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SO VERLOCKEND, SO GEFÄHRLICH von MANN, CATHERINE Security-Experte Max St. Cloud reist nach Royal, um einen Erpresser zu überführen - dabei darf er sich nicht von der sexy Hotelbesitzerin Natalie ablenken lassen! Aber ein ungeahnt heißer Kuss entfesselt eine gefährliche Sehnsucht in dem überzeugten Junggesellen … VERFÜHRT, VERLIEBT … UND DANN? von RYAN, REESE Bei einem prickelnd erotischen Dinner in seinem Atelier kommt Sasha dem faszinierenden Künstler Jordan Jace schnell näher. Ehe sie sichs versieht, steckt sie in einer Affäre - und träumt heimlich von Heirat. Liebt Jordan seine Freiheit wirklich mehr als sie? FÜR DIESE NACHT BIN ICH DEIN von GARBERA, KATHERINE "Heute Nacht gehöre ich dir." Als Pippa ein Date mit dem sexy Cowboy Diego Velasquez ersteigert, sprühen sofort die Funken. Doch auch wenn Diego ihr Traummann ist, bleibt ihnen nur eine einzige Nacht der Lust. Denn Diego darf nicht erfahren, wer Pippa wirklich ist …
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Seitenzahl: 570
Catherine Mann, Reese Ryan, Katherine Garbera
BACCARA COLLECTION BAND 408
IMPRESSUM
BACCARA COLLECTION erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA COLLECTIONBand 408 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2017 by Harlequin Books S. A. Originaltitel: „Taking Home the Tycoon“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Victoria Werner
© 2018 by Harlequin Books S. A. Originaltitel: „Seduced in San Diego“ erschienen bei: Kimani Press, Toronto in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Katrin Lechat
© 2018 by Katherine Garbera Originaltitel: „Rancher Untamed“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Victoria Werner
Abbildungen: IvaFoto / shutterstoock, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 07/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733725648
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Kann ein Kuss ein Fehler sein? Die junge Witwe Natalie hat der Liebe abgeschworen. Bis sich der aufregende Unternehmer Max St. Cloud in ihrem Hotel einquartiert und sie von verzehrendem Verlangen überrascht wird. Spontan genießt sie Max’ unwiderstehliche Küsse. Aber kaum hat sie die erste Nacht in seinen Armen verbracht, entzieht er sich ihr eiskalt …
Wie keine andere Frau weckt die schöne Marketing-Expertin Sasha eine sinnliche Begierde in Jordan. Natürlich will er nur eine heiße Affäre, seine Freiheit geht ihm über alles! Doch um Sashas Ruf nicht zu gefährden, muss er in der Öffentlichkeit so tun, als wäre es Liebe. Und schon bald weiß er selbst nicht mehr: Sind seine Gefühle echt oder nur gespielt?
Der sexy Cowboy Diego Velasquez kann sein Glück kaum fassen: Bei einer Wohltätigkeits-Auktion ersteigert die attraktivste Frau im Saal ein Date mit ihm. Sie flirten, sie tanzen, sie lieben sich … Aber so nah Pippa und er sich in dieser Nacht kommen – Diego spürt, dass seine Traumfrau etwas Entscheidendes vor ihm verbirgt.
Der Selfmade-Milliardär Max St. Cloud war auf den Straßen von Los Angeles aufgewachsen. Aus seiner Jugend kannte er dies alles: das Betteln, das Suchen nach Lebensmitteln in Mülltonnen, das Kurzschließen von Autos, um an Geld zu kommen. All das erschien ihm inzwischen jedoch wie ein ferner Traum. Jetzt, fünfzehn Jahre später, genoss er sein Leben in Seattle.
Er liebte seine Flotte schneller Sportwagen und seinen Privatjet. Sein mit allen Raffinessen ausgestattetes Penthouse war der Traum eines jeden Technikfreaks. Er hatte die freie Wahl zwischen unzähligen Frauen, die beruflich ebenso engagiert waren wie er. Verheiratet war er mit St. Cloud Security Solutions, seiner Firma, die auf Sicherheitslösungen für Computer spezialisiert war.
Warum um alles in der Welt saß er hier in der kleinen Stadt Royal in Texas herum und war heiß auf eine Frau in zu braven Jeans? Die rothaarige Schönheit im Sessel neben ihm schien sein Dilemma nicht zu bemerken. War das gut oder schlecht? Er war sich nicht sicher.
Er saß mit einem Tablet auf den Knien am Kamin im Besprechungszimmer des Texas Cattleman’s Clubs. Man hatte ihn als eine Mischung aus Detektiv und Sicherheitsexperten geholt. Anlass war eine Art Cyberkrieg, der die Stadt seit Monaten verunsicherte. Die Frau, mit der er sich jetzt unterhielt, war selbst Teil einer dieser anonymen Verleumdungskampagnen gewesen. Eigentlich sollte er sich auf das Gespräch mit ihr konzentrieren.
Eigentlich. Max zwang sich, Notizen auf seinem Tablet zu machen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass er sich später an irgendetwas erinnern würde, was Natalie Valentine jetzt sagte, war gleich Null. Er starrte auf die Notizen, die er sich bisher zu ihr gemacht hatte: neunundzwanzig Jahre alt, Kriegswitwe, zwei Kinder, Designerin von Brautmode, Inhaberin der Pension Cimarron Rose Bed & Breakfast.
Die schlichten Fakten vermittelten nichts davon, wie verdammt anziehend er die Frau fand.
„Mrs. Valentine, haben Sie etwas dagegen, wenn ich Natalie zu Ihnen sage?“
„Nein, natürlich nicht.“ Sie schnippte sich mit dem Finger etwas Mehl von der Jeans. Mit einem Ringfinger, an dem kein Ring steckte. „Das ist mir sogar lieber.“
Der Ausdruck des Schmerzes, der für einen Moment über ihre Züge glitt, verursachte ihm ein schlechtes Gewissen – dafür, dass er die Frau eines anderen begehrte. Auch wenn dieser andere tot war. Oder gerade, weil er tot war.
„Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben“, setzte er hinzu.
„Ich bin noch ziemlich neu in der Stadt. Sicher gibt es Menschen, die Ihnen mehr über die Leute hier erzählen können als ich.“ Sie strahlte eine natürliche Schönheit aus mit ihrem schulterlangen roten Haar, das sie sich zu einem praktischen Pferdeschwanz gebunden hatte. Vor allem ihre großen grünen Augen faszinierten ihn. Sie spiegelten Verletzlichkeit und Herz wider. Die ganze Körperhaltung verriet ein Temperament, das förmlich danach schrie, freigelassen zu werden.
Er erkannte Charakterstärke und Durchhaltevermögen. Eine verwandte Seele. „Meiner Erfahrung nach haben Neuankömmlinge oft eine objektivere Perspektive als die Alteingesessenen.“
Max war von seiner langjährigen Freundin Chelsea – Chels – Hunt herbestellt worden, und sie hatte auch die ersten Kontakte hergestellt. Er sollte helfen herauszufinden, wer die Stadt seit Monaten mit Erpressungen und Enthüllungen im Internet tyrannisierte. Chels gehörte zu den wenigen Freunden, die er mit Anfang zwanzig gehabt hatte. Sie waren damals beide Hacker mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit gewesen. Chels war auf der Flucht vor ihren überfürsorglichen Eltern nach LA gekommen. Sie hatte eine gute Kinderstube genossen und half Max, seine Manieren etwas zu glätten, während er versuchte, Zutritt zur Geschäftswelt zu finden. Sie hatte an ihn geglaubt – und war lange Zeit die Einzige gewesen. Sie war die Schwester, die er nie gehabt hatte und die ihn anspornte, seinen Weg weiterzuverfolgen.
Irgendein Troll hatte es sich also zum Ziel gesetzt, Mitgliedern des Texas Cattleman’s Clubs das Leben zur Hölle zu machen? Der Unglückswurm hatte sich die falschen Firewalls zum Ziel genommen. Was Max betraf, galt: einmal Hacker, immer Hacker. Er war sicher, dass er diesen Amateur – oder dieses Team von Amateuren – schlagen konnte. Er hatte das Gefühl, dass es nicht ein Mann oder eine Frau allein war …
„Mr. St. Cloud …“
„Sie sind Natalie. Ich bin Max.“
„Ja, äh, also … Max. Ich will gern helfen, aber meine Zeit ist knapp.“ Natalie warf einen Blick auf die Uhr. „Ich habe Brotteig angesetzt, um den ich mich bald kümmern muss.“
Mit jedem Atemzug hob ihre Brust sich etwas schneller. Sein Blick fiel auf das Logo mit der hellen Rose, das an einer Kette zwischen ihren Brüsten hing. Die holzvertäfelten Wände mit ihren Trophäen und historischen Kunstwerken schienen sich enger um ihn zu schließen. Intimer.
„Ich versuche, schnell fertig zu werden.“ Schnell? Ein Quickie? Verdammt, sie lenkte ihn einfach zu sehr ab. So viel also zu seiner nüchternen Objektivität. „Es würde Sie überraschen, wie viele Details Sie täglich hören, ohne sie bewusst zu registrieren. Und wie viele Eindrücke Sie so ganz nebenher gewinnen. Mit Ihrer Pension und dem Atelier für Brautmoden sind Sie ganz dicht am Puls der Stadt.“
Ihre Wangen röteten sich vor Überraschung, ihre Augen wurden groß und die Lippen öffneten sich einen Hauch. „Sie wissen von meinem Atelier?“
„Ich habe mich informiert“, sagte er nüchtern. „Aus Erfahrung weiß ich, dass Menschen in Ihrer Branche vieles hören und sehen. Die Kunden erzählen aus ihrem Leben – von ihren Kindern, von ihren Dates, von ihren Hunden und sogar von ihren medizinischen Problemen. Nicht zuletzt geht es um Klatsch und Tratsch.“
„Ich betrachte es weniger als Klatsch und Tratsch. Ich bilde mir einfach ein, dass sie sich wohlfühlen in meiner Pension, oder wenn sie auch nur zu einem Frühstück vorbeikommen.“ Gedankenverloren drehte sie an ihrem Uhrenarmband.
„Es gibt keine Verpflichtung zur Verschwiegenheit beim Backen und Nähen.“
Sie lachte spontan. Es war ein volles, sexy Lachen. „Das stimmt.“
„Ich würde Sie also bitten, mir einfach … Eindrücke wiederzugeben.“ Er hasste es zu sehen, wie sie ernst wurde, aber er hatte einen Job zu erledigen. „Ich möchte aber nicht, dass Sie irgendjemanden anschwärzen. Es ist meine Aufgabe, aus den vielen einzelnen Eindrücken ein Bild zu formen, das auf den Schuldigen verweist oder mir Ideen gibt, wie man ihn oder sie aus der Reserve locken könnte. Also erzählen Sie einfach, und ich mache dann mein Ding.“
Ihre Brauen fuhren in die Höhe. „Sie machen Ihr Ding? Redet man so im Westen?“
Verdammt! So viel also dazu, dass er die Mentalität der Straße hinter sich gelassen hatte. Eine hellhörige Rothaarige in mehlbestäubten Jeans hatte es ihm gerade gezeigt!
Knapp eine halbe Stunde später hatte Natalie das Gefühl, dass es in ihrem Innern mehr gärte als in dem Brotteig, der inzwischen sicher längst übergequollen war.
Max St. Cloud war ganz Mann. Und was für einer. Ein wahrer Ausbund an Testosteron und Sex. Nach über einem Jahr Enthaltsamkeit konnte ihr Körper nicht anders als reagieren. Ihr Mann war bei der Army gewesen. Er war vor einem Jahr bei einem achtmonatigen Einsatz im Mittleren Osten durch eine Explosion umgekommen.
Seither war ihr Herz verschlossen. Sie konzentrierte sich voll und ganz darauf, mit ihrer Pension, der Cimarron Rose, und neuerdings auch mit ihrem Atelier für Brautmoden, den Lebensunterhalt für ihre Kinder und sich zu verdienen. Colbie und Lexie waren jetzt das Wichtigste in ihrem Leben. Sie hatten schon zu viel Verlust und Wechsel erlebt. Natalie schuldete ihnen ein stabiles Umfeld.
Das Geld von der Versicherung reichte gerade, um all ihre Schulden zu begleichen. Ihr Mann hatte eine doppelte Hypothek auf ihrem Haus in North Carolina zurückgelassen. Die Arztrechnungen für ihren Sohn waren hoch, aber unumgänglich. Das, was sie verdiente, reichte gerade so zum Leben. Sie fürchtete schon, im Interesse der Kinder wieder bei ihren Eltern einziehen zu müssen, als Tom Knox, ein Freund ihres verstorbenen Mannes, ihr vorschlug, doch in die Nähe seiner Ranch nach Royal in Texas zu ziehen, damit er ihr ein wenig unter die Arme greifen konnte.
Sie nahm sein Angebot nur ungern an, aber sie hatte kein sehr enges Verhältnis zu ihrer Familie in Phoenix. Ihre Eltern waren immer dagegen gewesen, dass sie einen Soldaten heiratete, und noch weniger Verständnis hatten sie dafür, dass er einen Einsatz nach dem anderen machte, sodass sie über Jahre wie eine alleinerziehende Mutter lebte.
Die Pension in Royal, die Tom Knox ihr vermittelte, war ein wahres Gottesgeschenk. Die vorherige Besitzerin war eine ältere Frau, die zu ihrer Tochter nach Kalifornien ziehen wollte. Sie forderte einen fairen Preis – genau den Betrag, den Natalie für ihr Haus in North Carolina bekommen hatte.
Da man bei dem vierjährigen Colby Autismus diagnostiziert hatte, bot ihr die Pension genügend zeitliche Flexibilität, um sich um ihn und ihre inzwischen zweijährige Tochter zu kümmern. Sie konnte zu Hause bei den Kindern bleiben und nebenher ihren Traum verwirklichen, Brautkleider zu entwerfen. So konnte sie es sich auch leisten, eine Trainerin für einen jungen Golden Retriever zu engagieren, um ihn zum Autismushund auszubilden. Miss Molly hatte alle nötigen Anlagen dafür, und Natalie brauchte jede Hilfe, die sie bekommen konnte.
All das ließ ihr wenig Zeit, um Herzflattern beim Anblick eines Mannes zu entwickeln.
Natalie umklammerte die Lehnen des Sessels. „Ich will ja gern helfen, aber ich verliere so allmählich den roten Faden bei Ihren Fragen. Ich habe das Gefühl, wir reden über Dinge, die Sie durch Ihre Recherchen bereits kennen sollten.“
„Es geht mir um die feinen Nuancen.“
„Ich will ja nicht unhöflich sein, aber Sie sind ein Computer-Spezialist, kein Detektiv.“ Okay, das war unhöflich gewesen, aber nur, damit sie innerlich etwas auf Distanz zu Max und seinen faszinierenden blauen Augen mit den dunklen Wimpern gehen konnte – ganz zu schweigen von seinem zerzausten dunkelbraunen Haar, das förmlich danach schrie, dass sie ihre Finger hindurchgleiten ließ. Er war alles andere als perfekt und doch verführerisch. Ein ehemaliger Hacker, der es als technisches Genie zum Milliardär gebracht hatte. Brillant, böse und sexy. Eine in jeder Hinsicht gefährliche Mischung.
„Ich befasse mich mit Cyberschutz, das ist eine Kombination aus beidem. Machen Sie sich keine Gedanken wegen meiner Fragen. Ich ziehe meine eigenen Schlüsse.“
„Ich hatte nicht erwartet, dass dieses Gespräch so lange dauert.“
„Ihr Brotteig, ich weiß. Kann man ihn nicht zusammendrücken und noch einmal aufgehen lassen?“
Das überraschte sie nun wirklich, denn er hatte ja recht. „Meinetwegen noch ein paar Minuten. Ich muss meine Kinder bald aus der Vorschule abholen.“
Er nickte. „Ich beeile mich.“
Natalies Blick glitt über seine Stiefel und die verblichenen Jeans, die in einem merkwürdigen Gegensatz zu dem geknöpften Hemd und dem Kugelschreiberetui in der Brusttasche standen. Großer Gott, wieso konnte das Leben nicht einmal simpel sein? Sie fuhr fort mit ihren Eindrücken. „Cecilia, Simone und Naomi standen anfangs auch unter Verdacht, hinter Maverick zu stecken, aber dann wurden sie ebenfalls zu seinen Opfern. Ihm scheint nichts heilig zu sein. Bei Cecilia hat er ihre Geburtsurkunde aufgedeckt, obwohl die Unterlagen nach ihrer Adoption geheim waren. Bei Simone ging es um Details zu ihrer künstlichen Befruchtung, und bei Naomi hat er ihre Schwangerschaft vorzeitig publik gemacht und versucht, ihre Fernsehsendung zu diskreditieren. Es ist einfach verrückt. Irgendwie fühlen wir uns alle bedroht.“
„Sie haben nichts zu verbergen?“
„Jeder hat seine Geheimnisse.“ Es gab vieles in ihrer Vergangenheit, das sie sich gern weggewünscht hätte.
„Im Internet wirken Sie absolut makellos sauber.“
Ihre Geheimnisse waren nichts für das Internet. Sie bestanden nur aus Trauer und Albträumen und der Schwierigkeit, noch einmal an so etwas wie ein trautes Glück zu zweit zu glauben. „Es ist schon verletzend, wenn man sieht, wie die eigenen Freunde leiden.“
„Ich gebe nicht auf, ehe dieser Bastard gefunden und gestoppt wird.“ Er ballte die Hände zu Fäusten.
Es waren große Hände. Starke Hände.
Und sie gingen so geschickt und behutsam mit dem schmalen Tablet um. Unwillkürlich stellte Natalie sie sich bei anderen behutsamen Bewegungen vor – und bei mehr. So viel mehr.
Die Überzeugung in seinem Ton war nicht zu überhören, und sie musste ihn dafür bewundern. Er war gekommen, um zu helfen, und die Stadt benötigte diese Hilfe dringend. Die Menschen hatten es verdient, von diesem Maverick befreit zu werden. Sie hatten so viel für sie getan. Hatten sie und ihre Kinder mit offenen Armen empfangen. Sie wollte dazugehören. Wollte etwas beitragen zur Lösung des Problems. Dafür kam nur eines in Frage …
Ehe sie sich umbesinnen konnte, sagte sie rasch: „Mr. St. Cloud – äh, Max – Sie können für die Zeit Ihrer Arbeit kostenlos in meiner Pension wohnen. Das ist mein Dank dafür, dass Sie der Stadt helfen.“
Sie mochte nicht über so viele Mittel verfügen wie manche andere in dieser wohlhabenden Stadt, aber sie hatte ihren Stolz, und sie konnte ihren Beitrag leisten. Für ein paar Tage oder auch Wochen konnte sie mit der Nähe dieses Mannes leben.
Außerdem war sie garantiert nicht sein Typ.
„Vielen Dank, Natalie. Das Angebot nehme ich gern an.“
Er lächelte.
Großer Gott! Dieses Lächeln! Es ging ihr durch und durch. Sie hatte schon gar nicht mehr gewusst, wie das war.
Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?
Max eilte zu seinem Leihwagen. Der Texas Cattleman’s Club war um 1910 gegründet worden. Das große, weitläufige Gebäude bestand aus dunklem Stein und Holz mit einem Schieferdach. Max registrierte es kaum, weil er mit seinen Gedanken bereits bei Chelsea war. Er musste unbedingt mit ihr über die Gespräche des Nachmittags reden.
Und er musste ihr sagen, dass er nun doch nicht bei ihr wohnen würde. Er schloss den Lexus SUV auf – er brauchte einen Wagen dieser Größe, um seine Ausrüstung zu transportieren.
Natalies Angebot hatte ihn vollkommen überrascht, aber er hatte nicht gezögert, es anzunehmen. Würde es seine Nachforschungen gefährden, wenn er eine Verdächtige verführte? Sicher.
Aber erfreulicherweise zählte Natalie nicht zu den Verdächtigen.
Max wählte Chelseas Nummer und schaltete die Freisprecheinrichtung ein. Dabei lenkte er den Wagen am Stall, dem Pool und dem Tennisplatz vorbei. Alles Annehmlichkeiten in top gepflegtem Zustand, die nur den Mitgliedern des Klubs offenstanden. Chels hatte ihm erzählt, dass ein Teil des Dachs und etliche der Außengebäude bei einem Tornado vor einigen Jahren stark beschädigt worden waren. Inzwischen war alles wieder hergerichtet, zum Teil sogar besser als zuvor.
Max hatte sich intensiv mit dem Klub befasst, da es sich bei allen Opfern dieses Mavericks ausschließlich um Mitglieder des TCC handelte. Für einen Klub, der fest in seinen Traditionen verankert war, hatte sich in letzter Zeit hier viel geändert. Es kam einer Sensation gleich, dass nun auch Frauen als Mitglieder aufgenommen wurden.
Er hatte gerade die Richtung zur Pension eingeschlagen, als Chelsea ans Telefon ging und sich meldete.
„Max“, begrüßte sie ihn erfreut. „Hallo! Wie ist die Faktensammlung gelaufen, nachdem ich gegangen bin?“
„Interessant … Bisher noch nichts Schlüssiges, aber viele Details, die ich mir genauer ansehen muss, sobald ich meine Geräte eingerichtet habe.“ Er war direkt vom Flughafen gekommen.
„Ich weiß gar nicht, wie ich dir dafür danken soll, dass du alles stehen und liegen lassen hast, um uns zu helfen.“
„Dafür sind Freunde doch da. Und wir kennen uns ja schon eine Ewigkeit. Ich stehe immer noch in deiner Schuld dafür, dass du mir gezeigt hast, wie man Messer und Gabel benutzt“, witzelte er, während er auf die Bremse trat, um einen Minivan aus einer Parklücke zu lassen. Sie hatte ihm wesentlich mehr beigebracht: Sie hatte ihm die Finessen des Umgangs mit den Kreisen der Gesellschaft gezeigt, die er brauchte, um seine Geschäftsidee umsetzen zu können.
Sie hatte ihn auch ermutigt, er selbst zu sein und sich von den gesellschaftlichen Schranken nicht einengen zu lassen. Sie war ja selbst auf ihre Art ein Original. In mancher Hinsicht waren sie wie Geschwister aus demselben Holz geschnitzt.
Langsam fuhr er an einem Schulhof vorbei, der von Kindern wimmelte, die ein idyllisches Leben in einer Normalität lebten, die so ganz anders war als seine damals. Erwachsene ließen die Kinder in einer Reihe stehen, damit die Eltern sie abholen konnten. Jedes kleine Gesicht drückte Vertrauen darüber aus, dass ein Elternteil oder sonst jemand pünktlich wie vereinbart erschien, um es abzuholen. Diese Kinder mussten sich ihr Essen nicht aus den Mülltonnen zusammensuchen.
„Aber du hast sicher Klienten, die mehr bezahlen – zumal du dies trotz unserer Angebote unentgeltlich machen willst.“ Sie seufzte schwer, und er sah förmlich vor sich, wie sie sich das dicke blonde Haar ungeduldig zurückstrich. „Du hättest einfach einen Angestellten schicken können.“
„Dies ist eine sensible Angelegenheit. Die Informationen, die dieser Bastard aufdeckt, verletzen dich und deine Freunde. Ich vertraue meinen Mitarbeitern, aber ich möchte, dass nicht mehr Menschen damit befasst sind als nötig.“ Dieser Kriminelle hatte Chels Freunde angegriffen. Er hatte sich in ganz persönliche Daten gehackt und Schmutz für Erpressungen gefunden. Es war alles dabei: Das Aufdecken eines unehelichen Kindes. Die Vortäuschung einer Affäre, um eine Ehe zu zerstören. Die Vortäuschung falscher Besitzverhältnisse. Nichts war vor diesem Maverick sicher, wenn es darum ging, einem angesehenen Bewohner der Stadt zu schaden.
„Danke.“ Chelseas Stimme bebte leicht.
Sie war immer eine offene, selbstsichere Person gewesen, und es machte ihn zornig, dass jemand sie derart aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.
„Du brauchst mir nicht zu danken, Chels. Ich bin immer für dich da, und ich werde alles tun, um diesem Spuk ein Ende zu machen.“
„Du bist ein guter Freund. Ich freue mich schon auf unsere Gespräche, wenn du hier bei mir wohnst.“ Er hörte förmlich das Lächeln in ihrer Stimme.
„Äh, ja … was ich noch sagen wollte … Ich wollte dir keine Umstände machen und daher habe ich mich für eine kleine Pension entschieden. Das Cimarron Rose.“
Für ein paar Sekunden herrschte Schweigen.
„Das ist das Haus von Natalie Valentine. Du hast heute mit ihr gesprochen, nachdem ich gegangen bin, richtig?“
Er wusste nicht so recht, wie er ihre Frage einschätzen sollte. War sie gekränkt? Erfreut?
Auf jeden Fall hatte er keine Lust, sich darüber auszulassen, dass diese Frau ihn faszinierte. Natalie mochte neu sein in der Stadt, aber sie war eindeutig überall sehr beliebt. Und er war alles andere als der nette Junge von nebenan. „Ja, ich habe heute mit Natalie Valentine gesprochen. Dadurch habe ich von ihrer Pension erfahren. Die Unterkunft scheint sehr gut für mich zu passen, da ich ja nicht weiß, wie lange ich bleiben werde.“
Er hatte sich im Internet etwas näher damit befasst, nachdem Natalie gegangen war. Das Cimarron Rose war weit von den luxuriösen Hotelsuiten entfernt, in denen er für gewöhnlich abstieg. Mit der breiten Veranda und den behaglichen Schaukelstühlen wirkte das Haus jedoch ausgesprochen gemütlich. Eine große alte Eiche im Garten spendete reichlich Schatten. Ein größerer Unterschied zu den Straßen seiner Jugend in LA war nicht vorstellbar.
„Das ist sehr schön, Max“, sagte Chelsea vorsichtig.
„Du bist mir nicht böse? Ich hätte wenigstens erwartet, dass du mich warnst, etwas mit ihr anzufangen – da du ja weißt, wer ich bin und wie ich bin. Sie ist eine Kriegswitwe mit zwei Kindern.“
„Natürlich kenne ich dich. Sehr gut sogar. Und ich weiß auch: Eines Tages wirst du aufhören davonzulaufen.“
Unbehagen machte sich in ihm breit. „Versuchst du, mich mit ihr zu verkuppeln?“
Sie lachte leise. „Es würde mir nicht im Traum einfallen, mich in dein Leben einzumischen.“
Er sah an seinem Navi, dass er sich seinem Ziel näherte.
„Ich dachte nur, du müsstest dich zu ihr hingezogen fühlen, wenn du dort wohnst“, fuhr Chelsea fort. „Du musst zugeben, dass das nicht die Art von Unterkunft ist, die du sonst vorziehst.“
Er durfte den Köder nicht schlucken. Dies ging nur ihn und Natalie etwas an. Und wer wusste schon, wohin es führte? Er wollte keinen Klatsch. „Natalie hat es angeboten.“ Die Erinnerung an den Moment ließ ihn lächeln. Offenbar hatte sie sich selbst überrascht, aber es war ihr Ernst gewesen. „Sie möchte helfen. Das gefällt mir. In der Pension habe ich eher als bei dir die Möglichkeit, am Puls der Stadt zu sein.“
„Also gut.“ Chelsea klang nicht überzeugt. „Du willst also dort wohnen, weil es bequem ist. Verstanden. Bist du sicher, dass es nicht mehr ist? Natalie ist nicht die Art Frau, auf die du für gewöhnlich stehst. Du solltest vorsichtig sein – in deinem eigenen Interesse.“
Sie machte sich Sorgen um seine Gefühle? Im Ernst?
„Wer hat gesagt, dass ich auf sie stehe?“, fragte er eine Spur zu schnell. Verdammt. Er bog auf den Parkplatz der Pension ein.
Nein. Dies war nicht seine übliche Unterkunft. Das weiße Haus mit der rotbraunen Zierleiste unter dem Dach wirkte warm und einladend neben der alten Eiche.
Sein Blick fiel auf Natalie. Ein Golden Retriever tanzte um sie herum und stupste ihren Sohn an. Ihre Tochter hatte sich an sie gelehnt und lachte über irgendetwas, während ihre roten Zöpfe flogen.
„Ich habe nur gesagt, dass ich in ihrer Pension wohnen werde. Sie hat mir ein Zimmer umsonst angeboten, als Dank für meine Hilfe bei der Suche nach diesem Maverick.“
„Hm, ja, okay, Max …“
Der Rest ihrer Worte rauschte an ihm vorbei, weil er den Blick nicht von Natalie wenden konnte. Sie hatte die mehlbestäubten Jeans gegen ein schlichtes Sommerkleid getauscht, das ihre Kurven umschmeichelte. Sie wirkte frisch. Gelöst. Das Haar fiel ihr weich auf die Schultern herab.
Sie schien seinen Blick zu spüren, denn sie sah zu ihm herüber. Ihm stockte der Atem. Es traf ihn wie ein Schlag. Es ließ sich nicht leugnen.
Er stellte den Motor ab. „Ich muss Schluss machen, Chels.“
Es wurde Zeit, seine neue Bleibe zu beziehen.
Und seine Vermieterin näher kennenzulernen.
Konzentrier dich! befahl Natalie sich und sah dabei in die dunklen Augen von Miss Molly, dem jungen Golden Retriever, dem innerhalb ihrer Familie eine ganz besondere Funktion zukam. Natalie wollte, dass ihr autistischer Sohn jede nur erdenkliche Hilfe bekam. Daher hatte sie eine Trainerin engagiert, um Miss Molly zu einem perfekten Autismushund zu machen, der viele Möglichkeiten hatte, ihrem Sohn zu helfen.
Aber nicht, wenn ihre Gedanken in Trainingseinheiten wie diesen immer wieder abschweiften! Autismushunde waren nicht nur auf ihre Hauptbezugsperson fixiert wie normale Assistenzhunde, sondern auch auf die Familienmitglieder. Das wusste Natalie, aber heute konnte sie sich nicht auf den Hund konzentrieren, weil ihr immer wieder das Bild von Max durch den Kopf schoss. Er hatte sie völlig aus dem Gleichgewicht gebracht, hatte die tägliche Routine durchbrochen, die sie seit dem Verlust ihres Mannes aufgebaut hatte. Diese Struktur des Tages gab ihr ein Gefühl der Stabilität und Macht.
Und nun tauchte Max auf. Ein großer, teuflisch gut aussehender Milliardär. Für einen Moment konnte Natalie gar nicht glauben, dass sie ihm tatsächlich angeboten hatte, in ihrer Pension zu wohnen. Unter ihrem Dach. Sie atmete tief durch und verdrängte ihn aus ihren Gedanken, während sie versuchte, die Bewegung zu imitieren, die Margie, die drahtige Hundetrainerin, gerade machte.
Das Motorengeräusch des SUV vermischte sich mit Lexies Lachen, als der Golden Retriever auf Natalies Befehl hin den Kopf zur Seite legte. Sie sah zur Straße hin und erblickte ihn auf ihrem Parkplatz: Max St. Cloud.
Obwohl sie ihn nur kurz gesehen hatte, hätte sie ihn sofort und überall wiedererkannt. Die Tür des schwarzen SUV ging auf, und er sprang heraus. Seine Stiefel wirbelten eine kleine Staubwolke auf.
Colby scharrte leicht mit dem Fuß auf dem Boden und riss sie damit aus ihrer Trance. Der Junge zerrte an seinem Hemd. Miss Molly schien sein Unbehagen zu spüren. Sie kam zu ihm und drückte ihm einen feuchten Hundekuss auf die Wange. Er lächelte leicht, aber seine Züge blieben angespannt.
Margie kniete sich neben den Hund und Colby. Sie sah zu Natalie hinüber. „Ein neuer Gast? Der Cyberdetektiv aus Seattle, richtig?“
„Genau, das ist er.“ Natalie meinte förmlich zu spüren, wie sich ihr Magen zusammenzog. Sie atmete tief durch und strich sich über das Haar, um etwas von ihrer Fassung zurückzuerlangen.
Er war ein Gast in ihrer Pension. Nichts weiter.
Das mussten sich die Schmetterlinge in ihrem Bauch endlich merken.
Und was sollte auch schon passieren, wenn ihre Kinder dabei waren?
Nichts, denn sie waren ihre ganze Welt.
Alexa, ihre kleine Tochter, die von allen nur Lexie genannt wurde, rannte zum Tor, das Max gerade öffnete. Sie zog an den Ärmeln ihrer leichten Jeansjacke und lächelte ihn an.
„Mister, willst du meinen Hund streicheln?“, fragte sie munter und deutete zu Natalie, Margie und Colby hinüber.
Natalie eilte zu ihrer Tochter und drückte sie an sich. „Lexie, Mr. St. Cloud hat einen langen Tag hinter sich. Er muss auf sein Zimmer gehen.“
„Auf sein Zimmer?“ Lexie sah sie mit großen Augen fragend an. „War er böse?“
„Nein, Süße, er war nicht böse.“ Auch wenn das Blitzen in seinen Augen verriet, dass er nichts dagegen hätte. „Er ist ein Gast, und wir müssen höflich zu ihm sein.“
„Ja, Ma’am.“ Die Kleine wandte sich an Max. „Hast du Hunger? Wir haben Brötchen, Mr. Cloud.“
Natalie wollte ihre Tochter zurechtweisen, aber er wehrte ab.
„Das ist schon in Ordnung, Natalie.“ Er ging vor der Kleinen auf ein Knie. „Ich mag Brötchen. Ich hoffe, du hebst mir eins zum Frühstück auf.“
Margie kam zu ihnen. Sie zupfte leicht an einem von Lexies Zöpfen. „Zeig ihm sein Zimmer, Natalie. Ich arbeite weiter mit Miss Molly und passe auf die beiden auf.“
„Danke, Margie. Das ist sehr nett von dir.“ Natalie war rot geworden. Margie tat während dieser Trainingseinheiten immer mehr, als sie hätte tun müssen. Wenn sie nicht gerade Hunde ausbildete, gehörte sie zu einem Rettungsteam. Sie war eine Frau in den Sechzigern und hatte ihr ganzes Leben damit verbracht, anderen zu helfen.
Margie winkte ab. „Geh nur, ich habe hier alles im Griff.“
Natalie nickte. Sie bedeutete Max, ihr zu folgen. „Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer, Mr. … äh, Max.“ Sie hatte sich nicht gleich daran erinnert, dass sie ihn beim Vornamen nennen sollte. Das gab dem Ganzen irgendwie einen familiären Touch, so als seien sie alte Freunde oder so etwas.
Es war ein gefährlicher Gedanke. Ein Gedanke, den sie sich nicht leisten konnte.
„Ihr Hund ist sehr freundlich, Ihre Tochter auch.“ Das Lächeln in seinem Ton fühlte sich echt an.
Sie öffnete die Tür zur Pension, und ihnen schlug sofort der Duft von Zimt entgegen. Natalie mochte diesen Duft, weil er etwas Anheimelndes hatte. Es war etwas, worauf sie sich konzentrieren konnte, statt auf den Mann an ihrer Seite.
„Ich entschuldige mich, falls sie zu aufdringlich war.“ Lexie konnte stundenlang ohne Unterlass reden.
Er blieb auf der Schwelle stehen und ließ den Blick umhergleiten. Sie folgte ihm und registrierte automatisch die kleinen Mängel des Hauses, die sie inzwischen zu lieben gelernt hatte. Wie zum Beispiel der hölzerne Knauf auf dem Treppengeländer, der sich gelegentlich löste.
„Dies ist eine Pension. Ich habe die familiäre Note erwartet.“ Er schloss die Tür hinter sich und ließ den Raum allein durch seine Anwesenheit gleich kleiner erscheinen.
„Es überrascht mich, dass Sie mein Angebot angenommen haben. Sie sind doch sicher bessere Unterkünfte als diese gewohnt“, sagte sie, während sie ihn den Korridor hinunterführte.
„Wollten Sie, dass ich ablehne?“ Er warf ihr einen Blick von der Seite zu.
Sie spürte seinen Blick, obwohl sie nach vorn sah. Sie kamen an der Tür zur Küche vorbei, einem ganz in Weiß und Gelb gehaltenen Raum, in dem sie sich die meiste Zeit aufzuhalten schien. „Ich hätte es nicht angeboten, wenn ich es nicht so gemeint hätte.“
Sie gingen die Treppe hinauf. Wandleuchter verbreiteten ein warmes Licht. Dieser Korridor erinnerte sie immer irgendwie an einen Roman aus einem vergangenen Jahrhundert. Das Cimarron Rose war kein großes Haus, aber dieser Gang weckte Assoziationen an ein Schloss.
„Brauchen Sie das Zimmer nicht für zahlende Gäste? Ich möchte Ihnen keinen Umsatz nehmen.“
„Ich habe noch ein anderes Zimmer frei, falls noch jemand kommt.“
„Tut mir leid, ich wollte Sie nicht in Ihrem Stolz verletzen.“ Es klang aufrichtig. Sein Blick fiel auf ein Bild, das einen Sonnenuntergang über einer Herde wilder Pferde in der Prärie zeigte. Sie hatte das Bild kurz nach ihrer Ankunft in Texas gekauft, weil sie sich diesen freien Tieren irgendwie verwandt fühlte.
„Alles in Ordnung. Sie wollen der Stadt und damit auch mir helfen. Ich möchte meinen Teil zu einem Dankeschön beitragen, und dies ist die einzige Möglichkeit, die ich habe.“
Er lachte. Ein volles, weiches Lachen. „Dann will ich das Zimmer – und die Brötchen – gern annehmen.“
Die Schmetterlinge in ihrem Bauch setzten zum Höhenflug an, als sie eine Braue in die Höhe zog und fragte: „Woher wollen Sie wissen, ob sie schmecken?“
„Ich habe meine Nachforschungen angestellt.“
„Lassen Sie sich nie von irgendetwas überraschen?“ Sie öffnete die Tür zu seinem Zimmer. Die späte Nachmittagssonne fiel durch das Fenster herein und warf einen Schatten über das Bett.
„Nicht, wenn ich es verhindern kann.“ Er lehnte sich gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust.
Sein Lächeln brachte sie vollends aus dem inneren Gleichgewicht. Es war, als tanzten tausend Funken zwischen ihnen in der Luft. „Ich muss wieder nach unten.“
„Zu Ihren Kindern.“ Er nickte.
Wenn sie sich jetzt einfach an ihn lehnte, was würde dann passieren? Die Idee war verführerisch.
Aber es war keine Idee, der sie nachgeben würde. Natalie gab sich einen Ruck. „Die Kinder sind bei der Hundetrainerin. Sie sind unter Aufsicht.“ Sie hatte nicht die Absicht, ihn spüren zu lassen, wie sehr er ihr unter die Haut ging. Sie war eine Geschäftsfrau. Nicht so wohlhabend wie er, aber ihre Arbeit war wichtig, und ihr Leben war ausgefüllt. „Ich muss mich wieder um meine Gäste kümmern. Lassen Sie es mich wissen, falls Sie etwas brauchen.“
Etwas blitzte in seinen Augen auf.
Verdammt! So hatte sie das nicht gemeint. Oder?
Wie auch immer: Es wurde Zeit, dass sie auf Distanz zu dieser muskelbepackten Verführung ging.
Max ließ sich auf die Bettkante sinken und sah sich um. Während der vergangenen Stunden hatte er den Raum in so etwas wie ein Computerlabor verwandelt. Auf dem alten Eichenschreibtisch, auf dem ursprünglich ein Globus aus den frühen 1900er-Jahren gestanden hatte, waren jetzt drei Monitore aufgebaut, ein Rechner und ein Keyboard. Noch waren die Geräte nicht verkabelt, aber der Aufbau war schon die halbe Miete.
Er holte eine Handvoll Kabel aus der Tasche und kroch damit unter den Eichentisch, um alles zu verbinden. Dies war die Grundvoraussetzung, um den Bastard zu finden, der die Stadt mit seinen grausamen Spielchen in Atem hielt. Es dauerte nicht lange, und er konnte den Rechner hochfahren lassen. Es kam Leben in die Geräte, und schon fühlte sich das Ganze für ihn mehr nach Zuhause an.
Während er darauf wartete, dass die Verbindung zum Internet hergestellt wurde, drehte er sich in seinem Schreibtischsessel. Die cremefarben gestrichenen Wände wurden geschmackvoll ergänzt von Braun- und Orangetönen in Vorhängen und Bezügen. Hinter dem Kingsize Bett hing eine alte Weltkarte an der Wand sowie eine alte Kamera und dekorative alte Koffer, die zusammen ein Reise-Ambiente bildeten.
Er warf einen Blick auf die Uhr und war schockiert. Der Aufbau seiner Geräte hatte tatsächlich ein paar Stunden gedauert. Es war schon fast Mitternacht. Er brauchte unbedingt noch ein wenig Bewegung an der frischen Luft.
Sein Blick glitt aus dem Fenster. Jemand saß auf der schmiedeeisernen Bank unter der alten Eiche.
Natalie.
Sie hatte ein Glas Wein in der Hand und wirkte so entspannt und natürlich wie eine Waldfee.
Da. Das war seine Gelegenheit. Er verspürte das dringende Bedürfnis, mit ihr zu reden. Ohne lange nachzudenken, ging er nach unten.
Leise schloss er die Tür hinter sich und ging über den Rasen zu ihr. Er wusste selbst nicht, was ihn dazu trieb. „Bekommen Ihre Gäste auch Wein?“
Ein Lächeln glitt über seine Züge, als sie sich suchend umsah. Endlich hatte sie ihn entdeckt und hob ihr Glas. „Ich weiß nicht, ob mein Wein aus dem Supermarkt Ihren Ansprüchen gerecht würde.“
„Was wissen Sie von meinen Ansprüchen?“ Er setzte sich zu ihr.
Natalie schob die Beine unter sich und drehte sich zu ihm herum. „Im Ernst? Jemand mit Ihrem Einkommen?“ Sie nippte an ihrem Glas und hielt es gegen das Licht des Mondes, als wollte sie die Nuancen erkennen. „Den würden Sie nicht nehmen.“
„Vielleicht wäre es nicht meine erste Wahl, aber das heißt nicht, dass ich nicht ein Glas genießen würde. Es sei denn, Sie hätten stattdessen ein Bier.“
Sie lachte leise. „Ich glaube, ich habe noch vier Flaschen von einem Sixpack im Kühlschrank. Die waren für Tom Knox, als er mit seiner Familie zu Besuch kam.“ Sie erhob sich.
Er umfasste ihr Handgelenk. „Sie brauchen mich nicht zu bedienen. Falls Sie nichts dagegen haben, wenn ich mich an Ihren Kühlschrank mache, heißt das.“
Sie setzte sich wieder. „Natürlich nicht. Ich bin wirklich froh, wenn ich einmal von den Füßen komme.“
Max begab sich in die Küche. Die Schränke waren weiß gestrichen und erinnerten irgendwie an die 1970er. Mitten auf dem Küchentisch stand als markanter Farbfleck eine lila Orchidee.
In dem gelben Kühlschrank fand er eine Reihe von Kartons mit Saft und diversen Snacks. Nach einigem Suchen entdeckte er das Bier in der hintersten Ecke und begab sich wieder nach draußen.
Als er Natalie am Nachmittag mit ihrer mehlbestäubten Jeans erlebt hatte, war sie ihm schon bezaubernd erschienen. Doch jetzt, im Licht des Mondes unter der alten Eiche wirkte sie fast überirdisch. Das Haar fiel ihr weich auf die schmalen Schultern herab.
Verdammt. Er hätte sich zwei Bier nehmen sollen. Aber nun wollte er nicht noch einmal zurückgehen. Er öffnete die Flasche und setzte sich wieder. Sie stießen an – sie mit ihrem Glas Wein und er mit der Flasche Bier. „Prost, Natalie. Auf die Lösung unseres Rätsels!“
„Auf hilfsbereite Millionäre!“ Sie lachte und nippte an ihrem Glas.
Er war Milliardär, aber er hatte nicht den Eindruck, dass ihm das sonderlich helfen würde, ihr näherzukommen.
War es denn das, was er wollte?
Ja, keine Frage. Im Moment wünschte er sich nichts sehnlicher, als sie zu küssen.
Er trank einen Schluck von seinem Bier.
Natalie erschien ihm jetzt entspannter und weniger zurückhaltend als am Nachmittag. „Freut mich, dass Sie das Richtige gefunden haben.“
„Hinter mehreren Packungen mit Saft.“
Sie lachte. „Tut mir leid. Ich hätte Sie warnen sollen.“
„Kein Problem. Sie sind eine Mom. Da gehört Saft wohl zum Alltag.“
Natalie nickte schweigend. Sie waren von einer kleinen Nachtmusik umgeben, Grillen zirpten. Gelegentlich fuhr eine leichte Brise durch die Blätter, und in der Ferne hörte man ab und zu ein Auto. Wie sie es liebte, um diese Zeit hier draußen zu sein. „Ihre Kinder sind wirklich nett. Ihre Tochter ist ein richtiges Plappermäulchen.“
„Ich glaube manchmal, dass sie das Schweigen ihres Bruders ausgleichen will.“ Sie drehte das Glas zwischen den Fingern. „Mein Sohn ist Autist.“
„Das tut mir leid.“ Spontan streckte Max seine Hand aus und legte sie auf ihre. Ihm fiel auf, dass sie seinen Druck erwiderte. Er zog seine Hand zurück und registrierte bedauernd das Fehlen ihrer Wärme.
„Ich bin nur froh, dass wir endlich eine Diagnose haben. Je früher man es erkennt, desto größer sind die Möglichkeiten, ihm das Leben zu erleichtern. Aber das gilt grundsätzlich natürlich für jedes Kind. Proaktive Erziehung.“
„Und Sie machen das alles allein.“
„Stimmt. Mir bleibt keine Freizeit. Das müssen Sie verstehen.“
„Sie sind eine wunderbare Mutter. Sie müssen sich dafür nicht entschuldigen.“ Noch ein Schluck Bier. Er versuchte, die Erinnerungen an seine eigene Kindheit weitestmöglich in den Hintergrund zu drängen. Er war sechs gewesen, als seine Mutter ihn verließ. Ohne Erklärung. Einfach so. Er landete bei der staatlichen Fürsorge, fand Pflegeeltern, aber immer nur auf Zeit. Nicht vermittelbar. So lautete das Urteil. Noch nach Jahren tat es weh.
„Wir trainieren Miss Molly, damit sie Colby unterstützen kann.“ Sie fuhr sich mit den Fingern durch das Haar.
Er lehnte sich unwillkürlich näher zu ihr. „Als Assistenzhund?“
„Im Prinzip, ja. Aber ein Assistenzhund hilft einem Menschen mit einer Behinderung. Er holt Dinge, die ein Rollstuhlfahrer nicht erreichen kann oder so etwas in der Art. Ein Autismushund hat mehrere Bezugspersonen, die Eltern und das autistische Kind. Zuerst lernt er alles, was ein Assistenzhund können muss, dann kommt die Spezialisierung dazu. Im Moment unterstützt Miss Molly meinen Sohn rein emotional. Sie hilft ihm, wenn er eine Panikattacke hat. Wir hoffen, dass sie ihn später auch in der Schule oder beim Einkaufen unterstützen kann. Außerdem ist Colby gut darin, einfach zu verschwinden. Wenn Miss Molly immer bei ihm ist, kann sie uns warnen. Sie bellt, wenn wir sie rufen.“
„Und wieso holen Sie sich keinen Hund, der dieses Training schon hinter sich hat?“
„Die Wartezeit liegt bei ein oder zwei Jahren. Wir hatten eigentlich keine Wahl, als es selbst in die Hand zu nehmen.“ Sie seufzte.
„Und Sie haben eine Lösung gefunden.“
Natalie, die Kämpferin. Natalie, die Frau, die nicht aufgab. Das bewunderte er.
„Natürlich. Wir haben uns an eine Trainerin gewandt und an Megan vom örtlichen Tierheim. Die beiden haben den Hund ausgesucht, dem sie das Potenzial für eine solche Aufgabe zutrauen.“
„Sehr beeindruckend.“
Sie biss sich auf die Unterlippe. „Es kann natürlich sein, dass Miss Molly nicht den Level erreicht, den wir anstreben. Das Risiko besteht bei jedem Hund. Aber sie hilft Colby schon jetzt, indem sie ihn beruhigt und immer in seiner Nähe ist. Wir sind verpflichtet, sie zu behalten, ganz gleich, wie weit sie im Training kommt.“
„Auch wenn Sie anfangen müssen, einen anderen Hund zu trainieren?“
„Ja, auch dann. Im Moment machen wir einfach einen Schritt nach dem nächsten, mehr können wir nicht tun.“
„Ich bewundere Sie sehr dafür, wie Sie das alles machen.“ Er nahm noch einen Schluck von seinem Bier und lauschte dem Zirpen der Grillen. Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich aus. Max sah, dass Natalie eine Strähne ins Gesicht geweht war. Er konnte nicht anders: Er streckte die Hand aus und schob das Haar zurück hinter ihr Ohr.
Natalie drehte den Kopf beiseite. „Ich glaube, wir sollten vorsichtig sein.“
„Was meinen Sie?“ Er wollte, dass sie es aussprach. Dass sie die Gefühle, die zwischen ihnen waren, beim Namen nannte.
„Ich habe Sie nur als meinen Gast eingeladen, nicht mehr.“
„Ich verstehe.“
„Ein Gefühl ist einfach nur ein Gefühl. Man muss nicht darauf reagieren.“
„Stimmt.“ Er stützte die Ellenbogen auf die Knie. „Ich weiß Ihre Großzügigkeit mit dem Zimmer sehr zu schätzen. Ihr Haus hat eine familiäre Atmosphäre, die man sonst selten findet. Und nun zurück zu Ihrem Hund. Ich würde gern mehr über das Training erfahren.“
Sie nippte an ihrem Wein. Sogar im schwachen Licht des Mondes konnte er erkennen, dass sie rot geworden war. „Sie sind einfach nur höflich“, sagte sie.
„Ich bin neugierig. Haben Sie vielleicht einen Blog, wo Sie die Entwicklung mit Miss Molly und Colby festhalten?“
„Wann sollte ich das machen? In meiner vielen Freizeit?“
„Es könnte anderen helfen. Ich könnte etwas für Sie einrichten lassen. Benutzerfreundlich. Sie würden überrascht sein, was für ein Echo Sie bekommen, wenn Sie noch Gastblogger dazunehmen wie Ihre Trainerin, Ihren Tierarzt und Menschen hier aus der Stadt.“ Er grinste. „Die virtuelle Welt ist ja nicht nur schlecht.“
„Wieso sollten Sie das für mich tun wollen?“
„Weil das, was Sie tun, wichtig ist. Ich helfe gern. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich mit meiner Zeit tun kann, was ich will. Ich muss mir keine Gedanken mehr um Geld machen. Es ist also wirklich kein großes Opfer. Ich werde einen meiner Leute bitten, sich mit Ihrer Trainerin zusammenzusetzen. Das wäre auch kostenlose Publicity für sie. So etwas kann man immer brauchen.“
Sie sah ihn überrascht an. „Das ist wirklich nett von Ihnen. Vielen Dank.“
„Ich tue es nicht nur, um nett zu sein.“
„Sondern?“
„Weil es eine gute Sache ist und …“, er konnte der Versuchung nicht widerstehen und rückte näher, „… und weil ich mich bei Ihnen einschmeicheln möchte, damit ich Sie küssen darf.“
Natalie drückte eine Hand gegen Max’ Brust. Eine feste, muskulöse Brust. Sie musste Abstand zu ihm gewinnen, wenn sie es schon nicht schaffte, einfach ins Haus zu gehen.
„Es ehrt mich, dass du mich küssen willst, aber das gehört nicht zum Service des Hauses.“ Sie war unwillkürlich zum vertrauten Du übergegangen. Im Nachhinein fiel es ihr auf, aber sie wollte nichts dazu sagen. Unter den Umständen war es wohl nur natürlich.
Er lachte leise, und seine Brust vibrierte unter ihrer Hand. „Das ist der netteste Korb, den ich je bekommen habe.“
Natalie musste in sein Lachen einstimmen. Dabei bemühte sie sich, sich auf die frische Herbstluft zu konzentrieren und nicht auf seinen herb-männlichen Duft. Oder darauf, wie die Schatten das Bad-Boy-Image unterstrichen. „Ich nehme an, du hörst nur selten ein Nein.“
„Noch ein Kompliment. Für eine Frau, die mich abblitzen lässt, machst du das sehr gut.“ Er sah ihr in die Augen. Auch er war zum Du übergegangen, aber es bedurfte wohl keines Kommentars.
„Du akzeptierst also mein Nein?“
„Nein ist Nein“, versicherte er ihr. „Aber du sollst wissen, dass das nichts an meinen Gefühlen ändert. Ich möchte dich gern küssen. Sehr sogar. Und falls du es dir anders überlegen solltest – ich bin ja noch eine Weile hier …“
Es wurde etwas dunkler im Garten. Die Sterne schienen heller, als die Lichter im Haus nach und nach verloschen. Die Gäste der Pension begaben sich zu Bett. Natalie sollte dasselbe tun. Sie sollte Max hinter sich lassen. Max und seinen durchdringenden Blick.
„Du gehst davon aus, dass das Verlangen beiderseits besteht.“ Es war eine schwache Verteidigung, sie wusste es selbst.
Er schwieg, ohne den Blick von ihr abzuwenden.
Sie seufzte und rollte die Augen. „Gut. Ich fühle mich auch zu dir hingezogen. Aber ich glaube, man muss nicht jedes Mal reagieren, wenn man solche Gefühle hat.“ Sie sah an ihm vorbei zur Straße. Ein Nachbar ging mit seinem Hund vorbei. Sie lauschte den Schritten auf dem Kies und war froh, eine Ablenkung von dem Mann an ihrer Seite zu haben.
„Richtig.“
„Du stimmst mir zu?“ Sie musterte ihn skeptisch.
„Ich akzeptiere deine Sichtweise so wie du meine. Wir fühlen uns zueinander hingezogen. Ich betrachte dieses Eingeständnis schon mal als einen großen Schritt in die richtige Richtung. Ich habe viel Geduld, besonders wenn es um etwas Wichtiges geht.“ Er beugte sich vor, und in seinen Augen stand ein teuflisches Lächeln. „Um etwas sehr Wichtiges.“
„Einen Kuss? Wirklich?“ Sie hatte noch nie einen Mann erlebt, der geduldig auf einen Kuss wartete.
Sein warmer Atem streifte ihre Wange. „Ich bin überzeugt, dass es ein wirklich atemberaubender Kuss wird.“
Er nahm seine leere Flasche und ihr Glas und ging ins Haus.
Natalie sah ihm nach. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie nah sie einander gewesen waren – und wie leicht sie der Versuchung hätte nachgeben können.
Er war nur ein Gast in ihrer Pension. Wenn sie das nur oft genug wiederholte, glaubte sie es vielleicht selbst.
Neben der Küche war das Atelier Natalies liebster Raum, weil sie dort kreativ sein konnte. Hier entstand alles – von ihren Kleidern bis hin zu den Accessoires, die sie in ihrem Laden im Courtyard verkaufte. Die kleine Einkaufspassage, die sich auf Kunsthandwerk spezialisiert hatte, war ein großer Hit in der Stadt und eine gute Quelle für ein zusätzliches Einkommen, mit dem Natalie ihr Budget aufbessern konnte.
Es war wirklich Glück, dass sich diese Tätigkeit mit ihrem Leben als alleinerziehender Mom vereinbaren ließ. Während im übrigen Haus Rot- und Gelbtöne vorherrschten – ein Tribut an den Sonnenuntergang in Texas –, war das Atelier heller und luftiger. Eine Wand war in hellem Grün gestrichen, die anderen cremefarben. Tüll, Spitze und Seidenstoffe lagerten auf einem Regal und warteten darauf, von ihr verarbeitet zu werden.
Natalie blätterte durch die halb fertigen Entwürfe von Brautkleidern, die auf ihrem gläsernen Tisch lagen. Dabei hätte sie fast das Arrangement blauer Hortensien umgestoßen, ihre Lieblingsblumen.
Der Raum selbst erschien ihr immer wie eine Art Märchenland. Ein Ort außerhalb ihres Alltags. Ein Ort, an dem sie die Trauer über den Verlust ihres Mannes vergessen und etwas Schönes schaffen konnte.
Dies war die Keimzelle ihres kleinen Unternehmens, für das sie maßgeschneiderte Brautkleider fertigte. Das Nähen begleitete sie schon ihr ganzes Leben, solange sie denken konnte. Ihre Urgroßmutter Elisa hatte ihr das Häkeln beigebracht, und irgendwann war dann das Nähen dazugekommen. Natalie hatte ihre Freude daran, ihre eigenen Kleider zu entwerfen.
Backen und Nähen war für sie immer ein Akt der Kreativität. Das waren nicht einfach Produkte, die sie verkaufte, sondern Teile ihrer Seele, die sie in die Welt schickte.
Während sie sich von dem Tisch abwandte, versuchte sie, nicht an den Mann zu denken, der im Moment das Zimmer über ihr bewohnte. Sie wollte sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Ihr Blick glitt über die Stoffe auf ihren drei Nähmaschinen. Dies hier war eine kleine Welt nur für sie.
Lächelnd betrachtete sie das fertige Kleid – ein Hauch von Spitze mit einem herzförmigen Ausschnitt. Perfekt für die Braut. Sie hatte das Rollo hinter der Couch heruntergelassen, auf der ihre Freundinnen saßen und Champagner schlürften. Ihre Silhouetten zeichneten sich deutlich ab, aber noch sollte das Kleid vor neugierigen Blicken geschützt sein. Erst die Braut selbst sollte es der Öffentlichkeit präsentieren.
Auch bei heruntergezogenem Rollo hatte sie hier Licht genug durch das große Oberlicht, das den Schein der goldenen Septembersonne hereinfallen ließ.
Mit dem Entwurf in der Hand ging Natalie zu den anderen. Emily Knox verdrehte soeben genießerisch die Augen, während sie in eine der frischen Apfeltaschen biss. Ein verzücktes Lächeln glitt über ihre Züge. „Du hast dich wieder einmal selbst übertroffen, Natalie“, seufzte sie hingerissen und griff nach ihrem Glas Champagner.
Natalie musste unwillkürlich an die Szene mit Max im Garten denken und daran, wie leicht es gewesen war, sich mit ihm zu unterhalten. Wie schnell er ihr Haus für sich vereinnahmt hatte, ihre Gedanken und ihr ganzes Leben.
„Aber das ist doch nichts weiter“, meinte Natalie abwehrend und griff mit der linken Hand in die Tasche, um nach dem Maßband zu suchen.
„Die Apfeltaschen sind wirklich ein Gedicht“, stimmte auch Brandee Lawless zu und betrachtete sich dabei im Spiegel. Ihr Kleid war noch nicht fertig.
Natalie hatte ein schlechtes Gewissen, als sie es betrachtete. Brandee war eine Mischung aus dem netten Mädchen von nebenan und einer Frau, die bereit war, für ihre Ranch und ihre Träume zu kämpfen. Sie wollte Shane Delgado heiraten, einen Rancher und Immobilien-Millionär.
Der Termin der Hochzeit rückte näher, und Brandees Kleid war noch mehr oder weniger im Rohzustand. Die klassische Linie schien das Richtige für diese Braut – und sehr viel weiter war Natalie mit ihren Ideen noch nicht gediehen. Der feine Seidenstoff legte sich über das festere Unterkleid. Natalie wollte mit Spitze arbeiten, wusste aber noch nicht genau wo und wie.
Brandee leckte sich einen Hauch von Zimtbrötchen aus dem Mundwinkel. „Ich hoffe nur, dass Max St. Cloud den Kerl findet, der hinter diesem Maverick steckt. Es ist doch wirklich abscheulich, was er den Menschen in dieser Stadt antut.“
Emily nickte, während sich ihre Züge verdunkelten. „Der Mensch muss so voller Hass sein. Bestimmt handelt es sich um etwas Persönliches. Das heißt, es könnte jemand sein, der uns nahesteht – das macht es umso erschreckender.“ Sie schluckte. „Aber zu versuchen, meine Ehe zu zerstören! Wie kann es sein, dass es einen Menschen gibt, der auf so viele von uns einen solchen Hass verspürt?“
Der Anonymus hatte Emily Fotos geschickt, die sie glauben lassen sollten, ihr Mann Tom betrüge sie mit Natalie. Jemand hatte Tom dabei fotografiert, wie er Natalie und ihren Kindern half. Die Fotos konnten den Eindruck erwecken, Tom habe heimlich eine zweite Familie. Tom hatte jedoch nur versucht, Natalie zu helfen. Es war eindeutig ein Fall von Schuldgefühlen gewesen, weil er überlebt hatte, während Natalies Mann im Krieg umgekommen war. Das Leben war mit ihnen allen sehr hart umgesprungen.
Jetzt waren Emily und Natalie sogar Freundinnen. Die Wahrheit und die Liebe waren doch stärker als der Hass.
Natalie umarmte Brandee vorsichtig, um sie nicht mit irgendwelchen Nadeln, die noch im Stoff steckten, zu piken. „Wir wollen nicht zulassen, dass dieser schreckliche Mensch uns noch einmal die Lebensfreude verdirbt. Wir können ihn oder sie im Moment noch nicht aufhalten, aber wir müssen dieses Negative nicht an uns heranlassen. Es gibt so viele Gründe zur Freude.“
Brandee nickte. „Habt ihr es schon gehört? Harpers letztes Ultraschallbild hat gezeigt, dass sie zwei Jungen bekommt. Wir bekommen wirklich einen echten Babyboom in der Stadt.“
Emily lachte. „Als Nächste bist du dran, Brandee. Darauf sollten wir uns freuen.“
„Du hast recht.“ Brandee strahlte. „Ich möchte jeden Moment bis zur Hochzeit genießen.“ Sie drehte sich auf dem kleinen Podest und erinnerte dabei an eine geschmeidige Balletttänzerin. Schon in dem erst halb fertigen Kleid strahlte sie die Schönheit einer glücklichen Braut aus.
Emily kam zu ihnen, wie immer den Fotoapparat um den Hals gehängt. „Auf die Freundschaft! Auf Hochzeiten und schöne Kleider!“ Sie hob ihr Glas.
„Es tut mir leid, dass das Kleid noch nicht fertig ist.“ Natalie rang die Hände, während sie den Blick über die Braut in spe gleiten ließ – und all das, was sie noch kreieren musste.
„Dies ist eine Maßanfertigung. Ich liebe die Vorstellung, später auf den Fotos verfolgen zu können, wie das Kleid Form angenommen hat.“ Brandees Augen leuchteten. „Es ist eine Metapher für das ganze Leben. Die Freude daran hört mit dem Hochzeitstag nicht auf.“
Plötzlich kämpfte Natalie mit den Tränen. Verdammt, für gewöhnlich hatte sie sich doch besser im Griff!
Emily ahnte, was in ihr vorging, und umarmte sie. „Oh, Gott, Nat, es tut mir leid.“
Natalie zwang sich, ein paarmal tief durchzuatmen. Das Mitgefühl der anderen machte es nur noch schlimmer, aber irgendwie gelang es ihr, die Tränen wieder hinunterzuschlucken. Sie löste sich aus den Armen ihrer Freundin. „Bitte nicht. Es ist jetzt fast ein Jahr her. Mein Leben geht weiter. Ich fange an, mich auch wieder an die schönen Zeiten zu erinnern.“
Ihre Reaktion auf Max war ihr einerseits eine Erleichterung, weil es bewies, dass sie dabei war, wieder ins Leben zurückzukehren. Andererseits stimmte es sie vorsichtig, weil sie zuerst einmal herausfinden musste, ob sie wirklich bereit war.
Brandee drückte Natalie ermutigend die Hand. „Du bist unglaublich.“
Natalie lachte leise. „Ich wollte, es wäre so. Aber vielen Dank. Es macht mich wirklich glücklich, diese Kleider zu nähen.“ Sie brauchte keinen Mann. Sie brauchte Max nicht, um glücklich zu sein, denn sie war auch so glücklich mit dem Leben, das sie sich aufgebaut hatte.
„Du sagst, das Leben geht weiter … Hat es vielleicht etwas damit zu tun, dass Max St. Cloud hier wohnt?“ Brandee wechselte einen Blick mit Emily, die ihr noch einen Champagner einschenkte.
Natalie machte sich ein paar Notizen – nicht, weil es nötig gewesen wäre, sondern weil es leichter war, als ihren Freundinnen in die Augen zu sehen.
„Wieso? Er ist einfach nur ein Gast wie alle anderen. Er wohnt hier, solange er der Stadt hilft.“ Natalie hoffte inständig, dass sie nicht rot wurde.
Brandee schnaubte lachend. „Im Ernst? Ich habe euch im Garten mit den Kindern spielen sehen und als ihr hier im Korridor aneinander vorbeigegangen seid. Bei euch sprühen doch spürbar die Funken.“ Sie wandte sich an Emily. „Habe ich recht?“
Emily schenkte sich nach. „Ich hatte schon Angst, die Funken versengen mir das Haar …“
Natalie verkniff es sich, das Offensichtliche zu bestreiten. Sie ging zur Nähmaschine. „Er ist ein attraktiver Mann, Emily.“ Während sie zu arbeiten begann, hoffte sie, dass das Geräusch der Maschine das Gespräch wenn nicht beenden, so doch in eine andere Richtung lenken würde.
„Und du bist eine attraktive Frau.“ Emily zeichnete mit beiden Händen Natalies Konturen in die Luft.
Natalie ließ sich zurücksinken. „Ich bin eine müde, überarbeitete Mom.“
„Hmmm …“ Brandee klatschte in die Hände. „Vielleicht solltest du dir einen Tag im Spa gönnen.“
Natalie sah sie empört an. „Ich habe nicht die Absicht, mich für einen Mann aufzubrezeln.“
Brandee schüttelte missbilligend den Kopf. „Tststs. Keine Widerrede. Ich mache dir einen Termin für nächste Woche. Das ist für dich. Für niemanden sonst. Du hast es verdient.“
Emily lächelte wissend. „Und falls es dir noch nicht aufgefallen ist. Du hast seine Aufmerksamkeit schon erregt.“
Natalie sprang auf. „Ich hole uns noch ein paar Zimtbrötchen und etwas zu trinken, ohne Alkohol.“
Rasch begab sie sich in die Küche und setzte einen Zitronensaft mit viel Eis an. Plötzlich hörte sie ein gleichmäßiges, leises Geräusch. Unverkennbar ein regelmäßiges Tropfen. Irgendetwas am Abfluss leckte. Noch etwas, worum sie sich kümmern musste, nach der Anprobe mit ihren Freundinnen.
Als Natalie ins Atelier zurückging, fiel ihr Blick aus dem Fenster.
Max.
Und nicht nur Max. Er saß an dem rosa und weiß gestrichenen Kinder-Picknicktisch Lexie gegenüber. Das kleine Schnatterlieschen tat so, als servierte sie ihm Tee. Sie hatte ihm gerade eine lila Federboa gereicht, die Max sich gutmütig um die Schultern legte.
Natalie schluckte. Probleme.
Vielleicht brauchte sie keinen Tag im Spa. Vielleicht brauchte sie einfach den unansehnlichsten Kartoffelsack, der für Geld zu haben war. Und einen Keuschheitsgürtel gleich dazu.
Die vergangenen drei Tage hatte Max im Texas Cattleman’s Club verbracht. Der Beginn einer Untersuchung war immer gleich. Viele Gesichter, viel Gerede, viel Papier. Für Max war diese erste Phase immer gleichermaßen frustrierend wie faszinierend.
Alle potenziellen Möglichkeiten taten sich vor ihm auf, als er mit den führenden Köpfen der Stadt sprach. Er musste alle Antennen ausfahren, um häppchenweise an die interessanten Informationen zu kommen. Musste sie analysieren. Musste sie von verschiedenen Seiten bestätigt bekommen, bis sich so etwas wie eine Spur offenbarte.
Nach einem langen Mittwoch, an dem er nichts weiter getan hatte, als die Dateien des Texas Cattleman’s Club durchzusehen, brauchten seine Augen endlich Ruhe. Er sehnte sich nach Hause.
Nein. Er korrigierte sich selbst. Er sehnte sich nach dem Bett in seinem vorübergehenden Domizil. Das Thema seines ganzen Lebens. Ein richtiges Zuhause hatte es für ihn nie gegeben, und diese staubige kleine Stadt qualifizierte sich auch nicht dafür.
Die Fahrt zurück zur Pension nahm er nur vage wahr. Die Blätter der Bäume verfärbten sich von leuchtendem Grün zu Gelb. Die Straßen waren fast leer. Das gab dem Ganzen irgendwie etwas Unwirkliches. Zeitloses. Seit seiner Ankunft in der Stadt wirkte sein Leben überhaupt wie auf den Kopf gestellt. Seine Erfahrungen in der Pension waren überraschend, gelinde ausgedrückt. Nicht nur wegen einer gewissen rothaarigen Granate von Frau, die ihn zum Dahinschmelzen brachte. Es überraschte ihn auch, wie sehr er sich zu den beiden Kleinen hingezogen fühlte. Für gewöhnlich mied er den Kontakt mit Kindern, aber nun lebte er mit zweien unter einem Dach.
Er hätte genervt sein sollen. Oder ihnen aus dem Weg gehen. Auf jeden Fall keine Teepartys mit ihnen feiern! Er musste über sich selbst lachen, als er daran dachte, wie Lexie sich ihm angenähert hatte. Ihre Einladung zu einer Tasse Tee war so ernst gewesen. Fast feierlich.
Innerhalb kürzester Zeit hatte die zweijährige Lexie – die die Augen ihrer Mutter geerbt hatte – es dahin gebracht, dass er Wachs in ihren Händen war. Wie hatte sie sich gefreut, als er sich ihre Federboa umgelegt hatte!
Es sah so aus, als wäre der vierjährige Colby härter zu knacken. Konnte ein Kind in dem Alter so grüblerisch sein? Dieser Junge war es. Wie weit war es dem Autismus zuzuschreiben und wie weit der Persönlichkeit? Max war sich nicht sicher, aber irgendwie fühlte er eine Seelenverwandtschaft mit dem Jungen, der einen Hang zur Technik zu haben schien. Es zeigte sich bei seinen Videospielen und überhaupt bei seinem Verständnis für den Computer.
Aber die Seelenverwandtschaft ging tiefer. Obwohl ihre Erfahrungen grundsätzlich andere waren, wusste Max, wie es war, ein Außenseiter zu sein. Während er zum Haus ging, überlegte er, was er für den Jungen tun könnte. Er wollte sich etwas einfallen lassen. Etwas, das ihm einen Zugang zu dem Kleinen eröffnete.
Im Moment war sein größeres Problem allerdings, mit seiner Reaktion auf Natalie fertig zu werden. Mit der Erregung, die ihn jedes Mal befiel, wenn sie hereinkam. Es genügte schon, dass er sie an ihrem Arbeitstisch sah, wenn sie an einem neuen Design für ein Brautkleid arbeitete. Daher hatte er sich so etwas wie eine Auszeit gegönnt und sich in den vergangenen drei Tagen ausschließlich um den Fall gekümmert.
Jetzt wollte er auf sein Zimmer gehen, um die letzten Interviews durchzugehen und einige Daten, die er sich vom PC des Klubs gezogen hatte.
Als er auf den Parkplatz einbog, bemerkte er, wie still alles war. Viele der Wochenendgäste waren abgereist, sodass er weitgehend allein geblieben war.
Er drückte gerade die Klinke der Haustür herunter, als ein Schrei an sein Ohr drang. Natalie! Er ließ alles stehen und liegen und rannte in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.
Angst befiel ihn. Was war passiert?
Dann war noch etwas zu hören: lautes Kreischen. Lachen. Vielstimmiges Gelächter. Seine Panik legte sich, aber er konnte nicht anders – er musste sehen, was los war.
Das Lachen wurden lauter, als er sich der Küche näherte.
Nichts hatte Max auf den Anblick vorbereitet, der ihn hier erwartete. Der ganze Boden stand unter Wasser, und noch mehr Wasser kam unter der Spüle hervor. Lexie spritzte dramatisch damit herum, in einer Mischung aus Planschen und Ballett. Ihre Freude brachte sogar den sonst so zurückhaltenden Colby in Bewegung. Miss Molly umkreiste die beiden, bellte dabei laut und wedelte mit dem Schwanz.
Natalies Lachen ließ das Problem weniger als Katastrophe erscheinen denn als einen großen Spaß. Ihr T-Shirt war wasserdurchtränkt, und das Haar klebte ihr am Kopf. Ihre grünen Augen strahlten. Sie war ebenso entspannt wie vor Abenden draußen unter der Eiche.
Unglaublich.
Ganz gleich, ob sie mit Mehl bestäubt war, ob er sie in Mondlicht getaucht sah oder von Wasser durchnässt – Max fühlte sich immer zu ihr hingezogen.
Es fühlte sich falsch an, in diese familiäre Idylle einzudringen. Er hätte vielleicht ewig so unbemerkt in der Tür stehen bleiben können, wären nicht hinter ihm Stimmen laut geworden.