizer Parlament hat 2014 das Weiterbildungsgesetz (WeBiG) angenommen. Es ist seit 2017 in Kraft. Die Weiterbildung wird damit in die Politik zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI) integriert.

Das Weiterbildungsgesetz regelt als Rahmengesetz:

ADie gesamte non-formale Weiterbildung. Dazu gehören alle Weiterbildungsangebote, die nicht zu einem staatlich anerkannten («formalen») Abschluss führen. Non-formale Weiterbildung umfasst einzelne Kurse, Workshops und selbstorganisierte Lerngruppen genauso wie längere Lehrgänge. Dazu gehören auch die Vorbereitungskurse der Höheren Berufsbildung und Weiterbildungen an Hochschulen (CAS, DAS und MAS).

BErforschung und Entwicklung der Weiterbildung

CFörderung der Grundkompetenzen von Erwachsenen

DFörderung der Organisationen der Weiterbildung

Fünf Grundsätze des Gesetzes thematisieren die Bereiche Verantwortung, Qualität, Anrechenbarkeit, Chancengleichheit und Wettbewerb (siehe https://www.sbfi.admin.ch/sbfi/de/home/bildung/weiterbildung.html).

Da das Weiterbildungsgesetz ein Rahmengesetz ist, sind die Grundsätze über die entsprechenden Spezialgesetze umzusetzen (d.h. beispielsweise über das Berufsbildungsgesetz, Kulturförderungsgesetz, Hochschulgesetz und Ausländergesetz). Diese Umsetzung steht aktuell (2018) noch aus.

Lernen lebenslänglich

Insgesamt zeigt sich eine immer stärkere Zweckorientierung des lebenslangen Lernens an Beschäftigung und Wettbewerb. Die Forderung nach Bereitschaft zum lebenslangen Lernen ist deshalb auch auf scharfe Kritik gestossen. Die Kritik richtet sich darauf, dass vorab die Optimierung von Lernprozessen fokussiert wird, deren ökonomische Verwertbarkeit naheliegt. Lebenslanges Lernen wird so plötzlich als «Lernen lebenslänglich» verstanden – wer nicht lernt, ist selber schuld. Wir wandeln gemäss dieser Kritik sozusagen als ewig unfertige Baustelle durch das Leben und rasen von Zertifikat zu Zertifikat, unsere Qualität stets optimierend und daher immer ein wenig inkompetent.

Es sollte uns zudem zu denken geben, dass im Sinne des Matthäuseffektes «demjenigen gegeben wird, der schon hat»: Gut ausgebildete Personen bilden sich eher weiter; laut Angaben des Bundesamtes für Statistik der Schweiz bilden sich (Stand 2016) ca 25% der Schweizer Bevölkerung zwischen 15 und 75 (auch informell) nicht weiter. Dazu gehören vor allem wenig oder gering qualifizierte Personen.

Der Gedanke der Demokratisierung weicht hier offensichtlich demjenigen der Wettbewerbsfähigkeit.

Nun «schlagen die aufgeklärt erkämpften kleinen Freiheiten in einen grossen Zwang zur Freiheit um» (Geissler/Orthey 1998, S. 14, vgl. auch Geissler 1997).

Hier Gegensteuer zu geben, dürfte wohl die wichtigste und grösste Herausforderung in der Umsetzung der oben genannten Konzepte werden.

Von der Wiege bis zur Bahre – Seminare, Seminare?

«Sechs Tage dauerte es, bis nach dem programmatischen Ausspruch ‹Es werde Licht!› die Schöpfung vollendet war. Und abgeschlossen wurde sie schliesslich am siebten Tage, an dem Gott sich in die Beobachterposition begab und bewundernd feststellte, dass er es gut gemacht hatte. Irgendwann im Laufe der Geschichte muss er dann bemerkt haben, dass es nicht so weit her ist mit den Menschen, die sich seine Welt untertan machen sollten – und er erschuf die Lehrer, später dann auch noch die Erwachsenenbildner, die Trainer, die Sozialarbeiter und neuerdings die Museums- und Reisepädagogen und die Berater und Coaches (und – weil er gerecht sein wollte – in männlicher und weiblicher Ausprägung). Sie alle durften jetzt selbst ein wenig Licht in das existentielle Halbdunkel bringen und mit dem Anspruch auftreten, wenn schon nicht die Welt, so doch die Menschen zu verbessern.

Irgendwie jedoch klappt das nicht. Auf jeden Fall nicht so, dass die Ersatzgötter auf ihr Werk schauen und zufrieden mit dem wären, was sie und wie sie sich angestellt haben. Statt Schöpfung scheint immer nur Erschöpfung herauszukommen. ‹Burn out›, wo man hinschaut, und die Mittel, die man dagegen einsetzt, die sucht man wiederum im Bereich des pädagogischen Bemühens. Misserfolg kennt dieses System nicht – vielmehr ist dieser ein Teil des Erfolges. Das System ist auf dem Weg, sich selbst mit Anschlussmöglichkeiten überzuversorgen. Pädagogisierung total – selbstreferentiell! Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Gott sich bei der Erschaffung des pädagogisch tätigen Menschen nicht an sich selbst orientiert hat, sondern an dem von ihm ja auch ‹geschöpften› Hamster im Laufrad.» (aus: Geissler/Orthey1998, S. 21/22)

Haben Sie heute schon gelernt?

Über das landauf landab gepredigte «lebenslange Lernen» müsste ich mich eigentlich freuen: Wenn lebenslang gelernt wird, darf auch lebenslang gelehrt werden.

Trotzdem sträubt sich alles in mir gegen diese unvermeidliche und endlose Lebenslänglichkeit. Verdammt zum ewigen Lernen sollen wir als Lernende – angeleitet und kontrolliert von Lernhelferinnen, Lernbetreuern, Lernbegleiterinnen und Lernmoderatoren – sozusagen im Lernhochsicherheitstrakt unser Lernen fristen? Macht Lernen denn wirklich glücklich?

Klar, mit dem lebenslangen Lernen hätte wenigstens etwas im sich beschleunigenden technologischen und sozialen Wandel Bestand.

Immerhin könnten wir dereinst von uns behaupten, wenigstens lebenslang gelernt zu haben.

Und doch weigere ich mich, mein Leben lang sozusagen als wandelndes unfertiges Produkt zu leben und kontinuierlich dafür sorgen zu müssen, meine Inkompetenz aufrechtzuerhalten, um damit wiederum meinen Lernbedarf zu sichern oder gar zu erhöhen. Mein Leben ist keine Lernwerkstatt.

Und: Lernen lebenslänglich geht blitzschnell!

Das Verfalldatum von Lerninhalten wird immer kürzer; kaum ausgepackt, setzt schon der Schimmel an.

Wir rasen als Lerner/innen pausenlos im Lerneilzugstempo von Zertifikat zu Zertifikat, von Qualifikation zu Qualifikation, die kaum erworben schon wieder als wertlos und überholt erklärt werden.

Tempo Teufel! Wer da nicht mithält und lernt, was das Zeug hält, bleibt auf der Strecke.

Die Gegenwart wird zur Durchgangsstation, das Leben zum immer wieder neu geplanten Vorprojekt.

Begegnungen mit Inhalten und Menschen sind instrumentalisiert, die Beiläufigkeit eliminiert.

Titanisches Lernen. Zufall ausgeschlossen.

Da kann man nur hoffen, dass uns keine Eisberge in die Quere kommen.

Ausser man könne beim Untergang auch noch was lernen.

Genug gejammert! Lernen könnte ja auch heissen, mit besagter Veränderung und Beschleunigung besser umgehen zu können, eigene Ressourcen zu nutzen, (Selbst-)Verantwortung zu tragen, eigenständiger zu werden.

Dies wäre zugegebenermassen eine lebenslange Sache.

Was aber, wenn solche eigenständigen Lerner/innen sich gegen lebenslanges Lernen auflehnen, wenn sie sich sperrig für eine Entschleunigung von Lernprozessen einsetzen, wenn sie für das Herumirren auf Lernumwegen einstehen, Pausen und Langeweile einfordern und unproduktivem Müssiggang huldigen?

Wenn sie dadurch ganz einfach auf andere Gedanken kommen?

Zum Beispiel auf den, dass Leben mehr als Lernen ist?

Wehe dann dem lebenslangen Lernen!

Ausschnitt aus dem Lerntagebuch vom 12.4.98

Lerner: Geri Thomann (Thomann in: Schweizer Schule 6/1998)

2.3Kompetenzorientierung und Prinzipien des Lernens

(Der folgende Text ist angelehnt an Thomann, Geri: Kompetenzorientierung und Bildung auf Tertiärstufe in Case Management 4/2017.)

Einleitung

Um die individuelle Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmenden an sich verändernde Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, wurde im Rahmen der arbeitsmarktpolitischen Debatte Ende der 1960er- und anfangs der 1970er-Jahre in Deutschland der Begriff «Schlüsselqualifikation» – häufig mit «Schlüsselkompetenz» gleichgesetzt – lanciert. Dieter Mertens prägte den Begriff als Leiter des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und verstand darunter Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nicht berufsspezifisch sind, lange anhalten und unvorhersehbare Anforderungen bewältigen lassen. Handlungsorientierung und Erfahrungswissen ergänzten dadurch den Primat der rein fachlichen Orientierung. Heute spricht und schreibt man diesbezüglich von überfachlichen Kompetenzen.

Inzwischen hat sich der Begriff «Kompetenz» zu einer regelrechten Stopfgans entwickelt, das jeweils zugehörige Erklärungskonzept schwankt bedarfsorientiert zwischen Standardisierung und Vergleichbarkeit, Überprüfbarkeit, Ungewissheitsbewältigung und Persönlichkeitsbildung (vgl. Backmann 2018, S. 20 ff.).

Die begriffliche Unschärfe nährt sich einerseits durch die Paradoxie, dass eine Qualifizierung als Anpassung an Gegebenes bei dem vorausgesetzten steten Wandel nie reicht und Kompetenzen immer auf eine nicht begrenzbare Qualifikationsdimension zielen. Andererseits dadurch, dass hoffnungsvoll und mit technologischer Grunderwartung eine Steuerung der Persönlichkeit von Lernenden angenommen wird. Legitime bildungspolitische Harmonisierungs- und Anerkennungsbestrebungen führen zudem europaweit zu kompetenz- (resp. outcome-)orientierten Ausbildungsprofilen. So erzeugen bildungspolitische Intentionen andere Begrifflichkeiten als etwa psychologische oder gar didaktische Intentionen.

Bildungspolitische Sichtweise: Standardisierung und Vergleichbarkeit

Die formalen Vorgaben der Bologna-Reform für Hochschulen in der Schweiz beispielsweise gehen davon aus, dass Kompetenzen über Lernzielformulierungen angestrebt werden und im Rahmen von Modulprüfungen während des Studiums zu Qualifikationen führen sollen. Dabei sollen Lernziele (learning outcomes) dem jeweiligen Kompetenzstand angepasst sein und diesem Stand gemäss transparent überprüft werden. Die Handlungsorientierung wird hier durch das Prinzip der Vergleichbarkeit und der Überprüfung ergänzt. Wissen wird gemäss diesem Verständnis kontinuierlich zu Können, der Aufbau von Kompetenzen erfolgt in dieser Denkweise in Stufen.

2000 formulierte der Europäische Rat in der Lissabon-Agenda zudem folgendes Ziel: Europa soll zum wettbewerbsfähigsten, dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden. Dafür solle die Umsetzung der Bologna-Deklaration vorangetrieben werden. Parallel dazu wurde 2002 der Kopenhagen-Prozess für den Berufsbildungsbereich analog zum Hochschulbereich lanciert. Der Kopenhagen-Prozess ist eine arbeitsmarktorientierte Strategie, die analog zum Bologna-Prozess Qualitäts- und Attraktivitätssteigerung der Berufsbildung, deren Positionierung im europäischen Rahmen sowie Mobilitätszunahme und Stärkung der internationalen Zusammenarbeit zum Ziel hat. Diese Ziele sollen durch die Vergleichbarkeit, Durchlässigkeit und Transparenz von Qualifikationen und Abschlüssen sichergestellt werden.

Für die Umsetzung oben genannter Ziele entwickelt die EU unterschiedliche Instrumente. Zu den zentralen zählen der Europäische Qualifikationsrahmen (EQF für englisch: European Qualifications Framework), der die beiden Harmonisierungsprozesse Bologna und Kopenhagen miteinander verbinden soll, sowie der nationale Qualifikationsrahmen (NQF für englisch: National Qualifications Framework oder NQR).

Schweizer Hochschulen verfügen mit nqf.ch-HS über einen darin situierten eigenen Rahmen, die Berufsbildung neu mit NQR-CH-BB ebenso. Geplant sind im europäischen Raum gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen.

Der EQF orientiert sich an Lernergebnissen beziehungsweise am Outcome von Lernprozessen. Er definiert acht Bildungsniveaus in Stufen, alle Stufen werden durch Deskriptoren beschrieben; er soll zudem lebenslanges Lernen durch Validierung von nicht-formalem und informellem Lernen fördern (siehe dazu auch weiter oben unter 2.2).

Wenn diese bildungspolitische Sicht- und Ordnungsweise ohne «Übersetzung» curriculare und didaktische Konsequenzen zeitigen soll, muss sie sich dem Vorwurf der Atomisierung von Kompetenzen, des technokratischen Stufendenkens in Bezug auf Lernprozesse und der Suggestion von linearer Steuerbarkeit von Lernen aussetzen.

Für die notwendige didaktische «Übersetzung» des Kompetenzbegriffes ist es angezeigt, darüber nachzudenken, was ursprünglich mit dem lernpsychologischen Begriff «Kompetenz» gemeint war und wie dieser nach wie vor verstanden werden könnte.

Arbeitspsychologische Sichtweise: Situativ angemessenes «gutes Handeln»

Calchera und Weber (1990, S. 5 f.) definierten «Kompetenz» wie folgt:

In ihren Ausführungen betonen die Autoren, dass die Überprüfung von Kompetenzen stets die sogenannten «Umweltbedingungen» in der Geschichte eines Individuums mitprüft und dass Kompetenzen nicht wie Fertigkeiten trainiert werden können, sondern «selbstschöpferisch» entstehen und gefördert werden können, wenn die notwendigen «Umweltbedingungen» gegeben sind. Auch Fertigkeiten und Techniken (Skills) werden in der Praxis also nicht mechanisch, sondern «kompetent», das heisst situativ angemessen und damit modifiziert, eingesetzt.

Le Boterf(2000) unterscheidet in frankofoner Tradition «Ressourcen» (individuelle Kenntnisse, Fertigkeiten, kognitive Fähigkeiten, Umfeldbedingungen) von «Kompetenzen». Mit anderen Worten: Ressourcen stellen das Potenzial einer Person dar (dazu gehören auch Vorwissen und Erfahrung).

Kompetenzen entstehen nach Le Boterf in der Mobilisierung und Kombinierung von Ressourcen «am Ort» im Verhältnis zur Erwartung von Leistungen. Aus- und Weiterbildung kann in diesem Sinne vor allem Ressourcen berücksichtigen, entwickeln, transparent machen, zur Verfügung stellen, also Voraussetzungen schaffen, ohne die angestrebte Wirkung gleich mitzuproduzieren.

Kompetenzen werden demnach nur im Arbeitsprozess sichtbar und können nur dort evaluiert werden. Die ausgewiesene und sichtbar gewordene Kompetenz nennt Le Boterf in Anlehnung an Chomsky«Performanz», die keine künstliche Aufteilung in Selbst-, Sozial-, und Fachkompetenz mehr erkennen lässt. Erst diese Performanz würde dann qualifizierbar und damit von einer externen Autorität anerkennbar.

Aus Performanz kann demnach auf Kompetenz geschlossen werden, das Ausbleiben von Performanz bedeutet jedoch nicht, dass Kompetenz nicht vorhanden ist.

Transfer von Wissen oder Kompetenzen ist immer kontextabhängig und steht wahrscheinlich auch in engem Zusammenhang mit jeweilig fachspezifischem Wissen. Wissen wird also nicht importiert und verarbeitet wie ein industrieller Rohstoff; Wissen wird als Transferwissen in problemhaltigen, komplexen und sozialen Lernkontexten aufgebaut und – wenn schon – dann im Praxisalltag verallgemeinert. Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass Kompetenzen Verbindungen von Wissen, Können, Erfahrung und Haltungen meinen, mit denen komplexe Situationen eigenständig in der Praxis handelnd bewältigt werden können. Daneben beinhalten Kompetenzen nicht zuletzt motivationale Elemente wie etwa den Willen, ein Problem lösen zu wollen, die Ausdauer, Rückschläge zu ertragen, oder die Ambiguitätstoleranz.

Solche Überlegungen führten zum Beispiel zum interessanten CoRe (Kompetenzen-Ressourcen)-Projekt in der Schweizer Berufsbildung, einem Modell der Curriculumsentwicklung, das auf den Säulen «subjektive Dimension», «soziale Dimension» und «theoretische Bezüge» basiert (Ghisla et al. 2008) und Lernenden eröffnen soll, Kenntnisse, Fähigkeiten und Haltungen (so genannte Ressourcen) zu erwerben, die eine kompetente Bewältigung von komplexen Praxissituationen ermöglicht.

Nachdem das lernpsychologische Verständnis ergründet ist, nun zu den didaktischen Dimensionen.

Didaktische Sichtweise: Konsequenzen für tertiäre Bildung (Hochschulbildung und Höhere Berufsbildung)

Was bedeutet ein solches Verständnis von «Kompetenz» oder «Ressourcen» nun konkret für didaktische Arrangements im handlungs- und berufsorientierten Bildungskontext?

Der Autor hat zusammen mit einer Steuergruppe im Rahmen der Planung von kompetenzorientierter Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen an der Pädagogischen Hochschule Zürich (2014/2015) den Versuch unternommen, unter Bezugnahme auf erwachsenenbildnerische Konzepte Lernprinzipien zu formulieren, didaktische Konsequenzen davon abzuleiten und das Ganze zu Prämissen der Kompetenzorientierung in Bezug zu setzen (wie sie weiter oben ausgeführt wurden).

Dabei wurden Prinzipien ins Zentrum gesetzt, welche immer wieder mit Kompetenzorientierung in Verbindung gebracht werden, wie etwa die Anerkennung von vorhandenen Kompetenzen (was bildungspolitisch relevant ist), oder die Kontext- und Situationsorientierung von Kompetenzen (siehe Le Boterf weiter oben).

Den nachstehenden Prinzipien folgen jeweils kursiv gesetzt Überlegungen in Verbindung zur Kompetenzorientierung.

Prinzipien des Lernens, didaktische Konsequenzen und Bezüge zur Kompetenzorientierung

1. Lernen ist Anschlusslernen.

●Erfahrungen von Aus- und Weiterbildungsteilnehmenden werden anerkannt und einbezogen.

●Weiterbildungen nutzen Expertenwissen und unterschiedliche Ressourcen von Aus- und Weiterbildungsteilnehmenden.

Bereits erworbene Kompetenzen der Teilnehmenden werden im Vorfeld bei Aus- und Weiterbildungsteilnehmenden abgeklärt (Bedingungsanalyse), wenn notwendig validiert und anerkannt oder für die spezifische Weiterbildungs-/Ausbildungssequenz nutzbar gemacht.

2. Lernen richtet sich an Ergebnissen aus.

●Aus- und Weiterbildungen pflegen Ziel- und Vorgehenstransparenz und überprüfen gesetzte Ziele und Ergebniserwartungen wo möglich gemeinsam mit den Teilnehmenden.

●Die Kohärenz von Zielen, methodischer Gestaltung und Ergebnissicherung zeichnet Aus-/Weiterbildungsangebote aus.

Die Ziele beziehen sich auf ein transparentes übergeordnetes Kompetenzprofil des Aus-/Weiterbildungsprogrammes. Dieses Profil setzt sich zusammen aus vorgegebenen und von Aus- und Weiterbildungsteilnehmenden eingebrachten Kompetenzansprüchen. Zielüberprüfung und Ergebnissicherung geschehen gemeinsam entlang diesem Profil.

3. Lernen geschieht in einer (sozialen) Vereinbarungs- und Auseinandersetzungskultur.

●Gegenseitige Verbindlichkeit wird im Rahmen der Aus- und Weiterbildungen gepflegt (Vereinbarungen zu Zieldefinierung, zu Ergebnissicherung sowie zu Lehr- und Lernkultur).

●Es gibt eine konstruktive Feedback-Kultur, sei es in formativer (Kalibrierung zwischendurch) oder in summativer Art und Weise (Evaluationen).

●Perspektivenwechsel wird durch Austausch und Auseinandersetzungen in Aus- und Weiterbildungen gefördert, Lernergebnisse und Lernschritte werden sichtbar gemacht und stehen anderen zur Verfügung, Wertehaltungen werden thematisiert.

Kompetenzerwerb geschieht stets in sozialen Kontexten und sozialem Eingebundensein. Die gemeinsam vereinbarte und gestaltete Lehr-/Lernkultur ermöglicht Erfahrung von Differenz und den – für die Kompetenzentwicklung notwendigen – Perspektivenwechsel.

4. Lernen ist ein aktiver und selbstgesteuerter Prozess.

●Für ihren Lernerfolg und die Gestaltung von Lernprozessen sind Aus- und Weiterbildungsteilnehmende mitverantwortlich.

●Sie erhalten im Rahmen der Weiterbildungen die Möglichkeit, selbstorganisiert Themen und deren Bearbeitungsform zu wählen und werden dabei unterstützt und begleitet.

●Handlungsorientierung und -wirksamkeit sind beim Lernen leitende Prinzipien.

Kompetenzen werden unter anderem aufgebaut, indem Selbstwirksamkeit und Handlungswirksamkeit erfahren wird. Beides wird im Rahmen der sozialen Situation innerhalb der Aus- und Weiterbildung («hier und jetzt») erfahrbar. Vorhandene individuelle Ressourcen werden aktiviert, zusätzliche zur Verfügung gestellt.

5. Lernen ist kontextorientiert.

●Um Themen reflexiv und antizipativ zu bearbeiten, hat Praxis- und Kontextorientierung eine hohe Bedeutung.

●In der Aus- und Weiterbildung thematisierte Ideen, Modelle und Vorhaben für verschiedene Praxissituationen werden angewendet, umgesetzt und überprüft (Situationsbewältigung in der Praxis).

●Daraus werden Folgerungen für Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Themenauswahl- und -bearbeitung gezogen.

Der Kompetenzerwerb erfolgt kontextorientiert und situationsbezogen; der Kontext der Aus-/Weiterbildung entspricht nicht demjenigen der Praxis. Einige Kompetenzen sind im Rahmen der Aus-/Weiterbildung zwar förder- und überprüfbar, der praxisrelevante Kompetenzerwerb kann jedoch erst in der entsprechenden Praxissituation überprüft werden (Performanz). Präzise Situationsanalysen erhöhen die Chance des Transfers.

Eine solche Verbindung von Praxis und Aus-/Weiterbildung ermöglicht es, diejenigen Aspekte der Kompetenzorientierung zu berücksichtigen, die relevant sind für eine adäquate Performanz von professionellem Personal in spezifischen Kontexten und Situationen; die Verbindung gibt zudem einem Kompetenzprofil Sinn, indem sie ermöglicht, sich zu orientieren zwischen Kompetenzbedarf, schon vorhandenen und zu entwickelnden Kompetenzen sowie Aus- und Weiterbildungsteilnehmende in ihrer Kompetenzentwicklung beteiligt.

PRINZIPIEN VON LERNEN UND KOMPETENZORIENTIERUNG

Eine ganz andere, nicht minder spannende Frage wäre, inwiefern Ausbilder/innen und Pädagoginnen und Pädagogen ihre Kompetenzen überhaupt sichtbar machen wollen.

Ich behaupte, dass die Mehrheit von Lehrenden – eventuell auch wegen Bewertungsängsten – sich eher als bescheidene «heimliche Genies» denn als «aufschneidende Hochstapler» verstehen und verhalten.

Kompetenz ist im dargelegten Verständnis also «eine generative Kraft, welche permanent aus Ressourcen neue Tätigkeiten kreiert» (Furrer 2000, S. 12). «Kompetenz» wird im Alltag und situativ entwickelt, «Performanz» macht diese unter förderlichen individuellen und kontextuellen Bedingungen sichtbar und «Ressourcen» können in Bildungsangeboten vermittelt bzw. erzeugt werden (ohne dass daraus «von selbst» Kompetenzen erwachsen). In diesem Sinne könnten Kompetenzen nicht – wie es manche «Kompetenzprofile» in Ausbildungskonzepten in Aussicht stellen oder suggerieren – «trocken» antrainiert werden.

Dieser Kompetenzbegriff hat sich beispielsweise in Arbeiten zur Selbst- und Fremderfassung von Kompetenzen im Bereich des informellen Lernens in Frankreich und der Westschweiz durchgesetzt. Ich verweise hierbei auf die so genannte Kompetenzenbilanz und die biografische Portfoliomethode des Projektes der «éspace de femmes pour la formation et l’emploi, effe» (2001) oder das «Schweizerische Qualifikationsprogramm zur Berufslaufbahn, CHQ».

Zum Glück lassen sich künftige Anforderungen nicht so präzise vorhersehen, wie es für die Entwicklung von Lehrplänen und die darin enthaltenen Formulierungen von Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen als «passe partouts» notwendig wäre.

Transfer von Wissen oder Kompetenzen geschieht, wie Le Boterf treffend beschreibt, nicht in einem generellen kausalen «Nürnberger Trichter»-Prinzip.

Warten auf Erleuchtung

«Was kann ich tun, um schneller zur Erleuchtung zu kommen?» fragte ein Jünger seinen Weisheitslehrer.

«Mit der Erleuchtung ist es wie mit dem Sonnenaufgang», antwortete der Meister.«Du kannst nichts anderes tun, als warten, bis sie sich ereignet.»

«Wozu nützen denn all die Gebete und frommen Übungen, die ich täglich verrichten soll?»

«Die habe ich dir bloss deshalb empfohlen, um sicher zu gehen, dass du nicht schläfst, wenn die Sonne aufgeht.» (aus: Imhof 1995)

2.4Standards

Oelkers und Oser (2000) nennen berufliche Handlungskompetenzen «Standards»:

«Unter Handlungskompetenz versteht man jene professionellen Fähigkeiten, die es ermöglichen, im Schulalltag unter Bedingungen von situativen Zwängen richtig zu agieren und zu reagieren. Wir bezeichnen diese Kompetenzen dann als Standards, wenn ihre Erfüllung dergestalt ist, dass jemand ohne diese professionelle Ausbildung nicht in der Lage ist, sie in zufriedenstellender Weise zu realisieren». (Oelkers/Oser 2000, S. 56)

«Standards stellen professionelle Fähigkeiten und gleichzeitig Niveauansprüche hinsichtlich ihrer situativen Sichtbarmachung dar». (Oser 1997, S. 210)

Bei solchen Standards handelt es sich um Wissensbestände, die notwendigerweise angeeignet werden und dabei auch einem handlungsorientierten Gütemasstab standhalten sollen. Standards müssen damit intersubjektiv verhandelt und ausgewählt werden – ganz im Sinne einer Professionsdefinierung. Gleichzeitig sind sie Massstab und «Messlatte».

Nur Experten verfügen über Standards, die in komplexen und unterschiedlichen Situationen zur Anwendung gelangen (vgl. Oser 1997, S. 27).

Standards sind keine «standardisierbaren» Skills, weil ihr Einsatz reflexiv und unter Anwendung diverser Theorien in je unterschiedlichen Situationen geschieht.

Ebenso wenig sind Standards allgemeine Schlüsselqualifikationen, weil sie professionsbezogen sind und Theorie, Empirie, Evaluation, Praxis und Reflexion zusammenbringen.

Ob und wie in Ausbildungssituationen (an)gelernte oder geübte Standards mit der Zeit in der Praxis in Le Boterf’schem Sinne zu Kompetenzen oder gar zu Performanzen werden, bleibt vorläufig dahingestellt. Ich verweise dafür auf meine Ausführungen zur Experten-Novizenforschung (in diesem Kapitel 3.2).

Analog zu Standardgruppen für die Lehrerbildung (nach Oelkers/Oser 2000) formuliere ich für die Ausbildung von Ausbildenden folgende Standard-Gruppen. Sie sind mitleitend für die Themenauswahl in vorliegendem Buch:

1.Selbsteinschätzung, Selbstwahrnehmung, Selbstmanagement

2.Planung, Gestaltung und Evaluation von Unterricht

3.Leitung und Führung von Gruppen und Individuen

4.Beurteilung und Qualifikation

5.Kommunikation mit Lernenden und anderen relevanten Bezugspersonen

6.Beratung von Lernenden/Begleitung von Lernprozessen

7.Organisationales Denken und Handeln

8.Fachliche und fachdidaktische Kenntnisse

Bei dieser Auswahl lasse ich mich unter anderem von Weinerts Unterscheidung zwischen (Klassen-)Führungswissen, unterrichtsmethodischem Wissen, diagnostischem Wissen und Sachwissen leiten (Weinert et al., in: Alisch et al. 1989); ich ergänze seine Unterteilung um den Aspekt des «Wissens um sich und seine Rolle» (vgl. Dann, in: Reusser/Reusser-Weyeneth1994, S. 166) und um das im Speziellen im Felde der Erwachsenenbildung thematisierte Kontextwissen (vgl. Döring 2008, S. 39 und Siebert 2000, S. 7 ff.).

Andere Autoren äussern sich über die Kompetenzebenen von Lehrenden in ähnlicher Weise (vgl. etwa Dubs 1995, S. 20, Messner/Reusser 2000, S. 277 und Dick 1996, S.122).

Für meine Ausführungen formuliere ich jeweils zu Beginn der Kapitel spezifische Standards.

Die Kapitel in meinem Buch entsprechen den Standardgruppen 1–7, Gruppe 1 wird zusätzlich repräsentiert durch die Reflexionsfragen in den jeweiligen Kapiteln. Gruppe 8 berücksichtigt meine Ausführungen nicht; hier ist Ihre fachspezifische Transferkompetenz gefragt.

Die Diskussion über den Lernerfolg in Weiterbildungen unterscheidet etwa zwischen «Veranstaltungserfolg» und «Transfererfolg»; Ersterer kann als «Wirksamkeit», Zweiter als «Nachhaltigkeit» bezeichnet werden (vgl. Baumgartner-Schaffner 2001).

Vorliegendes Buch kann Ihnen also in der «Kompetenz-Sprache» als Ressource und als Anregung, Ressourcen zu kombinieren, dienen. Inwiefern sich jedoch im Sinne der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit Kompetenzen in der täglichen Ausbildung ausformen, ist schwer zu beurteilen, darf aber selbstverständlich gehofft werden …

Form und Auswahl der Inhalte situieren sich in der ersten Auflage des vorliegenden Buches ungefähr zwischen Anforderungen des «eidg. Fachausweises Ausbildner/in» (ehemals SVEB II) und der eidg. Erwachsenenbildner/in HF (wobei meine Ausführungen die Organisation stärker betonen). Für die vorliegende fünfte Auflage wurden die Teile «Organisation gestalten» und «Beraten» stark ausgebaut, Aspekte des Digital Learnings neu integriert. Bezüglich der allfälligen Effekte basiert jedoch Ausbildungswissen und erst recht «Buchwissen» immer auf Vermutungen; die spezifische Ausbildungskultur und der Praxisalltag vor Ort bestimmen mehr, als sich Ausbildungsverantwortliche oder gar Lehrmittelautoren erträumen.

2.5Der «Rollenstrauss» von Ausbildenden

Als Ausbildnerinnen und Ausbildner bewegen wir uns während unserer alltäglichen Arbeit in einer Vielzahl von Rollen. Der Begriff Rolle entstammt ursprünglich dem Theater, wo er den in einer (Schrift-)Rolle vorgegebenen Text bezeichnet. Aus soziologischer Sicht wird unter Rolle das «Bündel» von expliziten und impliziten Erwartungen verstanden, die beispielsweise an uns in unserer Funktion als Ausbildner/in gerichtet werden. Die Rolle ist demnach eine Art interpretierbares Bindeglied zwischen Individuum und Organisation, persönliche Anteile und institutionell-gesellschaftliche Vorgaben treffen sich in der Rolle. Verhaltenserwartungen werden zwar an Individuen herangetragen, beziehen sich dennoch stets auf die soziale Position, welche sie einnehmen. So genannte Bezugsgruppen senden demnach Positionsinhabern Rollen, wobei Inhaber von Positionen auch «Selbstsender» sein können, d. h., sich selbst Rollen zuweisen.

Das Handeln in Rollen lässt immer gewissen Interpretationsspielraum zu. Rollenerwartungen führen zu Rollenkonflikten, wenn sich gegenüber Bezugsgruppen (Institution, Studierende, Kollegen) verschiedene Rollen widersprechen oder überschneiden.

In Bezug auf unsere Rollen sind wir also gleichzeitig «Täter» und «Opfer».

Zudem: Das sich erheblich verändernde Verständnis von Lernen trifft sich seit einiger Zeit mit deutlichen ökonomisch-gesellschaftlichen Ansprüchen an Aus- und Weiterbildung.

Lernende sind nicht länger Landeplätze für gesichertes Wissen, vielmehr haben «Verstehen» und «Problemlösen» Vorrang vor sinntötender Wissensanhäufung. Auszubildende erschliessen oder generieren ihr Wissen selbst.

Als reine salamididaktische Inhaltszuliefernde verlassen wir Ausbildner/innen langsam die Bühne, das «Phantom» der einheitlichen Gruppe oder Klasse entpuppt sich als heterogene Versammlung von individuellen Lernerinnen und Lernern («from the sage on the stage to the guide on the side»). Die damit einhergehende Rollenerweiterung von Lehrenden entpuppt sich dabei notgedrungen auch als Rollenverlust.

Gleichzeitig gilt im Aus- und Weiterbildungsgeschäft die Effizienz- und Qualitätsfrage nicht nur für Bildungsprozesse, sondern auch für Bildungsorganisationen, die uns als Bildungsfachleute miteinschliessen.

Auf unserem Lernweg sind wir Lehrende folglich angehalten, uns einerseits den uns anvertrauten Aus- und Weiterzubildenden dialogisch zu nähern, sie einzeln in ihren Verstehensprozessen und Vorgehensweisen zu unterstützen. Andrerseits sind wir als «Gesellschaftsagenten» gefordert, uns mit der Qualitäts- und Effizienzfrage auf allen Ebenen zu beschäftigen.

Das traditionelle berufliche Rollenbild der Ausbildnerin/des Ausbildners steht somit zwar nicht auf dem Kopf, sicher aber auf neuen Beinen!

Wenn wir lehren, leiten, Unterricht gestalten, begleiten, beraten und beurteilen und uns zudem als Infotainer, Unterhalter, Mütter, Brüder, Sozialarbeiterinnen, Lehrmittelvollstrecker, Verkäufer und Gesellschafts- und Organisationsagentinnen betätigen, bewegen wir uns in einer in sich widersprüchlichen, anspruchsvollen und sich immer wieder verändernden Rollenvielfalt.

Mit den Worten Bichsels gesagt, sind wir gleichzeitig «Staatsanwalt, Verteidiger und Richter in einer Person» (Bichsel 1984, S. 10).

Eine erfolgreiche Interpretation solch verschiedener Rollen bedarf einerseits einer hohen (Selbst-)Wahrnehmung, inhaltlichen Wissens und Handlungsstrategien in einzelnen Kompetenzbereichen, andrerseits ebenso der Fähigkeit, integrativ und situativ verschiedene Rollenkompetenzen zu unterscheiden und «unter einen Hut» zu bringen, ohne sich selbst zu verlieren.

Laut einem Bericht der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz EDK (2000, vgl.auch Renold 2001, S. 160) gewinnen drei Anforderungen an Lehrpersonen in Zukunft an Bedeutung:

●Rollen situationsgerecht zu interpretieren,

●sich in Rollen anderer versetzen zu können,

●Diskrepanzen zwischen in sich widersprüchlichen Erwartungen anderer und den eigenen Bedürfnissen zu ertragen.

Beleuchte ich pädagogische Berufsrollen innerhalb der Dyade Lehrperson – Lerngruppe, lässt sich ein Rollenstrauss skizzieren:

ROLLENSTRAUSS DER AUSBILDENDEN

Wir skizzieren die einzelnen Handlungsfelder von Lehrenden im Folgenden in Form von Rollen in einem so genannten «Strauss» kurz und werden dieses Modell als Basis und Orientierung für viele Ausführungen im vorliegenden Buch benutzen.

Folgende Rollen von Lehrenden lassen sich ausmachen:

Inhaltsexperte/-expertin sein

Ursprünglicher Grund des Auftrages der Lehrenden ist ihre Expertise, z. B. fachspezifisches Wissen, inhaltliches Durchdringen-Können des «Stoffes».

Lehr- und Lernsituationen planen und gestalten

Präsenzunterricht gestalten (Vorlesungen, Inputs, Aktivierung Teilnehmender oder Studierender, Übungen, Anwendungsaufgaben), Inszenieren von fall- und problembasiertem Lernen, Gestalten von Blended-Learning-Sequenzen, Produzieren und Gestalten selbsterklärender Scripts, interaktiver Lernmaterialien auf Lernplattform etc.

Siehe Kapitel II

Leiten und Kommunizieren

Leiten von Projektgruppen, Anleiten zum Selbststudium, Moderieren von Plenumsveranstaltungen, Führen von Konfliktgesprächen, Umgang mit schwierigen Situationen und/oder Teilnehmenden, Entscheiden bei Promotionsfragen etc.

Siehe Kapitel III und Kapitel V

Wahrnehmen und Beurteilen

Kompetenz- und lernzielorientiertes Prüfen, Gestalten von Leistungsnachweisen und Prüfungssituationen, Formulieren von Prüfungsfragen, Interpretieren und Bewerten von Leistungen, Kommunizieren von Bewertungen etc.

Siehe Kapitel IV

Begleiten und Beraten

Begleiten (längerfristig, Projekte, Gruppen- oder Einzelarbeiten)

Längere Begleitaktivitäten (Anleitung, Beratung, Controlling) während Selbststudium, Begleiten von Bachelor-/Master-/Diplomarbeiten, Begleiten von Praktika/Projekten, Begleiten Teilnehmender oder Studierender während ihrer ganzen Ausbildungszeit etc.

Siehe Kapitel VI

Beraten (kurzfristig, zielorientiert, eher einzelne Studierende)

Einzelne Teilnehmende (oder kleine Gruppen von Studierenden) in ihren Lernprozessen zielorientiert und «kontraktiert» beraten, diagnostizieren (etwa in Problem-based-Learning-Sequenzen, bei Stolpersteinen in einem Projekt oder in einer schriftlichen Arbeit, bei ungenügenden Leistungen), Beraten von Teilnehmenden zur Organisation der Weiterbildung und beruflicher Ausrichtung etc.

Siehe Kapitel VI

Institution vertreten und Organisation gestalten

Mit-Entwicklung von Curricula, von Kompetenzprofilen, Beurteilungskonzepten, Evaluationen; Kooperation mit Kollegium etc.

Siehe Kapitel VII

Gesellschaftlichen Bildungsauftrag wahrnehmen

Als gesellschaftlich anerkannte «öffentliche» Expertin oder Experte auftreten, als Modell wirken, «arriviert» sein. Als Türöffnerin oder Türöffner für gesellschaftliche Funktionen von Studierenden etc. wirken.

Integraler Bestandteil aller Kapitel

Rollenerwartungen von Teilnehmenden an Dozierende

Die beschriebenen Rollen überschneiden sich selbstverständlich: Beispielsweise existieren Nahtstellen zwischen der Beurteilungs- und der Institutionsvertretungsrolle oder zwischen der Führungs- und der Lehrgestaltungsrolle.

Die Komplexität des Rollenstrausses erhöht sich zudem durch die spezifischen Rollenerwartungen von Teilnehmenden oder Studierenden: Die einen erwarten von Dozierenden und Kursleitenden reine Expertise, andere möchten klare Führung, wieder andere wünschen sich zurückhaltender Begleitung. Weitere verlangen immer wieder individuelle Beratung oder pochen auf klare Beurteilung, einige sehen die dozierende Person als Vertretung der Institution oder als Modell einer gesellschaftlich anerkannten Funktion.

Diese Erwartungshaltungen verschieben sich von Fachgebiet zu Fachgebiet, von Dozent/in zu Dozent/in. Somit bewegen Lehrende sich dauernd zwischen differierenden Rollenerwartungen. Sie müssen Prioritäten setzen und Kompromisse zwischen eigenen Rollenvorlieben und Rollenerwartungen der Institution und der Lernenden eingehen.

Einzelne Lernende – die auch untereinander in unterschiedlicher Beziehung stehen und als Gruppe eine «Dynamik» (vgl. Kap. III) entwickeln – «rufen» beim Lehrenden verschiedene Rollen ab. Gleichzeitig sind die einen Rollen formal klarer vorgegeben als andere Rollen. Der Bedarf kann explizit oder implizit beispielsweise zwischen Beratung (Unterstützung) und Leitung (Disziplinierung) schwanken. Auf der anderen Seite signalisiert die Lehrperson mehr oder weniger bewusst ihre eigenen Rollenpräferenzen. Der gesamte Strauss bewegt sich in den Kontexten «Institution» und «Gesellschaft».

Mit dieser Vereinfachung blende ich eventuelle weitere innerorganisatorische «Rollensender» wie Vorgesetzte, Unterstellte, Kollegen oder ausserorganisatorische (etwa Familie, Freizeitkontakte, Arbeitskontakte) aus.

Für die Analyse der weitergefassten organisationalen Rolle verweise ich auf das Instrument der Rollenanalyse nach Schein in Kapitel VII (3.1).

Diverse dieser Lehr-/Lern-Dyaden machen also wiederum ein organisatorisches Rollengefüge aus, beispielsweise wenn verschiedene Lehrpersonen einer Gruppe Lernender zugeteilt sind; Lehrende übernehmen zudem im Rahmen ihrer Institution wiederum weitere Rollen wie etwa Projektleitung.

Rollen 2–7 entsprechen erstens den Handlungsfeldern der weiter oben formulierten Standards und damit zweitens den Themenbereichen in den folgenden Kapiteln.

Reflexionsfragen «Rollenstrauss»

●Wo und wie bewegen Sie sich als Ausbildner/in im «Rollenstrauss»?

●Welches sind Ihre Vorlieben, welches nicht?

●Was erwarten Lernende von Ihnen?

●Können Sie dabei Konfliktfelder benennen?

●Wie gross ist Ihr Interpretationsspielraum?

●Nutzen Sie ihn?

3.Biografisch-reflexiver Zugang

3.1Lernen Erwachsener

Sämtliche weiterbildungspolitischen und -praktischen Bemühungen zielen letztlich darauf, das Lernen Erwachsener zu unterstützen, sei es im Rahmen von Lehre, Beratung oder Planung und Leitung. Entsprechend beschreibt der Begriff des Lernens den Kern der Herausforderungen erwachsenenpädagogischen Handelns.

Wir haben bei der Formulierung und Diskussion von Lernprinzipien (siehe oben, Kapitel 2.3) bereits ein Verständnis menschlichen Lernens skizziert, das nun noch vertieft werden soll. Lernen ist zu Recht eine der zentralen Grössen der Erziehungs- und Bildungswissenschaft. Ohne die menschliche Fähigkeit zu lernen wären sämtliche Versuche von Erziehung und Bildung vergebens. Demnach lässt sich menschliche Lernfähigkeit als Basis jeglicher Bildungsarbeit sehen.

Üblich ist, bei der Klärung, wie menschliches Lernen zu begreifen sei, auf psychologische oder neuerdings wieder auf pädagogische Lerntheorien zurückzugreifen (vgl. z. B. Faulstich 2013; Göhlich/Zirfas 2007). Kritisch darf hier gefragt werden, ob es denn überhaupt eine Lerntheorie braucht, um gut zu unterrichten oder professionell Bildungsangebote zu konzipieren. Eine mögliche Antwort ist: Es geht prinzipiell auch ohne Lerntheorie, dennoch hilft ein für sich geklärtes, angemessenes Verständnis menschlichen Lernens zumindest dabei, die gröbsten Fehler zu vermeiden, die Lern- und Aneignungsbemühungen Lernender eher im Weg stehen, als diese fördern (was gar nicht so selten vorkommt!). Didaktisches Handeln besitzt eine die Lernenden und ihre Lernbemühungen unterstützende Funktion, es ist kein Selbstzweck. Vielmehr bemisst es sich danach, inwiefern es gelingt, Lernprozesse zu fördern.

Es gibt zahlreiche lerntheoretische Ansätze, die wir keinesfalls umfassend referieren wollen. Wir wollen dennoch kurz überlegen, welche Anforderungen es an eine dem Lernen Erwachsener angemessene Lerntheorie gibt.

Dabei beziehen wir uns stark auf die Überlegungen von Peter Faulstich, ehemals Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Hamburg. Er formuliert (mit z. T. anderen Worten) vier Ansprüche an eine angemessene Lerntheorie (Faulstich-Wieland/Faulstich 2006, S. 32):

1.Menschen sind keine passiven Apparate, die auf Reize reagieren, sondern aktive Personen, die überlegen und abwägen können, was sie machen wollen. Diese Offenheit und Freiheit menschlichen Handelns müssen Lerntheorien berücksichtigen.

2.Menschen unterscheiden sich von anderen Systemen, die auch mit Lernen in Verbindung gebracht werden, etwa von Tieren, Organisationen oder Staaten. Sie handeln auf der Grundlage eigener Sinnentwürfe und verhalten sich nicht nur in Reflexen und Routinen. Lerntheorien müssen dieser Spezifität des Menschen gerecht werden.

3.Wenn wir für eine humane Gesellschaft einstehen, muss Bildungsarbeit immer auch darauf gerichtet sein, Bildung zu ermöglichen – als permanente Bemühung des Einzelnen, sich und andere zu verstehen und auf dieser Grundlage vernünftig handeln zu können im Sinne humaner Lebensbedingungen. Eine angemessene Lerntheorie sollte diesen normativen Bezugspunkt aufnehmen.

4.In der Erziehungs- und Bildungswissenschaft ist der Blick immer auch gerichtet auf Konzepte von Lehre, Beratung und Moderation. Eine Lerntheorie sollte Hinweise auf eine adäquate Gestaltung dieser praktischen Handlungsformen geben.

Sprechen wir hier explizit vom Lernen Erwachsener, kommt die Frage hinzu, was eigentlich «Erwachsensein» meint und was ein Lernverständnis auszeichnet, das diesem Status gerecht wird. Diese Frage klingt zunächst eher nach einer abgehobenen Denkübung als nach etwas, was man diskutieren müsste, um die eigene Weiterbildung professionell zu gestalten. Eine Vergewisserung dieses Begriffs hilft trotzdem dabei, sich wenigstens über eine Leitperspektive zu verständigen. Zum Erwachsensein gibt es verschiedene Definitionen (vgl. Faulstich/Zeuner 2006, S. 36). Erwachsensein kann gefasst werden als:

●biologisch: Zustand körperlicher Reife,

●juristisch: Erwerb von Pflichten und Rechten mit Beginn der Volljährigkeit,

●psychologisch: Stabilität von Verhaltens-, Erlebens-, Denk- und Lernformen,

●soziologisch: Übernahme sozialer Rollen wie Partnerschaft und Elternschaft,

●ökonomisch: Stehen in Erwerbstätigkeit und wirtschaftlicher Selbstständigkeit.

Deutlich wird, dass keine genaue Definition und trennscharfe Einteilung möglich ist. Kern aller Ansätze ist allerdings die Idee eines selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Menschen (vgl. Faulstich/Zeuner, S. 36). Entsprechend könnte der mündige, vernünftige, freie, kritisch denkende Erwachsene als Leitbild für Lehren und Lernen dienen. Erwachsenenpädagogisches Handeln in seinen verschiedenen Formen sollte daher darauf ausgerichtet sein, diesem Leitbild zu folgen. Neben dieser allgemeinen Bestimmung müssen aber weitere Aspekte von Erwachsenensein einbezogen werden. Weiterbildungsteilnehmende zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie in vielfältige Kontexte wie Erwerbsarbeit oder Familie eingebunden sind, eine ausgeprägte vorauslaufende Biografie haben (vgl. Alheit 2010) und ihr Lernen immer Anschlusslernen und geprägt von verfestigen Emotionen ist (vgl. z. B. Gieseke 2016).

Diese Ansprüche und Aspekte dienen uns als Leitlinien, um unterschiedliche lerntheoretische Ansätze in ihrer Tragfähigkeit zu beurteilen, wie dies auch Faulstich vorgenommen hat (2008).

In der Lernpsychologie dominieren behavioristische und kognitivistische Ansätze (das Folgende ist nah angelehnt an Haberzeth 2010). Dabei wird zunehmend auf neurophysiologische Befunde der Hirnforschung zurückgegriffen. Behavioristische Positionen konzentrieren sich auf beobachtbares Verhalten. Sie versuchen, menschliches Verhalten auf der Grundlage von Reiz-Reaktions-Verbindungen zu erklären. Verzichtet wird dabei auf den Einbezug psychischer (Innen-)Vorgänge zur Erklärung von Lernen. Dass behavioristische Positionen in der Lernpsychologie nach wie vor stark vertreten sind, lässt sich etwa in den Lehrbüchern von Edelmann/Wittmann (2012) und Mielke (2001) ablesen. Zentrale Begriffe sind etwa Reiz und Reaktion, bedingter und unbedingter Reflex sowie Kontingenz. Es geht um operantes Konditionieren oder um verschiedene Formen der Lernverstärkung wie positive Verstärkung oder Bestrafung. Behavioristische Ansätze eignen sich allerdings kaum dafür, die Komplexität menschlichen Lernens adäquat abzubilden, sie beschreiben vielmehr Spezialfälle menschlichen Verhaltens, zu denen es dann kommt, wenn Menschen in ihrer Sichtweise so stark eingeschränkt sind, dass sie nur noch auf einzelne Aspekte der Umwelt reagieren. Zugleich werden die immer gegebenen Gründe des Handelns nicht beachtet und Zielperspektiven des Lernens bleiben aussen vor.

In Abgrenzung zu behavioristischen Ansätzen haben sich kognitivistische Positionen entwickelt. Sie brechen das Black-Box-Modell auf und beziehen mentale Vorgänge mit ein. Denk- und Verstehensprozessen kommt eine entscheidende Rolle zu. Lernen wird als Informationsverarbeitung konzipiert: Zum Beispiel müssen im Unterricht mitgeteilte Informationen von den Lernenden decodiert und in das Gedächtnis aufgenommen und dort verarbeitet werden (vgl. Göhlich/Zirfas 2007, S. 24 ff.).